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Kitabı oku: «Robert Blum», sayfa 25

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Aber noch weit peinlicher als dieses Anwachsen gegnerischer Kräfte mußte ihn berühren der sichtliche Zerfall der Disciplin und Einigkeit im eigenen Lager. Noch einmal hatten sich in den Augusttagen alle politischen und socialen Schattirungen, welche die „Vaterlandsvereine“ in sich zusammenfaßten, um den beliebten Führer geschaart und aus seinen Mahnungen die Erkenntniß zu einträchtigem Zusammenhalten gewonnen. Aber unheilbar klaffte schon auf der Generalversammlung der „Vaterlandsvereine“ zu Dresden, am 3. und 4. September, der Riß aus einander. Das liberale Ministerium hatte auf fortwährendes Drängen der Vereinspresse Anfang September endlich den neuen Wahlgesetzentwurf fertig gestellt. Derselbe gelangte am 4. September vor die Kammer, sein Inhalt war aber den Führern der Vaterlandsvereine durch Oberländer vorher mitgetheilt worden. Der Entwurf behielt beide Kammern bei. Die Wahlfähigkeit zur zweiten war schon mit dem 21. Jahr und der „Selbstständigkeit“ des Wählers vorhanden. Die erste sollte nach einem Census gewählt und aus „Capacitäten“ gebildet werden, zu welchen u. A. auch die Volksschullehrer gerechnet wurden. Trotz dieser weitgehenden Concessionen an den Zeitgeist beharren die Vaterlandsvereine bei ihren Beschlüssen vom 9. Juli und griffen den Entwurf und das Ministerium heftig an. Damit war aber Jäkel noch nicht zufrieden. Er hielt jetzt den Moment gekommen, die Republik auszuspielen. Der radicale Unverstand, der jede Regierung als solche haßt, jede ihrer Absichten, auch ohne sie zu kennen, mißbilligt, und der deshalb auch das liberale sächsische Märzministerium mit seinem souveränen Mißvergnügen verfolgte, erfocht unter Jäkel’s Führung am 3. September über die gemäßigteren Elemente mit nur einer Stimme Mehrheit einen verhängnißvollen Sieg: die Generalversammlung strich die „Aufrechterhaltung der constitutionellen Monarchie“ aus dem Programm der sächsischen „Vaterlandsvereine“. Die Folge war natürlich das Ausscheiden der mit einer Stimme besiegten, um nicht zu sagen vergewaltigten Minderheit. Auf Seite dieser Minderheit standen die langjährigen persönlichen Freunde Blum’s: Bertling, Minckwitz, Bromme, vor Allem Cramer und Rüder, deren Namen täglich neben dem Blum’s als „Herausgeber“ der „Vaterlandsblätter“ auf deren Titelblatt standen, und die „Vaterlandsblätter“ selbst. Sofort bestürmten ihn diese Freunde, energische Einsprache gegen die Dresdener Beschlüsse zu erheben, die Jäkel mit dem ihm eigenen bornirten und rohen Fanatismus terroristisch durchführte.204

Der bittere Mangel an politischer Einsicht und der verschwenderische Ueberfluß an unfreiwilliger Komik, der diesen Strudelkopf auszeichnete, mußte Blum aus jedem Briefe Jäkel’s, aus jedem seiner Worte, aus jeder seiner Thaten erkennbar werden. So schrieb dieser große Sieger des 3. September am 5. von Leipzig aus an Blum: „Die Freiheit hat gesiegt, glänzend gesiegt“ – mit einer Stimme! „Diese Generalversammlung wird maßgebend für die Zukunft Sachsens sein! Der in Leipzig zwischen der Bewegungspartei und der Stillstandspartei ausgebrochene Zwiespalt hatte endlich den Leuten die Augen geöffnet, in welchem Zustande der Fäulniß sich der sächsische Vaterlandsverein befinde – wie es schien“ (wie bescheiden!) „war man durch meine Denkschrift belehrt. Die beantragte Permanenz der Versammlung“ (die so lange dauern sollte, bis das Volk ein vernünftiges Wahlgesetz erlangt habe)205 „setzten wir mit 139 gegen 114 Stimmen durch. Wir hatten diese Frage in die Versammlung geschleudert, um eine Muthprobe zu machen und die Stärke und Ausdauer unserer Partei kennen zu lernen. Da die Probe gelungen war, so konnten wir getrosten Muthes die Abänderung des Grundgesetzes beantragen. Unser Antrag war sehr gemäßigt (!); er verlangte nur die Weglassung des ebenso überflüssigen, als einfältigen Passus: „In Sachsen will der Verein mit dem Volke (!)“ – das Ausrufungszeichen ist von Jäkel selbst – „die Beibehaltung und zeitgemäße Fortbildung der constitutionellen Monarchie.“ Da geberdete sich die Rechte, die von dem Dresdener Ausschuß und den Leipzigern aus dem Bertling’schen (früher Wuttke’schen) Verein commandirt wurde, als stände die Republik vor den Thoren. Aber es half ihnen Alles nichts. Wir schnitten den alten dummen Zopf weg, mit 120 gegen 119 Stimmen um Nachts ein Uhr, nachdem wir zehn Stunden ununterbrochen verhandelt hatten.“

So geht es noch bogenlang weiter. Man sieht den Herrn ordentlich vor sich in dem historischen blauen Frack mit gelben Knöpfen, carrirten Hosen, einem ungeheueren Hecker-Hut mit rother Feder auf der Siegerstirn. Dann erzählt der blutrünstige Marat von Leipzig von dem grauenvollen Autodafé, das er über die „vormaligen Abgötter des Volkes“ gehalten, und mit der Barmherzigkeit eines Großinquisitors versichert er: „Einige, die ich als gute Kerle kannte, dauerten mich. Aber es kann nichts helfen. Wir sind entschlossen, Niemanden mehr zu schonen, der nicht ganz entschieden für die Bewegung ist.“ Und nun kommt die Nutzanwendung für den „lieben Blum“: „Ob Ihr in Frankfurt eine Erklärung in Bezug auf das in Dresden Vorgefallene erlassen wollt, muß ich Euch überlassen. Keinesfalls könnt Ihr Euch für die Ausgetretenen erklären; Eure ganze Popularität stände auf dem Spiele, denn unter unserer Partei gab sich der entschlossenste Geist kund, nach allen Seiten auszuschlagen (!). Nur so können wir die Reaction besiegen!“

Blum antwortete nicht. Vielleicht hoffte er nebenbei, daß der Mann an seiner eigenen vis comica zu Grunde gehen werde. Jedenfalls aber nahmen nun wieder die Angelegenheiten des Parlaments Blum’s Thätigkeit und sein Interesse so vollständig in Anspruch, daß der häusliche Familienzwist der Vaterlandsvereine wirklich recht klein erschien gegenüber der großen nationalen Ehrenfrage, die aus dem Waffenstillstand von Malmö sich aufdrängte.

17. Der Waffenstillstand von Malmö. Die Frankfurter Septembertage

Der schwere und in mannigfacher Hinsicht so folgenreiche Zwiespalt, der aus Anlaß der schleswig-holsteinischen Sache zwischen der Krone Preußen und dem Frankfurter Parlament ausbrach, gehört bei Allen zu den bekanntesten Ereignissen des Jahres 1848, so daß hier eine kurze Aufzählung der wesentlichsten Thatsachen genügt.206

Schon zu Anfang April war es zwischen den Dänen, welche die Einverleibung Schleswigs in Dänemark, die Vergewaltigung des Verfassungsrechts beider Herzogthümer durchsetzen wollten und den schleswig-holsteinischen Truppen, die den Befehlen der provisorischen Regierung der Herzogthümer dienten, und verstärkt waren durch Freiwillige aus ganz Deutschland, zu heftigen Kämpfen gekommen. Die Deutschen mußten sich hinter die Eider zurückziehen. Am 11. April flatterte der Danebrog wieder in der Stadt Schleswig.

Da rückte am 10. April, nachdem alle gütlichen Aufforderungen an die Dänen vergeblich gewesen, General Wrangel mit seinen Preußen über die Eider. Schon am Ende des Monats stand er an der Grenze Jütlands; Schleswig war von Dänen gesäubert. Am 2. Mai drang er in Jütland ein, um für den Raub deutscher Schiffe Kriegsvergeltung zu üben und besetzte die Festung Friedericia. Da erfolgte die Einmischung der neidischen Großmächte England und Rußland, der prahlerischen Schweden; Rückzugsbefehle trafen Ende Mai von Berlin ein. Die Dänen drangen sofort nach; am 5. Juni kämpfte General Bonin bei Düppel, von der Tann bei Hoptrup mit seinen Freiwilligen, Ende Juni stand das deutsche Heer abermals auf der Königsau, an der Grenze Jütlands.

Nun mischte noch erfolgreicher als zuvor die auswärtige Diplomatie sich ein. Sie fand leider in Berlin günstigen Boden für ihre anmaßlichen Drohungen. Denn dem König erschien die ganze Wirthschaft in Schleswig-Holstein zu revolutionär. Er glaubte auch seiner Garden nothwendiger in der Hauptstadt zu bedürfen, und die Aussicht, daß die deutsche Demokratie mit Freuden zu einem Kriege gegen Rußland treiben könne, erfüllte ihn mit peinlichster Sorge. So begannen denn Ende Juni Waffenstillstandsverhandlungen zu Malmö, die am 19. Juli in Bellevue bei Kolding zu einem vorläufigen Einverständniß führten. Drei Monate lang sollten die Waffen ruhen, die Herzogthümer von beiden Truppen geräumt, die schleswig-holsteinische Armee in eine schleswigsche und holsteinische Hälfte getheilt, die provisorische Regierung durch eine von Preußen und Dänemark gemeinsam zu ernennende Behörde ersetzt werden.

Preußen hatte den Krieg Namens des Deutschen Bundes begonnen. Da der Band am 11. Juli sein Dasein beschlossen hatte, bedurfte es nun der Zustimmung des Reichsverwesers und Parlaments für die Rechtswirksamkeit der Verabredungen von Bellevue. Schon am 9. Juni hatte das Parlament diesen Anspruch erhoben und beschlossen, es werde keinen Frieden genehmigen, der die Rechte der Herzogthümer und die Ehre Deutschlands schädige. Das Reichsministerium, Schmerling voran, ermunterte lebhaft diese Haltung. Stand dem verschlagenen österreichischen Staatsmann doch der so beliebte Conflict mit Preußen nun näher vor Augen als jemals. Dennoch ertheilte der Reichsverweser den Verabredungen von Bellevue am 7. August mit einigen Aenderungen seine Zustimmung, und entsendete seinen Unterstaatssecretair Max von Gagern, den Bruder des Präsidenten, zum Theilnehmer an den ferneren Verhandlungen. Dänemark weigerte sich einfach, mit Gagern zu verhandeln, auch Preußen ließ diesen Anspruch fallen, und am 26. August kam in Malmö der eigentliche Waffenstillstand zu Stande, der für die deutschen Waffen erheblich ungünstiger war, als das Abkommen vom 19. Juli. Dänemark erhielt für sieben Monate Waffenruhe, d. h. für den ganzen Winter, wo die feindliche Flotte uns nichts hätte anhaben können und das ganze feindliche Land uns offen lag; „Deutschland sei geradezu in den April geschickt“, erklärte Dahlmann bitter; alle seit dem März erlassenen Gesetze und Verordnungen wurden außer Kraft gesetzt; zum Präsidenten der gemeinschaftlich ernannten Regierung wurde der verhaßteste Dänenfreund, Graf Carl Moltke, berufen.

Am 4. September ward der Wortlaut des Vertrags dem Parlament von Heckscher mitgetheilt. Der Abschluß war schon seit dem 30. August bekannt geworden. Aber hier erfuhr man zum ersten Mal den offiziellen Wortlaut mit allen Zusätzen. Die tiefste Entrüstung ergriff die weitesten Kreise des Parlaments. Selbst Fürst Lichnowsky trat mit Takt und Wärme für den Antrag von Waitz ein, daß ein besonderer Ausschuß schon am folgenden Tage Bericht erstatten solle, ob man nicht die Maßregeln zur Vollziehung des Waffenstillstandes hemmen solle, bis das Parlament endgültig Beschluß gefaßt habe.

Dahlmann erstattete den Bericht am 5. September. Schon am Tage vor der amtlichen Mittheilung des Vertrags an die Versammlung hatte er seine berühmten fünf Fragen vorgelegt und geschlossen: „Vor noch nicht drei Monaten wurde hier beschlossen, daß in der schleswig-holsteinischen Sache die Ehre Deutschlands gewahrt werden sollte – die Ehre Deutschlands!“ Nun begründete er im Namen des Ausschusses den Antrag, die zur Ausführung des Waffenstillstandes ergriffenen militairischen und sonstigen Maßregeln einzustellen, und schloß mit den unvergeßlichen Worten: „Unterwerfen wir uns bei der ersten Prüfung, welche uns naht, den Mächten des Auslandes gegenüber, kleinmüthig bei dem Anfange, dem ersten Anblick der Gefahr, dann, meine Herren, werden Sie Ihr ehemals stolzes Haupt nie wieder erheben! Denken Sie an diese meine Worte: Nie!“207

So stand in der That die Frage. Das Redeturnier, das nun folgte, war das ernsteste und glänzendste, das St. Paul je gesehen. Aber durchaus ungleich waren Licht und Schatten vertheilt für die beiden Lager. Schmerling mochte innerlich aufjubeln, als der Kriegsminister von Peucker, der Preuße, zu dem früher schon geernteten Zorn seiner Regierung nun auch den Zorn des ganzen deutschen Volkes erntete, da er mahnte, geduldig zu tragen den Schlag, der zu Malmö der deutschen Einheit versetzt worden, und über all die Verachtung zu quittiren, welche der deutschen Centralgewalt dort bekundet worden war. Und selbst die Vertheidiger Preußens und der Reichsgewalt, wie Bassermann, hatten kein Wort der Rechtfertigung für den schimpflichen Vertrag; sie begnügten sich, bei der vorhandenen Nothlage vor dessen Verwerfung zu warnen. Radowitz, der mit diplomatischen Winkelzügen diplomatische Niederlagen zu verdecken suchte, war niemals so geistesarm und unbedeutend wie an diesem Tage. Nur Lichnowsky trat auch heute ganz und voll für seine preußische Regierung ein. Aber auch er, der kühnste Degen Preußens im Parlament, erging sich heute nur in Rechtsmeinungen: Preußen habe unleugbar von der Centralgewalt die freieste Vollmacht erhalten, habe demgemäß gehandelt; den Waffenstillstand verwerfen, heiße die Brandfackel der Revolution in Deutschland umhertragen; das Parlament könne wohl über Krieg und Frieden, nicht aber über einen Waffenstillstand entscheiden, welcher dem künftigen Frieden nicht eine Zeile vorschreibe. Wie viel günstiger stand das Terrain der Redeschlacht für die Gegner des Vertrags von Malmö! Das Tiefste und Wahrste hatte schon Dahlmann gesagt. Aber auch Heinrich Simon, Zimmermann von Stuttgart, Wesendonck verliehen beredte Worte der tiefernsten Klage der Volksseele, daß die glorreichste Erhebung der Nation so traurig enden solle. Und nächst Dahlmann sprach Robert Blum auch heute das Beste.208

Er verglich in treffendster Weise die günstigeren Bedingungen des Vertrags von Bellevue mit den schweren Nachtheilen des Abkommens von Malmö. Zur Rechtfertigung dieser Wandlung habe man nur die Furcht vor dem Kriege anzuführen. Und doch habe man vor wenig Wochen noch gesagt, durch Vermehrung des deutschen Heeres um 340,000 Mann könne man der ganzen Welt trotzen! Preußen habe im Namen eines „Gespenstes“, des Bundestags, verhandelt, nicht Namens der Centralgewalt. Das sei bedenklich. „Es muß sich entscheiden“, schloß er, „ob Preußen in Deutschland aufgehe, oder ob Deutschland preußisch werde. Ich möchte nicht so begeisterungslos sein im Anblicke der Gefahr, die möglicherweise oder wirklich droht, hier vorzuschlagen, die kleine Schande zu tragen, um die große zu vermeiden. Im Gegentheil, eine Nation wird nimmer mit Schande und Schmach bedeckt werden, wenn sie Muth hat, den Gefahren zu trotzen, die sich ihr entgegenthürmen. (Stürmisches Bravo.) Es ist ein Erfahrungssatz, so alt wie die Welt, daß der Mensch und der Staat soviel gilt, als er Muth hat, und wäre über die deutsche Nation, durch die Verhältnisse, wie sie vorliegen, in der ersten Zeit ihres Emporstrebens das Verhängniß der Vernichtung ausgesprochen – es wäre unendlich schmerzlich – aber ertragen möchte ich es noch lieber, als mit Schmach und durch schmachvolle Nachgiebigkeit fortzuleben. Sie mag am Völkergrabe das Bewußtsein sich eintauschen, daß die Nachwelt sage: sie sei zu Grunde gegangen, aber mit Ehre.“

Die Entscheidung ließ sich vorhersehen. Mit vierzehn Stimmen Mehrheit ward die Genehmigung des Waffenstillstandes verworfen, mit einer Mehrheit von siebzehn Stimmen beschlossen, daß die Maßregeln zur Ausführung des Waffenstillstandes einzustellen seien. Obwohl die Sitzung des Parlaments erst um sieben Uhr Abends schloß, stellten noch am nämlichen Abend sämmtliche Reichsminister ihre Aemter dem Reichsverweser zur Verfügung. Dahlmann wurde mit der Leitung und Bildung des neuen Ministeriums beauftragt. Er hat es bekanntlich nicht zu Stande gebracht. Seiner ganzen Natur und Staatsanschauung widerstrebte es, zu Genossen seines Ministeriums die Führer der Linken zu berufen, an deren Seite er den Sieg vom 5. September erfochten, namentlich Robert Blum. Und auf der Rechten und dem rechten Centrum fand er Keinen, der mit ihm hätte ankämpfen wollen gegen Preußen, das den Malmöer Waffenstillstand schon am 2. September ratifizirt hatte. So gab er denn nach mehrfachen gegründeten Anfragen und Mahnungen der Linken und selbst des Präsidenten von Gagern am Abend des 8. September seinen Auftrag als unausführbar an den Reichsverweser zurück. Viel kostbare Zeit war in diesen Tagen verloren worden und Vogt hatte Recht, als er aussprach, daß Dahlmann, wenn er einmal die Bildung eines Ministeriums zur Vollziehung des Parlamentsbeschlusses übernommen, auch die Verpflichtung gehabt hätte, diesen Beschluß wirklich durchzuführen wenn auch nur mit einem Ministerium von zwölf Stunden.

Es frommt nicht, der Frage nachzugehen, was geschehen wäre, oder was hätte geschehen können, wenn Dahlmann anders gehandelt, wenn er die Sachlage genommen hätte wie sie lag, wenn er von den Siegern des 5. September die Führer: etwa Biedermann, Heinrich Simon, Robert Blum u. A. in das neue Ministerium berief? Anton Springer sagt uns zwar bestimmt, was geschehen wäre: ein solcher Versuch hätte „schon nach acht Tagen mit Spott und Schande geendet“. Heinrich von Treitschke war dagegen noch im Frühjahr 1863 in seinen Leipziger Vorlesungen über das Jahr 1848 ganz anderer Meinung. Er tadelte Dahlmann lebhaft, daß er jenen Versuch nicht unternommen; er sprach namentlich aus, daß Robert Blum in seiner Person und seinem Charakter wohl die Gewähr geboten hätte, die Gegensätze zu versöhnen, daß ein entschlossenes Reichsministerium die kleine Majorität des 5. September zu einem fast einmüthigen parlamentarischen Rückhalt hätte umbilden können, daß der drohende Conflict mit Preußen schließlich doch nicht gegen das Volk und die Krone Preußen sich richtete, sondern möglicherweise durch eine einfache Aenderung im preußischen Ministerium zu beseitigen gewesen wäre. Erst im Winter 1863/64 schrieb mir Treitschke, daß er zu der Ueberzeugung gekommen sei, die Mehrheit vom 5. September habe doch den falschen Standpunkt eingenommen. Denn die entscheidende Frage sei schon damals nicht mehr eine nationale Herzensfrage, sondern eine reine Machtfrage gewesen zwischen Preußen und dem Parlament. So tief und schwankend konnte die peinliche Frage, die in jenen Septembertagen das Deutsche Parlament bewegte, noch fünfzehn Jahre später in der Brust eines der besten Deutschen sich regen. Wieviel weniger sind wir also berechtigt, Diejenigen zu verurtheilen, welche inmitten der schweren Krisis bis zuletzt gegen Preußen, gegen die Waffenruhe stimmten und gegen die Bedingungen, die sie für eine Entwürdigung Deutschlands hielten! War doch auch Dahlmann bis zuletzt unter den Verneinenden, ebenso Biedermann, Eisenstuck, Mittermaier, Riehl, Riesser, Uhland, Wippermann, selbst Vincke. Man kann doch im Ernste nicht behaupten wollen, daß diese Männer bei ihrer Abstimmung daran hätten denken können, Preußens Volk und Königthum zu beleidigen, und daß die Männer der Linken, Blum voran, entfernten Vorwand zu dem Klatsch gegeben hätten für die „bösen Zungen“, zu deren Vermittler ein so angesehener Geschichtsforscher wie Anton Springer sich macht, wenn er sagt209: „Robert Blum habe bereits Frack und Handschuhe hervorgeholt, um als Minister an Dahlmann’s Seite würdig aufzutreten“. Als ob die Würde Dahlmann’s in Frack und Handschuhen bestanden, oder als ob Blum dieser Zierrathe bedurft hätte, um an Dahlmann’s Seite „würdig aufzutreten“.

Doch, wie gesagt, es frommt nicht, die Folgerungen einer Wendung zu ziehen, zu welcher diese Krisis nicht gediehen ist. Es ward anders gehandelt und unser Volk hat die Folgen zu tragen gehabt. Sehr bald kehrte der Kreislauf des Sturmes wieder zu dem Anfangspunkt zurück, von dem er ausgegangen. Schon am 14. September begann das Parlament von Neuem die Verhandlung über Verwerfung und Genehmigung des Malmöer Waffenstillstandes. Auch diesmal ging der Antrag der Ausschußmehrheit auf Verwerfung. Drei Tage währte die Redeschlacht. Sie trug trotz aller Heißblütigkeit Ludwig Simon’s, Giskra’s u. A. doch das Gepräge dumpfer Resignation. Selbst die streitbarsten Kämpen entschiedener Parteimeinung, Robert Blum und Fürst Lichnowsky, sprachen zum Frieden, zur Versöhnung, Carl Vogt selbst trug den tiefsten sittlichen Ernst zur Schau. Alles sah aus wie der letzte Act einer großen Tragödie, die betitelt war: „Die Ehre Deutschlands“. Am letzten Tag der Debatten bestieg Blum die Tribüne und hielt seine letzte große Rede im Parlament, die reifste und schönste, die von ihm in St. Paul vernommen wurde. „Er sprach vortrefflicher als je“, sagt eine gegnerische Darstellung der Verhandlungen der deutschen Nationalversammlung.210 „Sittliche Würde gesellte sich zur Schärfe der zergliedernden Prüfung; zermalmende Kraft paarte sich mit Mäßigung. So warf er Schritt für Schritt die Vertheidiger des Waffenstillstandes zu Boden“.211 So sprach der Mann, der nach Anton Springer Handschuhe und Frack hervorholen mußte, um neben Dahlmann würdig auftreten zu können. Er sagte:

„Man hat uns im Laufe der jetzigen Verhandlungen vielfach zur Ruhe und zur Besonnenheit gemahnt, und allerdings ist dieselbe nothwendig bei einer Verhandlung dieser Art; allein ausschließen kann dieselbe doch wohl nicht jene lebendige Empfindung für Das, was wir verhandeln, und die man gestern richtig mit Leidenschaft bezeichnet hat. Denn soweit die Geschichte reicht, hat die Leidenschaft stets die Ereignisse geboren, die Ruhe und Besonnenheit hat sie erzogen; wir sind aber wirklich in dem Falle, die auf dem Papier stehende deutsche Einheit zur Wirklichkeit zu machen, sie in das Leben zu rufen; und dazu gehört Leidenschaft, dazu gehört eine lebendige Empfindung. So selten es der Fall sein mag, so vollkommen bin ich mit Herrn Jordan einverstanden, daß die Haltung unseres Reichsministeriums keinesfalls in dieser Frage von der Art gewesen ist, daß ich in die Lobsprüche einstimmen könnte, die man ihm ertheilt hat. Ich will nicht von der heiteren Laune des Herrn v. Schmerling reden; sie hat mich erfreut, denn nach den Erfahrungen, die wir an einem der letzten Tage seiner Bundespräsidentschaft gemacht haben, scheint das sein Schwanengesang sein. Ich meine nicht den der Person als Minister, sondern den des alten Bundestagssystems, welches mit ihm an der Herrschaft gewesen ist. Inwiefern des Reichsministers des Auswärtigen, Herrn Heckscher’s Vertheidigung, die hier mit Anrufung aller Zeugen, aller processualischen Formen stattgefunden hat, geeignet war, der Sache, die er vertrat, Anhänger zu verschaffen, wird der Erfolg zeigen. Ich muß mit dem Redner vor mir übereinstimmen, daß ich lieber die Sache, als die Person des Reichsministers vertreten gesehen hätte. Es ist gestern darauf hingewiesen worden, daß diese (linke) Seite des Hauses die Centralgewalt nicht in der Weise gewollt habe, wie sie geschaffen worden ist, und das ist richtig; allein man ist auch so gerecht gewesen, zu sagen, daß man, wenn es sich darum handle, die Centralgewalt stark und zur Wirklichkeit zu machen, zu uns vertraue, wir werden die Hand dazu bieten, und ich versichere, wir werden es. (Bravo in der Versammlung.) Wir werden alle Ministerien, die halb und zweideutig und feig sind, und nicht wissen, was sie sollen und wollen, mit allen Kräften, die uns zu Gebot stehen, bekämpfen, bis zu dem Augenblick, wo wir ein starkes haben, einerlei ob von dieser oder jener Seite (Bravo!) und deshalb greifen wir das Ministerium an, das noch in einem halben Leben vor uns tritt. Deshalb weisen wir für seine traurige Haltung auf die Art und Weise hin, wie die Limburger Frage verhandelt worden ist, wie man officielle Actenstücke durch halbofficielle Briefe verleugnet und zu nichte macht, wie man die Centralgewalt oder vielmehr ihren Träger bei öffentlichen Gelegenheiten auftreten läßt, und wie man in dieser Sache verfahren ist. Als das Ministerium sein Amt antrat, hatte es jenen Krieg vor sich: allein nachdem Ihnen hier im August gesagt worden ist, daß es eben noch beschäftigt sei, sich die Schreibmaterialien anzuschaffen, ist es begreiflich, daß es sich um diesen Krieg nicht bekümmern konnte. Es ist der ganze Monat Juli vergangen, und man kann nicht das Kleinste aufweisen, daß sich das Ministerium darum bekümmert hat. Am Ende Juli brachte man ihm die Kunde von den Waffenstillstands-Präliminarien zu Malmö und Bellevue, die ihm die englischen Zeitungen vier Wochen vorher gebracht hatten, und dann erst begann es – nichts zu thun. (Gelächter.) Die preußische Regierung verlangte von ihm eine unbedingte Vollmacht zum Abschluß des Waffenstillstandes; überraschen kann es uns allerdings nicht, nachdem Heckscher bei Gelegenheit der Verhandlung des Raveaux’schen Antrags uns die Theorie entwickelt hat, daß man Das, was man besitzt, nicht auszusprechen brauche, daß das Ministerium bei dem Ansinnen, welches ihm gestellt wurde, auch nicht für nothwendig hielt, die Genehmigung vorzubehalten. Wenn der Reichsminister Heckscher in seinem Privatverkehr derartige Ansichten hat, dann ist es allerdings seine Sache, inwiefern er darnach leben will, oder nicht; wenn ihm aber von uns etwas anvertraut ist, – und das war das Gesetz über die Centralgewalt, – und es zweifelt Jemand daran, daß dieses anvertraute Gut unser ist, dann verlange ich vom Reichsminister Heckscher, daß er das ihm anvertraute Pfand hüte, und das hat er nicht gethan. (Bravo!) Man hat uns gesagt, die Verhandlungen, wie sie nun einmal seien, und namentlich der zweideutige Passus, „die gewünschte Vollmacht“ habe Preußen berechtigt, zu handeln, wie es gethan hat. Das muß ich freilich bestreiten, und namentlich gegen Den bestreiten, der die Fortexistenz des deutschen Bundes mit soviel Bestimmtheit behauptet hat; denn in der deutschen Bundesacte und in der Wiener Schlußacte ist ausdrücklich festgesetzt, daß bei einem Bundeskrieg kein einzelnes Glied des Bundes im eigenen Namen verhandeln kann und darf. Auf diesen Grund hin hat auch der Bundestag den damaligen Vollmachtträger, die preußische Regierung, darauf aufmerksam gemacht, daß bei „jedem wichtigen und präjudizirlichen Abschluß, ja bei jeder Verhandlung dieser Art“ die Genehmigung des Bundestags eingeholt werden müsse. Wollen Sie demnach sich auf die Bundesacte stellen, so war Preußen zum Abschlusse in keiner Weise befugt; wollen Sie sich auf das neue Gesetz über die Centralgewalt stellen, so war es dazu ebensowenig befugt. Was aber das Reichsministerium betrifft, mit dem wir es in dieser Frage allein zu thun haben, so glaube ich, lag ihm nicht blos ob, die Gesetze zu bewahren und die Centralgewalt auf eine würdigere Weise, als es gethan hat, zu vertreten; sondern man sollte bei so scharfsichtigen Männern, wie die Reichsminister, glauben, sie hätten die Verhältnisse auch ins Auge gefaßt. Dann würde ihnen nicht entgangen sein, daß gerade merkwürdigerweise seit Schaffung der Centralgewalt von Seiten Preußens mit einer Hast auf diesen Waffenstillstand zugesteuert wurde, die in der That überraschen muß. Unmittelbar nach Schaffung der Centralgewalt kamen die vorläufigen Bedingungen von Malmö, wurde die Vermittlung Englands bei Seite gelassen und die Schwedens angenommen, kamen die Unterhandlungen von Bellevue, und in einer ununterbrochenen Reihenfolge kam man zum Abschluß des Waffenstillstandes. Nichts ist natürlicher, als daß Dänemark, nachdem es sah, mit welcher Hast man den Abschluß des Waffenstillstandes betrieb, sich in seinen Anforderungen steigerte, daß es mehr verlangte als anfangs. Ich will indessen nicht wiederholen, was bereits oft hier gesagt worden ist, inwiefern die letzten Bedingungen von den ersten abweichen; ich will auch nicht darauf hinweisen, daß es sehr gleichgiltig ist, ob der Graf v. Moltke an der Spitze der Regierung stand, oder nicht; denn um die Person handelt es sich nicht, es handelt sich darum, daß man den Mann, in dem das dänische Princip am schärfsten ausgeprägt war, an die Spitze der Regierung stellte. Man sagt nun als eine Concession: Graf v. Moltke ist zurückgetreten; nein, meine Herren, er ist zurückgetreten worden, und wenn man jetzt angeblich eine gute Miene zum bösen Spiele macht, so ist Das nichts Anderes, als die Anwendung des Sprichworts von dem Fuchs, dem die Tauben zu sauer sind. Was wird kommen? Nichts Anderes, als ein anderer Moltke, wenn er auch nicht so heißt. So hat man denn einen Waffenstillstand in dem Augenblick abgeschlossen, wo die vereinten Kräfte von Deutschland sich auf dem Schauplatze des Krieges gesammelt hatten, als die Söhne unseres Vaterlandes von allen Seiten zusammengeströmt waren, als Deutschland zum ersten Male seit dem Erwachen der neuen Zeit seine gemeinsamen Kräfte üben sollte, also die sichersten Bürgen in denselben gegeben waren, daß wir einen ehrenvollen Frieden schließen konnten. Wie der Waffenstillstand beschaffen ist, darüber lesen Sie die Blätter unserer Feinde, lesen Sie namentlich Fädrelandet, welches hier citirt wurde. Warum aber dies Alles? Warum wurde nicht direct verhandelt, warum nicht wenigstens die Verhandlung, ich will nicht sagen, beaufsichtigt, aber von Seiten der Reichsgewalt daran Theil genommen? Ich kann mir darüber keine Rechenschaft geben, denn da, von wo uns Auskunft darüber kommen sollte: beim Ministerium, finden wir dieselbe Einheit und Einigkeit, wie wir sie in der Limburger Frage fanden, wo die Minister hier nicht wußten, was diese dort vorbrachten. Herr Heckscher hat uns etwa gesagt: „Wenn Dänemark behauptet, es könne mit der Centralgewalt nicht unterhandeln, so ist das eine Lächerlichkeit; man hat hier eine historische weltbekannte Thatsache verleugnet, und darüber braucht man gar nicht zu reden.“ Der diplomatischere Herr v. Schmerling sagt uns dagegen: „Gott bewahre, die Centralgewalt war für Dänemark gar nicht da, sie war ihm ja nicht angezeigt, wie konnte es also mit der Centralgewalt verhandeln?“ Die Sonderbarkeit, die darin liegt, daß der Herzog von Holstein nichts davon wußte, will ich nicht wiederholen, aber auf einen andern Umstand aufmerksam machen, daß nämlich dieses Ding, welches den Dänen gar nicht bekannt, und für sie nicht in der Welt war, dessen ungeachtet einen Bevollmächtigten ernennen, demselben eine Vollmacht geben, und von ihm verlangen konnte, auf Grund dieser Vollmacht mit den Dänen einen Waffenstillstand abzuschließen. Das geht über meinen, freilich nicht diplomatischen Verstand hinaus. Etwas aber ist mir klar: entweder war die Centralgewalt wirklich nicht vorhanden, und dann handelte das Ministerium uns gegenüber pflichtwidrig, denn es mußte Preußen allein bevollmächtigen, und das Gesetz vom 28. Juni umgehen; oder es war die Centralgewalt eine historische Thatsache, die man nicht leugnen konnte und dann begreife ich nicht, wie man solche Entschuldigungen vorbringen mochte, wie wir sie vorgestern hier gehört haben. Freilich, von einem Ministerium, das die neugeschaffene Centralgewalt, die so sehr der Entschiedenheit bedarf, entschieden vertrat, hätte man erwartet, daß es eine Antwort gab, wie sie Bonaparte zu Campoformio gegeben hat. „Streichen Sie“, sagte er, „die Anerkennung der Republik aus; wir brauchen sie nicht, denn sie ist klar wie die Sonne am Himmel.“ (Bravo!) Dies war indessen nicht genug. Man schickte auch einen Gesandten hin, und bot auf andere Weise seine Dienste an. Treu dem bekannten Briefe des Herrn v. Peucker spielte man so eine Art von Vermittelungspolizei in Schleswig-Holstein. Die preußische Regierung sah ein, daß ihr die Landesversammlung gefährlich sei, und fürchtete die durch dieselbe aufgeregten Leidenschaften. Sie fand aber, wie ihr sehr gewandter Agent sagte, die „passende Form“ hierzu, indem sie das Ministerium der Centralgewalt die Kastanien aus dem Feuer holen ließ, und es beauftragte, es möchte dies doch den Schleswig-Holsteinern auf eine passende Weise beibringen; das Ministerium war dazu bereit, und berief sich nicht blos auf die Unthunlichkeit, sondern auch auf einen Beschluß der National-Versammlung, wonach keine constituirende Versammlung mit der hiesigen zugleich stattfinden solle, ein Beschluß, der niemals gefaßt worden ist. Man ging noch etwas weiter, und schickte einen Gesandten. Ehre dem Manne, der dorthin gegangen ist, aber tiefes Mitleiden seiner Stellung. Seit dem Bürgermeister von Saardam komischen Andenkens hat kaum ein Diplomat eine ähnliche Rolle gespielt, wie dieser Gesandte der deutschen Centralgewalt. Er ging nach Berlin, wo man ihn kaum anhörte; er ging nach Schleswig-Holstein, und stand dort gänzlich hinter den Coulissen, wie ein junger Mensch, der in das Theater sich geschmuggelt hat und nicht gesehen sein will. Er schickte Personallisten nach Malmö, als es sich darum handelte, Personen zu wählen. Wir kennen leider in diesem Augenblick noch nicht, welche Listen es waren; aber factisch liegt uns vor, daß man sie in den Papierkorb warf. Er ging nicht nach Malmö, wohin er eingeladen wurde, und es war gewiß das Beste, was er thun konnte; denn er würde eine noch traurigere Rolle dort gespielt haben, als im Hintergrunde. Der Inhalt des Waffenstillstandes wurde ihm vor der Ratification nicht mitgetheilt, denn was ging das die Centralgewalt Deutschlands an? Er reiste ab ohne Protest und ohne Verwahrung, und die ganze Reise gab nicht einmal Veranlassung zu einem gastronomischen Bericht, worin doch das Ministerium des Auswärtigen so groß ist. (Heiterkeit.) Das preußische Ministerium fügte zu der ihm angethanen – lassen Sie mich das Wort nicht aussprechen – noch den Hohn, indem es erklärte, es würde nach geschehenem Abschlusse sich vertraulich mit ihm unterhalten haben, wenn er hingekommen wäre, und die Weigerung des Generals von Below, ihm die Bedingungen mitzutheilen, verstand es dahin, daß er wahrscheinlich habe sagen wollen, er wolle sich auch vertraulich mit ihm unterhalten. Das sind, soweit sie uns vorliegen, die offenen Actenstücke; über die geheimen, die man allerdings in der Tasche haben soll, haben wir keinen Aufschluß; allein wir sehen wenigstens, daß das Ministerium des Auswärtigen, um der alten Diplomatie in Nichts nachzustehen, vertrauliche Briefe nicht zu drucken für gut befunden hat. Was die geheimen Actenstücke in dieser Sache betrifft, so berufe ich mich auf ein Mitglied dieser Seite des Hauses (der Rechten), auf Schubert, der uns im Ausschuß gesagt hat, er habe derartige geheime Noten gesehen; ich berufe mich ferner auf die Briefe des Herrn Camphausen, in denen immerwährend von den Einflüsterungen Rußlands die Rede ist, während doch durchaus nicht eine Zeile in den Acten enthalten ist, und ich berufe mich endlich auf die Depesche des Ministeriums an den schwedischen Gesandten in Berlin, worin dasselbe sagt, wenn man sich den Anforderungen Schwedens nicht füge, werde dasselbe Dinge veröffentlichen, die den Leuten, welche unterhandelt haben, nicht sonderlich angenehm sein werden. (Hört! Hört!) Was nach dieser Haltung mit unserem Ministerium zu thun ist, das bleibe hier unentschieden. Unsere Seite wird allerdings nicht unterlassen, geeignete Anträge einzubringen, und sollten dieselben wegen mangelnden Gesetzes keinen Erfolg haben, so fürchte ich dennoch nicht, daß die Indemnitätsbill, die sich der Minister des Auswärtigen in seiner Verzweiflung von Lord Cowley geben ließ, von dem deutschen Volke bestätigt wird. So liegt also die Sache in diesem Augenblick, und man sagt, wir sollen ratificiren; ratificiren einen Waffenstillstand, der gegen die Bundesacte, gegen die Wiener Schlußacte, gegen das Gesetz vom 28. Juni, gegen die Beschlüsse dieser Versammlung, und gegen die ausdrückliche Vollmacht geschlossen ist; ratificiren einen Waffenstillstand, der thatsächlich unmöglich und unausführbar ist. Wir können ihn ratificiren, aber dann sehen Sie sich auch die nothwendigen Folgen an, verlieren Sie sich nicht auf den sophistischen Irrweg des Mannes, der Ihnen vom historischen Rechtsboden vorgesagt hat, daß Sie den Waffenstillstand, wenn sich die Schleswig-Holsteiner ihm widersetzen, nicht mit Gewalt der Waffen auszuführen hätten. Wenn Sie ehrlich sein wollen gegen Dänemark in vollem Umfange, wenn Sie die deutsche Ehre einsetzen für diesen Waffenstillstand, dann müssen Sie mit deutschen Truppen das rebellische deutsche Land Schleswig-Holstein zwingen, den Grafen Moltke oder irgend einen Anderen anzunehmen. Das ist nothwendig, eine ganz unvermeidliche Consequenz. Allein wenn wir aus den Actenstücken selbst gesehen haben, namentlich aus der merkwürdigen Aeußerung, die sich auf den Fürsten von Augustenburg bezieht, gesehen haben, daß es geheime Artikel gibt, wie können wir etwas ratificiren, was wir nicht kennen? Wie können wir den Kopf in eine Schlinge stecken, deren Weite wir nicht ermessen können? Ich wenigstens habe nicht Lust, wie die an ihrer eigenen Unfähigkeit bankerott gewordene Diplomatie, mich darauf zu berufen, daß uns vielleicht eine Vorsehung aus dieser Schwierigkeit erretten werde. Es ist darauf aufmerksam gemacht worden, welche schweren Verluste die Küstenländer erleiden durch eine Fortsetzung des Kriegs, und gewiß ist das mit vollem Recht geschehen. Ich brauche Ihnen nicht zu wiederholen, was in dieser Beziehung mein Vorredner gesagt; aber aufmerksam machen muß ich Sie darauf, daß der Ruin dieser Küstenländer nicht von dem dänischen Kriege datirt, sondern von der Liebäugelei mit Rußland; von unserer Grenzsperre, von unsern Cartelverträgen; daß er dieselbe Ursache hat, wie die Hungerpest in Schlesien. Es wird längere Zeit noch einer sehr festen Haltung bedürfen, bevor Sie diesen Provinzen den Wohlstand wieder geben können, der fast systematisch untergraben worden ist. Man ruft uns ferner zu, wir sollen ratificiren im Interesse des Handels und der Gewerbe, und wer ein Herz für’s Volk hat, wahrlich, der wird jedes Mittel ergreifen, das dazu führen kann; aber glauben Sie, daß Handel und Gewerbe emporblühen können, so lange anstatt der alten verwitterten Grundlage des gestürzten Staatensystems nicht eine neue und dauerhafte gefunden ist? Glauben Sie, daß dieses Schaukeln und Schwanken des Systems, das nicht hier- und nicht dorthin sich wendet, geeignet ist, das Vertrauen zurückzuführen? Glauben Sie, daß, so lange man in Deutschland nicht weiß, wer nach dem vulgären Sprüchworte Koch oder Kellner ist, es möglich sei, daß irgendwie Unternehmungen begonnen werden, die geeignet sind, dem großen Theil unserer hungernden Bevölkerung Lebensmittel zu geben? Ich glaube es nicht. Wir sollen ferner ratificiren, weil wir möglicherweise einen Bruch mit Preußen herbeiführen. Nun, in der alten Zeit, da hieß es allerdings, wenn man vom Staate sprach: Das Auge nur hinaufrichten auf die äußerste Spitze, wo uns der Flammenspruch entgegenstrahlte: „L’état c’est moi!“ Diese Zeit ist nicht mehr vorhanden, und das preußische Volk ist wohl zu trennen von der wechselnden Neigung der Regierung. Preußens Volk ist, und es freut mich, das von dieser Seite (rechts) gehört zu haben, ein deutsches Volk, und Preußens Volk wird mit uns fühlen, wie es in diesem Waffenstillstand der gesammten gesitteten Welt gegenüber steht. Ich will nicht davon sprechen, welche Rolle wir dem Auslande gegenüber spielen, wenn wir gegen Hannover allerdings Courage und sehr hochklingende Redensarten haben, gegen Preußen aber nichts als gehorsame Diener. (Bravo auf der Linken.) Ich will auch nicht davon reden, daß wir keine neue Bilderstürmer-Secte organisiren wollen, um die Bildnisse Friedrichs des Großen zu vernichten, oder daß wir dem Manne seinen Kienspahn nicht auslöschen wollen, der von dem großen Kurfürsten erzählt. Wir ehren die geschichtlichen Erinnerungen eines Volkes; sie sind das Heiligste, was es hat; wenn man aber eine neue Staatengestaltung nicht gründen dürfte, weil man neben diesen Erinnerungen den Gedanken einer neuen Zeit aufbringt, so müßte Deutschland noch in die 371 Territorien, die es am Anfange des vorigen Jahrhunderts hatte, getheilt sein. (Zuruf: Sehr gut!) Man hat uns, und es war ein Sprecher aus Oesterreich, vordeducirt, die Regierung sei einerlei mit dem Volke, und wenn die eine angetastet werde, würde auch das andere angetastet. Dieser Sprecher mag es bei seinen Landsleuten verantworten, wenn man consequenter Weise diesen zumuthet, sie sollten sich identisch betrachten mit dem Metternich’schen System und mit Metternich selbst, der so lange Europa geknechtet hat. (Beifall.) Allerdings hat Herr Jordan bereits prophetisch verkündet, was die preußische Nationalversammlung in dieser Angelegenheit beschließen werde. Ich habe diesen prophetischen Blick nicht, aber einige Wahrscheinlichkeit habe ich dafür, daß die linke Seite der Versammlung zu Berlin diese Angelegenheit gerade so betrachten wird, wie die linke Seite zu Frankfurt, und ich bitte, gefälligst zu bedenken, daß nach der letzen Abstimmung vom 7. September die linke Seite die Mehrheit hat. (Hört! Hört!) Auch hat Herr Jordan bereits Diejenigen gezählt, die sich für den Waffenstillstand erklären werden; es waren 10 Millionen. Wie ist es aber mit den übrigen 6 Millionen, die also wahrscheinlich dagegen sind? Wir wollen den Bruch mit Preußen vermeiden, und bringen den Bruch in Preußen zur Erscheinung. Aber nicht allein, daß wir den Bruch des Nordens mit dem Süden bringen, den Bruch Preußens, wenn denn wirklich in Preußen die Sache so sein sollte, wie Sie uns dargestellt haben, dann bringen wir auch den Bruch Preußens mit Süddeutschland zu Wege. Worauf gründen Sie die Behauptung, daß es in Preußen so sein müsse? Zeigen Sie uns die Erzeugnisse der Presse und der Versammlungen, oder was es sonst sein soll, wo man sich mit so großer Begeisterung für die Genehmigung des Waffenstillstandes aussprach. Wir haben eine Reihe von Eingaben gesehen, die sich dagegen ausgesprochen haben; wir haben mit Fleiß und Sorgsamkeit die preußischen Zeitungen gelesen, und außer der „neuen preußischen Zeitung“ keine gefunden, die sich in diesem Sinne ausgesprochen hat. (Zuruf. Hört! Hört!) Man weist hin auf die öffentliche Meinung; ihr Ausspruch liegt nahe genug, wenn von 67 Eingaben 66 sich in einem und demselben Sinne aussprechen. Es ist die schönste Erscheinung, die wir in Deutschland seit den Märztagen gehabt haben, daß das Volk in dieser hohen sittlichen Kraft sich erhebt, wo es gilt nicht nur seine Interessen, sondern seine Ehre zu vertreten; daß es nicht wägt und nicht prüft, sondern nur das eine allgemeine Gefühl ausspricht: Wir stehen ein mit Gut und Blut dafür, daß diese Ehre eingelöst werde. (Anhaltendes Bravo auf der Linken und dem linken Centrum.) Allerdings hat man gesagt, diese Tausende zählen nicht. Es ist ein sehr verbrauchter Kniff des gestürzten Regiments, welches Tausende von Unterschriften nicht achtete, wenn sie von der Seite kamen, aber zehn Unterschriften für sehr hoch hielt, wenn sie von der andern Seite kamen (Zuruf von der Linken: Sehr gut!); allein wenn diese Tausende nicht zählen, und wenn man andere Tausende nicht dagegen aufstellen kann, so sollte man seine Augen doch nicht verschließen vor der Geschichte und vor den Thatsachen; man sollte nicht vergessen, daß unter weit größeren Hindernissen diese Tausende mächtig genug waren (Unruhe auf der Rechten) Kerkermauern zu sprengen, und Diejenigen zu befreien, die dahinter schmachteten. (Stürmischer Beifall des Hauses und der Gallerie.) Man sollte nicht vergessen, daß diese Tausende gerade es waren, die uns bis zu diesem Punkte geführt haben, wo wir jetzt stehen, und die uns hoffentlich weiter führen werden. Die Kammern sollen es sein, in denen sich die Meinung des Volkes ausspricht. Nun, die Kammern haben am Schlusse des vergangenen Jahres in allen Ländern Deutschlands kein Vertrauen mehr gehabt, und sind bis diesen Augenblick, trotz der neuen Zeit, noch nicht regenerirt, noch nicht eine einzige. Man hat uns sogar damit gedroht, wir würden verhungern in der Paulskirche, man würde die Mittel nicht mehr aufbringen können, die Nationalversammlung zu unterhalten; ich antworte Ihnen darauf ebenfalls mit der Geschichte, und sage Ihnen, das deutsche Volk hat zur Zeit, wo derartige Gaben ein ganzes oder halbes Verbrechen waren, Tausende durch Kreuzer- und Groschenbeiträge zusammengebracht zu den edelsten Zwecken, die ich hier nicht nennen will (Hört! Hört! von der Linken), und dieses deutsche Volk wird, wenn es sich um sein Leben und sein Dasein handelt, größere Aufopferungen bringen, als selbst für den edelsten Mann, den es jemals in Deutschland gegeben hat. (Bravo und Beifall von vielen Seiten der Versammlung und der Gallerie). Die sittliche Empörung, von der ich gesprochen habe, gründet sich darauf, daß die Errungenschaften der Neuzeit, die Beschlüsse des Vorparlaments, die Bestrebungen des Fünfziger-Ausschusses, die Beschlüsse der Versammlung, die Gesetze, die bis jetzt das Einzige sind, was für den Gesammtstaat feststeht, nicht geachtet worden sind bei diesem Waffenstillstand; sie gründet sich darauf, daß die alte Diplomatie gerade in demselben Verhältniß, als ob wir keinen Märzmonat dieses Jahres gehabt hätten, schaltet und waltet mit dem Schicksale der Völker nach ihrem Ermessen; sie gründet sich darauf, daß man den Söhnen, die sich von dem Herzen des Vaters losgerissen haben, um sich dem ungewissen Schicksale des Kriegs hinzugeben, sagt: Kehrt nach Hause zurück, wir brauchen euch nicht mehr. Und diese sittliche Entrüstung lebt nicht nur im Volke, sie lebt auch, und das ist unsere Freude, im Heere. Die süddeutschen Truppen, welche den Herrn Peucker schon vor langer Zeit so bedenklich gemacht haben hinsichtlich ihrer Stimmung, glauben Sie, daß sie besser werden in Herrn Peucker’s Sinne, wenn man sie im vollen Bewußtsein ihrer Kraft und ihres Willens den Feinden entgegenführt, um dann zu commandiren: Kehrt um und geht nach Hause!? Glauben Sie, daß das deutsche Heer, welches man namentlich von dieser Seite (zur Rechten gewendet) und bei verschiedenen Gelegenheiten als nicht willenlos dargestellt hat, nicht als eine Masse, die wie eine Herde dem Befehle folgt, unempfindlich sei dafür, was in Schleswig-Holstein mit ihm geschieht und geschehen soll? Ich glaube es nicht; ich hoffe, daß der Soldat auch denkt, und wenn er denkt, dann wird er kennen lernen, daß die Demokratie in Deutschland es wirklich nicht schlecht mit ihm meint, daß sie im Soldaten den Bürger ehrt und anerkennt, wie in jedem Anderen, und daß sie nicht die Letzte ist, die dem Heere Beifall und Lob zujauchzt für die brave Haltung, die es in dieser ernsten Angelegenheit Deutschlands eingenommen hat. (Bravo von vielen Seiten.) – Wir kommen auf den Punkt der Furcht vor dem auswärtigen Krieg, und es bietet sich auch hier eine merkwürdige Erscheinung dar. Die Furcht vor dem Krieg ist immer unbedeutend, ungerechtfertigt und unbegründet, wenn es gilt, die Gewalt anzuwenden gegen das Prinzip der Freiheit; sie ist gefährlich im höchsten Grade, wenn es gilt, dieselbe Gewalt anzuwenden für das Prinzip der Freiheit. (Hört! Hört!) Als es sich um Posen handelte, um die Vernichtung völkerrechtlicher Verträge, um Italien und Anerkennung des Rechts der Freiheit und Unabhängigkeit seiner Bewohner, da wiesen wir auf unser Heer von 900,000 Mann hin, und trotzten der ganzen Welt. Jetzt, wo es sich handelt, den thatsächlichen Zustand der Revolution in Schleswig-Holstein anzuerkennen und zu erhalten, da fürchten wir uns vor der ganzen Welt. (Mehrere Stimmen: Sehr wahr!) Allerdings, die Gefahr eines auswärtigen Krieges ist keine kleine; man darf sie nicht leichtfertig betrachten; aber die Gefahr, die uns bis jetzt vorliegt, scheint mir freilich so groß nicht zu sein. Wir haben uns gesträubt gegen die Vermehrung der Armee bis zu 900,000 Mann, und wir haben Ihnen das Bündniß mit der französischen Republik dringend empfohlen. (Heiterkeit in der Versammlung.) Droht uns Krieg von Westen oder Osten, wir bewilligen den letzten waffenfähigen Mann auch gegen die französische Republik, wenn sich dieselbe anmaßt, in unsere Angelegenheiten unbefugter Weise sich einmischen zu wollen. (Bravo von der Linken.) Aber die Einmischung scheint mir bis jetzt noch nicht gefährlich, die auf völliger Sachunkenntniß beruhende Aufforderung des Ministers des Auswärtigen der damaligen republikanischen Polizeiregierung in Frankreich scheint mir noch in keiner Weise einer Kriegserklärung ähnlich zu sein. Von dieser Auseinandersetzung bis zum Kriege ist noch ein so weiter Schritt, daß ich fürchte, der Terrorismus der Bourgeoisie erlebt den Tag nicht, wo dieser Schritt zurückgelegt ist. Komisch ist es übrigens, daß eine Regierung und ein Staatszustand, der seine Existenz noch nicht über vier Monate hinaus schreibt, und seinen ersten Geburtstag noch nicht gefeiert hat, sich zum Ritter für die verrosteten Dynastie-Verträge aufwirft, die aus vergangenen Jahrhunderten herstammen. (Bravo von vielen Seiten.) England, darauf hat man uns auch hingewiesen, droht uns, und das ist mir auch nicht wunderbar. Nichts ist natürlicher, als daß die „Erbweisheit ohne Gleichen,“ die dort das Volk ausbeutet, sich nach besten Kräften bestrebt, ähnliche Gelüste und Bestrebungen auf dem Continent zu unterstützen. Wunderbar ist es mir nicht, daß ein Volk, in dessen Tasche nach ungefährer Berechnung aus unserem Vaterlande jährlich 17 Millionen Thaler flossen, mit einigem Bedenken daran denkt, daß ein einiges und starkes Deutschland ihm möglicherweise nicht mehr in diesem Sinne contribuiren würde. (Bravo auf der linken Seite.) Und übrigens kann ich nicht umhin, daran zu erinnern, daß es das ganz alte Spiel von 1790 und 1791 ist; dieselben Organe, dieselben Parteien eiferten damals ebenso sehr gegen das kräftig aufstrebende Frankreich, wie sie jetzt gegen das aufstrebende Deutschland eifern. Daß das Ausland unsere Kraft und unsere Einheit nicht will, darüber dürfen wir doch wohl nicht zweifelhaft sein, und wenn das Ausland den geschlossenen Waffenstillstand preist, und wenn es unsere Nichtgenehmigung fürchtet, wahrlich, dann liegt darin nur ein Grund mehr, daß wir uns ernstlich besinnen sollen über Das, was wir thun. (Beifall auf der linken Seite.) Die Entscheidung liegt indeß in Ihrer Hand, thun Sie, was Sie müssen; allein an Eines lassen Sie mich anschließen, was ein Redner auf dieser Seite gesagt hat, thun Sie nichts Halbes, – offen wie ein Mann für oder wider, nicht Achselzucken, nicht zweideutig, nicht zwar und aber, ich möchte gern, aber ich mag nicht, – schieben Sie nichts auf die Centralgewalt, denn das sind Sie selbst; sie ist stark oder schwach in dem Verhältnisse, wie Sie es sind, sie thut, was wir beschließen, und wenn wir Halbheiten beschließen, und wenn wir nicht den Muth haben, geradezu herauszusagen, was wir wollen, so wird die Centralgewalt in der Wirklichkeit der Centralschatten bleiben, als welchen sie die englische Presse begrüßt. Die Centralgewalt kann nicht einmal ein Ministerium zusammenbringen ohne Ihren entscheidenden geraden Ausspruch, denn ich halte den Minister für sehr gewissenlos, der auf einen zweideutigen Ausspruch hin und auf einen Auftrag, die Centralgewalt möge nach ihrem Ermessen handeln, irgend etwas in dieser Angelegenheit unternimmt. Man hat von den verschiedensten Seiten von dieser Tribüne her auf die Revolution hingewiesen, und es wird gestattet sein, denselben Gegenstand ins Auge zu fassen, denn er gehört ja eben zu den möglichen, vielleicht zu den nothwendigen Folgerungen Dessen, was wir beschließen. Leugnen läßt sich nicht, und Niemand, der in Deutschland ein offenes Auge hat, wird verkennen, daß die Bewegung in den letzten Wochen und Tagen merklich gestiegen ist; die alte Diplomatie hatte etwas zu schnell das Schicksal der Völker in die Hand genommen und bestimmen wollen, sie hatte etwas zu bald in die alten Bahnen eingelenkt, und die Reactionsversuche, die jetzt von fast Niemandem bezweifelt werden, waren zu gewaltig, als daß das noch nicht eingeschlummerte Volk nicht auf seiner Hut sein sollte. Offen und ehrlich, wie sich die äußersten Seiten des Hauses vom Anfang an gegenüber gestellt haben, denn wir haben uns ohne Hehl gesagt, was wir wollen: Man sagt, ein Theil dieses Hauses – oder wenn nicht direct Diejenigen, die in diesem Hause sitzen, so doch indirect dieselben durch ihre politischen Freunde, die sie draußen haben, – strebe darnach, die Ruhe nicht wiederkehren zu lassen; er trachte nach nichts Anderem als die Bewegung zu erhalten, und zu steigern … Meine Herren! Wenn das der Fall wäre, so würde ich Ihnen mit aller Kraft, die mir zu Gebote steht, rathen: „Ratificiren Sie den Waffenstillstand;“ es ist aber nicht wahr, und ich will Ihnen ehrlich sagen, weshalb, – weil wir die ernste Besorgniß hegen, daß die Bewegung, wenn wir sie nicht behalten, in Hände übergeht, die weit von uns nach dieser oder jener Seite liegen, und die vielleicht ohne Schuld die gesammten Errungenschaften unseres geistigen Daseins bis diesen Augenblick in Frage stellen. (Bravo auf der Linken und dem linken Centrum.) Deßhalb wollen wir es nicht, und deßhalb bitten wir Sie: Wagen Sie es nicht darauf, daß es dahin komme, daß die Bewegung sich steigere! Es giebt Mitglieder in unserer Nationalversammlung, die ihre Aufgabe nicht darin sehen, das Volk zu vertreten und blos Verfassungen zu machen, sondern die behaupten, sie seien von ihren legitimen Regierungen hergeschickt, um gegen die Revolution zu kämpfen. (Beifall auf der Linken.) Das ist eine eigenthümliche Auffassung ihrer Aufgabe, über die ich nicht streiten will, aber meine Meinung ist die, daß auch diese ein Interesse daran hätten, auf die Zeichen der Zeit zu merken. Herr Heckscher hat uns an das Schicksal der Julidynastie erinnert, und ich nehme diese Erinnerung an, nur in einer anderen Folgerung: weil die Vertretung des Volkes schlecht war, weil sie corrumpirt war, weil sie Ja sagte zu Allem, und weil sie nicht den Muth hatte; da entschieden für das Volk aufzutreten, wo es sich darum handelte; deßhalb fiel die Julidynastie, nicht deßhalb, weil die Kammern ihr opponirten. (Lebhafter Beifall auf der Linken und dem linken Centrum.) Wir haben es oft gehört, namentlich von der rechten Seite des Hauses, daß Sie Ihre Fürsten lieben, und ich erkenne dieses Gefühl an; denn die Liebe ist etwas Heiliges, mag sie sich wenden, wohin sie will. (Große Heiterkeit.) Aber wenn Sie Ihre Fürsten lieben, so treten Sie dem immer wuchernden Glauben entgegen, daß die Fürsten mit ihren dynastischen Interessen ein Hinderniß bieten für die Entwickelung unserer neuen Zustände, – geben Sie dem Volke das Vertrauen daß Sie ebenso sehr die Uebergriffe von der einen wie von der anderen Seite in die Schranken zu weisen entschlossen sind! Die Krone ist mit in diese Verhandlung gezogen worden; das gehört sich nicht, es ist nicht die Art parlamentarischer Verhandlung; allein sie ist eben hineingezogen worden, und da darf man wohl auch daran erinnern, daß, wenn Sie uns gesagt haben: „Die Revolution ist ehrfurchtsvoll vor den Thronen stehen geblieben,“ es Ihre gewichtigste Sorge sein muß, daß die zweite Bewegung nicht darüber hinwegschwemmt. Erlauben Sie mir zum Schluß eine historische Thatsache: So lange Ludwig XVI. im Innern regierte gegen die Freiheit und das neue Leben seines Volkes, hatte er nur einen parlamentarischen Kampf, den er durch einen ehrlichen Vertrag hätte enden können; als er die Nationalität und die Ehre seines Volks auf das Spiel setzte für seine dynastischen Interessen, als er mit dem Auslande liebäugelte und sich sogar mit ihm verschwor, da war er verloren. (Stürmischer, lang anhaltender Beifall auf der Linken und dem linken Centrum.)“

Wie schon oft zuvor sprach Lichnowsky nach Blum. Auch er schwang die Palme des Friedens. „Lichnowsky hatte die letzte und schönste Blüthe seiner Rede in St. Paul entfaltet, wie Robert Blum, und die beiden schroffen Gegensätze wurden fast zu gleicher Zeit im Buche des Schicksals gestrichen.“212

Fussnote_204_204
  Höchst charakteristisch für den Ton, der im Vaterlandsverein herrschte nach dem Ausscheiden der Minderheit waren die dort gefaßten Beschlüsse. Unter Anderm hieß es: da von dem jetzigen Ministerium ein volksthümliches Wahlgesetz nicht zu erwarten, so ist die Entlassung dieses Ministeriums auszusprechen und Staatsminister Oberländer mit der Bildung eines neuen zu beauftragen, die Ständeversammlung einzuberufen, sofort eine aus der freien und unmittelbaren Wahl des Volkes hervorgegangene constituirende Versammlung einzuberufen.


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Fussnote_205_205
  Schon die überwältigende Komik dieses einen Gedankens sichert Jäkel einen Ehrenplatz unter den unfreiwilligen Humoristen aller Zeiten.


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Fussnote_206_206
  Zu vergl. Offizieller Bericht der Verhandlungen des Vorparlaments, Sitzung vom 31. März, der Bundesversammlung vom 4. April (2. Lieferung). – Sten. Ber. der Deutschen National-Versammlung v. 8., 9. u. 17. Juni, 10. Juli, 11., 22. u. 31. Aug.; 4., 5., 7., 8., 12., 14–16. September. – Gegenwart (von Brockhaus), Band 5 u. 6, in besonderen Artikeln über Schleswig-Holstein. Band 7, S. 295 bis 326. – Springer, Dahlmann, S. 268–299.


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Fussnote_207_207
  St. B. S. 1882.


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Fussnote_208_208
  St. B. S. 1896/98. Die ganze Debatte (einschließlich der Abstimmungen) s. S. 1880–1917.


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Fussnote_209_209
  a. a. O. S. 290.


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Fussnote_210_210
  Gegenwart, Bd. 7, S. 323.


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Fussnote_211_211
  Selbst Laube hat hier zum ersten Mal ein schüchternes Lob für Blum: „Auch Blum hatte wirklich kräftige Partien. Seine Ruhe und Nachdrücklichkeit in Anordnung und Betonung des Stoffs hatte lange nicht einen so günstigen Stoff gehabt.“


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Fussnote_212_212
  Gegenwart S. 324.


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