Kitabı oku: «Hot kisses and a gun», sayfa 3
Kapitel 4
»Da kommt unser berühmter Schauspieler ja endlich!«, rief Freddy viel zu laut.
Charlie nahm auf der halbrunden Couch Platz, auf der seine Freunde bereits auf ihn warteten. »Tut mir leid, dass ich so spät dran bin. Ich habe die Zusage für eine Rolle bekommen und wollte mich darauf vorbereiten.«
»Was stellst du dieses Mal wieder an, damit du ganz in deinen Charakter schlüpfen kannst?«, fragte Harrison. Seine Augenbrauen hoben sich spöttisch. »Trägst du bis zum Abdrehen des Films nur noch ein Clownskostüm?«
»Nur weil du Method Acting nicht verstehst, musst du keinen Blödsinn quatschen. Marlon Brando hat damit große Erfolge erzielt.« Charlie winkte dem Kellner.
Freddy lachte leise. »Und bis du deinen ersten Preis abgeräumt hast, werden wir dich damit aufziehen«, stellte der Buchhalter klar. »Welche Rolle übernimmst du im neuen Film?«
Da Charlie bereits wusste, wie die Reaktion ausfallen würde, seufzte er leise. »Einen schwulen Cowboy.« Um es schnell hinter sich zu bringen, verriet er den Filmtitel auch gleich. »Der Streifen wird ›Riding the bull‹ heißen.«
Die zwei Männer, die sich seine Freunde schimpften, lachten dreckig. Ihr Gesichtsausdruck machte klar, in welche Richtung ihre Gedanken wanderten. Sie drei kannten sich seit seiner Anfangszeit in Hollywood. Freddy kümmerte sich darum, dass die Drehkosten nicht das Budget sprengten. Harrison assistierte den Kameramännern. Dank ihnen erfuhr Charlie all die kleinen, angeblich unwichtigen Dinge, die andere Schauspieler nie zu hören bekamen. Dank seiner Freunde konnte er Lösungen für Probleme bieten, von denen seine Kollegen noch gar nichts wussten. Dank ihnen war er beim Film gefragt. Ihre Freundschaft rettete ihn allerdings nicht vor ihnen plumpen Kommentaren.
»Das klingt ja spannend«, sagte Harrison. Seine Augen blitzten. Nur mit Mühe konnte er ein Lachen unterdrücken. »Ich habe von dem Projekt gehört, als es noch anders hieß. Die Änderung hat es nicht besser gemacht, aber durch den neuen Regisseur wird der Film deutlich humorvoller. Dafür finde ich den Titel schon ganz passend. Ich freu mich drauf, dich auf dem Bullen zu beobachten.«
»Dann kommst du gerade von einer Übungsstunde für das Bullenreiten?«, fragte Freddy.
»Nein, ich habe eine Farm besichtigt, auf der ich in den nächsten Monaten leben werde.« Charlie konnte endlich beim Kellner ein Bier bestellen und wartete dann auf die Witze, die auf seine Erklärung mit Sicherheit folgen würden.
Harrison schüttelte den Kopf. »Du übertreibst es immer. Statt Reitunterricht zu nehmen und ein paar Runden auf einem mechanischen Bullen zu drehen, legst du dir gleich eine ganze Farm zu?«
»Ich habe bloß das Haupthaus angemietet. Die Farm selbst wird von der Nachbarfamilie geführt. Ich kann mir ein Bild machen, in das Leben eines Cowboys schnuppern und halse mir gleichzeitig keine Arbeit auf.«
»Wer genug Geld auf der hohen Kante hat, kann sich so eine unnötige Extravaganz natürlich leisten«, warf Freddy ein. »Ich hoffe, du vergisst nicht, dass du einen Teil deines Vermögens uns und unseren Tipps verdankst. Hätte ich dir nicht zu ein paar guten Investitionen geraten, würdest du immer noch in der kleinen Wohnung in der Nähe des Bahnhofs hausen.«
»Schon klar. Die nächste Runde geht auf mich.« Charlie bat den Kellner um drei Bier, nachdem seine erste Flasche vor ihm abgestellt worden war. »Als drei der wenigen offen Schwulen beim Film müssen wir zusammenhalten.« Grinsend prostete er ihnen zu.
Er wusste, dass er es ohne diese beiden Männer nicht so weit gebracht hätte. Ein Glück, dass sie ihre Freundschaft niemals mit romantischen Gefühlen in Gefahr gebracht hatten. Damit hätten sie sich ihr Leben unnötig schwer gemacht. In diesem Laden waren sie drei von vielen. Beim Film, wo jeder für gute PR morden würde, ging fast niemand das Risiko ein, sich durch sein öffentliches Outing angreifbar zu machen. Es hatte einen Grund, weshalb sie sich in der Anonymität und Abgeschiedenheit des Iron Alexanders am Rande der Stadt trafen und nicht in einem der angesagten Clubs, in denen sich die großen Namen der Filmbranche sehen ließen.
Er fühlte sich ehrlich gesagt auch verdammt wohl in diesem Laden. Die Musik, die gespielt wurde, hatte so gar nichts mit dem zu tun, was er früher auf der Bühne vorgetragen hatte. Das Innere des in grauen Abstufungen eingerichteten Clubs war gerade schmuddelig genug, um sich hier zuhause zu fühlen, aber nicht einziehen zu wollen. Es war dunkel genug, um eine stimmungsvolle Atmosphäre zu erzeugen, aber hell genug, um nicht versehentlich mit der falschen Sorte Mann heimzugehen.
»Zurück zu der Farm«, sagte Freddy. »Du weißt, dass du die Kosten dafür zumindest teilweise von der Steuer absetzen kannst? Schick mir den Mietvertrag, dann werde ich überprüfen, wie wir die Sache am besten drehen.«
»Eine gefährliche Idee. Ich will schließlich nicht, dass du einen Herzinfarkt bekommst, wenn du die Details liest.« Charlie hob einen Mundwinkel.
Die Stirn seines Freundes runzelte sich. »Wie groß ist diese Farm denn? Soweit ich weiß, steht der Cowboy in dem Film kurz vor der Pleite.«
»Wenn sich die Dreharbeiten zu lange hinziehen, könnte mir das auch blühen.« Natürlich war das eine maßlose Übertreibung.
»Falls du jemanden brauchst, der dich während der Proben daheim filmt, ziehe ich zu dir«, schlug Harrison vor. »Ich kenne deinen exquisiten Geschmack. Diese Farm hat mit Sicherheit einigen Luxus zu bieten.«
»Ganz so exklusiv, wie du dir vorstellst, ist meine neue Behausung auch wieder nicht. Ich möchte mich schließlich in realistischem Umfeld auf die Rolle vorbereiten. Klar ist die Farm weit größer, als es die im Film sein wird. Allerdings habe ich darauf geachtet, das Luxuslevel anzupassen. Es gibt keinen Pool, kein Spa, keine Bediensteten. Das heißt, eine Haushälterin habe ich schon engagiert. Und auf der Terrasse steht ein kleiner Whirlpool. Nicht mal in den Boden versenkt.«
»Pft, eine Frechheit. Dass du dich für so etwas überhaupt hergibst!« Harrison grinste.
Freddy fand die Beschreibung nicht zum Lachen. »Ich bin nicht für deine Finanzen zuständig – zum Glück. Trotzdem will ich dich davor warnen, es nicht zu übertreiben.«
Charlie zuckte mit den Achseln. »Man bezahlt mich gut.« Zumindest das sprach dafür, weiter Filme zu drehen, die zwar Publikum anlockten, aber vermutlich niemals einen Oskar erhalten würden.
»Ich habe eindeutig den falschen Job gewählt«, beschwerte sich Freddy. »Meine Arbeit ist nicht weniger wichtig als deine. Trotzdem wirft mir niemand Geld hinterher.«
»Weil ich dafür sorge, dass der Film hohe Einnahmen macht, du aber dem Regisseur meist nur Steine in den Weg legst.«
»Das stimmt allerdings auch wieder.«
Harrison schwieg. Das Geplänkel hatte seine Aufmerksamkeit verloren. Mit gerunzelter Stirn sah er Richtung Tresen.
Charlie folgte seinem Blick. Dann war auch seine Neugierde geweckt.
»Was ist dort drüben los?«, fragte Charlie und deutete mit dem Kopf auf eine Ansammlung von Kerlen, die sich an einer bestimmten Stelle der Bar um irgendjemanden zu scharren schienen. Hatte jemand den Fehler gemacht, einen der Stammkunden zu provozieren?
»Ein Neuer«, berichtete Freddy. »Der Kerl ist kurz nach uns reingekommen. Ich habe gehört, dass er seltsame Fragen stellt. Die Geier stürzen sich bereits auf ihn. Er hat gar keine Chance, ohne Anhang hier rauszukommen.«
Charlie streckte sich, um einen Blick auf den Mann werfen zu können, der die Aufmerksamkeit der alten Hasen auf sich gezogen hatte. Frischfleisch hatte die Angewohnheit, hier drinnen fast zerrissen zu werden, weil jeder ein Stück von der Unschuld abhaben wollte.
Mehr als einen braunen Schopf konnte er nicht erkennen. Der Mann schien mit mehreren Männern gleichzeitig zu diskutieren, die alle etwas von ihm wollten. Um einen hässlichen Typen dürfte es sich also nicht handeln.
»Trevor hat sich schon in ihn verbissen«, berichtete Harrison, der die bessere Sicht auf die Szene hatte. »Der Kleine tut mir sogar ein wenig leid. Bestimmt hatte er keine Ahnung, was ihn hier erwartet.«
»Auf welche seltsamen Fragen von ihm hast du vorhin angespielt, Freddy?«, wollte Charlie wissen.
»Ein anderer Besucher hat sich am Tisch nebenan lautstark über ihn beschwert, weil er sich nach komischen Dingen erkundigt hat. Ob hier immer die gleichen Leute wären. Wie oft man sich hier träfe. Ob es irgendwelche Regeln gäbe, wenn man jemanden kennenlernen wolle. Vielleicht ist er auf der Suche nach einem alten Bekannten oder ein wenig Abwechslung.«
Oder versuchte er, etwas über die Szene zu erfahren? Möglicherweise ein unerfahrener Journalist, der Material für eine Story suchte. Seit man Homosexualität als brandaktuell bezeichnete, tauchten hin und wieder solche Aasfresser auf. Und Kerle, die plötzlich ihre Sexualität hinterfragten und sich einen Überblick über das Angebot verschaffen wollten.
Charlie schüttelte den Kopf. »Oh, Mann. Trevor hatte bereits zu viel und geht auf Tuchfühlung. Seht ihr, wie er den armen Kerl betatscht?« In diesen Genuss war er ebenfalls schon mal gekommen, als er bei einem seiner ersten Besuche hier nicht vorsichtig gewesen war. Damals hatte ihn jemand vor dem zudringlichen Alkoholiker gerettet. Aus einem Impuls heraus beschloss er, dem Neuen den gleichen Gefallen zu tun.
»Entschuldigt mich kurz«, sagte er und stand auf. »Ich muss mal kurz den Helden spielen.«
Seine Freunde lachten, ließen ihn aber kommentarlos ziehen.
Mit schnellen Schritten überwand Charlie die Entfernung zu dem Fremden. »Entschuldigung«, knurrte er mit genug Aggression in der Stimme, damit ein paar Kerle zur Seite auswichen. »Lasst mich mal durch.«
Einige der Männer murmelten Beschwerden, die er ignorierte. Charlie musste Trevor zur Seite schieben, um zu dem Neuen vorzudringen. »Nimm die Finger von ihm, Trevor«, befahl er noch. Dann hatte er freie Bahn.
»Hey, Kleiner«, sprach er den Mann an, der ihm den Rücken zuwandte. »Zeit, dein trotziges Schweigen zu beenden und endlich zurück zu uns an den Tisch zu kommen, damit wir diese Diskussion beenden können.«
Der Fremde drehte sich auf dem Hocker um. In seinem Blick lag ein fragender Ausdruck. Das war nicht der Grund, weshalb Charlie fast die Luft wegblieb.
An der Attraktivität des Neuankömmlings hatte er nach dem Aufruhr, den der Mann verursacht hatte, nicht gezweifelt. Doch der Typ war nicht bloß hübsch. Sein Gesicht war perfekt. Gemacht, um von Plakaten für Unterwäsche und von Filmpostern herunterzulächeln. Charlie verstand, warum jeder hier ihn haben wollte. Dieser Kerl schrie förmlich nach Schwierigkeiten, doch diesen Fehler beging man mit einem Lächeln auf den Lippen.
Das Schweigen dauerte nun schon ein wenig zu lange an. Charlies fasziniertes Starren hatte wohl nicht gerade hilfreich gewirkt, um dem Frischfleisch klarzumachen, dass von ihm keine Gefahr drohte.
Hoffentlich reagierte der Fremde auf Charlies Rettungsring. Unbewusst bereitete Charlie sich bereits darauf vor, sich maßlos zu blamieren, dann verschwand der irritierte Ausdruck aus dem Gesicht des Fremden. Das fragende Stirnrunzeln wurde von einer Sekunde auf die andere zu einem verärgerten.
»Wieso sollte ich jetzt schon bereit sein, dir zu vergeben?«, fragte der freche Kerl mit einer angenehmen, tiefen Stimme. Aus seinen Worten war kein Akzent herauszuhören, aus dem man auf seine Herkunft schließen konnte. Er war ein Mann, der an sich arbeitete, um vorwärtszukommen, der etwas aus sich machen wollte. Was hatte er also hier verloren?
»Weil ich dir eine Möglichkeit biete, dich aus der Scheiße zu holen, in die du dich geritten hast. Ehrlich, Kleiner, dieses Mal bist du zu weit gegangen.«
Der Fremde zuckte mit den Schultern. »Möglich. Das ist aber kein Grund, mich vor den anderen runterzumachen. Niemand ist perfekt.«
Charlie schnaubte. Wieso kam der Kerl nicht endlich mit an den Tisch? Musste er dafür ein Theaterstück aufspielen? »Ein Glück, dass du so hübsch bist, Bursche, sonst hätte ich dich schon längst abgeschossen.« Drohend kniff er die Augen zusammen.
»Schön, dann bekommst du eben wieder einmal deinen Willen.« Der Fremde stand auf und folgte Charlie an den Tisch, wo Freddy und Harrison ihnen neugierig entgegensahen.
Charlie wartete, bis sie sich gesetzt hatten. Die anderen beobachteten sie immer noch interessiert. Es galt, möglichst unbefangen zu wirken.
»Kein Dankeschön?«, fragte Charlie, ein Lächeln auf den Lippen, obwohl er sauer war. »Ich hätte gedacht, dass du froh sein würdest, von mir gerettet zu werden.«
»Für deinen Beistand bin ich dir auch dankbar. Meine Vorstellung musste trotzdem glaubwürdig aussehen. Selbst eine harmlose Lüge darf nicht halbherzig ausgesprochen werden.«
»Sagt wer?«, brummte Charlie, der es bereute, überhaupt eingeschritten zu sein. Der Fremde benahm sich nicht, als wüsste er die Geste zu schätzen.
»Marcus sagt das«, gab der viel zu gutaussehende Mann als Antwort. Er streckte seinen Arm aus, bevor ihm klar wurde, dass sich ihre Geschichte in Rauch auflösen würde, wenn sie sich die Hand schüttelten.
»Sehr erfreut, dich kennenzulernen.« Freddy strahlte den Neuankömmling an und betonte das Wort sehr etwas zu stark. Dann nannte er seinen Namen.
Charlie rollte nur mit den Augen, als sich auch Harrison vorstellte und unangebracht angetan von ihrem Gast wirkte. Sahen die beiden denn nicht, dass sie ohnehin keine Chance bei ihrem Schwarm hatten? War ihr Radar von dem blendenden Aussehen des Kerls gestört?
»Und wie heißt du?«, fragte Marcus und sah Charlie direkt an.
»Charlie.«
»Ich nehme an, dass ihr drei öfter hier seid. Bestimmt kennt ihr die meisten Anwesenden.«
Mit einem Brummen bestätigte Charlie die Aussage, bevor er beschloss, dem Mann eine Chance zu geben, sich zu erklären. Besonders für seine Neugierde wollte Charlie eine Begründung hören.
»Offensichtlich hast du heute das erste Mal den Iron Alexander betreten. Du benimmst dich wie ein Elefant im Porzellanladen. Verhältst du dich auch in deinem Stammlokal so unbeholfen?«
Verärgerung zeigte sich für eine Sekunde auf dem Gesicht ihres Gastes, bevor er wieder eine höfliche Miene aufsetzte. »Ich falle normalerweise nicht so sehr auf wie hier.«
Freddy lachte auf. »Das kauft dir niemand ab. Wer so aussieht wie du, zieht überall alle Aufmerksamkeit auf sich.«
Marcus errötete. »Danke für dieses Kompliment. Ihr drei gebt aber auch ein attraktives Gespann ab. Seid ihr drei …?«
Obwohl Charlie wusste, worauf der andere hinauswollte, spielte er den Ahnungslosen. »Sind wir drei was?«
Das Rot auf Marcus’ Wangen vertiefte sich. »Seid ihr zusammen?«
Harrison prustete los. »Nein. Wir sind bloß Freunde, die miteinander abhängen. Würde dir die Vorstellung von uns dreien in Aktion gefallen?«
»Jeder kann tun und lassen, was er möchte«, gab Marcus zurück. »Seid ihr alle drei vergeben?«
»An wem von uns drei hättest du denn Interesse?«, erkundigte sich Freddy. »Ich meine, wenn dich das mit dem Vierer anmacht, müssten wir überlegen, wie wir dir deinen Traum erfüllen können. Für Experimente sind wir alle zu haben.«
Charlie fand, dass es nun doch reichte. »Lasst ihn in Ruhe. Ganz offensichtlich fühlt er sich überfordert von deiner erotischen Ausstrahlung, Freddy. Wenn du ihn durchschnaufen lässt, gibt er dir vielleicht noch eine Chance.«
Marcus räusperte sich. »Also, was das betrifft …«
»Ja?«
»Ich bin nicht auf der Suche. Ich wollte lediglich einen interessanten Abend in angenehmer Gesellschaft verbringen. Vielleicht erzählt ihr mir einfach ein wenig von euch. Trefft ihr euch regelmäßig? Unternehmt ihr auch etwas mit euren Partnern als Gruppe? Oder trennt ihr euer Privatleben von eurer Freundschaft?«
»Wir sind alle drei aktuell nicht vergeben«, erklärte Charlie. »Und du gehörst hier nicht her. Warum bist du wirklich das Risiko eingegangen, hier von liebeshungrigen Männern angefallen zu werden?«
Marcus blinzelte. »Eigentlich bin ich eher zufällig in dieser Bar gelandet. Ich habe nicht damit gerechnet … Es ist ein wenig kompliziert. Funktioniert das mit der Kontaktaufnahme immer so schnell? Geht es tatsächlich so leicht, jemanden kennenzulernen, mit dem … Na ja.«
»Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort wie bei heterosexuellen Paaren auch. Nur weil wir schwul sind, braucht es keinen Paarungstanz, um andere Kerle anzulocken.«
»Dann findet ihr meist eure Partner in solchen Clubs? Besprecht ihr gleich, ob ihr auf der Suche nach einer Beziehung oder nur für etwas Kurzfristiges seid?«
Entweder wollte sich dieser Knilch lediglich ein ungefähres Bild von dem machen, was auf ihn zukommen könnte, wenn er sich entscheiden sollte, sein Faible für Männer auszuleben. Oder er versuchte Material zu sammeln, um es in einem Artikel gegen sie zu verwenden. Ersteres traute Charlie ihm nicht zu. Zweiteres konnte er sich nicht leisten.
Er warf Freddy und Harrison einen warnenden Blick zu, bevor er sich wieder an Marcus den Schönen wandte. »Keine Ahnung, was du vorhast und warum du uns mit Fragen löcherst. Ich werde keine beantworten, bevor ich nicht weiß, was du damit bezweckst.«
»Du musst nicht sauer werden, nur weil ich versuche, harmlosen Smalltalk zu führen.«
»Wer’s glaubt«, brummte Charlie.
»Mich interessiert doch bloß, wie euer Leben aussieht«, verteidigte sich Marcus. »Ihr müsst mir keine Geheimnisse anvertrauen. Darf man sich nicht bei seinen neuen Bekannten nach unverfänglichen Informationen erkundigen?«
»Sei nicht so misstrauisch«, beschwerte sich Harrison. »Er versucht doch bloß, nett zu sein.«
Charlie schüttelte den Kopf. »Ihr wisst genau, dass jedes unserer Worte auf die Goldwaage gelegt wird. Er ist keiner von uns. Ich kann spüren, dass er uns etwas verheimlicht. Natürlich haben wir ebenso wenig ein Recht auf sein Vertrauen wie er auf unseres. Trotzdem habe ich einiges zu verlieren, sollte er es darauf anlegen, mir Schwierigkeiten zu bereiten.«
»Was hat er denn schon über uns erfahren?«, fragte Freddy. »Du siehst doch, dass er verzweifelt auf der Suche nach Antworten ist. Wenn wir uns nicht um ihn kümmern, tut es einer der anderen Männer hier, und wir wissen, wie das enden kann.«
Die Naivität seiner Freunde war für ihn unverständlich. Natürlich standen sie nicht in der Öffentlichkeit. Wenn sie sich auf jemanden einließen, würde das die Klatschpresse nicht interessieren. Sie konnten nicht nachvollziehen, wie nervenaufreibend es war, wenn die Presse ständig Unsinn über einen abdruckte. Trotzdem sollten sie wissen, dass es in ihrer Welt gefährlich war, sein Vertrauen zu schnell zu verschenken.
»Wenn er wirklich Fragen hat, weil das alles neu für ihn ist, dann soll er sie stellen«, sagte Charlie. »Aber auf eine Art, die nicht wirkt, als würde er uns über unser Privatleben aushorchen. Er weiß jetzt, an wen er sich wenden kann, wenn er es ehrlich meint. Ihr könnt tun und lassen, was ihr wollt. Verratet ihm, so viel ihr wollt, aber lasst mich aus dem Spiel. Ich verschwinde jetzt lieber. Vielleicht solltet ihr das auch tun.«
Harrison zuckte mit den Schultern. »Deine Entscheidung. Ich bleibe.«
Freddy wirkte von Charlies Rede auch nicht sonderlich beeindruckt. »Wir holen dann den Abend ein anderes Mal nach.«
Frustriert wandte Charlie sich ab. Sein Blick streifte den von ihrem geheimnisvollen Gast.
In Marcus’ Augen, wenn der Mann überhaupt so hieß, lag ein Ausdruck, den er nicht deuten konnte. Wieder ärgerte sich Charlie, dass dessen Äußeres ihn nicht kaltließ. Aus irgendeinem Grund wollte eine Stimme in seinem Inneren ihn dazu bringen, ihm zu vertrauen. In diese Falle würde er nicht tappen. Und wenn ihm das nur gelang, wenn er von ihm flüchtete. Manipulieren ließ er sich nicht.
Charlie funkelte den anderen noch einmal verärgert an und machte sich dann auf den Heimweg.
Kapitel 5
Marcus war nervös, das wollte er gar nicht bestreiten. In der letzten Nacht hatte er zum ersten Mal in seinem Leben seine Komfortzone so weit verlassen, dass er sich selbst nicht mehr wiedererkannte. Er war noch immer ganz aufgewühlt deswegen und hoffte, dass ihm das Erlebte zumindest helfen würde, den Job zu kriegen.
»Mr Lovett?« Er sah auf. Eine Frau in hübschem Kostüm war vor ihm aufgetaucht und lächelte ihn reserviert an. »Bitte.« Ihre Hand machte einen Schlenker und deutete auf den Raum, aus dem sie getreten sein musste und vor dem er auf einer Bank ausharrte.
Nun stand er auf und folgte dem Hinweis. Er wurde von drei Herren willkommen geheißen, die ihn ebenso verhalten begrüßten wie die strenge Lady. Marcus nickte jedem der Männer zu.
»Guten Tag, ich bin Marcus Lovett.«
»Guten Tag, Mr Lovett. Mein Name ist Herbert Van Dyke, dies sind Christian Cleever und Kevin Mendelson.« Der Herr in der Mitte zeigte zunächst nach rechts, dann nach links zu seinen Beisitzern, die beide eine Brille trugen und sie nun unisono abnahmen, um sie zu putzen. Keine Frauen. Marcus nahm es gelassen. In der letzten Nacht hatte er schließlich festgestellt, dass er auch eine Wirkung auf Männer hatte, die nicht zu unterschätzen war.
»Die Herren.«
Mr Van Dyke schaute auf seine Papiere herab und schob sie etwas auseinander. »Ihr Portfolio ist interessant, das muss man Ihnen lassen.«
»Danke, Mr Van Dyke. Ich stehe noch ganz am Anfang meiner Karriere und freue mich, auf möglichst vielfältige Weise mein Talent zeigen zu dürfen.« Er versicherte sich schnell der Aufmerksamkeit der anderen Männer. »Wenn Sie möchten, erzähle ich Ihnen gerne, wie ich die Rolle des Everett Steele anlegen würde.«
Mr Van Dyke legte die Fingerspitzen aneinander und legte die Zeigefinger dabei an seine Lippen. »Aha. Sie denken also, dass Sie für die Rolle des Everett Steele vorsprechen?«
Marcus stockte irritiert, bevor ihm Mr Demmes Hinweis einfiel, dass die Produktion noch einige Schauspieler suchte. »Das war die Rolle, über die ich mit Mr Demme sprach, aber er erwähnte auch, dass es noch weitere Rollen gäbe, sollte sich für Steele ein prominenter Name finden von ähnlicher Qualität wie Hal Davidoff.« Er räusperte sich, ohne seinem Lächeln anmerken zu lassen, wie es in ihm aussah. Hatte Demme ihn nur für die Nebenrollen angemeldet?
»Letztlich macht es keinen großen Unterschied, oder? Wir unterhalten uns, ich spiele einen Part.« Er hob das Skript, das ihm zur Verfügung gestellt wurde. »Und Sie bekommen einen Eindruck von meinen Fähigkeiten.«
»Sie haben recht, grundsätzlich folgen wir diesem Prozedere.« Van Dyke schaute zu seinen Kollegen, die ähnlich amüsiert schienen wie er. »Sie haben ein gesundes Selbstbewusstsein, das gefällt mir, aber es wäre nur fair, Ihnen gleich zu sagen, dass wir eine genaue Vorstellung von Everett Steele haben.«
»Natürlich.« Marcus zwang sich, weiter ein freundliches Lächeln zu zeigen. »Ich lasse Ihre Anmerkungen gerne mit einfließen.«
Wieder sahen sie sich gegenseitig an, dann hob Van Dyke die Hand. »Also gut. Lesen Sie doch die Textstelle.«
Marcus räusperte sich. Er hatte das Skript auswendig gelernt. Fünf Seiten, aber er war gut damit, Dinge auswendig zu lernen. Seine erste Rolle hatte er in der Middle School übernommen. Er hatte Oberon gespielt und konnte noch immer jeden einzelnen Vers rezitieren.
Er streckte die Schultern und atmete tief durch. In der Szene stellte er sich Everett auf der Ranch vor. Es war das erste Zusammentreffen mit Wayne Klein, dem Eigner. Wenn man ihn nur für eine Nebenrolle in Betracht zog, warum hatte er dann gerade diese Stelle für das Vorsprechen ausgehändigt bekommen?
Ein Missverständnis? Oder lag es daran, dass er explizit gesagt hatte, dass er die Audition für die Rolle wollte.
Er lockerte erneut seine Schultermuskulatur und gab seinem Gesicht einen angespannten Zug. Da er kein Gegenüber hatte, fixierte er Van Dyke. »Guten Tag«, sagte er in einem breiten Südstaatenakzent. Er streckte die Hand aus und stolperte im Ansatz. Schrecken sollte nun über seine Miene huschen, dann fing er sich und wischte die Hände an den Schenkeln ab. »Entschuldigen Sie bitte, Sir.«
Marcus machte eine kleine Pause, weil nun Wayne seinen Part hatte und ihn ins Haus einlud, um eine Limonade zu trinken. Schließlich sollte es einer der heißesten Tage des Jahres sein, Everett und Wayne verschwitzt und erschöpft. Wayne durch den langen Tag harter Arbeit auf der Ranch und Everett, weil er den Weg hinaus zur Ranch zu Fuß zurückgelegt hatte. Nun betrat er also die Küche, in der eine junge Frau stand und Teig knetete. Sie schaute auf. Überraschung huschte über ihre Miene, dann wischte sie sich eilig die Hände an der Schürze ab. Sie sagte etwas.
»Guten Tag, Ma’am.« Er nickte zu der imaginären Gestalt. »Everett Steele, Ma’am.«
Eine kleine Diskussion zwischen den beiden, dann bekam Everett sein Glas Limonade und wurde aufgefordert, sich vorzustellen.
»Ich bin auf der Suche nach Arbeit. Ich bin kräftig und geschickt. Ich habe zuletzt in Arizona auf der Wilburn Ranch gearbeitet. Sie züchten Schafe.« Er räusperte sich und biss sich unsicher auf die Unterlippe. »Ich habe auch Erfahrung mit Rindern, Sir.« Er trat unruhig von einem Bein auf das andere und wrang sein imaginäres Glas. »Ich bin auf einer Rinderranch aufgewachsen, mein Vater war Vorarbeiter, bis das Land verkauft wurde.« Er schluckte, hob das nicht vorhandene Glas an die Lippen und simulierte Schlucke. Dann reichte er das Glas weiter. »Danke Ma’am.« Sein Grinsen wackelte. Zu erröten war nicht so einfach, aber zumindest da half die letzte Nacht. Er musste sich nur vorstellen, welche Rolle er eingenommen hatte, als ihn der Fremde von der Bar losgeeist hatte.
»Ich kann sofort anfangen, Sir, und brauche nichts. Ein Bett, Essen und die Sicherheit, nächste Woche nicht wieder auf der Straße zu stehen.« Er rang die Hände. Sein Gesicht machte seine Furcht hoffentlich deutlich. »Ich brauche diese Chance, Mr Klein.«
Damit war sein Text aufgesagt und er konnte wieder aus der Rolle herausschlüpfen. Er atmete aus, schloss kurz die Augen und fasste Van Dyke dann wieder ins Auge.
»Ohne Partner ist es immer etwas schwierig.«
Die Männer wechselten Blicke miteinander. »Ich denke, wir sind uns einig, dass wir Sie gerne in Interaktion mit einer anderen Rolle sehen würden. Haben Sie zufällig etwas Zeit?«
Marcus atmete erneut durch, um sich die Aufregung nicht ansehen zu lassen. Dann nickte er. »Ja. Gern. Bleibt es bei der Szene, oder …«
»Miss Bridgerton wird Ihnen das Skript geben. Danke.« Van Dyke schob seine Papiere zusammen, bevor er sich an die Frau wendete, die Marcus in den Raum gebeten hatte und nun aus dem Nichts wieder auftauchte. »Schicken Sie bitte den Nächsten rein.«
Miss Bridgerton nickte und scheuchte ihn hinaus. Dort wartete tatsächlich bereits ein Kollege und stand eilig auf. Ein Runzeln flog über seine Stirn, dann streckte er die Hand aus.
»Kevin Bryce.«
»Marcus Lovett. Miss Bridgerton.« Er deutete auf die Dame. »Viel Erfolg.« Er tauschte den Platz mit Kevin und wartete geduldig auf sein Skript. Noch hatte er eine Chance, so hoffte er zumindest.
»Oh, wen haben wir denn da?«
Marcus schaute von seinem Skript auf. Denise Holland grinste auf ihn herab. Sie trug eine knappe Jeans, die sehr tief hing, und ein bauchfreies Top. Ihr Nabel war gepierct, daher blitzte ihm ein großer Stein entgegen.
»Miss Holland.«
Sie lachte. »Mr Lovett. Wollen wir uns den Unsinn nicht sparen?« Sie setzte sich neben ihn auf die Bank und linste auf sein Skript. »Bist du etwa der Grund, warum man mich herbeorderte?«
Das konnte er sich nicht vorstellen. »Gibt es keine Haie mehr, die dich fressen wollen?« Er grinste und erntete ein glockenhelles Lachen. Wenn er nicht von seiner Recherche abgelenkt worden wäre, hätte er ihre Einladung nur zu gerne angenommen.
»Tatsächlich habe ich das Haiinferno hinter mir – vorerst.« Sie verdrehte die Augen. »Es ist aber schon eine Fortsetzung geplant.«
»Du bist gut im Geschäft, das freut mich für dich.«
»Ach, ich bin sexy und habe das wichtige Vitamin B. Das hilft immer.« Sie schlug die Beine übereinander und fuhr sich durch die blonde Mähne. »Everett Steele, ja?«
Nun war es Marcus, der die Achseln zuckte. »Deswegen bin ich hier.«
»Du hast Ehrgeiz, das gefällt mir.« Sie zwinkerte ihm zu.
»Ohne kommt man zu nichts, oder?« Marcus rollte das Papier zusammen und schlug es sich dann auf die Hand. »Wie war der Club-Besuch? Was habe ich verpasst?«
»Ach.« Sie winkte ab. »Ich habe mich gut amüsiert.«
»Und bist sicher nicht allein nach Hause gegangen, oder?« Er hatte auch deutliche Probleme gehabt, den Anschluss, den er im Iron Alexander gefunden hatte, wieder loszuwerden.
»Ah, das wüsstest du gern, hm? Nun, eigentlich gebe ich keine zweiten Chancen, aber wenn wir Kollegen werden …«
Den Moment wählte Miss Bridgerton, um aus dem Auditorium zu treten. Ihre Miene leuchtete, als sie Denise bemerkte.
»Da bist du ja. Herbert wartet schon sehnsüchtig auf dich. Magst du ihn begrüßen?«
Marcus überspielte seine Überraschung schnell. Offenbar war da mehr Vitamin B im Spiel als nur ein Regisseur als Onkel. Denise stand mit einem kleinen Hopser auf, umarmte die andere Frau, um ihr einen Kuss auf die Wange zu drücken.
»Dann sag ich mal hallo!« Sie winkte Marcus noch zu und war dann weg. Er blieb mit Miss Bridgerton zurück.
»Wir sind gleich so weit«, sagte sie. »Gedulden Sie sich noch einen Moment.«
Überraschend schnell wurde er dann in den Raum zurückgerufen. Denise saß auf dem Tisch vor Van Dyke, sie hatte die Beine übereinandergeschlagen und schaute ihm begeistert entgegen.
»Da habe ich also einen heißen Partner?«
Van Dyke schüttelte den Kopf. »Denise, Liebes, es geht doch wirklich nicht darum, dass Mr Lovett nett anzusehen ist.«
Denise sprang vom Tisch. »Da liegst du falsch, Herbie.« Sie kam auf ihn zu und legte ihm den Finger auf die Brust. »Wayne Klein wurde jetzt mit Charlie Walker besetzt oder?«