Kitabı oku: «Geliebtes Carapuhr», sayfa 17
Seine letzten Worte klangen so endgültig, dass er mit ihnen zufrieden war und diese Angelegenheit so im Raum stehen ließ.
Sein Vater verlagerte sein Gewicht auf sein gesundes Bein und atmete nach einem Moment des Schweigens hörbar aus. »Ich weiß, dass du nicht wie ich bist. Vergebung, ich wollte dich nicht wieder bedrängen, ich versuche nur, dir begreiflich zu machen, dass du sehr wohl klug bist.«
Desith konnte das nicht glauben, aber er nahm es hin, wollte diese alte Geschichte einfach auf sich beruhen lassen. Immerhin war er kein Kind mehr, das von einem Lehrmeister zum nächsten Lehrmeister geschickt werden musste. Er war nun ein Mann, dumm geblieben, aber frei. Sein Vater konnte ihn zu nichts mehr zwingen.
»Es tut mir leid«, sagte sein Vater leise, als sich Stille zwischen ihnen ausbreitete. »Alles. Ich habe … ich habe viele Fehler gemacht. Das sehe ich ein und ich erwarte nicht, dass du sie alle verstehst. Aber eines will ich, dass du weißt. Es ist ganz gleich für mich, wohin du gehst und wen du liebst, Hauptsache, du findest deinen Weg. Egal ob mit Derrick oder wem auch immer, ich möchte hinter dir stehen.«
Er schwieg und starrte den Boden vor den Füßen des Kaisers an.
»Desith«, sagte dieser, »das Badewasser wird kalt.«
Desith wandte sich ab und öffnete sein Hemd. Er wünschte, er hätte einen Kompass, der ihm den Weg zeigte, denn im Moment wusste er überhaupt nicht weiter.
»Woher rührt deine Einsicht?«
Er konnte förmlich spüren, wie sein Vater hinter ihm in sich zusammensank. »Ich habe meine einzige Tochter verloren, ich denke, das ist Anlass genug, einige meiner früheren Entscheidungen und Worte zu überdenken.« Leiser fügte er hinzu: »Ich habe nie gedacht, je mein eigenes Kind zu Grabe tragen zu müssen. Aber zumindest hat sie mich nicht gehasst.«
Desith spürte einen Kloß im Hals, der immer größer wurde, und er war froh, dass er mit dem Rücken zu seinem Vater stand.
»Mir tut es auch leid, ich wollte dich nicht verraten.« Aber eigentlich hatte er sagen wollen, dass er ihn nicht hasste.
Sein Vater nickte, während er mit seiner Fassung kämpfte. »Das mit Lohna tut mir leid, für dich ist es noch ganz frisch, du hast es ja gerade erst erfahren.«
»Ich verdränge es ehrlich gesagt«, gestand er seinem Vater und zog sich das Hemd aus. »Ich hatte in letzter Zeit zu viele eigene Probleme und steckte bis zum Hals in richtig dicker Scheiße. Irgendwie kann ich es mir gerade nicht erlauben, zu trauern. Es wirkt noch alles so … fern, wie ein Traum, eine Geschichte, die nicht mir passiert.«
Als das Hemd fiel, hörte er seinen Vater leise, aber deutlich vor Schreck Luft holen. Erst verstand er nicht, wieso, aber als er sich nach ihm umdrehte, bemerkte er, dass die aufgerissenen Augen auf seinem verbrannten Arm ruhten. Die Wunden waren gut verheilt, aber die Narben waren ein hässliches Netz aus hartem Gewebe.
»War das Derrick?«, flüsterte der Kaiser scharf.
Desith drehte sich räuspernd wieder um und öffnete seine Hose, das Wasser im Zuber dampfte einladend, war klar und schimmernd in der Abendsonne, die durch das Fenster fiel.
»Ja, das ist von ihm.«
»Ich habe immer gewusst, dass er gefährlich ist.« Wut schlich sich in die Stimme seines Vaters, er schüttelte den Kopf und begann, im Zimmer auf- und abzuwandern. »Ich kann kaum glauben, dass ich mich so von Melecay habe täuschen lassen. Was bin ich für ein Narr, ich hätte es wissen müssen!«
»Du konntest es nicht voraussehen, du dachtest, wir würden uns lieben.«
»Ich hätte ihn in den Dschungel begleiten müssen, dann hätte er keinen Finger rühren können.«
Desith stieg aus der Hose. »Du hattest den Tod deiner Tochter zu betrauern.«
»Das ist keine Entschuldigung! Melecay wird nicht bekommen, was er will, das verspreche ich dir.«
Desith hätte vor Erleichterung weinen können, sagte aber nichts. Er löste sein Haarband und den Knoten, seine Strähnen fielen sanft auf seine Schultern.
»Treueeid hin oder her, wir finden einen Weg, Desith. Wir finden einen Weg, und wenn ich dich irgendwo verstecken muss, um einen Krieg zu verhindern. Melecay wird keinen meiner Söhne zu einer Ehe zwingen!«
»Es wird Krieg geben«, sagte Desith trocken, »wenn wir ihm nicht irgendwie entgegenkommen.«
Sein Vater setzte sich an seinen Tisch und wirkte erschöpft. Er lehnte den Stock beiseite und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. Plötzlich kam er Desith beunruhigend alt vor.
Desith stieg ins Wasser und sank stöhnend auf die Knie, die Wärme umhüllte ihn und sickerte in jede Pore. »Oh Götter!« Er schöpfte sich Wasser ins Gesicht und über die Schultern. »Es tut so gut!«
Das brachte seinen Vater zum Schmunzeln und für einen Moment auf andere Gedanken. »Weißt du, wie du stinkst?«
»Wie ein Sumpf.« Desith begann, sich zu schrubben. »Die einzige Möglichkeit, die lästigen Fliegen im Wald fernzuhalten, ist, sich mit Schlamm einzureiben. Der riecht natürlich nicht wie eine Lilie.«
Sein Vater betrachtete ihn forschend, während er sich wusch.
»Ich erinnere mich noch an meine Wanderung durch eine unwirtliche Wildnis«, erzählte er plötzlich melancholisch. »Ein Abenteuer, gewiss, aber auch gefährlich. Nichts, was ich mir für meinen Sohn vorgestellt hätte.«
Das war sein Problem. Dass er einfach immer alle behüten wollte, die sein eigenes Fleisch und Blut waren. Er hatte solche Angst, Desith könnte sich einen Kratzer zuziehen, dass er ihn lieber eingesperrt und in die Politik gezwungen hätte, als ihn in die Armee eintreten zu lassen.
»Mir geht es gut«, versicherte Desith lediglich und lehnte sich entspannt zurück. »Aber jetzt wäre ich gerne einen Moment für mich.«
Sein Vater wirkte etwas enttäuscht, erhob sich jedoch nickend mit Hilfe seines Stocks. »Wir sehen uns beim Essen, zieh die frischen Sachen an.«
»Nein, Vater, ich hatte vor, mich nach dem Duftölbad wieder in die verschwitzten Reisekleider zu zwängen und den Geruch von Schweiß und Pferd an die gedeckte Tafel zu tragen.«
Sein Vater drehte sich wieder zu ihm um und stöhnte warnend: »Desith…«
Er lachte und schickte ihn fort: »Ich werde mich benehmen, ich bin ja kein Barbar.«
»Der Barbar, der heute mit uns speist, macht mir weniger Sorgen als du, mein Sohn«, seufzte sein Vater, als er die Tür öffnete und hinaustrat.
Endlich allein lehnte Desith sich zurück und versuchte, sich zu entspannen. Eigentlich hätte er erwartet, nach der Ankunft müde ins Bett zu fallen, die Aufregung in seinem Inneren wollte sich jedoch nicht legen. Aber das Bad tat unendlich gut.
Sanft strich er mit den Fingern über die Wasseroberfläche und lächelte. »Willkommen zu Hause, Desith.«
*~*~*
Vynsu nahm einen Schluck aus dem goldenen und mit Rubinen besetzten Kelch und verzog das Gesicht. Dem Wein fehlte eindeutig der Honig. Er war viel zu stark und viel zu herb, aber so mochten ihn die Spitzohren. Kein Wunder, dass der Großkönig die fruchtigeren Säfte bevorzugte, die zwar nicht so teuer gehandelt, aber dafür schmackhaft waren.
Er war gerade erst aus dem Zuber gestiegen und hatte sich abgetrocknet, seine Haut war von der Bürste noch gerötet, duftete aber nun wie eine teure Hure, nach dem schweren Geruch farbenfroher Blüten.
Nackt ging er durch das Gästegemach, er hatte kein Auge übrig für die teuren Möbel mit ihren goldenen Verzierungen und den eingeschnitzten Kunstwerken. Statt Fellen gab es Seide und Samt, keine Scheiben in den Fenstern, keine Jagdtrophäen an der Wand.
Nun ja, es war ja auch nur ein Gästezimmer.
Der Raum war fast so groß wie eine Versammlungshalle in Carapuhr, sein eigenes Schlafzimmer war dahingegen eine Kammer mit einem Bett, einem Sessel und einer Kommode. Statt eines Balkons besaß er einen Kamin. Aber ihm war bewusst, dass die Spitzohren in ihrem Regenwald kein Feuer zum Wärmen benötigten, aber eine Abkühlung in Form frischen Windes, der in dieser Höhe über die Balustrade der Balkone zog.
Vynsu trat mit dem Kelch in der Hand hinaus und überblickte die Dächer und die hohen Bäume des Waldes. Die Sonne war fast gänzlich hinter dem Blätterdach verschwunden, dunkle Wolken durchzogen das feurige Licht der Dämmerung. Fast wie auf einem Gemälde.
Er hörte das Kichern zweier Frauen und wandte den Kopf. Neben ihm führte eine gewundene, enge Treppe vom feinsäuberlich gehaltenen Kirschblütengarten zu einem Dienstboteneingang. Zwei in knappe Tuniken gewandete Dienerinnen hatten ihn entdeckt und lachten schmutzig angesichts seiner Nacktheit. Er grinste und prostete ihnen zu, das brachte sie noch mehr zum Kichern, Röte stahl sich auf ihre Wangen und sie eilten schnell mit je einem Stapel Tücher nach drinnen.
Vynsu fühlte sich geschmeichelt, seit er hier war. Die Elkanasai waren zwar groß, aber alle – selbst die Männer – sehr filigran. Die Leute hier starrten ihn an, seine Größe machte die Wachen nervös, und die Frauen wollüstig. Sie hatten ihn regelrecht mit den Augen ausgezogen, als sie ihm ein Zimmer zugeteilt hatten. Die beiden Burschen, die ihm den Zuber befüllt hatten, hatten ihn mit neidischen Blicken durchbohrt, bevor sie gegangen waren.
Daran hätte er sich wirklich gewöhnen können, aber eigentlich hatte er nicht vor, länger als nötig hier zu bleiben. Doch mit leeren Händen konnte er gewiss nicht nach Carapuhr zurückkehren.
Was habe ich nur getan? Er wurde ernst und spülte seine Nervosität und die vielen Zweifel mit dem bitteren Wein runter. Tue ich das Richtige?
Vynsu hatte keine Ahnung, aber nun war der Weg eingeschlagen. Es gab kein Zurück mehr, es sei denn, er wollte seiner Heimat und seinem König endgültig den Rücken kehren.
Was er natürlich nicht vorhatte, er liebte Carapuhr. Er wollte zurück, er wollte bei seiner Familie sein und er wollte beweisen, dass er nicht nur ein dummer, folgsamer Hund war.
Er hoffte nur, dass er sich nicht verschätzte.
»Allmächtiger«, seufzte er mit Blick über den gewaltigen Regenwald und wurde sich der Entfernung zu Carapuhr bewusst, »was mache ich hier nur?«
Zu spät, dachte er, um jetzt einen Rückzieher zu machen. Er trank im letzten Licht des Tages seinen Wein aus, trank sich Mut an, wandte sich dann nach drinnen und stellte den Kelch beiseite. Auf einem rotgepolsterten Stuhl – der so zierlich wirkte, dass er gewiss nicht zum Sitzen erdacht war – lag saubere Kleidung für ihn bereit. Offenbar wollte man ihn nicht in Rüstung am Tisch sitzen sehen.
Er hob das Hemd an und verzog das Gesicht. Es war aus Seide mit einem gestärten Kragen und ohne Ärmel in der Farbe des Nachthimmels und verziert mit silbernen Stickereien, die an Sterne erinnerten. Dazu sollte er eine lächerlich dünne, schwarze Pluderhose und Sandalen tragen.
»Ma, das würde dir gefallen«, murmelte er und hörte bereits ihr Gelächter. Es wäre natürlich nichts im Vergleich zu dem brüllenden Lachen des Großkönigs, wüsste er hiervon.
Aber Vynsu hatte schon einen für seine Heimat wichtigen Gefangenen befreit und die Pläne seines Onkels durchkreuzt, er konnte also noch einen Schritt weiter gehen und sich wie ein Narr verkleiden.
Glücklicherweise hatte er, anders als Derrick, selten ein Problem mit Kaiser Eagle gehabt. Nie, um genau zu sein. An dem Tag, als Lohna ihm übergeben und sie vermählt wurden, hatte der Kaiser ihn ernst angesehen und gesagt, was alle Väter den Männern ihrer Töchter sagten. Dass er ihn umbringen würde, wenn er Lohna nicht wie eine verdammte Königin behandelte.
Er hatte Vynsu nie einen Vorwurf gemacht, wenn Lohna allein zu Hause war, denn er hatte für sie gesorgt, hatte ihr jeden Wunsch erfüllt, hatte dem Kaiser zwei Enkel geschenkt und seine Tochter wie versprochen immer mit dem höchsten Respekt behandelt.
Doch nun ging es nicht um Lohna. Vynsu blies die Wangen auf und wandte sich zu einem Tisch mit einem silbernen Spiegel um.
Dort lag eine Schale mit Wasser, Schaum und ein Rasiermesser bereit. Schweren Herzens setzte er sich vor den Spiegel und griff zu dem Messer. Blind tastete er nach seinem Barbarenzopf und zog ihn über die Schulter.
In Elkanasai trugen die Spitzohren – vor allem die Diener – lange, geflochtene Zöpfe. Aber die Familie Airynn stammt ursprünglich aus dem westlichen Königreich Nohva, wo Könige kurze Haare als Zeichen von Sitte sahen. Mit anderen Worten, nur ein Dieb trug langes Haar.
Es wird ihnen leichter fallen, dachte er, wenn er aussah wie einer von ihnen. Zumindest erhoffte er sich dadurch, noch mehr Sympathie zu wecken.
Kapitel 22
»Willkommen zu Hause, Desith!«
Als er durch den hohen Türbogen, in den von Kerzenständern hell erleuchteten Speisesaal trat, kam eine kleine, schlanke Gestalt mit einem strahlenden Lächeln ohne Umschweife auf ihn zugeschwebt. So selbstverständlich und hocherfreut, als würden sie sich bereits ihr ganzes Leben lang kennen, dabei hatte Desith ihn nur flüchtig kennen gelernt und auch während ihrer Reise zum Portal vor sieben Jahren nur wenig Interesse an seinem Halbbruder, dem erst kürzlich entdecktem Bastard seines Vaters, gezeigt.
Irgendwie war es seltsam für ihn, dass sein Vater einen Sohn mit einer anderen Frau hatte, die bereits tot war. Zwar war Desiths Halbbruder entstanden, bevor sein Vater sich in seine Mutter verliebt hatte, trotzdem war es seltsam und er wusste nie so recht, wie er einem eigentlich Fremden begegnen sollte, der bis auf die lockigen, blonden Haare fast sein Spiegelbild hätte sein können. Fast.
Was erstaunlich schien, denn trotz, dass man nicht bestreiten konnte, wer ihr Vater war, sahen sie sich beide sogar noch ähnlicher als ihm.
»Kareth«, begrüßte er seinen Bruder und deutete ein knappes Nicken an, »ich wusste nicht, dass Ihr auch hier seid.« Andererseits hätte er es sich denken können, sein Vater hatte Kacey angeboten, zu ihnen zu ziehen.
Sein Halbbruder lächelte und dabei blitzte ein silberner Fangzahn auf, der seinen verlorenen ersetzte. Falls er von Desiths verbranntem Arm schockiert war, zeigte er es nicht. Es war in Elkanasai ein Zeichen von Höflichkeit, über jegliche Art von Hässlichkeit erst hinter dem Rücken des Betroffenen zu reden.
»Sag doch bitte Kacey, wir sind immerhin Brüder!« Dann zog er ihn kurz in seine Arme, drückte ihn herzlich an sich. Desith war überrumpelt, so freundlich konnte doch kein echtes, sterbliches Wesen sein. Sein Bruder roch nach Birnen, bemerkte er. Nach süßem, warmem Birnenkompott, garniert mit einer Prise Zimt. Ein Duft, der ihn plötzlich sehr verwirrte.
Unbeholfen klopfte Desith ihm auf den Rücken, dabei berührten seine Finger die smaragdschimmernden Schuppen. Die gleichen, die auch den Rücken seines Vaters zierten und laut einem Ahnenforscher darauf zurückzuführen waren, dass die Airynns einst mit der von Blutdrachen erzeugten Linie der M`Shiers gekreuzt worden war. Aber um das zu verstehen, hätte Desith wieder aufmerksam irgendwelche Bücher wälzen müssen, von denen er nur die Hälfte richtig verstand. Lesen war einfach nichts für ihn, deshalb ließ er es lieber bleiben. Er wusste nur, dass ihm dieses Erbe erspart geblieben war, aber er hätte seine Verbrennungen gegen Schuppen gerne eingetauscht.
Räuspernd trat er einen Schritt zurück, aber sein Bruder hielt ihn an den Schultern fest und lächelte ihm noch immer ins Gesicht. So voller Freude, ihn zu sehen, dass Desith schließlich gar nicht anders konnte, als sich geschmeichelt und willkommen zu fühlen.
»Du … ähm …. Es ist schön, dich zu sehen.« Verlegen rieb er sich den Nacken. »Du siehst … du siehst gesünder aus, seit dem letzten Mal.«
Kacey lächelte liebreizend und legte dankbar den Kopf schief. Er war etwas fülliger geworden. Nicht beleibt, sondern schlicht gesund. Als sie sich kennen lernten, war er nur ein Gerüst aus Knochen gewesen, gezeichnet von einem Leben in Sklaverei, ausgemerzt und seiner Magie beraubt. Heute konnte selbst Desith einen Hauch der goldenen, schimmernden Aura seiner Macht wahrnehmen, die in ihm wohnte und durch seine blauen Augen strahlte. Er trug ein Gewand aus weißer, blickdichter Seide und eisblauem Organza, das so extravagant war, dass Desith sich in seiner schneeweißen Toga und der weinroten Schärpe vorkam wie ein einfacher Diener. Kaceys Magierrobe konnte an Einzigartigkeit nicht übertroffen werden. Sie war bodenlang wie ein Ballkleid, fiel locker und luftig um seine Beine, der Rücken lag frei bis zu der Wölbung seines Steißbeins, als trüge er seine Schuppenhaut mit Stolz zur Schau. Vorne war der eisblaue Stoff hochgeschlossen, ein goldener Reif lag um seine schlanke Kehle und hielt den Stoff oben, dazu trug er eine lange Kette, der Anhänger war eine Mondsichel aus Edelstein, der auf seiner Brust ruhte. Armreifen klimperten um seine dürren Handgelenke, an ihnen waren durchsichtige Stoffbahnen befestigt, die mit dem Gewand verbunden waren. Sein gelocktes, blondes Haar war offen und kräuselte sich im Nacken und auf der Stirn, es bedeckte seine Ohren. Ein goldener Stirnreif blitzte unter den Strähnen hervor, in den ein Mondstein eingearbeitet war. Damit verbarg er das Sklavenmal, das man ihm mitten auf der Stirn eingebrannt hatte.
Kacey bemerkte seine Musterung und lächelte milde, verlegen betastete er den Reif. »Ein Geschenk unseres Vaters, als ich die Magier Prüfungen der Akademie bestand.«
»Mit Bravour!«, rief der Kaiser stolz aus, als er in den Raum trat, sein Stock klackte bei jedem Schritt. »Kacey hat die ganze Akademie in Staunen versetzt. Sie haben sich verbogen und Kniefälle gemacht, damit er ihnen die Ehre erweist, an ihrer Schule zu unterrichten.«
Desith versuchte angestrengt, nicht an Derrick zu denken. Als dieser damals die Prüfungen absolvierte, hatte er Künste genutzt, die den Lehrmeistern Angst gemacht hatten. Beschwörungen aus Geistfeuer. Von diesem Moment an hatte der Kaiser versucht, Desith von ihm fern zu halten.
Desith sah Kacey ins Gesicht und setzte ein Lächeln auf. »Herzlichen Glückwunsch.«
Sein Halbbruder lächelte nur leicht, offensichtlich zu bescheiden, um sich anpreisen zu lassen. »Es ist schon ein paar Jahre her, aber hab Dank.« Er fasste Desiths Hand und drückte zu.
Jahre her oder nicht, der Kaiser war stolz. So stolz, wie Desith es noch nie erlebt hatte. Er schluckte die Eifersucht herunter, als sein Vater zu seinem Stammplatz am Kopf des Tisches ging, ein glücklicher Funken in den sonst so harten Augen.
In mitten des Saals stand eine reich gedeckte Tafel, goldene Kelche, Kerzenständer und Teller blitzten im Kerzenschein auf, ein gebratenes Ferkel und ein Fasan thronten in der Mitte zwischen Schüsseln und Schalen mit dicken Soßen, Gemüse, Salaten, Brot und allerlei Früchten.
Am Tisch saß bereits seine Mutter neben dem Platz seines Vaters und lächelte ihm entgegen, zwei weitere Gesichter, eines entfernt bekannt, ein anderes völlig fremd, sahen ihm neugierig entgegen.
»Lexi?« Desith konnte es kaum glauben, er schob Kacey beiseite und ging auf seinen Bruder zu. »Bist das wirklich du? Kleiner Lexi?«
Sein Bruder stand zögerlich auf und ließ sich nur sehr steif umarmen. »Willkommen zurück, Bruder.« Es klang einstudiert.
»Sieh dich einer an!« Desith fasste ihn stolz an den Schultern. »Als ich dich das letzte Mal sah, habe ich dich noch auf dem Arm getragen! Wie groß du geworden bist!« Er konnte es kaum glauben, der kleine Wellex so groß. Er musste nun elf oder zwölf Sommer sein? Im Rechnen war Desith leider genauso schlecht wie darin, etwas auswendig zu lernen. Aber das machte nichts, sein Bruder wuchs zum Mann heran, es war sogar schon etwas heller Flaum auf seinen Wangen gesprossen. Unter seiner Toga war er ein kräftiger Bursche, sein Haar war aschblond, die Augen blau, auf den Wangen lagen Sommersprossen. »Unser kleiner Bruder Lexi«, Desith schüttelte ihn sanft, seufzte melancholisch, »Lohna und ich hatten dir noch den Arsch gepudert.«
Sein Bruder räusperte sich und machte sich von ihm los, es war ihm sichtlich peinlich. »Lex«, betonte er nur und ließ alles andere unkommentiert, »ich bevorzuge es, Lex genannt zu werden.«
Desith nickte und riss sich zusammen. Kein Kleinkind stand mehr vor ihm, das in seiner Entwicklung so stark zurücklag, dass es kaum sprechen konnte, sondern ein sehr junger Mann, der respektiert werden wollte. Er erinnerte sich daran, wie er in diesem Alter gewesen war und wie er sich gefühlt hatte, wenn ein anderer – insbesondere sein Vater – ihn wie ein Kind behandelte. Dass Lexis Geist und Körper endlich sein wahres Alter eingeholt – nein, sogar überholt – hatten, grenzte für ihn an ein Wunder. Er hätte damals gewettet, dass sein Bruder niemals sprechen und laufen würde.
Er legte den Kopf zur Seite und betrachtete fragend den etwa sechs Jahre alten Jungen, der neben seinem Bruder mit großen braunen Augen neugierig zwischen ihnen hin und her sah. Sein Haar schimmerte wie angelaufenes Kupfer, es war frisch gestutzt, der Schnitt passte nicht zu seinem sanften, kindlichen Gesicht mit der frechen Nasenspitze und dem vollen Mund. »Und wer bist du?«, fragte er verwundert.
Der Kleine lief rot an und blickte hilfesuchend zu Lexi auf. Er war ein schüchterner, zierlicher Fratz.
Umgehend hob Desiths Bruder das dürre Kind auf seinen Arm und drückte es an sich, als wäre er die Mutter und müsste den Kleinen vor einem Fremden beschützen. Muskeln traten hervor, geformt von Übungen mit Schwert und Schild, und Desith fragte sich bei ihrem Anblick unwillkürlich, warum Lexi in diesem Alter kämpfen durfte, während er selbst seinen Vater immer hatte anbetteln müssen, bis dieser ihm lediglich den Fechtunterricht erlaubt hatte.
»Das ist Faith«, sagte Desiths Bruder knapp und beinahe beschuldigend. »Er ist unser Bruder. Aber das wüsstest du, wärest du hier gewesen.«
Desith war zu perplex von der offenen Ablehnung, dass er im ersten Moment nichts erwidern konnte. Er rang nach Worten und sah sich nach seiner Mutter um.
Sie lächelte entschuldigend mit einem Kelch in der Hand, dann sah sie seinen Vater an, legte ihre Finger um dessen Arm, und er legte seine Hand darüber, rieb sie liebevoll.
Dann stimmte es also, Desith hatte einen weiteren Bruder, und nichts davon gewusst. Lexis abweisender Blick war ein Scheiß gegen den Dolch, der von seinem eigenen schlechten Gewissen in seine Brust getrieben wurde.
Glücklicherweise nahte Rettung.
Ihr Gast wurde in den Raum geführt und zog aller Aufmerksamkeit auf seine überwältigende Person.
Desith starrte ihn an und wusste nicht ob er lachen oder sabbern sollte. Er war noch nicht gänzlich sicher, ob er das, was er sah, mochte oder albern fand. Vielleicht eine seltsame Mischung aus beidem.
Der Diener, der ihn hereinführte, verbeugte sich tief und verkündete: »Eure Majestät, Prinz Vynsu aus Carapuhr.«
Vynsu war sichtlich verlegen, als aller Augen auf ihm lagen, er stockte und wollte den Ausrufer korrigieren: »Ich bin kein …« Dann unterbrach er sich jedoch und winkte ab. »Ach egal«, murmelte er, und Desith musste wegen ihm schmunzeln.
Aus unerklärlichen Gründen, fühlte Desith sich durch seine Anwesenheit nicht mehr so fehl am Platz wie zuvor, er entspannte sich sogar etwas.
Der Kaiser klatschte erfreut in die Hände. »Seht euch das an! Welch Juwel unter all dem Schmutz verborgen lag!« Er lachte vergnügt und war sichtlich erfreut über die Veränderung. »Ihr seht tadellos aus, mein Junge! Beeindruckend!«
»Danke, Eure Hoheit!« Vynsu blieb vor der Tafel stehen, legte einen Arm über den Bauch, den anderen hielt er hinter dem Rücken und er verbeugte sich vorbildlich.
Das nachtblaue, ärmellose Hemd spannte über seinen Muskeln, als würde es sofort reißen, wenn er auch nur eine Schulter anspannte. Die Hose war zwar weit geschnitten, aber Vynsus Arsch bestand ebenfalls nur aus harten Muskeln, weshalb auch dort der Stoff spannte. Wenn ihm die Beinkleider rissen, sobald er sich hinsetzte, würde Desith in schallendes Gelächter ausbrechen.
Aber die größte Veränderung war sein Haar.
Er hatte sich den verfilzten Zopf abgeschnitten und seinen Schopf ausgebürstet. Es war nun glatt und schimmerte ölig. Die braunvioletten Strähnen waren noch lang genug, um seinen Nacken zu verhängen, doch er hatte es sich aus dem Gesicht gekämmt, eine Strähne hing ihm in der Stirn und provozierte geradezu, sie zwischen die Fingerspitzen zu nehmen. Die rasierten Seiten seines Schädels wurden durch die kürzeren Haare nur umso mehr hervorgehoben.
Es sah gut aus. Desith wollte sich erneut auf ihn setzen und dieses Mal die Finger durch sein Haar gleiten lassen, sich richtig festkrallen und daran ziehen, bis Vynsu schrie, und er den Laut im Kuss ersticken konnte, wenn er ihm seinen Mund aufzwingen würde.
Sein Blick musste Bände sprechen, denn als Vynsu sich erhob und ihm in die Augen sah, kämpfte er mit einem überheblichen Schmunzeln.
»Kommt!« Der Kaiser gebot ihnen allen, sich zu setzen. »Lasst uns endlich speisen!«
*~*~*
»… deshalb konnten wir nicht alles stehen und liegen lassen und uns Melecay anschließen, die Unruhen wurden immer lauter und auch jetzt ist die Frage, in wieweit Magie gelehrt und frei entfaltet werden darf, nicht geklärt.«
Desiths Vater unterbrach sich, um einen Schluck zu trinken.
»Seit dem Auftreten der Herrin und ihrer Demonstration, dass eine einzige mächtige Hexe ausreicht, um eine ganze Stadt dem Erdboden gleich zu machen, haben die Menschen überall in Bleyquinnt Angst. In Nohva hat sich ein regelrechter Kult der Magiehasser gebildet. Hexenjäger nennen sie sich, und ich fürchte, sie haben auch in unserem Reich Gehör gefunden. Einige Ratsmitglieder pflichten ihren Parolen bei. Es sei nicht richtig, Zauberkundige frei herum laufen zu lassen, sie wollen aus den Akademien so etwas wie Gefängnisse erschaffen, in denen alle Magier eingepfercht werden sollen, um ihre Magie kontrollieren und beobachten zu können.«
Desith hörte aufmerksam zu, obwohl sein Blick auf Vynsu lag, der ihm gegenüber zwischen Kacey und Lexi saß und viel zu groß für seinen Stuhl wirkte. Er überragte einfach alles, als speise man mit einem Bären, obwohl man selbst nur eine Gans war. Das silberne Besteck in seinen Händen war viel zu klein und dünn, außerdem nutzte er die falsche Gabel und das falsche Messer für den Hauptgang.
Am interessantesten fand Desith jedoch die Gebärden einer jungen Dienerin mit schwarzem Haar und großen, klaren Augen, die sie einfach nicht von dem Barbaren lassen konnte. Auffallend oft schenkte sie ihm nach, beugte sich über ihn, damit er einen tiefen Einblick in ihre locker sitzende Toga erhaschen konnte, lächelte, versuchte verzweifelt, seine Aufmerksamkeit zu erlangen.
Doch Vynsu war mit Essen beschäftigt und schien ihre Existenz kaum wahrzunehmen.
»Ich hatte ihn«, wollte Desith zu ihr sagen, »und er ist so gut, wie du denkst. Sogar noch besser.«
Einfach nur, um sie zu schockieren, ihre großen, blöden Kuhaugen geweitet zu sehen.
Außerdem gefiel es ihm überhaupt nicht, wie sie die Ohren bei jedem Gesprächsfetzen stellte.
»Das klingt äußerst … heikel«, erwiderte Desith, um sich abzulenken. Er saß neben seiner Mutter, rechterhand war Lohnas Platz frei. »Und Ihr sagtet, die Akademie wurde angegriffen?«
Sein Blick traf Kacey, der eilig sein Essen runterschluckte und sich mit der Serviette den vollen Mund abtupfte. Sehr gesittet, bedachte man, dass er ein ehemaliger Sklave war.
»Ja«, bestätigte er schließlich, »oder besser gesagt, wurde sie von innen heraus angegriffen. Unter den Wachen hatten sich Attentäter eingeschleust und ein paar Erstsemester getötet, aber die älteren Schüler hatten sich in einem Klassenraum in Sicherheit gebracht und eine magische Barrikade solange gehalten, bis die Stadtwache am Morgen bemerkte, dass etwas nicht stimmte, weil es auf dem Gelände wie ausgestorben war. Die Täter entkamen zwar und hatten bei ihrer Flucht einige Bücher und Schriftrollen verbrannt, aber seitjeher hatte es niemand mehr versucht.«
»So schrecklich es klingt, der Vorfall spielte uns in die Hände. Unter den Opfern waren auch Kinder einiger hoher Politiker, die natürlich eine Versammlung einberiefen und die Streitfrage um das Recht auf freies Leben der Magier zu deren Gunsten unterstützten. Vorerst liegt der Konflikt auf Eis und wir haben unsere Sicherheit verstärkt. Ich bin zuversichtlich, dass die Unruhen bald verstummen«, erklärte der Kaiser und drückte aufmunternd Kaceys Arm.
Desith rutschte noch tiefer in seinen Stuhl, seine Haltung war alles andere als gesellschaftsfähig, aber seine Eltern tadelten ihn längst nicht mehr. »Das war sicher aufregend«, sagte er zu Kacey, nur um irgendetwas zu sagen und wenigstens Interesse zu heucheln.
Kacey lächelte freundlich. »Ja, das war es. Aber gewiss nicht so aufregend wie das, was du durchlebt hast.« Er lehnte sich mit überschäumender Neugierde ein Stück über den Tisch, als wollte er sich zu Desith beugen, obwohl der Viehbestand des halben Stalls zwischen ihnen zu liegen schien. »Diese schnelle Heilung, die ihr erwähntet, sollten wir unbedingt untersuchen. Meinst du, sie stammt von der Magie, die Sarsar auf uns übertrug? Oder hast du schon zuvor so etwas gespürt? Ich erforsche das, was in uns eingeschlossen ist, schon seit Jahren, aber es ist schwer ohne Vergleiche zu arbeiten.«
Desith zuckte mit den Achseln. »Nein, nie«, warf er ein.
Das schien Kacey ins Grübeln zu versetzen.
»Aber wäre es der Magie geschuldet, die nun in uns schläft, hättest du dann nicht auch solche Kräfte?«
»Die habe ich vielleicht«, gab Kacey zurück, »allerdings lebe ich hier nicht gerade in Gefahr.« Es klang wie eine Entschuldigung, er schaute verlegen drein. »Ich schneide mich allerhöchstens an einer Buchseite, und die Wunde heile ich selbstverständlich ganz bewusst durch meine eigene Magie. Aber du hast Recht, ich sollte es einmal austesten. Mir eine Wunde zufügen und zusehen, was mein Körper mit ihr anstellt.«
Desiths Mutter bat ihn scherzhaft: »Bitte nicht hier am Tisch.«
Kacey errötete. »Nein, nein. Vergebung, meine Kaiserin, ich wollte niemandem den Appetit verderben.«
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