Kitabı oku: «Bevor er Tötet», sayfa 11
KAPITEL EINUNDZWANZIG
Mackenzie hatte seit der Hochzeit ihrer Mitbewohnerin auf der Universität keine Kirche mehr betreten. Nach dem Tod ihres Vaters hatte ihre Mutter oft versucht, sie und Steph in die Kirche zu zerren, aus welchem Grund Mackenzie alles tat, um das zu vermeiden.
Trotzdem musste sie beim Betreten der New Life Methodist Kirche zugeben, dass sie eine gewisse Schönheit in sich barg. Es waren nicht nur die bunten Fenster und der verzierte Altar – es war etwas Anderes, das sie nicht bestimmen konnte.
Als sie sich dem Altar näherte, sah sie einen alten Mann in einer der ersten Bankreihen sitzen. Er schien ihr Eintreten nicht gehört zu haben, denn er hatte seinen Kopf gebeugt und las ein Buch.
„Pastor Simms?“, fragte sie. Ihre Stimme hallte in den heiligen Hallen der Kirche wider.
Der Mann schaute von seinem Buch auf und drehte sich zu ihr um. Er war in seinen Fünfzigern und trug ein Hemd und Khakis sowie eine Brille, die ihm sofort ein nettes Aussehen verlieh.
„Detective White, nehme ich an?“, fragte er, während er aufstand.
„Da haben Sie Recht“, entgegnete sie.
Er machte einen geschockten Eindruck, als er sie am Ende des Kirchenschiffes vor dem Altar traf.
„Entschuldigen Sie meine Verwunderung“, sagte er. „Als Chief Nelson anrief und nach meiner Hilfe bei Ihren Ermittlungen bat, rechnete ich nicht mit einer Frau. Aufgrund der schrecklichen Natur der Verbrechen, finde ich es eher seltsam, dass eine Frau an der Spitze der Ermittlungen steht. Das soll natürlich keine Beleidigung sein.“
„Kein Problem.“
„Clark lobt sie sehr, wissen Sie?“
Der Name Clark verwirrte sie ein wenig und sie brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass er über Nelson, Polizeichef Clark Nelson, sprach.
„Das habe ich in letzter Zeit häufig gehört“, entgegnete sie.
„Das muss schön sein.“
„Und unerwartet“, sagte sie.
Simmons nickte, als ob er sie vollkommen verstehen würde. „Nelson kann manchmal ein ganz schöner Wichtigtuer sein. Aber er ist ebenso sehr nett und freundlich. Ich kann mir vorstellen, dass er diese Seite auf der Arbeit nur selten zeigt.“
„Dann besucht er also den Gottesdienst hier in dieser Kirche?“, fragte Mackenzie.
„Oh ja“, antwortete er. „Jeden Sonntag. Aber ich schweife ab. Bitte“, fuhr er fort und deutete auf die Bank, auf der er gesessen hatte. „Setzen Sie sich.“
Mackenzie folgt seiner Bitte und schaute auf das Buch, das Pastor Simms gelesen hatte, und war überhaupt nicht überrascht, dass es die Bibel war.
„Also, Chief Nelson hat mir gesagt, dass Sie Fragen zu einigen Versen haben, die eventuell zur Festnahme des Mannes führen könnten, der diese armen Frauen umgebracht hat.“
Sie holte ihr Handy hervor und öffnete das Bild, das sie von der alten Bibel in dem verlassenen Haus gemacht hatte. Sie reichte es ihm und er richtete seine Brille, um sich die Aufnahmen anzuschauen.
„Numeri, Kapitel fünf, Verse elf bis zwanzig oder so. Könnten Sie mir bitte sagen, wie Sie diese Verse interpretieren würden?“, fragte sie.
Er warf einen kurzen Blick auf das Bild und gab ihr das Handy zurück.
„Nun ja, sie sind ziemlich selbsterklärend. Nicht alle Passagen aus der Bibel müssen entschlüsselt werden. Diese hier erzählt einfach nur von ehebrechenden Frauen, die gezwungen werden, von bitterem Wasser zu trinken. Wenn sie rein wären, würde es ihnen nichts ausmachen. Aber wenn sie eine sexuelle Beziehung mit jemand anderem als ihrem Mann gehabt hatte, würde dieses Wasser einen Fluch auf sie legen.“
Darüber dachte sie nach.
„Der Mörder hat auf jede Stange, an die er die Opfer gefesselt hatte, N511 eingeritzt“, sagte sie. „Und wenn man die Art der Frauen betrachtet, die er auswählt, scheint das Sinnbild zu passen.“
„Ja, da stimme ich Ihnen zu“, sagte Simmons.
„Er ritzt ebenfalls die Nummer J202 in die Stangen. In der Bibel gibt es zu viele Bücher, die mit J beginnen, um daraus etwas schließen zu können. Ich hoffte, dass Sie mir dabei helfen könnten?“
„Nin ja, Numeri ist ein Buch des Alten Testaments und wenn der Mörder seine Taten mit dem Gesetz des Alten Testamentes begründet – wie fehlgerichtet seine Interpretationen und Handlungen auch sein mögen – glaube ich, wir können annehmen, dass dieser andere Verweis ebenfalls im Alten Testament zu finden ist. Wenn das der Fall sein sollte, dann bezieht er sich ziemlich sicher auf das Buch Josua. Im Kapitel zwanzig dieses Buches spricht Gott von Zufluchtsstädten. Das waren Städte, in denen Menschen, die jemanden getötet haben, Zuflucht finden können, ohne für ihre Taten verfolgt zu werden.“
Mackenzie dachte einen Moment mit klopfendem Herzen darüber nach, bis sich ein Gedanke formte. Sie nahm die Bibel in die Hand, fand das Buch Josua und suchte nach der Passage. Als sie diese fand, las sie sie laut vor, wobei es sie etwas erschreckte, die Worte mit ihrer Stimme in dieser leeren Kirche zu hören.
Und der Herr redete zu Josua und sprach: Rede zu den Kindern Israels und sprich: Bestimmt euch die Zufluchtsstädte, von denen ich euch durch Mose gesagt habe, dass der Totschläger dorthin fliehen soll, der einen Menschen aus Versehen und ohne Absicht erschlägt, damit sie euch als Zuflucht vor dem Bluträcher dienen. Und er soll zu einer dieser Städte fliehen und draußen vor dem Stadttor stehen und seine Sache vor die Ältesten dieser Stadt bringen; dann sollen sie ihn zu sich in die Stadt aufnehmen und ihm einen Platz geben, dass er bei ihnen wohnen kann. Und wenn der Bluträcher ihm nachjagt…
An dieser Stelle schweifte sie verwundert ab, denn sie wusste, dass sie endlich den Ursprung der Nummern herausgefunden hatte. Es war gleichzeitig aufregend und deprimierend. Sie hatte nun ein Fenster in seinen Modus Operandi und doch schien alles noch so unklar. Nichts davon würde sie zu seinem Heim führen.
„Es gibt noch mehr, wissen Sie?“, sagte Simms.
„Ja, das weiß ich“, erwiderte sie. „Aber ich denke, das ist genug. Sagen Sie mir, Pastor, wissen Sie wie viele Zufluchtsstädte es gab?“
„Insgesamt sechs Stück“, antwortete er.
„Und wissen Sie auch, wo sie lagen?“
„So ungefähr“ meinte er.
Er nahm die Bibel in die Hand und schlug sie von hinten auf, wo er ihr eine Reihe an Glossaren und Landkarten zeigte. Er deutete auf eine Karte, die Israel in der biblischen Zeit darstellen sollte, und richtete seine Brille erneut, während er auf sechs Orte deutete.
„Natürlich“, sagte er, „sind diese Angaben nicht exakt, aber – “
Ihr Herz begann zu rasen, als sie eine Verbindung herstellte, die fast zu gut schien, um wahr zu sein. Sie schloss ihren Griff fest um das Buch.
„Darf ich ein Bild machen?“, fragte se.
„Natürlich“, entgegnete er.
Sie fotografierte die Karte mit zitternden Händen.
„Detective, was ist los?“, frage er, während er sie musterte. „Konnte ich Ihnen auf eine Weise helfen, die ich nicht verstehe?“
„Mehr als sie ahnen“, erwiderte sie.
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
Als Mackenzie das Konferenzzimmer betrat, befand sich der gesamte Raum im Aufruhr. Nancy saß an ihrer üblichen Stelle am Ende des Tisches, von wo aus sie die aktuellsten Berichte über den Vogelscheuchen-Mörder Fall austeilte. Polizisten setzten sich an den Tisch und murmelten feierlich vor sich hin, als ob sie auf einer Beerdigung wären. Während sich Mackenzie ihren Weg zum Kopf des Tisches bahnte, sah sie, dass sich Nelson mit einem anderen Polizisten unterhielt, bemerkte sie, dass ihr die anderen Polizisten immer wieder Blicke zuwarfen. Manche von ihnen schauten sie immer noch finster an, wie in den vergangenen drei Jahren. Aber (vielleicht bildete sie sich das auch nur ein) in den Blicken von manchen lag echtes Interesse und vielleicht sogar Respekt.
Nelson sah, dass sie sich ihm näherte, weshalb er sofort seine Unterhaltung mit dem anderen Polizisten beendete. Er legte einen Arm um ihre Schulter und wandte sie von der Menge ab, die sich in dem Raum versammelte. „Diese Neuigkeiten“, sagte er. „Werden wir damit den Täter im Laufe der nächsten paar Stunden schnappten?“
„Das weiß ich nicht“, sagte Mackenzie. „Aber sie kann unsere Suche definitiv einschränken. Es wird uns sehr nah an die Aufklärung des Falles bringen.“
„Dann werden Sie die Informationen vorstellen“, meinte er. „Können Sie das?“
„Ja“, erwiderte sie und ignorierte die aufsteigende Sorge in ihrem Bauch.
„Dann legen wir einmal los“, sagte er. Mit diesen Worten drehte er sich zu den anderen Polizisten um und schlug mit seiner fleischigen Hand mehrmals auf den Tisch. „Okay, Leute“, rief er. „Setz euch hin und schließt eure Münder“, befahl er. „Mackenzie hat einen Durchbruch in dem Fall und Ihr werdet ihr eure volle Aufmerksamkeit. Hebt die Fragen auf, bis sie fertig ist.“
Zu Mackenzies Überraschung nahm sich Nelson einen der übriggebliebenen Stühle an der Wand und trat vom großen Konferenztisch zurück. Vielleicht war es ein Test oder vielleicht war Nelson einfach am Ende seines Lateins. Was auf immer der Grund dafür war, das hier war ihre Chance, sich zu beweisen.
Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen und sah Porter zwischen den anderen Polizisten sitzen. Er lächelte ihr schnell zu, fast so, als ob er nicht wollte, dass es jemand anderes sah. Es war womöglich das netteste, was er je für sie getan hatte, und sie hatte bemerkt, dass Porter sie in letzter Zeit ständig überraschte.
„Ich bin heute Morgen noch einmal zu einem der Tatorte gefahren“, erklärte Mackenzie. „Auch wenn der Besuch an sich nicht zu dem Durchbruch geführt hat, brachte er mich doch direkt dorthin. Wie viele von euch wissen, hat der Mörder in die Stangen, an denen er die Frauen festband, eine zweigruppige Abfolge aus Buchstaben und Zahlen hinterlassen: N511 und J202. Nachdem ich vorhin mit dem Pastor gesprochen hatte, entdeckte ich, dass es Verweise auf Numeri 5:11 und Josua 20:2 sind.
„Die Passage aus Numeri steht im Alten Testament und handelt von Ehebruch. Jede ehebrecherische Frau sollte zu den Priestern gebracht werden, die ihr ein sogenanntes bitteres Wasser gaben. Der Gedanke dahinter war, dass das heilige Wasser einen Fluch auf ehebrecherische Frauen legen jedoch keine Auswirkung auf reine Frauen haben würde. Im Grunde war es die Methode der Kirche, über Frauen, die für unrein gehalten wurden, zu richten und sie zu verurteilen.
Der Verweis auf Josua bezieht sich auf Zufluchtsstädte – Städte, in die die Menschen fliehen konnten, wenn sie aus Versehen einen Mord begangen oder jemanden in Notwehr, für ihre Familie oder ihr Volk getötet hatten. In diesen Zufluchtsstädten würden die Morde nicht verfolgt. Es heißt sogar, dass alle Menschen, die in einer Zufluchtsstadt wohnen, vor der Blutrache verschont blieben.
Laut dem Pastor, mit dem ich gesprochen habe, gab es sechs von diesen Städten. Das führt mich zu der Annahme, dass es noch mindestens drei weitere Morde geben wird.“
„Warum?“, fragte Nelson, der seine eigene Regel, mit den Fragen bis zum Ende zu warten, außer Acht ließ.
„Ich glaube, dass der Mörder diese Frauen umbringt, um sie jeweils als symbolhafte Darstellung der Zufluchtsstädte zu nutzen. Und er glaubt, dass er durch ihre Morde die Rolle des Bluträchers übernimmt. Sogar noch mehr, er denkt, eine Stadt zu bauen.“
Im Raum herrschte einen Moment lang Stille, während alle auf ihre Erklärung warteten. Sie drehte sich zur Wand hinter ihr, wo sich eine vor kurzem erst gereinigte Tafel befand. Sie nahm sich einen Marker und zeichnete aus ihrer Erinnerung grob die Karte nach, die Pastor Simms ihr in der Kirche gezeichnet hatte.
„Das ist die ungefähre Lage der sechs Städte“, sagte sie, als sie große Punkte auf die Karte setzte. Sie bildeten eine ovale Form und jede Stadt hatte den gleichen Abstand voneinander.
„Wenn man nun eine Karte unserer Umgebung nimmt und schaut, wo die Leichen gefunden wurden“, sagte sie, „dann sieht sie dieser hier ziemlich ähnlich.“
Sofort begann Nancy am Ende des Tisches etwas in ihren Computer zu tippen. Ohne vom Bildschirm aufzusehen, sagte sie: „Ich werde die Karte an die Wand projizieren. Lichter aus, bitte.“
Der Polizist, der dem Lichtschalter am nächsten stand, schaltete ihn aus, während ein anderer den Projektor in der Mitte des überfüllten Konferenztisches anschaltete. Mackenzie trat zur Seite, damit das Licht direkt auf die Tafel fallen konnte.
Nancy hatte dieselbe Karte ausgewählt, die den zuvor ausgeteilten Berichten angeheftet war. Auf ihr war jede Autobahn, Landstraße und Stadt in einem Radius von einhundertfünfzig Meilen zu sehen. Auf der Karte befanden sich drei Kreuze, wo die Opfer gefunden wurden.
„Auch wenn die Lage nicht zu einhundert Prozent übereinstimmt“, fuhr Mackenzie fort, „sind sie sehr nah dran. Das bedeutet, dass es nicht nur reiner Zufall ist – und mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass es keiner ist – dann können wir den nächsten Tatort grob eingrenzen.“
„Woher wissen wir, in welcher Reihenfolge er die Orte auswählt?“, fragte einer der Polizisten am Tisch. „Wenn es noch drei Orte gibt, besteht eine Garantie, dass er an die geographische Reihenfolge hält?“
„Nein, dafür gibt es keine Garantie“, gab Mackenzie zu. „Aber bis jetzt hat er es zumindest getan.“
„Und wir wissen immer noch nicht, wie er die Opfer aussucht?“, fragte Porter.
„Das wird gerade überprüft“, antwortete Mackenzie. „Wir haben Männer in den drei Stripclubs, die es in einem Radius von einhundert Meilen gibt. Aber ich denke, wir können annehmen, dass er sich auch für Prostituierte entscheiden könnte.“
„Was ist mit diesem bitteren Wasser?“, wollte jemand wissen. „Was für eine Art Wasser soll das sein?“
„Ich bin mir nicht sicher“, entgegnete Mackenzie. „Aber wir haben bereits den Gerichtsmediziner beauftragt, im Magen der Opfer nach etwas Verdächtigem zu suchen, wie etwa nach Gift, Chemikalien oder ähnlichen Stoffen. Ich glaube ja, dass es einfach nur Weihwasser sein könnte, und wenn es stimmen sollte, dann können wir es unmöglich feststellen.“
„Sie meinen, geheiligtes Wasser glüht etwa nicht magisch?“, fragte ein anderer Polizist. Am Tisch war leichtes Gelächter zu vernehmen.
„Hey“, sagte Nelson, der wieder an die Spitze des Tisches trat. Er ging zur Tafel und nahm sich einen roten Marker. Damit zeichnete er auf der projizierten Karte einen Phantomort ein, der so gut es ging mit der vierten Stadt auf Mackenzies Karte übereinstimmte.
„Ich werde White beauftragen, sich die Gegend dort anzuschauen“, meinte er. „Ich will, dass mindestens acht verfügbare Männer innerhalb der nächsten Stunde dort sind, um die Gegend zu untersuchen. Schaut euch die Situation vor Ort an, prägt euch die Straßen ein und bleibt in der Gegend auf Patrouille, bis ihr etwas Anderes von mir hört. Nancy, ich muss sofort mit dem FBI telefonieren und um eine Hubschraubergenehmigung bitten, damit wir die Gegend absuchen können.“
„Ja, Sir“, sagte Nancy.
„Noch etwas“, warf Mackenzie ein. „Wir sollten nur mit Zivilautos fahren. Wir wollen ja nicht, dass dieser Kerl von unseren Plänen erfährt.“
Nelson dachte einen Moment darüber nach und sie konnte erkennen, dass ihn dieser Vorschlag verärgerte. „Da wir nur vier Zivilautos haben, sind unsere Möglichkeiten beschränkt. Ich werde Streifenwagen erlauben, sie dürfen aber nicht geparkt werden. Mit allem, was wir nun wissen, gibt es keinen Grund, warum dieser Kerl nicht gefasst sein sollte, bevor eine vierte Frau sterben muss. Gibt es noch Fragen?“
Niemand sagte etwas, da jeder auf seine Füße sprang. In der Atmosphäre lag eine gewisse aufgeregte Spannung, die Mackenzie fast schon körperlich spüren konnte. Die Polizisten begannen, eilig auszuschwärmen, denn sie spüren, dass dieser elende Fall bald zu einem Ende kommen würde. Sie kannte die Denkweise, nun hatte jeder eine wirkliche Chance, den Verdächtigen festzunehmen. Obwohl jemand anderes (in diesem Falle sie) die Verbindungen hergestellt und ihnen eine Lösung des Falles präsentiert hatte, konnte nun jeder von ihnen das große Los ziehen.
Als Mackenzie zur Tür ging, wurde sie von Nelson aufgehalten: „Sehr gute Arbeit, Mackenzie. Und ich sage Ihnen noch etwas: Ellington hat Sie hochgelobt, als er nach Quantico zurückkehrte. Ich habe einen Anruf von seinem Vorgesetzten bekommen, der dir Komplimente machte.“
„Danke.“
„Wenn ich dich nur davon abhalten könnte, übergewichtige Reporter zu verfolgen und ihnen den Schrecken ihres Lebens einzujagen, dann hättest du meiner Meinung nach eine vielversprechende Karriere vor dir. Dieser Pope Kerl hat zwei verschiedene Anwälte auf dich angesetzt. Ich glaube nicht, dass er die Sache auf sich ruhen lässt.“
„Tut mir leid, Chief“, sagte sie und meinte ihre Worte auch wirklich.
„Stellen wir das erst einmal zurück“, erwiderte Nelson. „Jetzt sollten wir uns darauf konzentrieren, diesen Mörder zu schnappen. Journalisten sind immer schlecht, aber immerhin schnürt Ellis Pope keine Frauen an Holzstangen und prügelt sie tot.“
Sie zuckte bei der unbeschwerten Weise, wie Nelson über die Opfer sprach, innerlich zusammen. Es erinnerte sie daran, dass er sogar inmitten einer Aufbau- und Lobrede immer noch der gleiche Mann war, den sie damals kennengelernt hatte.
„Und wenn es Ihnen Recht ist“, sagte er, „dann fahre ich mit Ihnen. Wenn ich Ihnen die Verantwortung über diesen Schauplatz übertrage, dann will ich Ihre rechte Hand sein.“
„Natürlich“, erwiderte sie, obwohl sie die Idee sofort hasste.
Während sie das Konferenzzimmer verließen, schaute sie sich nach Porter um. Es war auf ironische Weise schon komisch, dass sie sich lieber ein Auto mit Porter teilen würde, um den Fall zu beenden. Vielleicht war es Gewohnheit oder einfach die Tatsache, dass Nelson ihrer Meinung nach ein wenig zu chauvinistisch war, um sie ernst zu nehmen, egal, wie sehr sie vom FBI gelobt worden war.
Doch Porter war in der Hektik und Aufregung untergetaucht, als alle das Konferenzzimmer verlassen hatten. Sie sah ihn auf dem Weg zu ihrem Büro, aus dem sie ihren Polizeiausweis und ihre Waffe holen wollte, nirgendwo in den Gängen und sie konnte ihn auch nicht auf dem Parkplatz sehen.
Nelson trat sie am Auto, die Frage, wer fahren würde, stand nicht einmal zur Debatte. Sofort setzte er sich hinters Steuer und schien sehr ungeduldig zu sein, während er darauf wartete, dass sie sich auf den Beifahrersitz setzte und sich anschnallte. Sie bemühte sich sehr, um sich ihre Verärgerung nicht anmerken zu lassen, aber die Mühe hätte sie sich auch sparen können, denn Nelson war so sehr in die Vorstellung, den Vogelscheuchen-Mörder zu schnappen, vertieft, dass er gar nicht beachtete – sie war nur ein kleines Zahnrad in der von Männern geschaffenen Maschinerie, die sie bisher schon so weit gebracht hatte.
Plötzlich erschien ihr Ellingtons Vorschlag, zu versuchen, beim FBI aufgenommen zu werden, ansprechender als je zuvor.
„Sind Sie bereit, dieses Arschloch zu schnappen?“, fragt Nelson, als er hinter zwei Streifenwagen vom Parkplatz fuhr.
Mackenzie biss sich auf ihre Unterlippe, um das sarkastische Lächeln zu unterdrücken, dass sich auf ihrem Gesicht ausbreiten wollte, und sagte:
„Mehr als Sie ahnen.“
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
Mackenzies Handy begann weniger als zehn Minuten später zu klingeln. Sie warf einen Blick auf die Nummer auf dem Bildschirm und obwohl sie sie nicht eingespeichert hatte, konnte sie sich noch gut an sie erinnern. Sie hatte schon fast vergessen, dass Ellington ihr eine Nachricht geschrieben hatte, dass er sie später anrufen würde. Sie wusste, dass er die Nachricht an diesem Morgen geschickt hatte, doch ihr es so vor, als wäre das schon eine Ewigkeit her. Sie warf einen Blick auf die Statusleiste ihres Handys, wo die Uhrzeit stand, und sah, dass es gerade einmal 3:16 Uhr nachmittags war. Dieser Tag würde noch sehr lange werden.
Sie ignorierte den Anruf, denn sie wollte ihren bereits jetzt schon chaotischen Nachmittag nicht noch komplexer machen. Zur selben Zeit telefonierte Nelson mit Nancy. Er sprach kurz, abgehackt und kam direkt zum Punkt. Es war offensichtlich, dass er angespannt und gestresst war, etwas, das auch Mackenzie verspürte.
Ein paar Sekunden später legte er auf und begann, mit seinen Daumen nervös auf das Lenkrad zu klopfen. „Nancy hat gerade mit dem FBI gesprochen“, informierte er sie. „Sie werden in eineinhalb Stunden mit einem Helikopter über das Gebiet fliegen.“
„Das sind tolle Neuigkeiten“, erwiderte Mackenzie.
„Sagen Sie mir“, fuhr Nelson fort. „Glauben Sie, dass er die Frauen umbringt, bevor er sie an die Stangen hängt, oder tötet er sie dort?“
„Es gibt für beides keine handfesten Beweise“, sagte Mackenzie. „Allerdings glaube ich anhand der Spuren im Maisfeld, dass die Frauen noch leben, wenn er sie an die Stangen hängt. Die Peitsche, oder was auch immer er verwendete, hat auf dem Boden Spuren hinterlassen, als sie umhergezogen wurde.“
„Und weiter?“
„Das heißt, er ging immer wieder um das Opfer herum. Wenn die Frauen schon tot waren, warum sollte er dann warten, bis er sie auspeitschte?“
Nelson nickte und nickte ihr kurz anerkennend zu. „Wir werden diesen Bastard kriegen“, sagte er, während er weiterhin mit den Fingern auf das Lenkrad trommelte.
Mackenzie wollte gerne ebenso enthusiastisch sein, aber sie hatte das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Sie meinte, irgendetwas übersehen zu haben, aber wusste wirklich nicht, was es sein sollte. Sie blieb still und dachte über dieses Gefühl nach, während Nelson weiterfuhr.
Zwanzig Minuten später kamen sie zu dem Interessengebiet, wie Nelson es nannte. Sie hatte während der Fahrt mehreren kurzen Anrufen von Nelson zugehört und mitbekommen, dass Nelson eine Art Blockierung in einem Radius von dreißig Quadratmeilen aufbaute. Die Gegend bestand größtenteils aus Buschwerk und Landstraßen. Ein paar von diesen wurden von Maisfeldern, wie beim ersten Tatort, umgeben, wo dieser Wahnsinn begonnen hatte.
Als Nelson auf so eine Straße abbog, schaltete sich das Polizeiradio ein. „Detective White, sind Sie da?“, fragte die Stimme eines Mannes.
Mackenzie schaute zu Nelson, als ob sie ihn um seine Erlaubnis bitten würde. Er deutete mit einem Lächeln auf das Funkgerät. „Nehmen Sie es schon“, sagte er. „Es ist Ihre Show.“
Mackenzie löste das Mikrofon von dem Funkgerät und drückte auf den Sendeknopf. „Hier ist White. Was haben Sie?“
„Ich bin hier an der State Route 411 und habe einen Feldweg entdeckt – eigentlich ist es nicht mehr als eine alte Schotterstraße. Sie führt direkt in ein Maisfeld und befindet sich nicht auf der Karte. Sie ist etwa eine Meile lange und endet in dem Maisfeld in einer Sackgasse.“
„Okay“, entgegnete sie. „Haben Sie etwas gefunden?“
„Das wäre eine Untertreibung, Detective“, sagte der Polizist am anderen Ende. „Ich glaube, Sie sollten so schnell es geht hierherkommen.“
*
Es war mehr als gruselig, in einem weiteren Maisfeld zu stehen. Es war fast so an, als hätte sich der Kreis geschlossen, nur, dass es sich nicht so anfühlte, als würde das alles zu einem Ende kommen. Ganz im Gegenteil, es fühlte sich so an, als würde alles von vorne beginnen.
Sie stand mit Nelson und Officer Lent, der Mann, der sie über das Funkt kontaktiert hatte, am Rand der Lichtung. Die drei standen zwischen dünnen Maisstängeln und betrachteten die kleine Lichtung.
In der Mitte war eine Holzstange aufgebaut worden. Im Gegensatz zu den anderen Stangen, die sie vor kurzem gesehen hatte und die dieser hier ähnlich waren, hing diesmal keine Leiche daran. Die Stange war nackt und schaute fast wie ein seltsamer antiker Monolith auf einer leeren Lichtung aus.
Langsam näherte sich Mackenzie der Stange. Sie war aus Zedernholz gemacht, genau wie auch die anderen drei. Sie ging in die Hocke und betastete die Erde am Ende der Stange. Sie war weich und offensichtlich vor kurzem gelockert und anschließend wieder festgetreten worden.
„Dieses Loch gibt es noch nicht lange“, sagte Mackenzie. „Die lockere Erde ist noch frisch. Ich würde sogar schätzen, dass es erst heute gegraben wurde.“
„Dann bereitet er also die Orte vor, bevor er die Opfer herbringt“, spekulierte Nelson. „Ich weiß nicht, ob das genial oder anmaßend ist.“
Obwohl Mackenzie angewidert war, das Wort genial mit dem Mörder in Verbindung zu bringen, ignorierte sie ihn. Sie ging zur Rückseite der Stange und sah sofort die Markierungen am unteren Ende, mehrere Zentimeter über der Stelle, an der die Stange von der lockeren Erde im Boden gehalten wurde. Dort stand: N511/J202.
„Ich würde sagen, es ist nichts von beidem“, sagte Mackenzie. „Was ich allerdings weiß ist, dass er uns praktisch seine Visitenkarte hinterlassen hat. Wenn er zurückkommt, wird er wahrscheinlich sein neuestes Opfer bei sich haben.“
Als sie wieder aufstand, wurde sie von einem Gefühl der Rache erfasst, das sie noch nie zuvor verspürt hatte und das nie nun überraschte. Der Mann hinter den Verbrechen war irgendwie zu ihr durchgedrungen. Er war zu einer Art Geist geworden, einem Geist, der ihr Zuhause, ihre Gedanken und ihr Selbstvertrauen heimsuchen konnte. Er hatte sie bei dem Geräusch von knarzenden Dielen aufschrecken lassen und sie an einen Punkt getrieben, an dem sie sich an herausragende FBI Agenten ranmachte. Er hatte sie so sehr mitgenommen, dass sie weder Energie noch Emotionen übrighatte, als dass es ihr etwas ausgemacht hätte, als Zack endlich gegangen war.
Darüber hinaus wählte er Frauen als seine Opfer aus, nur, weil sie ihren Lebensunterhalt mit ihren Körpern verdienten. Und wer zur Hölle war er eigentlich, um sie dafür zu verurteilen?
„Ich will hier sein“, sagte Mackenzie. „Ich will auf Streife sein oder observieren oder was auch immer wir tun, um ihn zu fangen. Ich will dem Kerl die Handschellen anlegen.“
Sie wusste, dass es sich egoistisch anhörte, aber das war ihr in diesem Moment egal. Es kümmerte sie gerade kein bisschen, was Nelson von ihr dachte. Es war ihr egal, ob er zu seinen Jungs auf die Station zurückging und mit ihnen über diese putzige, kleine Frau lachte, die Dinge von ihm verlangte. Den Mann hinter diesen Morden festzunehmen war plötzlich wichtiger als alles andere – sogar wichtiger als ihr Job und ihr Ruf.
„Das lässt sich arrangieren“, sagte Nelson mit einem Lächeln. „Schön, einen Funken Wut in Ihnen zu sehen, White. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie das Zeug dazu haben.“
Sie behielt die Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag, zurück und dachte sie stattdessen nur.
Ich auch nicht.