Kitabı oku: «Wenn Sie Wüsste», sayfa 2
KAPITEL ZWEI
Als sie in den Ruhestand ging, zog Kate wieder zurück nach Richmond, Virginia, wo sie in der Kleinstadt Amelia aufgewachsen war, ungefähr vierzig Minuten von Richmond entfernt. Zum College war sie direkt dort in der Innenstadt gegangen. Sie hatte dort ihre ersten Jahre verbracht, wollte nichts mehr als Kunst zu studieren. Nach drei Jahren war ihr durch einen ihrer Psychologiekurse klar geworden, dass sie ein Herz für die Kriminologie hatte. Der Weg nach Quantico und ihre anschließende, dreißigjährige Vorzeigekarriere war alles andere als geradlinig gewesen.
Jetzt fuhr sie durch einige Straßen Richmonds, die ihr so vertraut waren. Sie war erst einmal bei Debbie Meade zuhause gewesen, aber sie wusste noch genau, wo sie wohnte. Sie wusste es deshalb so genau, weil sie die Nachbarschaft neidvoll betrachtet hatte. Es war eines dieser älteren Gegenden, dicht an der Innenstadt gelegen, wo die Straßen von Bäumen gesäumt waren anstatt von Straßenlaternen und Hochhäusern.
Derzeit war Debs Straße voller buntem Laub der Ulmen, deren Äste sich über der Straße ausbreiteten. Sie musste drei Häuser weiter parken, da Familienangehörige und Freunde schon alle Parkmöglichkeiten vor Debs Haus in Beschlag genommen hatten.
Sie schritt den Bürgersteig entlang und versuchte sich zu überzeugen, dass dies keine gute Idee war. Ja, sie plante, das Haus als nichts als eine Freundin zu betreten – obwohl Jane und Clarissa sich entschieden hatten, bis zum Nachmittag zu warten, um Deb ein wenig Ruhe zu ermöglichen. Doch da war auch noch etwas anderes, etwas Tieferes. Die ganzen letzten Monate hatte sie nach etwas gesucht, was sie beschäftigen könnte, etwas von Bedeutung. Oft schon hatte sie davon geträumt, auf selbständiger Basis für das FBI arbeiten zu können, und wenn es sich dabei nur um Recherchearbeiten handelte.
Schon die kleinste Referenz zu ihrem Beruf versetzte sie in Aufregung. Sie war beispielsweise nächte Woche geladen, bei Gericht eine Aussage hinsichtlich einer Bewährungsanhörung zu machen. Sie war zwar nicht scharf darauf, sich wieder mit Kriminellen zu umgeben, aber schon der kleinste Ausflug in ihre alte Arbeitswelt war ihr willkommen.
Aber das war nächste Woche. Im Moment erschien ihr das wie eine Ewigkeit entfernt.
Sie beäugte die vordere Veranda von Deb Meades Haus. Sie wusste, warum sie in Wirklichkeit hier war. Sie wollte Antworten finden auf einige Fragen, die ihr durch den Kopf tobten. Sie fühlte sich egoistisch, so als benutze sie den Verlust ihrer Freundin um wieder etwas tun zu können, das sie seit einem Jahr nicht hatte tun können. Dass die Situation eine Freundin involvierte, machte sie delikat. Aber der alte Agent in ihre hoffte, dass sich hieraus etwas anderes ergeben würde. Die Freundin in ihr sah allerdings das Risiko. Insgesamt fragte sie sich, ob sie es nicht dabei belassen sollte, weiterhin von der Rückkehr zu ihrer Arbeit nur zu träumen.
Vielleicht tu ich gerad genau das, dachte Kate, als sie die Stufen zum Haus der Meades emporstieg. Und wenn sie ehrlich war, war sie nicht sicher, wie sie sich dabei fühlen sollte.
Zart klopfte sie an die Tür. Sofort wurde von einer älteren Dame geöffnet, die Kate nicht kannte.
„Gehören Sie zur Familie?“, fragte die Frau.
„Nein“, antwortete Kate, „ich bin nur eine sehr enge Freundin.“
Die Frau nahm sie in Augenschein, bevor sie sie einließ. Kate trat ein und ging den Flur entlang. Sie kam an einem Wohnzimmer vorbei, in dem mehrere ernst dreinblickende Leute um eine Person in einem Sessel herum saßen. Die Person in dem Sessel war Debbie Meade. Den Mann, der neben ihr stand und sich mit einem anderen Mann unterhielt, erkannte Kate als Debs Ehemann Jim.
Ein wenig befangen betrat Kate den Raum und ging direkt auf Deb zu. Ohne Deb die Zeit zu geben, sich aus dem Sessel zu erheben, beugte sich Kate zu ihr hinab und umarmte sie.
„Es tut mir so leid, Deb“, sagte sie.
Das Weinen hatte Deb zweifellos ausgelaugt; sie konnte nur nicken. „Danke, dass du gekommen bist“, flüsterte Deb in ihr Ohr. „Lass uns in ein paar Minuten in der Küche treffen.“
„In Ordnung.“
Kate befreite sich aus der Umarmung und nickte den anderen Personen, die sie erkannte, zu. Sie fühlte sich fehl am Platze, und so ging sie den Flur entlang in Richtung Küche. Niemand hielt sich dort auf, aber es standen noch benutzte Teller und Gläser herum. Auf dem Tresen standen einige Quiches, Schinkenbrote und anderes Finger Food. Kate fing an, aufzuräumen und das Geschirr zu spülen.
Kurz darauf kam Jim Meade in die Küche „Das brauchst du nicht“, sagte er.
Kate drehte sich zu ihm um; er sah müde und unglaublich traurig aus. „Ich weiß“, sagte sie. „Ich bin hergekommen, um meine Unterstützung zu zeigen. Als ich hereinkam, herrschte im Wohnzimmer eine sehr bedrückende Stimmung. Ich unterstütze euch lieber, indem ich hier klar Schiff mache.“
Er nickte, wobei er so aussah, als ob er auf der Stelle einschlafen könnte. „Eine Freundin sagte, sie habe eben eine Frau hereinkommen sehen. Ich bin ziemlich froh, dass du es bist, Kate.“
Kate erblickte eine weitere Person, die in Richtung Küche kam. Sie sah genauso müde und gebrochen aus. Deb Meades Augen waren verquollen und rot vom vielen Weinen. Ihre Haare waren durcheinander, und als sie versuchte Kate anzulächeln, schien ihr dieses Lächeln geradewegs vom Gesicht zu rutschen.
Kate legte das Geschirr weg, das sie gerade spülte, trocknete schnell ihre Hände an einem Geschirrtuch ab, das neben der Spüle hing, und ging zu ihrer Freundin hinüber. Sie war noch nie ein Fan von körperlichem Kontakt gewesen, aber sie wusste, wann eine Umarmung nötig war. Sie hatte erwartet, dass Deb während dieser Umarmung anfangen würde zu weinen, doch da war nichts, nur ihr Gewicht, das sie hinunterzog.
Wahrscheinlich kann sie inzwischen nicht mehr weinen, dachte sich Kate.
„Ich habe es erst heute morgen erfahren“, sagte Kate. „Es tut mir so leid, Deb. Für euch beide“, fügte sie hinzu, während sie Jim einen Blick zuwarf.
Jim nickte und schaute dann den Flur hinunter. Als er sah, dass sich niemand in der Nähe aufhielt – das Murmeln der anderen Gäste war aus dem Wohnzimmer zu hören – trat er auf Kate zu, gerade als sich Deb aus der Umarmung löste.
„Kate, wir müssen dich etwas fragen“, flüsterte er kaum hörbar.
„Und bitte“, sagte Deb und ergriff ihre Hand, „lass uns ausreden, bevor du etwas Vernichtendes sagst.“ Kate spürte, wie Debs Hand ganz leicht zitterte, und ihr Herz brach.
„Sicher“, entgegnete Kate. Ihre bettelnden Blicke und das Gewicht der Trauer hing über ihnen wie ein Amboss, der jederzeit auf sie hinab zu stürzen drohte.
„Die Polizei hat absolut keinen Schimmer, wer es getan haben könnte“, sagte Deb. Plötzlich verwandelte sich ihre Erschöpfung in etwas, das Zorn ähnelte. „Basierend auf einigen Dingen, die wir gesagt haben und auf einigen Textmitteilungen, die sie auf Julies Handy gefunden haben, hat die Polizei ihren Ex-Freund sofort verhaftet. Aber er wurde für weniger als drei Stunden festgehalten und dann haben sie ihn gehen lassen. Einfach so. Aber Kate… ich weiß, dass er es getan hat. Er muss es gewesen sein.“
Während ihrer Zeit als Agent hatte Kate dieses Verhalten vielfach gesehen. Trauernde Familien verlangten nach sofortiger Gerechtigkeit. Aus dem Bedürfnis heraus, Rache zu üben, schoben sie jegliche Logik und die Notwendigkeit einer gründlichen Untersuchung beiseite. Und wenn die Resultate der Ermittlungen nicht schnell genug kamen, stellte die trauernde Familie die Polizei oder das FBI als inkompetent dar.
„Deb, wenn sie ihn so schnell haben gehen lassen, muss die Beweislage solide gewesen sein. Schließlich… wie lange es her, dass sie zusammen waren?“
„Dreizehn Jahre. Aber seit Jahren hat er versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen, sogar nachdem sie geheiratet hatte. Einmal musste sie ihn sogar per einstweiliger Verfügung von sich fernhalten.“
„Trotzdem… die Polizei muss ein gutes Alibi für ihn gesehen haben, dass sie ihn so schnell wieder freigelassen hat.“
„Also, wenn es ein gutes Alibi gab, dann haben sie mir jedenfalls nichts davon erzählt“, sagte Deb.
„Deb… sieh‘ mal“, sagte Kate und drückte tröstend Debs Hand. „Dein Verlust ist noch zu frisch. In ein paar Tagen wirst du klarer denken können. Das habe ich schon hunderte male erlebt.“
Deb schüttelte den Kopf. „Kate, ich bin mir da ganz sicher. Sie waren drei Jahre lang zusammen und nicht ein einziges Mal hat er mein Vertrauen gewonnen. Wir sind ziemlich sicher, dass er sie mindestens zweimal geschlagen hat, aber Julie hat sich uns nie anvertraut. Er wurde schnell wütend. Selbst er sagte das.“
„Ich bin sicher, dass die Polizei…“
„Das ist der Gefallen, um den es geht“, unterbrach Deb sie. „Ich will, dass du dich darum kümmerst. Ich will, dass du dich in den Fall einschaltest.“
„Deb, ich bin im Ruhestand. Das weißt du.“
„Ja, weiß ich. Und ich weiß auch, wie sehr du die Arbeit vermisst. Kate… dieser Mann, der meine Tochter umgebracht hat, ist mit einem kleinen Schrecken und etwas Zeit im Vernehmungsraum davongekommen. Und jetzt sitzt er gemütlich zuhause während ich planen muss, wie ich meine Tochter beerdige. Das kann nicht richtig sein, Kate. Bitte… wirst du dich darum kümmern? Ich weiß, dass du es nicht offiziell tun kannst, aber… was immer du tun kannst. Ich weiß das zu schätzen.“
Soviel Schmerz lag in Debs Augen, dass Kate spürte, wie dieser auf sie überging. Alles in ihr sagte ihr, dass sie sich nicht überreden lassen sollte, dass sie Deb keine Hoffnung machen sollte. Aber zur gleichen Zeit hatte Deb Recht. Sie hatte ihre Arbeit vermisst. Und selbst, wenn es sich nur um einige Anrufe beim Richmond Police Department handelte oder bei ihren früheren Kollegen beim FBI, es wäre immerhin etwas.
Auf jeden Fall wäre es besser, als wie besessen über ihre Karriere nachzudenken, gepaart mit einsamen Trips zum Schießstand.
„Also, was ich tun kann ist folgendes“, fing Kate an. „Als ich in den Ruhestand ging, habe ich all meine Autorität verloren. Natürlich, hin und wieder werde ich nach meiner Meinung gefragt, aber Autorität habe ich nicht mehr. Abgesehen davon läge der Fall komplett außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs, selbst wenn ich noch beim FBI aktiv wäre. Aber ich werde einige meiner alten Kontakte anrufen und sicherstellen, dass die Beweise, auf Grund dessen er freigelassen wurde, wirklich solide sind. Ehrlich, Deb, mehr kann ich nicht tun.“
Die Dankbarkeit stand sowohl Deb als auch Jim ins Gesicht geschrieben. Deb umarmte sie noch einmal, und dieses Mal weinte sie. „Danke.“
„Kein Problem“, saget Kate. „Aber ich kann wirklich nichts versprechen.“
„Das wissen wir“, sagte Jim: „Aber jetzt wissen wir wenigstens, dass jemand Kompetentes auf unserer Seite ist.“
Kate war nicht wohl bei dem Gedanken, dass die beiden sie als eine Art interne Kraft sahen, die ihnen zur Seite stand. Ferner missfiel ihr der Gedanke, dass sie beiden annahmen, die Polizei kümmere sich nicht hinreichend um den Fall. Ihr war klar, dass es hier um ihre Trauer ging, welche sie auf der Suche nach Antworten blind machte. Deshalb ging sie jetzt nicht näher darauf ein.
Sie dachte daran, wie müde sie am Ende ihrer Karriere gewesen war – nicht körperlich müde, sondern emotional erschöpft. Sie hatte ihren Job immer geliebt, aber wie oft hatte sie beim Abschluss eines Falls gedacht: Mann, ich habe wirklich die Schnauze voll…
In den letzten Jahren war dies war immer öfter vorgekommen.
Aber im Moment ging es nicht um sie.
Sie hielt ihre Freundin dicht an sich gedrückt, und dachte darüber nach, dass die Vergangenheit – ob in Sachen Beziehungen oder Karrieren – immer dicht an einem dran blieb, egal wie sehr man auch versuchte, sie hinter sich zu lassen.
KAPITEL DREI
Kate verlor keine Zeit. Sie fuhr zurück nach Hause und setzte sich einen Augenblick an den Schreibtisch in ihrem kleinen Arbeitszimmer. Sie schaute zum Fenster hinaus, auf ihren kleinen Garten. Der Fußboden, wie auch fast im ganzen Rest des Hauses, barg die Schrammen und Narben seit der Erbauung in den 1920ern. Hier, in der Carytown Gegend von Richmond, fehlte sich Kate oft fehl am Platze. Carytown war eine hippe kleine Ecke der Richmonder Innenstadt und sie wusste, dass sie relativ bald woanders hinziehen würde. Sie hatte genug Geld, um sich quasi überall ein Haus zu kaufen, wo sie wollte, aber allein der Gedanke an einen Umzug erschöpfte sie.
Vielleicht war es diese Motivationslosigkeit, die ihr den Ruhestand so schwer machten. Das, und die Weigerung, sich von den Erinnerungen zu trennen; Erinnerungen daran, wer sie während ihrer dreißig Jahre beim FBI gewesen war. Wenn diese Gefühle zusammenkamen, fühlte sie sich oft unmotiviert und orientierungslos.
Aber nun war da die Bitte von Deb und Jim Meade. Natürlich, die Bitte war etwas fehlgeleitet, aber Kate fand nichts dabei, wenigstens ein paar Telefonate zu tätigen. Wenn nichts dabei herauskam, konnte sie zumindest Deb anrufen und ihr sagen, dass sie ihr Möglichstes versucht hatte.
Als erstes rief sie den Deputy Commissioner der Virginia State Police an, ein Mann namens Clarence Greene. Mit ihm hatte sie über die letzten zehn Jahre ihrer Karriere an vielen Fällen eng zusammengearbeitet und sie respektierten sich gegenseitig. Sie hoffte, dass das vergangene Jahr diese Beziehung nicht vollkommen aufgehoben hatte. Da sie wusste, dass Clarence sich fast nie in seinem Büro aufhielt, rief sie erst gar nicht auf seinem Festnetz an, sondern wählte gleich seine Handynummer.
Gerade als sie dachte, dass er nicht ranging, wurde sie von einer vertrauten Stimme begrüßt. Für einen kurzen Moment kam es ihr so vor, als habe sie die Arbeit nie verlassen.
„Agent Wise“, sagte Clarence. „Wie zum Teufel geht es Ihnen?“
„Gut“, gab sie zurück. „Und selbst?“
„Wie immer. Wobei ich zugeben muss… ich dachte, ich wäre durch damit, Ihren Namen auf meinem Handydisplay zu sehen.“
„Ja, also…“, sagte Kate. „Ich hasse es, nach mehr als einem Jahr Funkstille mit so etwas zu Ihnen kommen zu müssen, aber eine Freundin von mir hat gerade ihre Tochter verloren. Ich habe ihr versprochen, in die Ermittlungen hinein zu schnuppern.“
„Also, was wollen Sie von mir?“, fragte Clarence.
„Der Hauptverdächtige war der Ex-Freund der Tochter. Wie es scheint, wurde er verhaftet und dann drei Stunden später wieder freigelassen. Die Eltern fragen sich natürlich, warum.“
„Oh“, sagte Clarence. „Sehen Sie… Wise, diese Informationen kann ich nicht mit Ihnen teilen. Und bei allem Respekt, das sollten Sie eigentlich wissen.“
„Ich habe nicht vor, mich in den Fall einzumischen“, sagte Kate. „Ich frage mich nur, warum den Eltern kein triftiger Grund dafür genannt wurde, dass der einzige Verdächtige freigelassen wurde. Sie ist eine trauernde Mutter, die Antworten sucht und …“
„Nochmal, bis hierher und nicht weiter“, entgegnete Clarence. „Wie Sie sehr wohl wissen, habe ich regelmäßig mit trauernden Müttern, Vätern und Witwen zu tun. Nur weil Sie gerade zufällig eine davon persönlich kennen heißt das nicht, dass ich mich nicht an die korrekte Vorgehensweise halte und beide Augen zudrücke.“
„So eng, wie wir zusammengearbeitet haben, sollten Sie wissen, dass ich es nur gut meine.“
„Oh, da bin ich mir sicher. Aber das letzte, was ich brauche, ist ein pensionierter FBI Agent, der seine Nase in einen aktuellen Fall steckt, egal wie uninvolviert es erscheint. Das werden Sie doch wohl verstehen, nicht wahr?“
Das Schlimme war, dass sie es verstand. Trotzdem musste sie es noch ein letztes Mal versuchen. „Ich würde es als einen persönlichen Gefallen ansehen.“
„Ganz sicher würden Sie das“, gab Clarence ein wenig von oben herab zurück. „Aber die Antwort lautet nein, Agent Wise. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich muss jetzt los zum Gericht, um mit einer dieser trauernden Witwen zu sprechen, von denen ich Ihnen eben berichtet habe. Tut mir leid, Ihnen nicht helfen zu können.“
Ohne sich zu verabschieden legte er auf und überließ Kate sich selbst, die ein langsam wanderndes Quadrat anstarrte, das die Sonne auf den Holzfußboden warf. Sie dachte über ihren nächsten Schritt nach. Deputy Commissioner Greene hatte gerade preisgegeben, dass er auf dem Weg zum Gericht war. Ein schlauer Schachzug wäre wahrscheinlich, seine Weigerung, ihr zu helfen, als Niederlage zu akzeptieren. Aber die Tatsache, dass er ihr nicht helfen wollte, spornte sie nur noch mehr dazu an, tiefer zu graben.
Als Agent wurde mir immer gesagt, ich sei stur, dachte sie, als sie sich von ihrem Schreibtisch erhob. Schön zu sehen, dass sich einige Dinge nicht ändern.
***
Eine halbe Stunde später parkte Kate ihren Wagen auf dem Parkplatz neben der Third Precinct Police Station. Auf Grund der Gegend, in der der Mord an Julie Meade – mit verheiratetem Namen Julie Hicks – stattgefunden hatte, war sich Kate sicher, dass dies die beste Informationsquelle war. Das einzige Problem war, dass sie außer Deputy Commissioner Greene innerhalb des Departments niemanden wirklich kannte, ganz zu schweigen vom Third Precinct.
Selbstsicher betrat sie das Gebäude. Ihr war klar, dass es Dinge gab, die ihre derzeitige Situation verrieten und die einem aufmerksamen Beamten auffallen würden. Erstens trug sie keine Waffe. Sie besaß eine Genehmigung, eine verdeckte Waffe zu tragen, aber im Hinblick darauf, was sie vorhatte, meinte sie, dass sie sich mehr Probleme machte als die Sache wert war, wenn sie sich dabei schnappen ließ, auch nur im Geringsten unehrlich zu sein.
Und Unehrlichkeit war etwas, das sie sich nicht leisten konnte. Im Ruhestand oder nicht, hier ging es um ihren Ruf – einen Ruf, den sie mit größter Sorgfalt über dreißig Jahre aufgebaut hatte. Die nächsten Minuten musste sie mit äußerster Vorsicht bewältigen, und sie freute sich darauf. Das ganze letzte Jahr seit Beginn ihres Ruhestandes war sie nicht so aufgeregt gewesen.
Sie näherte sich dem Informationstresen, ein hell erleuchtetes Areal, das durch eine Glasscheibe vom zentralen Teil des Gebäudes abgetrennt war. Eine uniformierte Beamtin saß an einem Schreibtisch und stempelte etwas in einem Buch. Als Kate sich näherte, sah sie auf mit einem Gesicht, das aussah, als ob es seit Tagen nicht gelächelt hätte.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte sie.
„Ich bin ein FBI Agent im Ruhestand und benötige einige Informationen über einen Mord, der kürzlich passiert ist. Ich hatte gehofft, die Namen der Beamten zu bekommen, die diesen Fall bearbeiten.“
„Können Sie sich ausweisen?“, fragte die Frau.
Kate holte ihren Führerschein hervor und schob ihn durch die Öffnung im Trennglas. Die Frau schaute ihn sich gerade mal eine Sekunde lang an und schob ihn dann zurück. „Ich benötige ihren FBI Ausweis.“
„Wie ich schon sagte, ich bin im Ruhestand.“
„Und wer schickt Sie? Ich brauche die Namen und Kontaktdaten und dann müssen diejenigen einen Antrag ausfüllen, damit Sie die Information bekommen.“
„Ich hatte wirklich gehofft, dies auf unbürokratischem Weg regeln können.“
„Dann kann ich Ihnen nicht weiterhelfen“, antwortete die Frau.
Kate fragte sich, wie weit sie noch gehen konnte. Wenn sie zu sehr Druck machte, würde sicherlich jemand Clarence Greene in Kenntnis setzen, und das könnte nach hinten losgehen. Sie zermarterte sich das Hirn auf der Suche nach einer anderen Vorgehensweise. Nur eine fiel ihr ein, und die war viel riskanter als das, was sie gerade ausprobierte.
Mit einem Seufzer gab Kate ein kurzes „Naja, vielen Dank auch“ von sich und wandte sich zum gehen.
Leicht verlegen verließ sie das Gebäude. Was zum Teufel hatte sie sich bloß dabei gedacht? Selbst wenn sie noch ihren FBI Ausweis gehabt hätte, wäre es für das Richmond Police Department nicht rechtens gewesen, ohne die Zustimmung eines Vorgesetzten in Washington DC Informationen an sie herauszugeben.
Es war ein erniedrigendes Gefühl, als sie den Parkplatz zu ihrem Wagen überquerte. Sie fühlte sich wie das, was sie war – ein ganz normaler Zivilist.
Allerdings ein Zivilist, der es hasst, ein Nein zu akzeptieren.
Sie zog ihr Handy hervor und rief Deb Meade an. Als sie abnahm, hörte sie sich noch müde und weit weg an.
„Tut mir leid, dich zu stören, Deb“, sagte Kate. „Aber hast du zufällig den Namen und eine Adresse dieses Ex-Freundes?“
Wie sich herausstellte, hatte Deb beides.