Kitabı oku: «Enjoy Summer, drink Beer and kiss a Cowboy», sayfa 2
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In seiner ersten Nacht konnte Max kaum Schlaf finden. Und das obwohl er unglaublich müde gewesen war. Aber seine Gedanken wollten einfach keine Ruhe geben. Nachdem er den Vorarbeiter kennen gelernt hatte, befürchtete er nämlich, dass ihm alle Arbeiter mit dieser grimmigen Miene entgegentreten würden.
Doch am Morgen wurden diese Sorgen zerstreut.
Als Tante Lisa ihn allen anderen vorstellte, waren alle freundlich zu ihm und sehr neugierig. Sie löcherten ihn mit Fragen über sein Aufwachsen und sein Leben in Deutschland, er wurde aufgefordert, ihnen ein paar deutsche Wörter beizubringen, er sollte Fotos seiner Heimat zeigen, und bekam im Gegenzug viele Geschichten über die Gegend erzählt. Die Menschen waren sehr freundlich, immer ein Lachen im Gesicht, sehr aufgeschlossen und herzlich. So zumindest sein erster Eindruck.
Es war ein geselliges Beisammensein, bis Cliff eintraf und alle in der Küche verstummten und die Blicke senkten. Es schien, als hätten alle Anwesenden großen Respekt vor Cliff, obwohl viele älter als er waren.
Der Vorarbeiter vergeudete wenig Zeit, er goss sich Kaffee in eine Thermoskanne und ratterte eine Liste Arbeitsaufträge herab. Max wurde der einzigen Frau im Team zugeteilt und sollte die Ställe ausmisten und Weiden nahe des Wohnhauses säubern.
Mit anderen Worten: Schön weit entfernt von Cliff.
Das spornte Max nur um so mehr an, sein Bestes zu geben, und obwohl ihm bereits nach einem halben Tag jeder Muskel schmerzte und er sich am liebsten gegen Mittag erschöpft ins Stroh geworfen hätte, hielt er durch. Immer, wenn Cliff vorbei sah, nahm er noch einmal alle Kraftreserven zusammen und tat so, als ginge ihm alles locker von der Hand.
Das klappte natürlich nicht so, wie es sollte, seine müden Augen und das verschwitzte T-Shirt – das regelrecht vor Schweiß triefte – straften seiner geraden Haltung und seinem breiten Lächeln Lügen.
Aber immerhin brachte er mit seiner zur Schau gestellten Fröhlichkeit Cliff zum Schmunzeln und rang ihm tatsächlich ein »Gute Arbeit« ab. Dann ging er jedoch wieder.
Nachdem Tante Lisa und Helene am späten Nachmittag den Arbeitern Sandwiches und kaltes Bier spendiert hatten, schlenderte Max über den Hof, da er sofort eingeschlafen wäre, hätte er nach dem Essen auch nur kurz auf einer Bank ausgeruht. Er sah Cliff auf einem sandigen Reitplatz hinter den Ställen und trat vorsichtig näher. In tiefer Konzentration trainierte er mit einem Jungpferd, das nur ein Lasso um den langen Hals trug. Es war ein schönes Tier, ein Falbe, kräftig gebaut mit zitternden Flanken und geblähten Nüstern, wenn Cliff sich ihm vorsichtig näherte.
Max stieg auf die Latten des Zaunes und legte das Kinn auf die Hand. Eine Weile sah er ihnen zu, Trainer und Pferd, die sich aneinander gewöhnten. Cliff gelang es mit viel Ruhe und Geduld dem Tier ein Halfter aus losen Stricken anzulegen und versuchte dann, es am Strick zu führen.
So sanft, so liebevoll wie Cliff mit den Tieren umging, weckte es etwas in Max. Eine tiefe Sehnsucht, die ihn zum Seufzen brachte.
»Ein schönes Tier«, sagte Max, als Cliff es geschafft hatte, das Pferd zum Gehen zu bewegen. Er führte es über den Sand im Kreis an Max vorbei. Er hatte – obwohl er seinen Zuschauer längst bemerkt haben musste – kein Wort zu diesem gesprochen. Doch jetzt lächelte Cliff mit einer Spur Stolz, als hätte er das Pferd selbst gemacht.
»Ein Quarter Horse«, erklärte er, »Golden Pie ist sein Vater.«
»Golden Pie?«, fragte Max.
Cliff nickte und schenkte ihm noch einen freundlichen Blick, der Max zum Lächeln brachte. »So heißt mein Pferd«, zwinkerte er.
Max stockte sofort das Herz. Dieses Zwinkern, so aufreizend, so vielsagend. Was sollte es bedeuten?
Bevor er weiter nachhaken konnte, rief jemand seinen Namen. Max blickte über die Schulter, Amy winkte ihn drängelnd zu sich. Noch einmal sah er zu Cliff, doch dessen Meine war wieder verschlossen, er konzentrierte sich auf sein Pferd.
Max riss sich los, obwohl er Cliff gerne noch länger zugesehen hätte.
*~*~*
Am Abend saß Max mit einem kühlen Bier auf der überdachten Veranda und genoss die restliche Hitze der untergehenden Sonne, die ihm während des Tages die Arbeit zur Hölle gemacht hatte. Nun konnte er sie sogar genießen. Die australische Hitze.
Eine Dusche hätte ihm gutgetan, doch die würde er sich bis kurz vor dem Schlafengehen aufheben, damit er abgekühlt und sauber in die Federn sinken konnte.
»Es gibt nichts schöneres, als den Sonnenuntergang mit einem kühlen Bier nach getaner Arbeit zu genießen, oder?«, fragte ihn die brünette Amy, die neben ihm auf der anderen Liege lag und ihm zuprostete. Ihre braunen Löckchen klebten in ihrem sehr feinen, zierlichen Gesicht, ihr Hemd spannte über ihren runden, festen Brüsten.
Max seufzte: »Es ist wirklich atemberaubend.« Und obwohl ihm die Arbeit heute jegliches körperliche Können abverlangt hatte, fühlte er sich beflügelt.
Etwas matt, aber dennoch beflügelt.
Am Morgen, so fürchtete er, würde ihm trotzdem alles wehtun. Er hätte nie erwartet, wie viel es auf einer Farm zu tun gab. Von früh morgens, Vier Uhr früh, um genau zu sein, bis zum späten Nachmittag, hatten sie zu zweit gebraucht um die Pferdeställe, die sich auf zwei Gebäude ausweitete, auszumisten. Und das musste jeden Morgen getan werden. Danach waren die Weiden dran gewesen, und sie hatten die Rinder auf ihren Wiesen mit Heu füttern müssen, da durch den heißen Sommer kaum noch etwas wuchs.
»Regen täte gut«, stöhnte Amy und strich sich mit dem Unterarm über die Stirn, auf der feuchter Schweiß glänzte. »Nur ein kleiner Schauer, zum Abkühlen.«
Max schüttelte schmunzelnd den Kopf und nahm einen Schluck von seinem Bier. Er mochte Amy, sie war humorvoll, aufgeschlossen und hilfsbereit, wirklich eine sehr nette, junge Frau, etwa vier- oder fünfundzwanzig Jahre alt, Max wusste von seiner Mutter, dass es unhöflich war, eine Lady nach ihrem Alter zu fragen, also schätzte er nur.
Max hatte die Zeit mit Amy nicht ungenutzt verstreichen lassen, da sie redselig war, hatte er mal langsam vorgefühlt und versucht, mehr über Cliff zu erfahren, aus dem er einfach nicht schlau wurde. Denn Max konnte sich nicht erklären, was er dem Vorarbeiter getan haben sollte.
»Er ist einfach so«, hatte Amy ihm erklärt. »Mach dir nichts daraus, er begegnet allen so. Für ihn zählt nur die Arbeit, er gönnt sich keine Minute Spaß. Ich sag dir, der ist wirklich streng, aber wenn du dich gut anstellst, lässt er dich einfach in Ruhe. Geh ihm nur aus dem Weg, dann wird das schon. Du hast seinen Respekt erlangt, wenn er dich nicht mehr beachtet, außer morgens, wenn er dir Arbeit zuteilt. Aber Cliff macht seinen Job gut, und deine Tante mag ihn sehr, also … bring ihn einfach nicht auf die Palme.«
Max hatte sich das im Kopf notiert, doch als in jenem Moment, während sie auf der Veranda lagen und den Abend genossen, ein Pickup vorfuhr, anhielt und Cliff aus der Fahrerseite stieg, wusste Max nicht genau, ob ihm das gelingen könnte.
Er nahm einen Schluck von seinem Bier und verfolgte mit neugierigen Augen den gutaussehenden Vorarbeiter, der mit einem braunen Cowboyhut, engen Jeans und einem beigen Hemd, das bis zur Mitte seiner braungebrannten Brust aufgeknöpft war, die Tür zum Haupthaus ansteuerte. Überall auf seiner entblößten Haut klebte Dreck, der sich mit heißem Schweiß vermischt hatte, seine Kleider wirkten verstaubt vom trockenen Boden.
»Na, alle Zäune repariert?«, fragte Amy, es klang fast provozierend.
Cliff blieb stehen, als er bemerkte, dass jemand auf der Veranda saß. Er warf Amy einen Blick mit gerunzelter Stirn zu, es war schwer zu sagen, ob er mehr verwirrt oder verärgert war. Als Max Amy flüchtig betrachtete, fiel ihm auf, dass sie den Kopf einzog. Offenbar war ihr Ausruf ihr in einem Anfall von Überheblichkeit rausgerutscht, weil sie »cool« vor dem Neuen wirken wollte.
Zu ihrer beider Überraschung, kam Cliff zur Veranda und nahm die Stufen mit schlendernden Schritten nach oben. Max musste sich zwingen, den Blick von den strammen Oberschenkeln zu lösen, über denen sich die Jeans spannte.
»Was machst du noch hier?«, fragte Cliff geradezu barsch.
Max sah zu ihm auf, den Mund auf- und zuklappend, weil er nicht wusste, was er sagen sollte.
»Nicht du«, knurrte Cliff und sah über Max hinweg, »ich mein sie. Amy, was machst du noch hier?«
»Ich trinke mit meinem neuen Kollegen ein Bier«, erklärte sie und grinste mokant. »Ich würde dich fragen, ob du dich zu uns setzen willst, aber wir beide wissen ja, dass du nein sagen wirst.«
Max hatte das unangenehme Gefühl, zwischen zwei Fronten geraten zu sein. Irgendetwas Unausgesprochenes stand zwischen ihnen, das spürte sogar Max. Leider zu deutlich.
»Musst du nicht in irgendeinem Pub sein und dich irgendeinem Deppen an den Hals werfen?«, fragte Cliff bissig.
Max räusperte sich und wollte sich erheben. »Ich denke, ich werde jetzt duschen gehen.«
Als er an Cliff vorbeigehen wollte, sagte dieser provokant: »Oh, er will duschen gehen. Frag ihn doch, ob du mit ihm gehen kannst, Amy, deswegen bist du doch hier, oder?«
Amy schnaubte ungläubig. »Du bist so ein Arschloch!«
Max blieb stehen und sah zwischen den beiden hin und her, er hätte früher gehen sollen, jetzt hatte er Angst, sich zu bewegen, und von dem Sturm des Streits, der sich hier aufbrauste, erfasst und hinweggeweht zu werden.
»Lass die Finger von ihm!«, drohte Cliff plötzlich.
Amy stand auf und grinste falsch, was ihr Gesicht hässlich machte. »Eifersüchtig?«
»Das würdest du dir wünschen, nicht wahr?«, konterte Cliff.
Amy schüttelte nur lächelnd den Kopf, als fände sie Cliffs Benehmen überaus unsinnig und zudem auch noch äußerst peinlich. »Also dann bis morgen, Max«, sagte sie, ohne Cliff weiter zu beachten. Sie stellte ihr Bier auf dem Tisch ab und drückte kurz Max‘ Arm, als sie an ihm vorüberging. »Gute Nacht«, säuselte sie noch und ging mit schwingenden Hüften davon.
Max und Cliff sahen ihr nach, sie standen Schulter an Schulter, und erst jetzt bemerkte Max, wie nah Cliff ihm gekommen war. Seine Nähe – die Hitze, die von ihm ausging – war elektrisierender als der Anblick von Amys wogendem Gesäß in der engen Jeans.
Cliff drehte sich mit harter Miene zu Max um und sagte: »Fass sie bloß nicht an!«
Max blinzelte überrascht. »Du musst mir nicht drohen.« Es war offensichtlich, dass Cliff nicht wollte, dass ein Neuer Amys Zuneigung ergatterte. Er war eifersüchtig.
»Aber, wenn du sie willst«, sagte Max etwas verkniffen, weil ihm der Gedanke gar nicht gefiel, »dann solltest du etwas netter zu ihr sein.«
Cliff zog eine Augenbraue hoch und schnaubte verachtend. »Glaub mir, ich will sie nicht. Und glaub mir auch, ich hätte sie haben können, hätte ich sie denn gewollt.« Er drehte sich auf dem Absatz um und ging ins Haus.
Max folgte nach einiger Zeit kopfschüttelnd und ging die Treppe nach oben, während Cliff und Tante Lisa sich im Arbeitszimmer unterhielten.
Er wusste nicht, warum Cliff solch ein Problem mit ihm hatte. Wenn Cliff Amy mochte, brauchte er sich ganz gewiss keine Sorgen darum zu machen, dass Max sie ihm wegnehmen wollte.
*~*~*
Nachdem Abendessen – Helene hatte für Tante Lisa und Max Rindersteaks mariniert und auf den Grill geworfen – ging Max hinaus. Staunend legte er den Kopf in den Nacken und drehte sich im Garten. Der Nachthimmel war wolkenlos und wirkte gleichzeitig zum Greifen nah und fern.
Er schlenderte eine Weile in Gedanken versunken umher, aus den Unterkünften der Arbeiter drang Gelächter, es hörte sich nach einem geselligen Abend bei leiser Musik und Bier an. Max ging weiter, zu den Ställen, das Schnauben der Pferde und ihr lautes Kauen wirkten seltsam einschläfernd auf ihn. Irgendwo bellte ein Hütehund.
Er ging bis zu einem Zaun, lehnte sich darauf und genoss den heißen Abend. Die Sterne leuchteten so hell, dass es keinen Vollmond bedurfte, um das Land zu erhellen.
Noch immer kam es Max surreal vor, wirklich hier zu sein, wenn er zu stark darüber nachdachte, drehte sich alles.
Mit einem Lächeln schloss er die Augen und atmete leise aus. »Wenn du wüsstest, wo ich gerade bin, Paps«, flüsterte er. »Ich wünschte, du könntest das noch erleben.«
Aber vielleicht beobachtete ihn sein Vater ja von irgendwo her.
Das wäre schön.
4
Max saß neben Amy am Frühstückstisch, sie hatte sich einfach zu ihm gesetzt, ohne dass er etwas dagegen tun konnte, dabei hatte er sich geschworen, sie auf Abstand zu halten, um, in ihren Worten, Cliff nicht auf die Palme zu bringen. Max trank schweigend seinen Kaffee, während Amy ihn bequatschte. Sie sprach davon, dass er mit ihr und den anderen unbedingt mal in den Pub fahren sollte, um Pool Billard und Darts zu spielen. Ausgehen war im Outback nicht so einfach, man musste bis zur nächsten, kleineren Ortschaft mehrere Stunden fahren. Das machte man nicht mal eben einfach so.
Als Cliff den Raum betrat, setzte sie sich auffallend noch etwas näher an Max heran, es war zu offensichtlich, dass sie ihn dazu benutzen wollte, um Cliff eifersüchtig zu machen. Max war dieses Verhalten zu blöd, um mit zu spielen, und rückte mit dem Stuhl etwas von ihr ab, was sie sehr verwirrte.
Er war doch nicht mehr in der Schule!
Cliff grinste, als er das sah, sicherlich froh darüber, dass seine Drohungen den jüngeren, vermeintlichen Konkurrenten abgeschreckt hatten. Max war es an diesem Morgen egal, was sie von ihm dachten, er war zu müde, um wie für ihn üblich, vor allem höflich zu sein.
Er hatte eine üble Nacht hinter sich, wegen seiner schmerzenden Gliedmaßen hatte er kaum ein Auge zugetan. Jedes verdammte Mal, wenn er sich gedreht hatte, war er zusammenzuckend erwacht, weil ihn seine Muskeln bei jeder kleinsten Bewegung schmerzten.
Mit dicken Ringen unter den rotunterlaufenen, geschwollenen Augen saß er nun brütend über seinem Kaffee, verfluchte die Arbeit und die Hitze, die nicht einmal nachts abkühlen wollte.
Als Cliff die Arbeit zuteilte, schien es, als würde es im Raum noch stiller werden.
Max hob verwundert den Kopf, er glaubte, sich verhört zu haben, aber nein, auch alle anderen schauten verdutzt drein.
»Max kommt mit mir«, wiederholte Cliff erneut, da damit seine Ansage zu Ende war, aber keiner Anstalten machte, den Arbeitstag zu beginnen.
»Was?«, fauchte Amy.
Die Köpfe der anderen sieben Arbeiter flogen zu Max herum, der unsicher schluckte.
»Hopp, hopp!«, drängte Cliff und sah Max auffordernd an. »Beeil dich, die Wasserpumpe auf der Südweide muss repariert werden, die Rinder brauchen Wasser. Komm, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.«
Max erhob sich eilig und stürzte den restlichen Kaffee aus seiner Tasse hinunter, er verbrannte sich Mund und Kehle, ließ es sich aber nicht anmerken.
»War der nicht heiß?«, fragte Cliff über die Schulter, als sie den mucksmäuschenstillen Raum verließen.
Max stöhnte mit schmerzerfüllter Stimme: »Furchtbar heiß.«
Cliff lachte herzhaft über ihn.
***
Warum Max mit Cliff auf die Weide hatte fahren müssen, erkannte Max ehrlich gesagt nicht auf Anhieb. Schon seit Stunden stand er nichtstuend neben Cliff, der fluchend an der defekten Pumpe rumbastelte, und durfte nur gelegentlich als Assistent dienen, indem er Werkzeuge aus einer Kiste weiterreichte.
»Kann ich dir wirklich nicht helfen?«, fragte Max. »Ich bin nicht ungeschickt. In der Schule habe ich einen technischen Kurs beleget …«
Cliff schielte genervt zu ihm auf, der Schatten eines kargen Baumes lag über seinem Gesicht.
»Schon gut«, seufzte Max und starrte wieder in die Weltgeschichte. Es gab wenig Schatten auf dieser Weide, der Boden war total ausgetrocknet und felsig, Risse zogen sich durch die Erde, wenn Wind aufkam, staubte es.
So zog sich der Morgen hin.
»Zange!«
»Hier.«
»Danke. – die andere, Mann!«
»Oh. Die?«
»Ja!«
»Bitte.«
»Ja,ja.«
Max seufzte gelegentlich. Cliff fluchte gelegentlich.
»Ein Maultier wäre redseliger«, murmelte Max nach einer Weile gelangweilt, während er mit dem Rücken unter dem einsamen Baum lehnte, dessen Rinde rau und hart war wie ein Schuppenpanzer.
»Hm?« Cliffs Kopf steckte im Wassertrog der Rinder, die sie durstig beobachteten.
»Ach, nichts.«
Wieder verging eine endlos lange Stunde, die Sonne brannte auf sie herab und Max wünschte sich, auch er hätte einen Hut, sein dunkles Haar verbrannte ihm auf dem Kopf.
»Wasser!«
»Hier.«
»Danke.« Cliff richtete sich auf und nahm die Wasserflasche an sich. Er trank einen großen Schluck, Schweiß rann ihm neben seinem kräftigen, auf und ab hüpfenden Kehlkopf entlang. Max erwischte sich bei dem Gedanken, sich vorzubeugen und den Schweiß einfach abzulecken.
Räuspernd stieß er die Hände in die Jeanstaschen und versuchte, den ausgebeulten Schritt zu verbergen. Warum musste dieser mürrische Kerl auch so verdammt gut aussehen, wenn er verschwitzt und dreckig war. »Meinst du, das wird heut noch was?«
Cliff setzte die Wasserflasche ab und wischte sich mit dem Handrücken über die feuchten Lippen. Er schüttelte den Kopf. »Nein. Der Schlauch ist porös und rissig, der Dichtungsring ist auch hinüber. Verdammt, ich hab Lisa gesagt, dass es so ausgehen wird.«
»Und was machen wir jetzt?«
Cliff sah ihn an und riss die Augen plötzlich auf. »Du hast ja gar keinen Hut!«
Max zuckte mit den Schultern. »Woher auch?«
»Die Sonne ist nicht zu unterschätzen«, warnte Cliff, »na ja, macht nichts, wir müssen ohnehin zurück. Ich muss die Ersatzteile bestellen.«
Max sah sich nach den Rindern um. »Wie lange wird es dauern, bis sie ankommen?«
»Ein paar Tage«¸ erklärte Cliff und räumte die Sachen zusammen. Max ging ihm sofort zur Hand, weil er nicht untätig danebenstehen wollte.
»Sollen die Rinder bis dahin aushalten?«
Cliff hob ärgerlich den Blick. »Weißt du eigentlich, wie viel so ein Rind wert ist? Natürlich werden wir sie nicht durstig hier zurücklassen! Wir holen die Pferde – und einen Hut für dich – und treiben sie runter zum See.«
*~*~*
Kaum gesagt, saßen sie schon eine Stunde später im Sattel und trieben die etwa ein Dutzend Rinder über die Weiden zu einem großen See, der von einem kleinen Wäldchen umgeben war. Wobei eher Cliff die Rinder angetrieben hatte, und Max nur in äußersten Ausnahmefällen helfen durfte.
Da er nicht gut reiten konnte, war es Max nur recht gewesen.
»Geschafft!« Max war trotzdem zufrieden mit sich, er hatte die Rinder zu Wasser und Schatten geführt, er fühlte sich fast wie ein Held.
Cliff verbarg ein Grinsen. »Dein Hut sitzt schief.«
Max richtete ihn. »Er ist zu groß.«
»Du hast die Kopfgröße eines Kindes!«, lachte Cliff.
»Wenigstens keinen Quadratschädel wie du«, konterte Max, der sich gut fühlte, weil er es zumindest geschafft hatte, an diesem Tag nichts Peinliches vor Cliff zu veranstalten. Sogar auf das Pferd hatte er es allein geschafft. Charlie schien auch dankbar darüber zu sein.
»Quadratschädel«, wiederholte Cliff schmunzelnd. »Ich merk mir das, Knochiger.«
»Knochiger!« Max stieß ungläubig den Atem aus. »Ich habe lange für diesen Adoniskörper trainiert«, behauptete er und fuhr sich lasziv über den flachen, aber ansonsten muskellosen Oberkörper.
Cliff musterte ihn neugierig. »Hast du je ein Fitnessstudio von innen gesehen?«
»Nein«, gestand Max lachend.
Cliff lachte zurück.
»Du etwa?«, fragte Max neugierig. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der vielbeschäftige Cliff die Zeit fand, ein paarmal die Woche in die Stadt zu fahren.
»Ich bin keiner von diesen Kerlen, die nur auf ihr Äußeres achten«, gab Cliff mit verkniffenen Lippen zurück, er musterte Max erneut, diesmal abschätzig. »Das ist mehr was für Stadtjungs.«
Max nahm es nicht als Beleidigung, obwohl es offensichtlich eine war, doch er hatte das Gefühl, dass Cliff allmählich auftaute und wollte dies nicht aufs Spiel setzen, indem er trotzig reagierte. Er nahm den Blick von Cliffs Profil und betrachtete mit ihm zusammen die Rinder, die zum See staksten und von dem dunklen Wasser tranken.
»Wegen Amy«, begann Max mit klopfendem Herzen, es war ihm wichtig, dass Cliff ihn nicht als Konkurrenten sah, »das darfst du nicht falsch verstehen.«
Cliff sah ihm in die Augen. »Ich verstehe ja, dass sie ihren Reiz hat, aber fass sie trotzdem nicht an.«
»Du musst dir keine Sorgen machen, dass ich sie dir wegschnappen will«, beteuerte Max, »ich … bin nämlich nicht an Frauen interessiert.« Max sah ihn vielsagend an, ihm zersprang beinahe das Herz in der Brust, als er auf Cliffs Erwiderung wartete.
In Cliffs Gesicht regte sich gar nichts, es wirkte vollkommen emotionslos, unnahbar. Zunächst glaubte Max noch, Cliff hätte ihn einfach nicht richtig verstanden, vielleicht war er zu subtil gewesen.
Dann drehte der Vorabeiter den Kopf und sah wieder zum See hin. »Das solltest du hier nicht so herumposaunen«, sagte Cliff schließlich ratsam.
Max runzelte verärgert die Stirn. »Warum nicht? Ich denke, ich habe ein gutes Recht darauf, offen damit umzugehen.«
Mochte Cliff ihn deswegen jetzt nicht mehr?
»Natürlich«, warf Cliff sofort ein und blickte Max in die Augen. »Hier auf dem Land ist es jedoch etwas anderes, als in der Stadt. Wenn du offen dazu stehen willst, musst du dir bewusstmachen, dass es hier noch Leute gibt, die damit etwas … rau umgehen.«
Max verstand nicht. »Wie meinst du das?«
»Na«, Cliff leckte sich den salzigen Schweiß von den Lippen, von denen Max nicht mehr die Augen lassen konnte, »sie machen dumme Witze auf deine Kosten und gehen damit vielleicht noch etwas ignorant um. Keiner wird dir mit einer Mistgabel hinterherrennen, aber sie werden dir zunächst mit Vorurteilen begegnen. Willst du meinen Rat? Beweis erst, dass du was drauf hast, trotz deiner mickrigen Statur. Wenn sie dich als einen hart arbeitenden Mann akzeptieren, ist es ihnen egal, wen du fickst.«
Max dachte darüber nach.
»Wenn du es offenbarst, bevor du dich bewiesen hast, kannst du dich noch so sehr anstrengen, sie werden trotzdem immer nur den Schwulen in dir sehen.«
»An mir prallt einiges ab«, sagte Max mit einem Schmunzeln. »Wenn ich der Ignoranz meiner Mutter standhalten konnte und es überlebt habe, dass man mich in der Schule deshalb verprügelte, werde ich hier auch zurechtkommen.«
Cliff schmunzelte ihn für eine Millisekunde lang an, ehe es ihm gelang, das Lächeln niederzukämpfen und den Kopf abzuwenden.
»Komm«, forderte Cliff, »lass uns zurückreiten, es wartet noch Arbeit auf uns. Wir müssen den Kornspeicher ausfegen.«
Sie wendeten die Pferde und ritten nebeneinander her, attackiert von einem Schwarm brummender Mücken.
»Dann …«, Cliff sah ihn nach einer schweigsamen Weile neugierig und etwas schüchtern – was ihm gut zu Gesicht stand – von der Seite an, » … hat Amy keine Chance bei dir, oder?«
»Es sei denn, sie entschließe sich, ein Mann zu werden«, warf Max schmunzelnd ein.
Cliff lachte auf. »Sie wohl nicht, nein, aber ich kenne da andere.«
»Ehrlich? Hier auf dem ach so ignorantem Land?«, scherzte Max.
»So intolerant sind die Leute hier nicht, wenn du hart anpacken kannst«, lenkte Cliff ein, »aber wir haben hier eben eine etwas rauere Art. Manchmal.«
»Die mag ich ja so«, erklärte Max. »Rau aber ehrlich, oder nicht?«
»Manchmal«, schnaubte Cliff. Er runzelte die Stirn und kam noch einmal zögerlich auf das andere Thema zurück: »Ich meinte, du bist also nur an Männern interessiert? Du bist nicht bisexuell, oder so was?«
Max schüttelte den Kopf. »Nein, keine Sorge, deine Amy gehört dir.«
Cliff grinste geheimnisvoll, plötzlich wirkte er viel entspannter, offener.
»He, komm doch heute Abend mit in den Pub«, schlug Max dadurch mutig vor. »Amy ist auch da.« Auch wenn Max, aus Gründen, die er besser nicht genau hinterfragte, keineswegs wollte, dass die beiden sich näherkamen, nutzte er Amys Anwesenheit, um Cliff dazu zu bewegen, mit ihm ein Bier trinken zu gehen.
Max mochte Cliff, vielleicht gerade weil Cliff nur ein brummender, verschlossener Kerl war, dessen Geheimnisse es zu entdecken galt. Wo kam er her? Wie ist er aufgewachsen? Wie kam er zu seinem Job bei Tante Lisa? Wie lebte er, und was bewegte ihn?
Max war einfach neugierig und hatte sich vom ersten Augenblick an zu dem Vorarbeiter hingezogen gefühlt.
»In den Pub?« Cliff verzog abwertend sein Gesicht, die Gewitterwolke, die ihn stets umgab, verdichtete sich wieder. »Nein danke, ich schlafe lieber, um für die Arbeit morgen fit zu sein. Aber wenn du meinst, Volltrunken deinen Job meistern zu können, dann tu, was du nicht lassen kannst.« Er gab seinem Pferd die Sporen und ritt voran.
Max schüttelte verwirrt den Kopf, er wusste nicht, was er bei seiner Einladung falsch gemacht hatte. Jetzt fühlte er sich dank Cliffs Worten wie ein Taugenichts, der nur ans Feiern dachte.
Seufzend trieb er Charlie an, der Wallach folgte Cliffs Pferd träge, und Max gestand sich dabei ein, dass er und Cliff niemals richtig dicke Freunde werden würden.
Schade eigentlich.