Kitabı oku: «Bevor er Tötet», sayfa 12
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
Mackenzie war sich ziemlich sicher, dass der Mörder nicht vor heute Abend zuschlagen würde, wobei ihr die anderen zustimmten. Das bedeutete, dass sie noch vier Stunden Tageslicht hatten, um sich auf eine hoffentlich erfolgreiche Verhaftung vorzubereiten. Selbst wenn es vor dem Anbruch der Nacht geschehen würde, waren drei Streifenwagen entlang der State Route 411 stationiert, die nach einem Fahrzeug Ausschau hielten, das auf den Feldweg einbog, der zu dem vom Mörder vorbereiteten Ort führte. Mit der Unterstützung des FBI Helikopters, der auf dem Weg hierher war, fühlte es sich schon vor Sonnenuntergang wie ein Sieg an.
Mackenzie saß in einem der Zivilautos entlang der State Route 411 und war froh, alleine zu sein. Nelson war zur Polizeistation zurückgekehrt, wo er sich mit einem Berater der Staatspolizei traf, was es ihr ermöglichte, dort zu bleiben, ihre Augen auf den Fall zu richten und die Kontrolle zu behalten. Ihr Auto stand eineinviertel Meilen von dem Schotterweg entfernt und konnte von der 411 aus nicht so einfach entdeckt werden, da sie rückwärts in einen kleinen Weg gefahren war, den die Bauern früher verwendet hatten, um von einem Maisfeld zu dem anderen zu gelangen.
Sie saß schon seit fünfzehn Minuten im Auto und das einzige Fahrzeug, das sie gesehen hatte, war ein Polizeiauto, das den Ort des zukünftigen Verbrechens verließ und zurück zur Wache fuhr. Sie war sich sicher, dass bis spät in die Nacht nichts geschehen würde, und wusste, dass sie eine lange Wartezeit vor sich hatte. Sie fragte sich, ob Nelson ihr diese Aufgabe übertragen hatte, um sie sich vom Leib zu schaffen oder ob er ihr damit eine Position geben wollte, bei der sie alles aus nächster Nähe mitbekommen und den Zugriff leiten konnte.
Seufzend warf Mackenzie einen Blick auf die einsame State Route 411, holte ihr Handy heraus und starrte auf die Nachricht, die ihr anzeigte, dass sie vor eineinhalb Stunden einen Anruf von Ellington verpasst hatte. Sie bemühte sich, nicht an die Ereignisse des gestrigen Abends zurückzudenken, als sie sich in seiner Gegenwart blamiert hatte, und tippte die Statusleiste an. Als seine Nummer aufleuchtete, drückte sie schnell darauf, bevor sie es sich noch einmal anders überlegte.
Er nahm beim dritten Klingeln ab und sie hasste es, dass es sich so gut anfühlte, seine Stimme zu hören. „Ellington am Apparat“, meldete er sich.
„Hier ist Mackenzie White“, sagte sie. „Sie haben mich vorhin angerufen?“
„Oh, hey! Ich habe gehört, dass ihr einen vielversprechenden Durchbruch hattet.“
„Es scheint so, aber das wird sich erst noch zeigen. Wir fanden die nächste Stange, die bereits aufgestellt und bereit war.“
„Davon habe ich gehört. Wie geht es Ihnen dabei?“
„Gut“, antwortete sie.
„Sie hören sich an, als hätten Sie Zweifel.“
„Es scheint einfach zu gut um wahr zu sein. Ich habe das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt.“
„Vielleicht tut es das ja auch“, sagte Ellington. „Ihre Instinkte sind ziemlich gut. Ich würde auf sie hören.“
„Das mache ich normalerweise nicht.“
Eine unangenehme Stille machte sich zwischen ihnen breit und Mackenzie versuchte, mit einem neuen Thema aufzukommen. Er hatte bereits von dem Durchbruch bei dem Fall gehört, weshalb es sinnlos wäre, noch einmal alles zu widerholen. Das ist erbärmlich, Mackenzie, dachte sie.
„Also“, sagte Ellington, womit er die Stille brach. „Ich habe mir erlaubt, ein Profil zu erstellen, nachdem ich von der religiösen Verbindung erfuhr. Wir suchen mit großer Wahrscheinlichkeit nach jemandem mit religiösem Hintergrund. Vielleicht sogar ein Priester oder Pastor, denn die Dinge deuten auf eine Erziehung in einem streng religiösen Haus hin. Vielleicht ging er auf eine private, religiöse Schule. Ich denke auch, dass er ohne Mutter aufwuchs oder dass diese eine Affäre hatte. Er benahm sich als Kind wahrscheinlich auffällig – nicht so extrem, wie wir ihn heute erleben, aber er steckte wohl immer in Schwierigkeiten als Kind.“
„Woher weißt du das?“, fragte sie. „Nur aus den Akten der Fälle?“
„Ja, größtenteils“, sagte er. „Die Ermittlungsergebnisse sind nicht mein Verdienst. Aber ehrlich gesagt ist es eine Formel, die bei etwa siebzig Prozent der Fälle funktioniert.“
„Okay, wenn hier an diesem Ort nichts passiert, müssen wir nach einem von vermutlich tausenden Verdächtigen Ausschau halten.“
„Vielleicht sind es ja doch nicht so viele. Aufgrund meines Profils denke ich, dass er in der Nähe wohnt. Wenn er seine eigene Stadt plant, wie Sie angedeutet haben, dann würde ich schätzen, dass er in der Gegend aufgewachsen ist. Und deshalb habe ich ein paar Anrufe getätigt. Im Radius von sechzig Meilen um Omaha herum gibt es eine katholische Grundschule. Im gleichen Bundesstaat gibt es zwar noch eine, aber ich glaube, dass ihr auf diejenige setzen solltet, die näher an Omaha liegt.“
„Was denn?“
„Sie haben einfach so die Suche und sogar die mögliche Quelle der Hintergrundinformation eingeschränkt.“
„Nun ja, das I in FBI steht nun einmal für Investigation.“ Er lachte ein wenig über seinen eigenen Witz, doch als er merkte, dass Mackenzie nicht mit einstimmte, verstummte er.
„Danke, Ellington.“
„Kein Problem. Eine Sache noch, bevor Sie auflegen.“
„Was denn?“, fragte sie nervös und hoffte, dass er ihren peinlichen Annäherungsversuch vom vergangenen Abend nicht erwähnen würde.
„Als ich meinem Vorgesetzten meinen Bericht gab, sagte ich ihm, dass Sie unglaublich waren und ich versucht habe, Sie auf die dunkle Seite zu ziehen.“
Sie fühlte sich geschmeichelt.
„Die dunkle Seite ist also das FBI?“
„Genau. Wie dem auch sein, er scheint Interesse zu haben. Wenn Sie also jemals den Drang verspüren, zu uns zu kommen, kann ich Ihnen seine Kontaktinformationen geben. Die Unterhaltung mit ihm könnte sich sogar lohnen.“
Sie dachte einen Moment darüber nach und auch wenn sie mehr sagen und ihm gestehen wollte, wie sehr sie ihn schätzte, brachte sie doch nur ein einfaches „Danke“ hervor. Die Vorstellung alleine kam ihr traumhaft vor. Großartige Dinge wie so etwas passierten ihr nicht.
„Geht es Ihnen gut?“, fragte Ellington.
„Ja, es ist alles in Ordnung. Ich muss jedoch los. Die Ermittlungen haben Fahrt aufgenommen und ich muss mich konzentrieren.“
„Davon habe ich gehört. Schnappen Sie sich den Kerl.“
Sie musste grinsen. Er mag für sie zwar ein herausragender Mensch sein, aber Ellington bewies, dass er genauso kitschig und fehlerhaft wie alle anderen war.
Sie legte auf und starrte wieder hinaus auf die State Route 411. Sie begann zappelig zu werden, als ob sie mit dem Herumsitzen ihre Zeit verschwenden würde. Sie öffnete den Internetbrowser auf ihrem Handy und suchte nach katholischen Grundschulen in der Gegend. Dabei fand sie heraus, dass Ellington mit seinen Ermittlungen ins Schwarze getroffen hatte.
Sie speicherte die Adresse auf ihrem Handy und wählte Nelsons Nummer. Er antwortete nach dem vierten Klingeln und hörte sich genervt an, dass er bei seinem Schleimversuch bei den Männern der Staatspolizei gestört worden war.
„Was ist los, White?“
„Ich will einem Hinweis nachgehen, Sir“, sagte sie. „Dafür muss ich meine Position an der 411 allerdings zwei oder drei Stunden verlassen.“
„Auf gar keinen Fall“, widersprach Nelson. „Sie führen diese Ermittlung, weshalb Sie dortbleiben werden. Das ist Ihre Show, White. Denken Sie gar nicht daran, abzuhauen. Wenn wir diesen Kerl morgen früh noch nicht festgenommen haben, können wir noch einmal darüber reden. Wenn es ein vielversprechender Hinweis ist, kann ich jemand anderen hinschicken.“
„Nein“, entgegnete Mackenzie. „Es ist nur ein Bauchgefühl.“
„Okay“, meinte er. „Bleiben Sie, wo Sie sind, bis ich Ihnen eine andere Anweisung gebe.“
Sie konnte nicht einmal antworten, bevor er auflegte.
Trotzdem suchte sie die Adresse der katholischen Schule auf ihrem Navi heraus und speicherte sie. Dann schaute nach rechts, wo ein Stücken die State Route 411 hinunter, weiterhin nur eine leere Stange stand, die auf ein Opferwartete.
Sie wusste, dass sie dableiben, ihren Auftrag ausführen und mehrere Stunden herumsitzen sollte, ohne etwas zu tun.
Aber während sie so dasaß, nagte etwas an ihr. Was, wenn er die Opfer umbrachte, bevor er sie herausbrachte?
Wenn das stimmt, dann wäre gerade ein Mädchen irgendwo eingesperrt und wurde gefoltert, ein Mädchen, dass sterben würde, weil Mackenzie hier saß und darauf wartete, dass ihr toter Körper auftauchte.
Sie konnte den Gedanken nicht ertragen.
Und was, wenn diese katholische Schule – die einzige in der Gegend, die eine, die perfekt auf das Profil des FBI passte – ihr einen Namen nennen konnte? Eine Identität?
Damit könnten sie dem Mörder entgegenkommen und müssten nicht darauf warten, dass er auftauchte. Vielleicht könnten sie das nächste Opfer retten, bevor es zu spät war.
Mackenzie saß dort und verbrannte innerlich, während sie wartete und in ihrem Kopf die Schreie des nächsten Opfers hören konnte. Jede verstreichende Minute war die reinste Qual.
Schließlich trat sie auf das Gaspedal und schoss davon.
Eine direkte Anweisung wie diese zu ignorieren könnte sie ihren Job, ihre gesamt Zukunft kosten.
Aber sie hatte keine Wahl.
Sie hoffte nur, dass sie es hin und zurück schaffen konnte, bevor es zu spät war.
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
Dumm.
Das Wort hallte in seinem Kopf wider, während er an der Kreuzung zwischen dem Highway 32 und der State Route 411 vorbeikam.
Dumm.
Wenn er den Beweis gebraucht hatte, dass Gott auf seiner Seite war, dann war es sein Timing. Er war zur Stelle des vierten Mordes unterwegs gewesen – was seine vierte Stadt geworden wäre – als er das Polizeiauto gesehen hatte, das die State Route 411 entlangfuhr. Als er es sah, war er mit wild schlagendem Herzen direkt den Highway 32 entlanggefahren.
Vielleicht war es einfach nur ein Zufall. Vielleicht war es eine Routinekontrolle auf der Suche nach Rasern.
Oder vielleicht hatten sie die Stange gefunden. Er wusste, dass sie ihn suchten; er hatte die Geschichten über den Vogelscheuchen-Mörder in der Zeitung gesehen, aber er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie zu lesen oder sich die Ausschnitte seiner Arbeit im Fernsehen anzuschauen. Er tat es schließlich nicht für die öffentliche Aufmerksamkeit. Er tat es, um Gottes Zorn zu verbreiten und um die Welt über Liebe, Gnade und Reinheit zu lehren.
Natürlich würde die Polizei das nicht verstehen. Und wenn sie die Stelle gefunden hatten, an der er seine vierte Stadt erbauen wollte, könnte es vorbei sein. Er würde seine Arbeit nicht fertigstellen können, was Gott nicht gefallen würde.
Die vierte Stelle müsste sich verändern. Vielleicht würde es ihm langfristig gesehen helfen. Vielleicht wäre die Polizei so beschäftigt, ihn an dieser vierten Stelle zu fangen, dass er woanders seine Arbeit beenden konnte, ohne gefasst zu werden.
Er kam an einem kleinen Supermarkt auf dem Highway 32 vorbei, auf dessen Parkplatz er seinen Truck wendete. Er fuhr zurück zur Kreuzung, die er überquerte, ohne die State Route 411 eines Blickes zu würdigen.
Da sein Opfer bereits ausgewählt und bereit war, könnte er seine vierte Stadt trotzdem noch wie geplant heute Nacht errichten.
Er würde seine Arbeit woanders fortsetzen.
*
Sie öffnete ihre Augen und spürte, wie ihr Kopf vor Schmerzen fast explodierte. Sie schrie auf und stellte fest, dass sich ihre Stimme seltsam, fast schon gedämpft, anhörte. Sie versuchte, ihre Hand an den Mund zu heben, doch erkannte, dass sie dazu nicht in der Lage war. Über ihrem Mund lag ein Stoffknebel, der mit viel Kraft festgezogen war und in ihre Mundwinkel schnitt.
Sie blinzelte schnell in dem Versuch, den Schmerz in ihrem Kopf zu verjagen. Als sich ihre Augen so langsam wieder fokussierten und die Müdigkeit verschwand, begann sie zu verstehen, wo sie war. Sie lag auf einem staubbedeckten Hartholzboden. Ihre Arme waren hinter dem Rücken gefesselt und ihre Fußgelenke waren aneinandergebunden. Jemand hatte sie bis auf ihre Unterwäsche ausgezogen.
Diese Tatsache löste die Erinnerungen aus. Ein Mann war gestern Nacht, als sie nach Hause gekommen war, aus dem Nichts aufgetaucht. Es war vier Uhr gewesen und sie hatte…Oh Gott, was hatte sie getan?
Ihr leuchtend rosa BH machte es unmöglich zu vergessen, was sie letzte Nacht getan hatten. Sie hatte sich versucht, davon zu überzeugen, dass eine Escort-Dame etwas Anderes war als das, was diese anderen Frauen taten. Sie hatte mehr Stil und Kontrolle.
Aber am Ende des Tages hatte sie das gleiche getan wie diese anderen Frauen. Sie hatte ein hübsches Sümmchen erhalten (hey, eintausend fünfhundert Dollar für eineinhalb Stunden „Arbeit“ waren nicht schlecht) und sich hinterher nicht annähernd so schlecht gefühlt wie erwartet.
Aber dann war dieser Mann aus den Schatten gekommen. Er hätte nur Hallo gesagt und dann seinen Arm um ihren Hals geschlungen. Sie hatte kurz etwas gerochen, dann war sie ohnmächtig geworden. Dabei hatte sie ihn von Opfern und einem bitteren Wasser murmeln gehört.
Und nun war sie hier. Sie trug immer noch ihr Höschen und verspürte keinen Schmerz, weshalb sie sich ziemlich sicher war, dass er sie nicht vergewaltigt hatte. Aber trotzdem befand sie sich in Schwierigkeiten.
Sie versuchte, auf die Knie zu kommen, aber jedes Mal, wenn sie es fast schaffte, fiel sie durch ihre gefesselten Fußknöchel vornüber und prallte mit der Schulter auf den Boden. Nun lag sie dort, weinte und versuchte, sich an das letzte, das der Mann zu ihr gesagt hatte, zu erinnern, bevor er was auch immer an ihre Nase gehalten hatte und sie ohnmächtig geworden war.
Langsam kam die Erinnerung zurück. Und überraschenderweise veranlasste der Irrsinn und die Verrücktheit seiner Worte sie dazu, zusammensinken und aufgeben zu wollen, anstatt einen Ausweg zu suchen.
Mach dir keine Sorgen, hatte er gesagt. Ich werde eine Stadt für dich bauen.
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
Mackenzie brauchte etwas mehr als eine Stunde, um zur Holy Cross Catholic School zu gelangen, wobei sie die ganze Fahrt über Vollgas gegeben hatte. Die Schule war für diesen Tag zwar schon vorüber, aber als sie die Stufen hinaufeilte wurde sie von der Rezeptionistin an die Schulleiterin verwiesen, die heute einen guten Tag hatte.
Sie war eine rundliche Frau und erfüllte so ziemlich jedes Vorurteil, das Mackenzie je über Nonnen gehabt hatte. Zuerst warm und einladend verwandelte sich in nüchtern und kurz angebunden, als Mackenzie im Büro der Schulleiterin Ruth-Anne Costello vor deren Schreibtisch saß.
„Wir haben Gerüchte über den sogenannten Vogelscheuchen-Mörder gehört“, sagte Schulleiterin Costello. „Sind Sie deshalb hier?“
„Ja“, antwortete Mackenzie. „Woher wissen Sie das?“
Schulleiterin Costello zog die Brauen zusammen, womit sie aber mehr Wut als Enttäuschung ausdrückte. Mackenzie bekam den Eindruck, dass alle Angestellten in einer solchen Schule den ganzen Tag mit einem solchen Ausdruck herumliefen.
„Nun ja, diese armen Frauen wurden an Holzstangen aufgehängt und ausgepeitscht, nicht wahr? Der religiöse Symbolismus ist unübersehbar. Und wann immer ein Mörder seine Taten im Namen seiner furchtbar fehlgeleiteten religiösen Prinzipien und seiner unsinnigen Auslegung der Religion begeht, werden immer die privaten Religionsschulen unter die Lupe genommen.“
Mackenzie konnte nur nicken. Sie wusste, dass das stimmte; sie hatte es ein paar Mal gesehen, seit sie auf der Universität die Grundsteine für ihre Karriere gelegt hatte. Aber ihr Schweigen rührte auch von der Tatsache her, dass Schulleiterin Costello Recht hatte: der religiöse Unterton der Vogelscheuchen-Morde waren offensichtlich. Mackenzie hatte es bei der ersten Leiche verspürt. Warum hatte sie es also ignoriert?
Weil ich Angst davor hatte, Nelson und Porter davon zu berichten und ausgelacht zu werden, dachte sie.
Aber jetzt hatte sie die Chance, ihre Ignoranz wiedergutzumachen und sie würde diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen.
„Nun ja“, begann Mackenzie. „Wir haben ein sehr spezielles Profil. Ich hoffte, dass ich vielleicht mit Ihnen oder jemandem, der schon seit langer Zeit hier ist, sprechen und eventuell einen möglichen Verdächtigen finden könnte. Und wenn schon keinen Verdächtigen, dann wenigstens jemanden, der etwas über die Morde weiß.“
„Nun ja“, sagte Costello. „Ich bin schon seit fünfunddreißig Jahren hier. Ich war zuerst Vertrauenslehrerin und wurde dann zur Schulleiterin ernannt, eine Position, die ich nun schon seit zwanzig Jahren innehabe.“
Sie stand auf und ging zur linken Seite ihres Büros, wo ein paar antik wirkende Aktenschränke an der Wand standen. „Sie müssen wissen“, sagte Costello, „dass Sie nicht die erste Polizistin sind, die hier herumschnüffelt, wenn ein Verbrechen begangen wird, das einen religiösen Einfluss zu haben scheint. Bei weitem nicht.“
Costello zog vier Akten aus dem Schrank und brachte sie zu ihrem Schreibtisch zurück. Sie ließ sie mit einer Wucht darauf fallen, die ihrem Ärger Ausdruck verlieh. Mackenzie streckte ihre Hand danach aus, doch Costello deutete bereits darauf. Ohne Mackenzie anzuschauen, begann Costello wieder zu reden, wobei sie jede Akte mit ihrem dicken Zeigefinger antippte.
„Der hier“, sagte sie, während sie auf die erste Akte deutete, „ist Michael Abner. Als er in den frühen Siebzigern hier war, belästigte er ein Mädchen auf dem Spielplatz und wurde entdeckt, wie er auf dem Mädchenklo masturbierte. Er starb jedoch 1984. Ich glaube, in einem schrecklichen Autounfall. Er ist also eindeutig nicht verdächtig.“
Somit entfernte Costello Michael Abners Akte vom Tisch. Dann nahm sie auch zwei weitere weg, da einer von ihnen vor fünf Jahren an Lungenkrebs gestorben war und der andere im Rollstuhl saß und somit offensichtlich nicht in der Lage war, Holzpfahl zu dem Schauplatz eines Mordes zu transportieren.
„Dieser letzte hier“, meinte Costello, „heißt Barry Henderson. Als er hier auf Holy Cross war, wurde er in mehrere Kämpfe verwickelt, bei einem davon mussten zwei Jungen in die Notaufnahme. Als er nach seinem Rauswurf zurückkehrte, begann er den Lehrern anzügliche Briefe zu schreiben, die in der versuchten Vergewaltigung der Kunstlehrerin endete, während er das Lieblingslied seiner Mutter sang. Das geschah 1990. Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass er auch nicht Ihr Verbrecher sein kann. Er lebt seit zwölf Jahren in der Westwall Anstalt für geisteskranke Straftäter.“
Mackenzie merkte sich, das zu überprüfen und beobachtete, wie Costello die Akten zurück in den Schrank räumte. Als sie diesen kraftvoll schloss, ertönte ein lauter Schlag wie das Explodieren einer Bombe.
„Und das sind die einzigen Schüler in den letzten fünfunddreißig Jahren, die zu einem Verbrechen wie denen des Vogelscheuchen-Mörders fähig wären?“
„Das wissen wir nicht“, sagte Costello. „Bei allem Respekt, aber wir kontrollieren nach dem Abschluss nicht jeden einzelnen Schüler, der eventuell straffällig werden könnte. Das würde bedeuteten, ausführliche Berichte über jedes Kind zu führen, dass auch nur die kleinste Regel bricht. Die vier, die ich Ihnen gezeigt habe, waren die extremsten unter ihnen, und ich habe sie schon seit Jahren zur Hand, denn es spart mir eine Menge Zeit, wenn sich die Polizei bei uns meldet, vor allen, wenn sie mit, so wie sie glauben, passenden Profilen aufkreuzen. Sie wollen immer der Religion die Schuld an Verbrechen geben, die sie selbst nicht lösen können.“
„Hier wird niemandem die Schuld zugeschoben“, verteidigte sich Mackenzie.
„Natürlich passiert das“, widersprach Costello. „Sagen Sie mir, Detective. Sind Sie hierhergekommen, um einfach den Namen eines Verdächtigen herauszufinden, oder um zu sehen, welche religiöse Doktrin ihn so hat verkommen lassen, dass er nun diese schrecklichen Taten begeht?“
„Es ist mir egal, woher die Information kommt“, schnappte Mackenzie. „Ich will einfach nur herausfinden, wer diese Frauen umbringt. Das warum ist erst einmal Nebensächlich.“
So langsam fühlte sich Mackenzie wie ein Idiot, weil sie hierhergekommen war. Was hatte sie denn erwartet? Eine nette und hübsche Lösung? Ein ehemaliger Student, der zu einhundert Prozent auf Ellingtons Profil passte?
„Danke für ihre Zeit, Ms. Costello“, meine sie mit sanfter Stimme. Sie stand auf und ging zur Tür. Als sich ihre Hand auf den Türknauf legte, wurde sie von Schulleiterin Costello aufgehalten.
„Warum denken Sie das, Detective White?“
„Was?“
„Warum suchen die Strafbehörden Antworten bei einer Religion, wenn sie Verbrechen nicht lösen kann, die sie auf den Glauben zurückführen?“
„Es passt in den meisten Fällen zu den Profilen“, sagte Mackenzie.
„Wirklich?“, fragte Costello. „Oder können Menschen einfach nicht das Böse für das akzeptieren, was es wirklich ist? Und weil wir es nicht akzeptieren können, müssen wir etwas finden, dass genauso unberührbar ist, um ihm die Schuld zu geben?“
Eine Frage brannte ihr auf den Lippen, die sie nicht zurückhalten konnte.
„Was ist das Böse, Ms. Costello? Wie schaut das Böse aus?“
Schulleiterin Costello lächelte schwach. Es war ein quälendes Lächeln, ein Ausdruck, der ein tieferes Verständnis andeutete.
„Das Böse schaut aus wie Sie. Wie ich. Wir leben in einer gefallenen Welt, Detective. Das Böse ist überall.“
Plötzlich fühlte sich der Türknauf unter Mackenzies Hand sehr kalt an. Sie nickte und ging, wobei sie nicht einmal zur Schulleiterin Costello zurücksah, um sich zu verabschieden.
Als sie sich ihren Weg durch das Labyrinth der Gänge der Holy Cross Schule bahnte, vibrierte ihr Handy in ihrer Tasche. Sie holte es hervor und sah Nelsons Name mit seiner Nummer auf dem Display. Ihr Herz setzte einen Schlag aus.
Der Mörder, dachte sie. Er war aufgetaucht, während ich weg war und Nelson wird mich dafür feuern.
Sie ging mit einem dicken Knoten im Bauch ran. „Hallo, Chief.“
„White“, sagte er. „Wo sind Sie?“
„Holy Cross Catholic School“, antwortete sie. “Ich verfolge Ellingtons Profil.”
Nelson schwieg einen Moment, während er über ihre Worte nachdachte. „Wir können später darüber reden, dass sie sich meiner direkten Anweisung widersetzt haben“, meinte er. „Jetzt sollten Sie auf Ihrem Rückweg auf der Polizeiwache vorbeikommen.“
„Aber was ist mit der Route 411?“, fragte sie. „Ich würde gerne vor dem Berufsverkehr dorthin zurückkehren.“
„Das ist ein weiterer Grund, warum es nicht Ihre Aufgabe war, Ellingtons Spur nachzugehen. Kommen Sie jetzt einfach her.“
„Ist alles in Ordnung?“, wollte sie wissen.
Aber Nelson hatte bereits aufgelegt und Mackenzie lauschte nur noch einer toten Verbindung.