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KAPITEL ZWEI

Sie hatten ihre Sandwiches bestellt und nun saß Riley schweigend da und schaute über den Tisch hinweg auf ihren Partner.

Bill erwiderte ihren Blick.

Sie lächelte und er lächelte zurück.

Keiner von ihnen sagte irgendetwas, aber es schien keinen Unterschied zu machen.

Zumindest genieren wir uns nicht, dachte sie.

Freilich, sie schienen sich beide gerade sehr komfortabel zu fühlen.

Sie saßen in einer gemütlichen, privaten Sitzkabine im Hannigan’s Public House. Nachdem sie jahrelang entweder im Gehen oder in versifften Cafés und Schnellimbissen gegessen hatten oder Pizza ins Motelzimmer bestellt hatten, war das eine ziemliche Abwechslung für sie beide – zumindest für sie beide zusammen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals zusammen in einem derartigen Lokal gesessen zu haben.

Und ganz bestimmt nicht, während wir nicht beide an einem Fall gearbeitet haben.

Sie freute sich, dass Bill Hannigan’s ausgesucht hatte für ihr…

Date, ermahnte sie sich. Wir haben gerade tatsächlich ein Date.

Tatsächlich machte es den Eindruck eines fast schon altbacken traditionellen Dates. Bill hatte sie sogar zuhause abgeholt und hatte sie hierher gefahren. Sie stellte auch erfreut fest, dass er, genauso wie sie selbst, sich auch einiges an Mühe gegeben hatte, um gut auszusehen. Er trug einen modischen Cardigan, der vorne zugeknöpft war, sein immer noch dichtes Haar war makellos zurückgekämmt.

Ein schöner Mann, dachte sie.

Bill war nie ein Goldjunge gewesen, wie ihr Ex-Mann Ryan. Er war nie charmant und hübsch gewesen, wie ihr Ex-Freund Blaine. Seine Gesichtszüge waren die eines Mannes, der ein hartes Leben gelebt hatte, doch er sah auch aus wie ein Mann, der etwas in seinem Leben geschafft hatte.

Riley wusste, dass das Leben auch bei ihr seine Spuren hinterlassen hatte. Ihr eigenes dunkles Haar, wie seins, zeigte bereits erstes Grau. Die Ringe um ihre Augen, wie um die seinen, spiegelten hässliche Begegnungen über die Jahre hinweg wider. Obwohl Männer im Allgemeinen zu ihr hingezogen zu sein schienen, wusste sie, dass die meisten von ihnen keine Ahnung hatten, was es eigentlich bedeutete Spezialagentin Riley Paige zu sein.

Endlich griff Bill über den Tisch und nahm ihre Hand.

Er fragte: „Riley, wird das hier funktionieren?“

Riley lachte ein wenig.

„Ich weiß nicht, Bill“, sagte sie. „Ich bin mir nicht einmal sicher, was ‚das hier‘ ist. Bist du es?“

Auch Bill lachte.

„Naja, ich habe da einige Vorstellungen, aber ich kann nicht behaupten, dass ich weiß, wo ‚das hier‘ hinführt.“

„Ich auch nicht“, sagte Riley.

Sie schwiegen wieder. Riley war sich nur einer Sache sicher. „Das hier“ war etwas Romantisches – eine Veränderung in ihrer beider Leben, von besten Freunden hin zu etwas mehr als Freunden.

Riley erinnerte sich an den süßen, warmen Augenblick, als „das hier“ begonnen hatte. Es war einige Wochen her, kurz nachdem sie ihren letzten Fall beendet hatten. Sie hatten gemeinsam in Rileys Hotelzimmer gesessen und waren beide besorgt und traurig. Riley war erbittert und verletzt von Jenns unerklärtem Verschwinden gewesen. Bill war erschrocken davon gewesen, dass Riley beinahe von einem psychopatischen Wahnsinnigen getötet worden war.

Natürlich war es nicht das erste Mal gewesen, dass Riley oder auch Bill dem Tode um ein Haar entkommen waren. Freilich, es war wahrscheinlich nicht einmal das hundertste Mal gewesen. Aber dieses Mal schien es Bill besonders mitgenommen zu haben.

Endlich hatte er ihr gesagt, wieso genau.

„Ich glaube nicht, dass ich es verkraften könnte, dich zu verlieren. Ich glaube nicht, dass ich ohne dich leben könnte.“

Dann, ohne ein weiteres Wort zu sagen, hatten sie sich geküsst.

Danach hatten sie einander bloß eine Weile lang schweigend umarmt, ohne ein Wort zu sagen.

Das war wirklich alles, was passiert war – ein einziger Kuss und eine lange, stille Umarmung. Sie waren beide zu müde von ihrem letzten Kampf mit dem Mörder, um weiter zu gehen, als das.

Rileys Lächeln wurde bei dieser Erinnerung breiter.

Sie sah, dass auch Bills Lächeln breiter wurde.

Denkt er auch gerade an diesen Moment?

Sie wäre nicht im Geringsten überrascht. Wie ein altes verheiratetes Ehepaar dachten sie oft das Gleiche zur selben Zeit und beendeten die Sätze des anderen.

Sie und Bill hatten jahrelang als Partner miteinander gearbeitet. Sie hatten einander vor Monstern gerettet, hatten einander in schrecklichen Zeiten unterstützt und ihre Freundschaft hatte sogar ihren einmaligen betrunkenen Versuch überlebt, sich an ihn ranzuschmeißen, als er noch verheiratet gewesen war.

Sie hatten einander während ihrer Scheidungen gekannt und, in seinem Fall, dem beinahe kompletten Verlust des Kontakts zu seinen Söhnen, als seine Ex-Frau weggezogen war und neu geheiratet hatte. Er wusste vieles von ihrem Hin-und-Her mit Ryan, über ihre Scheidung und sogar über ihre jüngste Beziehung mit Blaine.

Sie hatten bloß nicht allzu viel voneinander gehört, seit sie diesen Fall damals beendet hatten. Sie hatten keine Möglichkeit gehabt, über die Sache zu sprechen.

Bill hatte Riley einige Male zuhause besucht, und sie hatten am Telefon gesprochen. Sie hatten den Kuss nie voreinander erwähnt, doch natürlich hatte Riley die ganze Zeit über daran gedacht und sie wusste ganz genau, dass auch Bill das getan hatte.

Und nun waren sie hier und hatten ihr erstes echtes Date.

Und wie alle ersten Dates war es voll von allen möglichen Chancen und Ungewissheiten.

Schließlich schüttelte Bill den Kopf. „Riley, es gibt einige Sachen, die wir wirklich klären müssen.“ Riley merkte, dass sie beinahe den Atem anhielt, unsicher, was jetzt kommen würde.

„Du bist mir sehr wichtig“, sagte Bill. „Ich weiß, dass du genauso für mich empfindest. Und ich nehme an… dass es nur natürlich ist, dass unsere Beziehung sich… du weißt schon…“

Riley drückte seine Hand und kicherte.

„Entwickelt?“, sagte sie.

Bill kicherte auch.

“Ja, sich entwickelt. Es ist natürlich und es ist… wundervoll. Und ich will nicht, dass es aufhört.“

„Ich denke genauso“, sagte Riley.

Bill zuckte mit den Schultern und rutschte etwas auf seinem Stuhl umher.

„Aber ich mache mir Sorgen um… Dinge“, sagte er. „Ich meine, was wird das für uns als Partner bedeuten?“

Riley seufzte. „Ich wünschte, das wüsste ich. Natürlich hat das FBI keine klaren Regeln im Fall von… naja, sozialen Kontakten außerhalb des Dienstes.“

„Ich weiß“, sagte Bill. „Aber das bedeutet nicht, dass es einfach sein wird. Mir fällt zumindest ein Typ ein, der es so schwer wie möglich für uns machen wird.“

Riley nickte. Sie wusste genau, wen Bill meinte. Regeln hin oder her, Leitender Spezialagent Carl Walder missbilligte romantische Beziehungen unter Agenten, die zusammenarbeiteten. Eigentlich missbilligte Walder beinahe alles, was Agenten taten, außer es rückte ihn in ein positives Licht.

Es kam noch schlimmer, denn Walder hegte eine gewaltige Abneigung gegen Riley. Er hatte sie bereits mehr als einmal suspendiert und sogar gefeuert. Wenn Riley und Bill öffentlich eine Beziehung anfangen würden, würde Walder zweifelsohne jede Menge neuer Möglichkeiten finden, ihnen das Leben zur Hölle zu machen. Zumindest würde er ihnen verbieten zusammenzuarbeiten, doch womöglich würde er einen von ihnen auch an irgendeine ferne Außenstelle versetzen.

Einen Moment lang schaute Bill nachdenklich drein.

Er sagte: „Ich mache mir auch Sorgen darüber – naja, dass ich in dein Leben trete, nehme ich an, und mein ganzes Gepäck mitbringe. Ich meine, du hast eine Familie und ich habe…“

Bill schüttelte traurig den Kopf.

„Naja, du weißt was ich habe“, sagte er. „Zu viel von gar nichts. Zum einen habe ich eine hässliche Scheidung hinter mir.“

„Genau wie ich“, sagte Riley.

„Ja, aber dein Ex-Mann hat dir nicht die Kinder weggenommen.“

Riley spürte einen tiefen Stich des Mitgefühls und drückte erneut seine Hand.

„Ich weiß“, sagte sie. „Es tut mir leid.“

Bills Stimme wurde etwas heiserer.

„Aber du – naja, du hast eine Familie. Willst du, dass ich ein Teil davon werde?“

Riley wollte gerade sagen, dass sie das natürlich wollte, aber Bill unterbrach sie.

„Bitte, antworte nicht auf diese Frage, bevor du wirklich darüber nachgedacht hast.“

Riley nickte traurig.

Es war wirklich eine gute Frage und es erinnerte Riley daran, wie erfüllt und liebevoll ihr Familienleben wirklich war. Sie hatte zwei Töchter und eine Haushälterin, die bei ihnen wohnte und die viel, viel mehr war, als nur eine Angestellte.

Gibt es noch Platz für irgendjemand anderen? fragte sie sich.

Sie hatte versucht Platz für zwei verschiedene Männer zu schaffen, aber es hatte nicht geklappt. Als ihr Ex-Mann, Ryan, zurückgekommen war, um sie um eine neue Chance anzuflehen, hatte sie ihn für eine Weile einziehen lassen. Er hatte sie und die Mädchen natürlich enttäuscht, und sie hatte sich dumm gefühlt, dass sie irgendetwas anderes von ihm erwartet hatte. Das letzte Mal, dass er vorbeigekommen war, hatte sie ihn ziemlich entschlossen weggeschickt.

Zuerst war alles glatt gelaufen mit Blaine Hildreth, dem charmanten Restaurantbesitzer, auf den Riley sich eingelassen hatte. Er war ein alleinerziehender Vater von einer Tochter in Aprils Alter. An einem Punkt hatte Blaine sogar geplant sein eigenes Haus auszubauen, damit sie alle zusammen dort leben könnten.

Doch die Gefahren von Rileys Leben hatten schließlich dazu geführt, dass Blaine nicht mehr mit ihnen umgehen konnte.

Obwohl sie ihn nicht wirklich dafür verurteilte, schmerzte Riley seine endgültige Zurückweisung innerlich immer noch. Es hatte sie verbittert und enttäuscht. Sie hatte begonnen sich zu fragen – würde es jemals einen Mann in ihrem Leben geben, dem sie vollkommen vertrauen und auf den sie sich komplett verlassen könnte?

 

Doch in diesem Moment kam ihr das wie eine dumme Frage vor.

Sie schaute in genau diesem Augenblick auf ebendiesen Mann.

Sie und Bill hatten ihre Streitigkeiten und ihre Uneinigkeiten gehabt, genau wie ihre Höhen und Tiefen. Doch schlussendlich hatten sie einander immer mit ihrem eigenen Leben vertrauen können.

Was könnte ich noch von einer Beziehung wollen? fragte sie sich.

Vielleicht war genau das auch das Problem.

Sie stammelte, als sie versuchte die Worte dafür zu finden, was sie sagen wollte.

„Bill, ich… ich habe das Gefühl, dass du mich besser kennst, als irgendjemand mich je gekannt hat. Besser als Ryan sogar. Du hast mich in meinen besten Momenten, genauso wie in meinen schlimmsten gesehen. Du hast mich aus den Tiefen des… naja, des Trinkens, der Verzweiflung, des Selbst-Mitleids, des Versagens gezogen…“

Bill schüttelte den Kopf. „Naja, du hast Schlimmeres mit mir durchgestanden.“

Riley erschauderte ein wenig. Sie wusste nur zu gut, wovon Bill sprach.

Und sie erinnerte sich eindringlich an die SMS, die Bill ihr geschickt hatte, als sie letztes Frühjahr an einem Fall gearbeitet hatte…

Sitze hier mit der Knarre im Mund.

Jenn hatte Rileys Abwesenheit gedeckt, sodass sie zu Bills Apartment in Quantico eilen konnte. Sie wusste immer noch nicht was hätte passieren können, wenn sie nicht dort hingekommen wäre, um ihm zu helfen.

Aber sie hätte es nicht anders gewollt. Ihre Freundschaft war genauso auf schrecklichen Momenten wie diesen aufgebaut, wie auch auf den schönen.

Riley hielt einen Moment lang inne.

Dann sagte sie: „Ich glaube, was ich denke ist… vielleicht sind wir bereits ein perfektes Paar. Vielleicht waren wir all die Jahre ein perfektes Paar. Weiß Gott, ich fühle mich dir sehr viel verbundener, als ich mich jemals Ryan gegenüber gefühlt habe.“

„Und ich fühle mich dir sehr viel verbundener, als ich es jemals mit Maggie war“, sagte Bill.

Riley holte tief Luft und sagte: „Also dann… sollten wir vielleicht nichts zwischen uns ändern. Vielleicht sollten wir die Dinge genauso lassen, wie sie sind.“

Bill lächelte etwas traurig.

Er sagte: „Riley, die Dinge haben sich bereits verändert zwischen uns. Sie haben sich verändert, ob wir es wollen oder nicht.“

Riley wusste genau, was er meinte.

Dieser Kuss.

Er hatte alles zwischen ihnen verändert.

In diesem Moment kam der Kellner mit ihren Sandwiches.

Und Rileys Handy klingelte.

Sie überlegte kurz, ob sie den Anruf ignorieren sollte, doch dann sah sie, dass er von ihrem Boss stammte, dem Teamleiter Brent Meredith.

Als sie den Anruf entgegennahm, kam Meredith wie immer direkt zum Punkt.

„Sind Sie dazu bereit einen neuen Fall zu übernehmen, Agentin Paige?“

Riley musste über die Frage lächeln. Brent Meredith „nein“ zu sagen war keine wirkliche Option.

„Ich bin bereit“, sagte sie.

„Gut. Dann kommen Sie sofort in mein Büro.“

Ohne ein weiteres Wort beendete Meredith den Anruf.

Bill sagte: „Ich nehme an, dass das Meredith war, gesprächig wie immer.“

Riley lachte und sagte: „Ja, manchmal hört er einfach nicht auf zu quatschen. Naja, ich nehme an wir werden gebraucht – und wie immer jetzt sofort. Tut mir leid um das Mittagessen.“

„Wir können es auf dem Weg essen“, sagte Bill. „Das ist uns nicht neu.“

Bill winkte den Kellner heran und bat ihn, ihre Sandwiches einzupacken und die Rechnung zu bringen.

Er sagte: „Was meinst du, wie oft wurden wir bereits während des Mittagessens irgendwo hinbestellt?“

Riley kicherte und sagte: „Ich nehme an, einige Dinge ändern sich nie.“

Bill zahlte die Rechnung und, mit ihrem Mittagessen in der Hand, gingen sie hinaus zu seinem Auto.

KAPITEL DREI

Als sie das Gebäude der Verhaltensanalyse betraten, dachte Bill immer wieder an Rileys Worte, als ihr erster Versuch eines Dates zu so einem abrupten Ende gekommen war.

„Ich nehme an, einige Dinge ändern sich nie.“

Bill fand, dass es beinahe komisch war, wie dieser Anruf ihr Gespräch unterbrochen hatte… genau wie so oft zuvor.

Sie hatten eilig ihr Essen einpacken lassen und waren zum Auto geeilt… genau wie so oft zuvor.

Nun eilten sie durch einen vertrauten Flur zu Merediths Büro. Der heutige Tag war allzu typisch was die Unvorhersehbarkeit anging, mit der er und Riley seit vielen Jahren lebten.

Und doch wusste er, dass der Kuss, der vor einigen Wochen zwischen ihnen passiert war, alles zwischen ihnen verändert hatte. Es war ihm klar, dass auch Riley das wusste. Er wünschte sich wirklich, dass sie mehr Zeit gehabt hätten, um über alles zu reden. Früher oder später würden sie diese Veränderungen akzeptieren müssen.

Früher wäre besser.

Doch nun war offensichtlich nicht die Zeit dafür. Sie hatten fast nicht gesprochen während der Fahrt hierher. Sie waren damit beschäftigt gewesen, die Sandwiches zu essen, die sie aus dem Restaurant mitgenommen hatten, doch Bill merkte auch, dass Rileys Gedanken bereits bei dem Fall waren, der auf sie zukam.

Das sollten meine auch sein, dachte er.

Er fragte sich – würde es nun immer so sein? Würde ihre gemeinsame Arbeit immer wichtiger sein als alles andere, was zwischen ihnen passieren könnte?

Als sie Merediths Büro betraten, schaute der gewaltige Abteilungsleiter, der schwarze, kantige Gesichtszüge hatte, von seinem Schreibtisch auf. Sein Gesichtsausdruck war streng, als er bemerkte: „Ich habe nicht erwartet, Sie hier zu sehen, Agent Jeffreys.“

Bills machte vor Überraschung große Augen. Er konnte sehen, dass auch Riley verwundert war.

Bill stammelte während er und Riley vor Merediths Schreibtisch Platz nahmen: „Naja – Agentin Paige sagte, dass… Sie wegen eines neuen Falls angerufen haben und ich hatte einfach angenommen…“

Meredith zuckte mit den Schultern. „Ja, ich habe einen neuen Fall für sie. Ich habe nicht nach Ihnen gefragt. Tatsächlich werden Sie für diesen Fall nicht gebraucht. Agentin Paige wird mit einer anderen Partnerin zusammenarbeiten.“

Bill war alarmiert.

Was geht hier vor? fragte er sich.

Hatte Meredith bereits irgendwie begriffen, dass zwischen ihm und Riley irgendetwas los war, noch bevor die beiden es selbst klären konnten? Er konnte sich nicht vorstellen wie, doch Meredith hatte eine beinahe gruselige Art, Einzelheiten über seine Agenten zu wissen.

Will er unser Team auflösen? fragte Bill sich.

„Ich versuche bloß eine neue Agentin einzuarbeiten“, erklärte Meredith. „Ein Frischling. Ich habe mir gedacht, dass es eine gute Erfahrung für sie sein würde, mit Agentin Paige zusammenzuarbeiten, zumindest dieses eine Mal.“

Eine neue Agentin? dachte Bill.

Er war erleichtert, dass sich die Regelung nicht nach etwas Langfristigem anhörte, spürte aber auch, wie sich Besorgnis bei ihm einschlich. Ihre Zusammenarbeit mit den letzten zwei Anfängerinnen war schlecht gelaufen. Er konnte es nicht ertragen auch nur an Lucy Vargas zu denken, die seine Bewunderung erlangt hatte, die aber in einer schrecklichen Schießerei ums Leben gekommen war. Die letzte neue Rekrutin, Jenn Roston, hatte andere Probleme mitgebracht.

Bill konnte nicht bestreiten, dass Jenn eine brillante und vielversprechende junge Agentin gewesen war, doch sie war nicht einmal komplett angekommen, als ihre Vergangenheit sie anscheinend eingeholt hatte. Schlimmer noch, Bill wusste genau, dass Riley Geheimnisse über Jenns Vergangenheit wusste, die sie mit ihm nicht hatte teilen können – Geheimnisse, die zu Jenns mysteriösem Verschwinden vor ein paar Wochen geführt hatten.

Er hatte versucht sich einzureden, dass was auch immer diese Geheimnisse waren, die Jenn und Riley teilten, sie ihn nichts angingen. Doch er hatte es nicht geschafft. Er erinnerte sich daran, wie noch vor Kurzem Riley und er sich beide eingestanden hatten, dass sie einander näher standen, als sie es jemals ihren Ehegatten gegenüber getan hatten. Es gab wirklich nichts Ungewöhnliches daran. So musste es auch sein unter Partnern.

Doch Jenn hatte sich Riley beträchtlich mehr geöffnet, als sie es ihm gegenüber getan hatte und das hatte dazu geführt, dass er sich ausgeschlossen gefühlt hatte – und sogar etwas verbittert. Beinahe zwei Jahrzehnte lang hatten Bill und Riley voreinander wenige Geheimnisse gehegt und hatten einander, wenn überhaupt, nur selten direkt angelogen. Deshalb gefiel es Bill nicht, dass Riley Geheimnisse hütete die Jenn betrafen.

Würde dasselbe erneut mit einer neuen jungen Rekrutin geschehen?

Ich hoffe nicht, dachte er. Die Dinge waren auch so schon kompliziert genug zwischen Riley und ihm.

Meredith warf einen Blick auf seine Uhr. „Ich habe sie gebeten, dazu zu kommen. Sie sollte jeden Moment hier sein. Ihr Name ist Ann Marie Esmer, und sie ist denkbar grün hinter den Ohren. Sie kommt gerade von der Academy und hat noch nie an einem echten Fall gearbeitet.“

Riley legte neugierig den Kopf schief.

„Sie meinen, Sie hat überhaupt noch nie im Polizeidienst gearbeitet?“

„Genau“, sagte Meredith.

„Wie ist sie dann überhaupt an die Academy gekommen?“, fragte Riley.

Meredith faltete die Finger, drehte sich leicht in seinem Bürosessel hin und her und lächelte.

„Genau wie Sie, Agentin Paige. Sie hat als Zivilistin einen Fall gelöst, gleich frisch vom College. Das FBI ist auf sie aufmerksam geworden und die Voraussetzung der Polizeiarbeit wurde für sie fallen gelassen. Genau wie sie, hat sie sich gut im Sommerpraktikumsprogramm gemacht und dann auch an der Academy. Also geben wir ihr eine Chance hier an der Verhaltensanalyse. Mir wurde gesagt, sie zeigt großes Versprechen.“

Bill spürte ein neugieriges Kribbeln. Er wusste, dass Riley von ihrem Mentor, Jake Crivaro rekrutiert worden war, nachdem sie eine Flut von Morden an dem College, an dem sie studierte, gelöst hatte. Genau wie die neue Agentin, hatte Riley sich ausgezeichnet im Sommerpraktikum und später an der Academy gemacht.

Wird diese Kleine eine jüngere Version von Riley sein? fragte er sich.

Er war sich nicht sicher, ob diese Möglichkeit ihm gefiel. Er war etwas bestürzt über die Tatsache, dass Riley überhaupt mit einer anderen Partnerin zusammenarbeiten würde, aber besonders mit solch einer unerfahrenen.

Meredith lehnte sich in seinem Sessel zurück.

„Ich habe meine Gründe dafür, dass ich die Kleine auf diesen Fall ansetze“, sagte er. „Zum einen sollte das keine zu große Herausforderung für sie sein. In Winneway, Maryland ist vor ungefähr einem Jahr eine Frau verschwunden. Ihre Leiche wurde gestern Nacht endlich gefunden. Der Sheriff denkt, dass der Mörder erneut zuschlagen wird, also will er unsere Hilfe.“

Bill schielte skeptisch und fragte: „Hat der Sheriff dafür irgendwelche andere Gründe, als eine bloße Vermutung?“

Riley fügte hinzu: „Wieso meint er, dass der Mörder eine Serie daraus machen will?“

Meredith sagte: „Es hat etwas mit ein paar anonymen Nachrichten zu tun, die die Polizei bekommen hat. Ich kenne keine Details, aber für mich klingt es danach, als wären die Cops bloß Opfer eines Streichs geworden, nichts, wofür die Verhaltensanalyse gebraucht wird, sicherlich keine Serie. Sie werden wahrscheinlich hinfahren, bloß, um sofort umzudrehen und direkt wiederzukommen. Aber zumindest wird es der Kleinen die Möglichkeit geben, sich auszuprobieren.“

In Bill sträubte sich alles vor Groll, obwohl er sich dagegen wehrte.

Behalt es für dich, dachte er sich. Er wusste, dass es nie eine gute Idee war, Merediths Befehlen zu wiedersprechen. Trotzdem platze es ihm heraus: „Sir, ich kann nicht sagen, dass es mir gefällt, bei diesem Fall außen vor gelassen zu werden.“

Meredith lehnte sich über den Tisch und schaute ihn streng an.

„Agent Jeffreys, welchen Teil von dem, was ich soeben gesagt habe, haben Sie nicht verstanden?“

Bill zuckte zusammen bei der Vorstellung, was nun sicherlich folgen würde.

Wieso konnte ich nicht einfach den Mund halten?

Meredith knurrte: „Ich glaube nicht, dass das hier ein echter Fall ist, Agent Jeffreys. Ich glaube ganz sicher nicht, dass es sich um eine Serie handelt, sondern nur um einen dummen Streich. Sie auch noch mitzuschicken wäre übertrieben. Außerdem denke ich, dass es am besten für die Neue wäre, wenn sie mit einer anderen Frau alleine zusammenarbeiten könnte. Damit habe ich alles gesagt.“

„Ich habe verstanden, Sir“, sagte Bill.

 

„Haben Sie das?“, sagte Meredith. Er schaute hin und her zwischen Bill und Riley, runzelte seine Stirn und trommelte mit den Fingern auf dem Tisch.

Er sagte: „Ich habe das komische Gefühl, dass hier etwas vor sich geht.“

Bill spürte, wie er rot wurde. Er blickte zu Riley und sah, dass auch sie errötete.

Ein weiteres Mal stellten sich Merediths Instinkte als unheimlich heraus. Er konnte offensichtlich spüren, dass sich zwischen Riley und Bill etwas verändert hatte – obwohl er sicherlich nicht wusste, was genau dieses etwas war.

„Gibt es etwas, das Sie beiden mir nicht sagen?“, sagte Meredith.

„Nein, Sir“, murmelte Riley.

„Alles ist in Ordnung, Sir“, fügte Bill unsicher hinzu.

Sobald die Worte draußen waren, dachte Bill sich: Haben Riley und ich gerade Brent Meredith angelogen?

Tatsächlich, das hatten sie und Bill wusste es. Nicht nur hatten sie gelogen, sie hatten schlecht gelogen, mit Gesichtern, die so grell loderten, wie eine Ampel.

Merediths Verdacht musste sich von Sekunde zu Sekunde verstärken.

Bill blickte zu Riley und konnte sehen, dass sie beide dasselbe dachten.

Sollten wir es ihm einfach sagen?

Riley schüttelte leicht den Kopf. Bill stimmte ihr stumm zu.

Schließlich lehnte Meredith sich in seinem Sessel zurück.

Er sagte: „Jeffreys, wenn Sie so erpicht darauf sind, sich einzubinden, können Sie ja heute hier im Gebäude bleiben. Wenn sich herausstellt, dass doch irgendetwas an diesem Fall dran ist, können Sie etwas Recherchearbeit machen.“

Bill spürte den Stich.

Recherchearbeit?

Meredith wusste ganz sicher, was er Bill für ein Gefühl gab, wenn er ihm solch eine niedere Unterstützungsaufgabe zuteilte.

Er ist unzufrieden mit Riley und mir, dachte Bill.

Meredith blickte auf seine Uhr und sagte: „Naja, die junge Agentin Esmer sollte jeden Moment hier sein. Ich habe gehört, sie sei sehr pünktlich, wir werden herausfinden, ob es stimmt, nehme ich an. Agentin Paige, ich will, dass sie unsere junge Agentin nehmen und mit einem Dienstauto nach Winneway fahren, sobald sie hier ist. Es ist bloß ungefähr eine Fahrtstunde von hier entfernt. Meine Vermutung ist, dass sie diesem Streich auf den Grund gehen werden und morgen früh bereits wieder zurück sein werden. Überlassen Sie den Mord selbst den Cops vor Ort. Das ist nicht ihr Job.“

In diesem Augenblick öffnete sich die Bürotür und eine junge Frau trat ein.

„Ich hoffe, ich komme nicht zu spät“, sagte sie.

Schon als Bill Agentin Ann Marie Esmer nur erblickte, hatte er das Gefühl, dass Riley und die junge Frau wahrscheinlich kein gutes Team sein würden – selbst für nur einen Tag, um einen dummen Streich aufzulösen. Doch er konnte nicht anders, als sich etwas erleichtert zu fühlen.

Zumindest muss ich mir keine Sorgen um eine Rivalin machen, dachte er.