Kitabı oku: «Vorher Schadet Er», sayfa 2

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KAPITEL VIER

Obwohl es sich seltsam anfühlte, Kevin mit beiden Großmüttern alleine zu lassen, konnte Mackenzie nicht leugnen, dass es ihr warm ums Herz wurde, als sie daran dachte, dass ihre Mutter endlich etwas Zeit mit ihrem Enkelkind verbringen konnte. Ihre einzige Sorge war, dass die sture und eher egoistische Seite ihrer Mutter zum Vorschein kommen könnte. Würde sie ihre Abwehrhaltung einnehmen, wenn klar wurde, dass Kevin und Frances bereits miteinander vertraut waren? Sie war überrascht, dass keiner die Situation mit Sorge zu betrachten schien, als sie sich gemeinsam mit Ellington durch die leeren Flure des FBI Hauptquartiers begab und auf McGraths Büro zusteuerte.

Beim Betreten des Raumes war offensichtlich, dass er kurz davor war, Feierabend zu machen. Er steckte einige Akten in seine Tasche und schien sogar ziemlich gut gelaunt zu sein.

„Danke für Ihre Spontanität“, sagte er.

„Kein Problem“, meinte Ellington. „Sie haben uns damit sogar eine Art Gefallen gemacht.“

„Tatsächlich?“

„Familienzusammenführung“, meinte Mackenzie.

„Also geht es mich nichts an. Dann werde ich die Sache mal auf den Punkt bringen. Wir haben eine tote Frau drüben in Utah. Das FBI wurde dazu gerufen, weil die Frau laut örtlicher Polizei keine Identität hat. Keine Aufzeichnungen, keine Sozialversicherungsnummer, keine Geburtsurkunde, keine bekannte Adresse – nichts.“

„Warum Agenten aus DC schicken, statt die Kollegen vor Ort in Salt Lake City einzuspannen?“, fragte Mackenzie.

„Ich kenne nicht alle Details, aber die Zweigstelle dort scheint ein bisschen in der Klemme zu sitzen. Es gab wohl in der Vergangenheit Probleme mit gewissen geschützten Persönlichkeiten. Die Zweigstelle in Salt Lake City muss deshalb wohl unglaublich vorsichtig sein, wenn es um Ermittlungen in dieser Gegend geht.“

„Das klingt ziemlich ungenau“, meinte Ellington.

„Nun, mehr kann ich gerade nicht anbieten. Es gab einen Interessenskonflikt und vor Gericht wurde dann festgestellt, dass das FBI im Unrecht gewesen war. Also hat Salt Lake City heute hier angerufen, um nach ein paar DC Agenten zu fragen, die dort diskret an dem Fall arbeiten können. Aufgrund der Natur des Mordes scheinen Sie beide die perfekte Wahl zu sein – ich bin mir sicher, dass Sie den Fall problemlos lösen können. Fliegen Sie hin und finden Sie heraus, um wen es sich bei der Frau handelt und wer sie umgebracht hat. Und warum. Dann übergeben Sie die Sache der örtlichen Polizeidienststelle und kommen nach Hause.“

„Und was ist die Natur des Mordes?“, fragte Ellington.

„Ich werde Ihnen die ausführlichen Berichte zuschicken lassen. Aber es scheint, als wäre die junge Frau mitten in der Nacht vor etwas davongerannt. Die Arbeitsthese ist, dass sie dabei von einem Fahrzeug angefahren wurde. Im Anschluss hat man ihr die Kehle durchgeschnitten. Auf ihrem Mund befand sich außerdem ein Stück Klebeband, aber der Gerichtsmediziner denkt, dass das nach ihrem Tod angebracht wurde.“

Mackenzie stimmte ihm zu – der Fall schien wirklich genau das Richtige für sie zu sein. Und sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte.

„Wann sollen wir dort sein?“, fragte Ellington.

„Ich habe Ihnen beiden einen Flug für morgen früh um viertel nach fünf gebucht. Bitte nehmen Sie diesen Flug wahr und sehen Sie sich den Tatort spätestens gegen Mittag an. Ich weiß, dass die Kinderbetreuung in diesem Fall ein Problem darstellen könnte, aber …“

„Ausnahmsweise glaube ich, dass wir das regeln können“, meinte Ellington.

„Warte. Ich weiß nicht, ob …“

„Geht es um die Familienzusammenführung?“, fragte McGrath. Er hatte seine Tasche mittlerweile verschlossen und betrachtete sehnsüchtig die Tür.

„Ja, Sir.“

„Wie gesagt – das geht mich nichts an. Wenn es mit der Kinderbetreuung ein Problem gibt und nur einer von Ihnen fliegen kann, geben Sie mir Bescheid.“

Mit diesen Worten deutete er zur Tür.

***

„Ich muss was loswerden“, sagte Mackenzie auf dem Rückweg zur Wohnung. „Ich habe mich bei unserem letzten Fall nicht unbedingt damit wohlgefühlt, Kevin bei deiner Mutter zu lassen. Ein paar Stunden hier und da sind kein Problem. Damit komme ich klar. Aber gleich mehrere Tage …“

„Oh, das kann ich nachvollziehen. Aber um ehrlich zu sein, gefällt es mir auch nicht gerade, ihn mehrere Tage lang bei deiner Mutter zu lassen.“

„Oh Gott, nein.“

„Wenn dich die Vorstellung wirklich stört, ihn bei meiner Mutter zu lassen, kann ich den pflichtbewusste Ehemann spielen und hierbleiben. Klingt nach einem einfachen Fall und …“

„Nein. McGrath hat uns tatsächlich beide gebeten, hinzufliegen. Als Team. Noch vor drei Monaten hielt er es für eine schlechte Idee, uns zusammen rauszuschicken, wir müssen also irgendetwas richtig machen. Wenn er uns diese Chance schon gibt, sollten wir sie annehmen.“

„Das sehe ich auch so“, meinte Ellington.

„Also, was tun wir?“

Für einen kurzen Moment schwiegen sie beide, doch dann begann Ellington langsam, zu sprechen. Er sprach vorsichtig, als wolle er sichergehen, dass jedes Wort stimmte – oder dass er tatsächlich meinte, was er von sich gab. „Wie wahrscheinlich ist es, dass beide zur gleichen Zeit hier sind?“, fragte er. „Wirklich, denke mal darüber nach. Die Chancen stehen unheimlich schlecht. Und keiner von uns beiden vertraut ihnen einzeln …“

„Du willst sie als Team babysitten lassen?“

„Es könnte funktionieren. Du hast gesehen, wie gut sie sich verstehen. Und Gott, Kevin sah aus, als befände er sich im Oma-Paradies.“

„Wird deine Mom beleidigt sein?“, fragte sie.

„Das bezweifle ich. Und deine?“

„Nein. Gott, sie wird sich geehrt fühlen, dass ich sie überhaupt in Betracht ziehe. Hast du ihr Gesicht gesehen, als ich ihr sagte, dass wir beide kurz wegmüssen und ihnen solange den Kleinen anvertrauen?“

„Ja, habe ich.“ Er dachte eine Weile darüber nach, während sie die Kreuzung erreichten, an der sie links abbiegen mussten, um ihre Wohnung zu erreichen. „Also – wenn das Haus bei unserer Rückkehr nicht in Flammen steht, fragen wir die beiden?“

Mackenzie geriet bei dem Gedanken kurzzeitig in Panik. Sie erinnerte sich an den kurzen Besuch bei ihrer Mutter von ein paar Monaten und wie diese langsam wieder auf die Beine zu kommen und sich verantwortlich zu verhalten schien. Vielleicht waren ihr Besuch hier und ihr Wunsch, endlich ihren Enkelsohn zu sehen, ein Wendepunkt. Und wenn Mackenzie sichergehen wollte, dass ihre Mutter auch weiterhin auf dem richtigen Weg blieb, war es dann nicht ihre Verantwortung als Tochter, genau das zu tun? Ein paar Tage mit ihrem dreizehn Monate alten Enkelkind würden sicherlich helfen.

Als sie den Aufzug ihres Wohngebäudes betraten, griff Mackenzie nach Ellingtons Hand. „Bist du damit einverstanden? Sicher?“

Er wirkte verwirrt, nickte aber. „Ja. Ich weiß, dass es seltsam ist, aber ja. Ich denke, es wird schon klappen. Was ist mit dir?“

„Geht mir genauso.“

Sie betraten die Wohnung etwa achtzig Minuten nachdem sie sie verlassen hatten. Frances wischte gerade den Küchentresen ab, während Patricia auf dem Boden mit Kevin spielte. Sie beschäftigten sich gerade mit dem ‚See’n’Say‘ – einem seiner Lieblingsspielzeuge. Ihre Mutter auf dem Boden beim Spielen zu sehen, machte sie auf eine Art und Weise glücklich, mit der sie nicht gerechnet hatte. Sie nickte Ellington zu, als sie das Wohnzimmer betraten, um ihn anzuweisen, das Sprechen zu übernehmen.

„Also … Mom? Ms. White?“

„Oh nein, bitte nenn mich Patricia.“

„Okay … Mom und Patricia. Mackenzie und ich haben gerade die Möglichkeit erhalten, gemeinsam an einem Fall zu arbeiten. Das haben wir natürlich schon zuvor gemacht, aber seit der Hochzeit ist unser Arbeitgeber etwas vorsichtig damit geworden, uns als Team loszuschicken. Dieses Mal wurden wir aber gemeinsam angefragt.“

„Nun, das ist wundervoll“, meinte Frances.

„Das ist es. Problem: Der Fall ist in Utah. Und wir müssen morgen früh um fünf im Flieger sitzen.“

Zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr blickte Patricia auf. Ihre Aufmerksamkeit hatte sie bisher ausschließlich auf Kevin gerichtet. „Etwas Gefährliches?“, fragte sie.

„Nicht gefährlicher als sonst“, sagte Mackenzie. „Aber wir erwähnen es, weil wir wissen, wie unwahrscheinlich es ist, euch beide hier zu haben. Also, Mom … du hattest geplant, lediglich zwei Tage in der Stadt zu bleiben, oder?“

„Ja, das ist richtig.“

„Und du“, meinte Ellington und nickte seiner Mutter zu, „bist unangekündigt vorbeigekommen, was mich zu der Annahme verleitet, dass du in nächster Zeit keine Pläne hast. Ist das richtig?“

„Ich hatte vor, morgen nach Hause zu gehen, aber konkrete Pläne habe ich nicht, nein.“

„Kannst du dein Hotelzimmer canceln und dir die Kosten rückerstatten lassen, Mom?“, fragte Mackenzie.

Patricia schien zu verstehen, auf was die beiden hinauswollten. Sie sah Kevin an, lächelte breit und betrachtete dann erneut ihre Tochter. „Mackenzie … ich weiß nicht. Sicher, ich will. Natürlich will ich. Aber bist du dir sicher?“

„Es ginge um euch beide“, meinte Mackenzie. „Wenn Frances bereit dafür ist. Ich denke, dass es sich höchstens um zwei oder drei Tage handelt. Seid ihr beide damit einverstanden?“

Die Tränen, die über das Gesicht ihrer Mutter liefen, reichten Mackenzie als Antwort. Patricia nickte und stand auf. Als sie das Zimmer durchquerte und ihre Tochter umarmte, wusste Mackenzie kaum, wie sie reagieren sollte. Sie umarmte ihre Mutter ebenfalls, war sich aber unsicher, was es bedeutete, dass es sich ein bisschen erzwungen und ungeschickt anfühlte. War es wirklich schon so lange her, seitdem sie sich aufgrund von Emotionen statt sozialer Notwendigkeit umarmt hatten?

„Auf mich könnt ihr auch zählen“, sagte Frances. „Ich habe zwar nur genug Kleidung für ein oder zwei Tage dabei, aber ich kann ja waschen.“

„Mackenzie, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll“, sagte Patricia. „Es ist schon so lange her, seitdem ich mich um ein Baby gekümmert habe und …“

„Es ist wie Fahrradfahren“, versicherte Frances ihr. „Und Klein-Kevin ist ein Engel. Macht überhaupt keine Probleme.“

„Wir werden euch einen Zeitplan aufstellen“, sagte Mackenzie.

„Zusammen mit den Telefonnummern für Arzt, Feuerwehr und Giftnotruf“, scherzte Ellington.

Als niemand lachte, zog er eine Grimasse und verließ langsam das Zimmer. Kevin, der noch immer auf dem Boden saß, war der einzige, der darauf reagierte, in dem er seinen Kopf streckte, um zu sehen, wo sein Daddy hingegangen war.

„Denkst du, du kommst klar, kleiner Mann?“, fragte Mackenzie und setzte sich neben ihn auf den Boden.

Zur Antwort lächelte er wie immer und sah mit großen, hellen Augen seine Mutter und die zwei älteren Frauen hinter ihr an.

KAPITEL FÜNF

Etwa nach der Hälfte der Flugzeit nach Utah – Mackenzie trank bereits ihre zweite Tasse bitteren Flugzeugkaffees – wurde sie erstmals unruhig. Sie sah aus dem Fenster, wo das frühe Morgenlicht den Horizont erleuchtete und dann zu Ellington.

„Hast du immer noch ein gutes Gefühl dabei?“, fragte sie ihn.

„Ja. Warum? Hast du deine Meinung geändert?“

„Nein. Aber ich kenne meine Mutter. Es ist offensichtlich, dass sie ihr Leben verbessern möchte und ich hoffe, dass die Zeit mit Kevin ihr dabei hilft, diese Veränderungen umzusetzen. Aber ich kenne sie. Ich weiß, wie stur sie sein kann. Ich weiß, wie schnell sie abwehrend wird. Und ich kann nicht anders, als mich zu fragen, ob unsere Mütter die Wohnung in ein Wrestling-Cage-Match verwandeln werden.“

„So lange sie Kevin am Leben lassen, ist das in Ordnung. Übrigens – ich würde auf deine Mom setzen.“

Sie konnte sehen, dass auch er sich ein bisschen sorgte, aber versuchte, der starke Ehemann zu sein, auf den sie sich stützen konnte. Während ihrer Ehe und den vorangegangenen Jahren der Partnerschaft hatte er gelernt, wann er diese Rolle einnehmen musste und wann es besser war, es ihr zu überlassen, stark zu sein. Beide Rollen meisterte er mittlerweile gut und vor allem wusste er, wann er sich wie zu verhalten hatte. Sie seufzte und sah wieder aus dem Fenster, während sie seine Hand hielt.

„Hey Mac? Es ist wirklich in Ordnung. Es wird sogar richtig gut werden. Das alles gehört zum Familie-Sein dazu. Schwiegermütter, Verwandte, alles.“

„Ich weiß. Aber heute ist es meine Mom. Was, wenn meine Schwester morgen vor der Tür steht und plötzlich Tante sein will?“

„Dann wirst du sie lassen müssen. Oder zumindest wirst du ihr die Chance geben müssen, es zu versuchen.“

„Oh, aber du kennst Stephanie nicht…“

„Und deine Mutter habe ich auch erst gestern kennengelernt. Trotzdem sind wir hier in der Luft, während sie und meine Mutter unten auf unseren Sohn aufpassen. Darf ich ehrlich sein?“

„Bitte.“

„Ich glaube, du machst dir Sorgen, weil du dir keine Sorgen machst. Wir sind beide geschockt, wie natürlich sich alles anfühlt. Vielleicht müssen wir uns einfach entspannen und uns auf den Fall konzentrieren. Unsere Mütter haben uns aufgezogen und aus uns ist schließlich auch was geworden.“

„Ist es das wirklich?“, fragte sie schmunzelnd.

„Ich denke schon.“

Mackenzie nippte weiter an ihrem Kaffee und tat dann genau das, was Ellington vorgeschlagen hatte: Sie leitete ihre Gedanken von den überraschenden Wendungen zuhause zurück zu ihrem Fall.

***

Mit dem Mietwagen fuhren sie fünfundzwanzig Kilometer aus Salt Lake City heraus und schafften es, McGraths Wunsch, gegen Mittag dort zu sein, um eine Stunde zu unterbieten. Die Stadt, wo die Frau ohne Identität ermordet worden war, nannte sich Fellsburg und war sowohl klein als auch niedlich. Es war eine vornehmere Gegend, die aufgrund ihrer Nähe zu Salt Lake City zu florieren schien. Mackenzie vermutete, dass der Großteil der Einwohner täglich in die Stadt pendelte, um dort zu arbeiten und erst abends wieder zurück in eine der vielen Wohngegenden Fellsburgs kehrte.

Ellington folgte den Anweisungen und Unterlagen, die McGrath ihnen per E-Mail zugesandt hatte und fuhr in einen Ortsteil namens Plainsview. Wie die anderen beiden Trabantenstädte, die sie zuvor durchquert hatten, stand auch dort ein zweistöckiges, nullachtfünfzehn Haus samt gepflegtem Vorgarten neben dem anderen. Die Straßenlaternen, die der Sicherheit dienen sollten, standen nur dreißig Meter voneinander entfernt.

Sie mussten nicht weit nach Plainsview hineinfahren. Bereits vier Häuser nach dem Ortseingang stand ein Polizeiwagen an der Straßenseite. Es handelte sich um den Beamten, der das Treffen arrangiert hatte, nachdem Mackenzie ihn vom Flughafen aus angerufen hatte, um ihre Ankunft anzukündigen. Er stieg bereits aus dem Streifenwagen aus, als Ellington hinter ihm parkte.

Die drei trafen sich zwischen den Autos und stellten sich vor. Dienstmarke und Anstecknadel an seiner Brust wiesen ihn als Sheriff Burke aus.

„Hallo“, sagte Burke. „Danke für Ihr Kommen. Ich bin Sheriff Declan Burke.“

Mackenzie und Ellington nannten ihre Namen und schüttelten ihm die Hand. Mackenzie schätzte Burke auf etwa fünfzig. Er trug einen dicken Bart, der mal wieder gestutzt werden könnte. Sein Gesicht wirkte hart und er versteckte seine Augen hinter einer Fliegersonnenbrille, obwohl der Morgen nicht übermäßig hell war.

„Wurde die Leiche hier gefunden?“, fragte Mackenzie.

„Genau. Dort drüben.“ Burke deutete nach rechts.

„Laut Bericht hatte sie nichts außer einem Führerschein bei sich, ist das korrekt?“

„Ja und ein Paar Sandalen. Sie waren nass, nachdem es an dem Tag leicht geregnet hatte. Zuerst nahm ich an, dass ihr die Schuhe beim Zusammenstoß mit dem Auto von den Füßen gerutscht waren. Aber der Gerichtsmediziner wies darauf hin, dass die Schürfwunden und Schnitte an ihren Füßen indizieren, dass sie die Sandalen schon zuvor ausgezogen hat, um möglicherweise schneller rennen zu können.“

„Irgendeine Ahnung, wie weit sie gerannt ist?“, fragte Ellington.

„Noch nicht wirklich“, sagte Burke. „Etwa zweieinhalb Kilometer von hier entfernt ist ein Feld, das Anzeichen darauf liefert, dass es in derselben Nacht durchquert wurde. Aber wildes Gras und Unkraut machen es unmöglich, mit Sicherheit zu sagen, ob es sich um diese Frau gehandelt hat – oder um ein menschliches Wesen im Allgemeinen. Hätte auch ein Reh sein können.“

„Und niemand hier hat etwas gesehen?“, fragte Mackenzie. Sie blickte die leicht abschüssige Straße hinunter zu den hübschen Häusern. Es war schwer, zu glauben, dass niemand etwas beobachtet hatte.

„Meine Männer und ich haben jeden Hausbesitzer auf dieser Straße befragt. Eine Nachteule behauptet, eine alte Limousine ohne Licht in der Nachbarschaft gesehen zu haben. Aber ein Kennzeichen haben wir keins.“

„Was ist mit dem Mädchen?“, meinte Ellington. „Wissen wir überhaupt nichts zu ihrer Identität?“

„Nein. Der Führerschein war gefälscht. Und dazu noch ziemlich überzeugend. Natürlich haben wir ihre Fingerabdrücke genommen und ihr Blut getestet. Aber im System wurden keine Treffer gefunden.“

„Das macht keinen Sinn“, kommentierte Ellington.

„Deshalb haben wir Sie gerufen“, sagte Burke. „Ich nehme an, Sie haben die Fotos der Leiche am Tatort zu Gesicht bekommen?“

„Ja“, antwortete Mackenzie. „Schwarzes Klebeband über ihrem Mund. Der Gerichtsmediziner glaubt, dass es nach ihrem Tod dort angebracht wurde.“

„Korrekt. Wir haben das Klebeband nach Fingerabdrücken untersucht, aber nichts gefunden.“

Mackenzie hatte das Klebeband auf den Fotos am Abend zuvor und auch im Flugzeug lange betrachtet. Vielleicht hatte es einen symbolischen Hintergrund? Wollte der Mörder die Frau darauf hinweisen, auch nach ihrem Tod schweigen zu müssen? Aber warum? Was hatte sie zu sagen?

„Ohne Identität wird es so gut wie unmöglich sein, Freunde oder Familienmitglieder zu informieren“, meinte Ellington.

„Ja. Wir haben nichts. Also übergebe ich den Fall gerne an Sie. Brauchen Sie noch etwas von mir?“

„Ja, tatsächlich“, antwortete Mackenzie. „Wurden auf dem Führerschein auch keine Fingerabdrücke gefunden?“

„Nur die des Mädchens.“

„Wie gut ist das forensische Labor auf Ihrem Revier?“

„Nicht supermodern, aber besser als in den meisten Städten dieser Größe.“

„Ihr Forensiker soll sich den Führerschein noch einmal genauer ansehen. Und zwar auch unter einem Mikroskop mit UV-Licht. Manche Fälscher statten ihre Werke mit winzigen Signaturen oder Kennzeichnungen aus. Die sind immer gut versteckt, aber manchmal sind sie da. Eine Art heimlicher, kleiner Mittelfinger an Leute wie uns.“

„Das werde ich tun“, sagte Burke. „Sonst noch etwas?“

Mackenzie wollte gerade Ellington nach seiner Meinung fragen, als sie vom Klingeln ihres Handys unterbrochen wurde. Es war zwar stummgeschaltet, doch sie alle konnten das Vibrieren in ihrer Jackentasche hören. Sie drehte sich um und zog das Handy aus ihrer Tasche. Irritiert und auch ein bisschen alarmiert stellte sie fest, dass es ihre Mutter war. Fast entschied sie sich, den Anruf zu ignorieren, doch der Gedanke an sie und Frances bei Kevin beunruhigte sie.

Sie ging ein paar Schritte zur Seite und beantwortete den Anruf. Sie fürchtete bereits die Neuigkeiten, die am anderen Ende der Leitung auf sie warteten.

„Hey Mom. Ist alles in Ordnung?“

„Ja, alles gut. Kevin geht es gut.“

„Warum rufst du dann an? Du weißt, dass ich gerade mit der Arbeit am Fall begonnen habe, oder?“

„Ja. Aber ich muss einfach etwas wissen. Ist Frances immer so herrisch?“

„Was meinst du damit?“

„Sie kommandiert gerne herum. Ich weiß, dass sie Kevin besser kennt als ich, aber sie tut so, als wisse sie alles über ihn. Und sie stellt alles, was ich tue, infrage.“

„Deshalb rufst du an?“

„Ja. Es tut mir leid, Mackenzie, ich …“

„Ihr seid beide erwachsen und werdet einen Weg finden, miteinander zu arbeiten. Ich muss jetzt los. Bitte Mom, ruf nicht wieder an, wenn es nicht dringend ist.“

„Okay.“ Ihre Stimme klang verletzt und enttäuscht, aber Mackenzie ignorierte es.

Sie legte auf und wandte sich wieder Ellington und Burke zu. Burke sah sie fast entschuldigend an, als er zurück zu seinem Streifenwagen ging. „Ich habe Ihrem Partner gerade erzählt, dass wir für Sie beide ein Büro auf dem Revier eingerichtet haben. Ich muss mich noch um ein paar andere Dinge kümmern, also fühlen Sie sich einfach wie zuhause. Und rufen Sie mich gerne direkt an, wenn es etwas Dringendes gibt.“

Er wirkte erleichtert, den Tatort verlassen zu können, als er in seinen Wagen stieg. Er winkte ihnen noch kurz zu, bevor er wegfuhr und sie an dem Straßenabschnitt zurückließ, wo die mysteriöse Frau ermordet worden war.

„Wichtiger Anruf?“, fragte Ellington.

„Es war meine Mutter.“

„Oh. Alles in Ordnung?“

„Ja. Sie hat nur angerufen, um mir zu sagen, dass das Wrestling-Match offiziell begonnen hat.“

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Litres'teki yayın tarihi:
02 eylül 2020
Hacim:
232 s. 5 illüstrasyon
ISBN:
9781094342979
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