Kitabı oku: «Reise durch den Stillen Ozean», sayfa 23
Man sagt, dass das Einkalken der Haare als Mittel gegen Läuse diene. Wenn dies wirklich der Zweck desselben sein soll, so kann ich mit aller Bestimmtheit behaupten, dass es nicht viel hilft. Denn ich fand gekalktes rothes Haar niemals weniger infizirt von Ungeziefer als ungekalktes schwarzes. Auch theoretisch ist nicht einzusehen, warum der Kalk, welcher den Korallenbänken entstammt und wohl nur sehr oberflächlich gebrannt zur Anwendung kommt, jenen ziemlich robusten Thierchen verderblicher sei als den Haaren. Ein stark gebrannter ätzender Kalk würde nicht nur die Läuse, sondern auch die Haare ruiniren. Vielmehr glaube ich, dass das Verfahren nur einen kosmetischen Zweck hat. Man will damit den schwarzen Haaren eine röthliche Farbe verleihen, die ja auch die Schönen der Tizianischen Zeit so sehr liebten.
Bei einer näheren Untersuchung unserer räucherigen Hütte entdeckte ich auf einem Brett unter dem Dache zwei alte aus Holz geschnitzte Lanzen. Ich bot dem Eigenthümer mein letztes Taschenmesser dafür und erhielt sie. Kaum hatte ich hierdurch meine Liebhaberei für Waffen kundgegeben, so erschien ein Anderer und brachte zwei Lanzen derselben Art, die noch viel schöner waren, als die ersten. Leider besassen wir nichts mehr an Tauschartikeln oder Geld, so dass ich auf die Acquisition verzichten musste. Auch ein prachtvolles grosses Stück bedruckter Tapa, welches mich sehr reizte, musste ich zu meinem lebhaften Bedauern wegen Entblössung von allen Mitteln zurücklassen.
Nach dem Frühstück begab ich mich an den Strand um noch schnell den Bukelevu zu zeichnen, ehe wir abreisten. Da versammelte sich natürlich wieder das ganze Gesindel der Jungen und Mädchen um mich und hörte nicht mehr auf, meine Kunst bewundernd »Ossibi, Ossibi« (schön) zu schreien. Sie wurden mir bald lästig und immer zudringlicher und dreister. Eines der Mädchen, unsere Nachbarin, eine hetärenhafte Person mit aussergewöhnlich groben und hastigen Manieren und ungezogenem Lachen, trieb die Frechheit so weit, sich ganz unverfroren auf meinen Rücken zu lümmeln. Ich zog ruhig mein grosses blankgeschliffenes Messer aus dem Gürtel, und im Nu stob die ganze Gesellschaft kreischend auseinander, um mir nicht wieder in die Nähe zu kommen.
Wir brachten unser Gepäck auf den Kutter und lichteten Anker. Während eine frische Brise uns vom Lande entfernte, strömten am Ufer die Eingeborenen der Umgebung schaarenweise in die Kirche nach Taulalia, von wo das Getrommel der Lalis zum Gottesdienst rief. Es war ein charakteristisches farbenreiches Bild, die hohen braunen Gestalten der graubebarteten Männer und die gypsköpfigen Weiber und Kinder alle in hellen, bunten Gewändern den glänzenden Strand dahinwandeln zu sehen, hinter ihnen das dunkle Gebüsch und die Palmen, vorne die grünblaue schäumende See und über dem Ganzen der strahlende blaue Himmel.
XVI.
LETZTE TAGE AUF KANDAVU
Mit dem Kutter nach Namalatta. Ein kleiner Albino. Festgäste von Tavuki. Wieder im Hotel zu Wailevu. Packerei und Einkäufe. Der Regierungshäuptling. Ankunft der Zealandia und Gerichtsverhandlung. Das Inselchen Angaloa.
Meine Tage in Gavatina waren gezählt. Ich musste an den Abschied denken und einpacken. Am 4. August sollte der Dampfer von Neuseeland, er konnte aber auch früher kommen, und um ihn nicht zu versäumen, war es gerathen schon vom zweiten an in Wailevu auf ihn zu warten.
Herr Kleinschmidt gab mir das Geleite dorthin. Der Kutter brachte uns zunächst wieder in die Namalatta-Bucht. Auf dieser langweiligen Fahrt, die durch widrigen Wind und durch die von den Korallenriffen auferlegten Umwege beinahe einen ganzen Tag in Anspruch nahm, sah ich zum ersten mal eine Schildkröte im Wasser schwimmen und schlafen. Nur die Schnabelspitze und der oberste Theil ihres Rückenschildes ragten daraus hervor. Sie wachte gerade noch rechtzeitig auf um den gierigen Nachstellungen unserer Burschen zu entgehen. Ein Ruck, und sie war verschwunden. Bald darauf sah ich auch meinen ersten kleinen Walfisch in diesen Gewässern. Es war ein sehr lustiger Walfisch, der sich damit amüsirte, aus dem Wasser in die Höhe zu schnalzen, so nahe unserem Kutter, dass wir die von dem ungeschlachten Thier erregten Wellen fühlten.
Während Niketi über Land nach Wailevu geschickt wurde um ein grösseres Boot entgegenzubringen, sah ich mir die Ortschaft Namalatta an. Sie bot nichts aussergewöhnlich Merkwürdiges. Ein grosses Doppelkanuu mit einem Häuschen darauf lag am Strande. Vor einigen Hütten waren noch ganz frische Töpferwaaren zum Trocknen ausgebreitet. Ich konnte indess keine Lehmgrube entdecken, aus welcher das Material dazu stammte. Unter den Kindern, die mir auf Schritt und Tritt folgten wohin ich ging, befanden sich mehrere, welche Leinwandbinden an beiden Oberarmen trugen. Der Doktor war erst kürzlich hier gewesen und hatte sie geimpft. Unter ihnen sah ich einen kleinen Albino, dessen rosenfarbige Haut, blonde Haare, bläuliche Augen mit entzündeten Lidern und skrophulös gedunsene Lippen eben so gut einem deutschen Bauernjungen angehören konnten. Es war aber ein echter Viti, wie ich in Wailevu auf meine Nachfrage erfuhr. Er schien ganz besonders furchtsam zu sein, und es gelang mir nicht seiner zu näherer Betrachtung habhaft zu werden. Die anderen Jungen versuchten zwar, ihn mir zu Liebe festzuhalten, wobei sie beständig »Papalang lailai« (kleiner Europäer) schrieen. Aber er riss immer wieder aus. Später auf Hawaii habe ich ganz denselben germanischen Typus bei einem albinen Kanaka beobachtet.
Das Boot liess lange auf sich warten, und der Abend brach herein ehe es kam. Als wir noch immer am Strande ungeduldig die Rückkehr unseres Abgesandten erwarteten, erschienen um die linke Ecke der Bucht mehrere Kanuus mit festlich geschmückten Eingeborenen. Heute war zu Tavuki die Ueberreichung des Zehnten an die Missionäre vor sich gegangen und durch ein grosses Meke Meke gefeiert worden. Es sollten hundert Tänzer daran Theil genommen haben. Dieses Meke Meke war aber gewiss lange nicht so schön und echt gewesen, wie jenes, dem ich vor vierzehn Tagen zu Go Kandavu beigewohnt hatte. Denn vor den frommen Missionären durfte nur in züchtiger Gewandung getanzt werden, ein geschmackloser Anachronismus. Bald sah ich auch einige äffisch geputzte Frauenzimmer den Kanuus entsteigen. Männliche Wilde in europäischer Tracht sehen nicht übel aus. Weiber aber in gestärkten Unterröcken, wie ich deren hier sehen musste, haben etwas so widerlich Affenartiges an sich, dass selbst die schönste Gestalt unerträglich wird. Zur Frömmigkeit scheint eben immer ein gewisser Grad von Hässlichkeit zu gehören. Glücklicherweise können nur wenige Insulanerinnen sich den Luxus von gestärkten Unterröcken erlauben, und es war hier das einzige mal, dass ich deren gleich mehrere sah. Die Frauenzimmer gehörten zur Familie des Oberhäuptlings in Wailevu. Die Männer hatten sich, um möglichst schlau und verwegen auszusehen, die Gesichter geschwärzt. Sie machten damit keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck, waren aber sehr zahm und fürchteten sich vor mir, da es dunkel wurde. Die meisten Vitis fürchten sich in der Dunkelheit.
Es war bereits Nacht, als endlich das Boot von der anderen Seite gemeldet wurde, und wir trugen unser Gepäck hinüber. Der Vollmond war aufgegangen, und unendlich schön wogten in seinem Licht die Palmen des Isthmus Yarambali. Unten aber in den schwarzen Dickichten des Buschwerks zogen einsame Leuchtkäfer ihre funkelnden Kreise, schnell erlöschend, sobald sie das helle Gebiet des Mondes betraten.
Als wir das schwerbeladene Boot über die Sandbänke der Angaloa Bai schoben, leistete einer unserer Burschen ein Kunststück, welches alle Achtung verdient. Er blieb plötzlich stehen, tastete mit dem Fusse auf dem Grunde herum, hob ihn auf und brachte einen Sohlfisch zum Vorschein, den er mit den Zehen gefangen hatte. Da er hungrig sein mochte, verzehrte er ihn sofort sammt den Gedärmen. Eine Stunde später erreichten wir unser Ziel.
So war ich denn wieder im Hotel zu Wailevu, diesmal um definitiv Abschied zu nehmen von dem fröhlichen, glücklichen, nackten Insulanergesindel. Wieder besuchte ich den Doktor und sass bei Laternenschein in seinem windigen Studirzimmer. Leider war ihm mittlerweile sein köstlicher Rheinwein ausgegangen. Wieder sah ich Charly und den anderen Landsmann und die ganze übrige versoffene Bande, sah auch die drei verunglückten Seeleute wieder, welche auf Rechnung des amerikanischen Konsuls von Levuka nach San Francisco gebracht werden sollten, und der Mexikaner hatte sich mit dem Wirth versöhnt und spielte wieder seine internationale Musik auf allen Thüren und Holzwänden. Nur den alten Bonner Studenten und jetzigen Polizeisergeanten sah ich nicht wieder. Denn er hatte sich gestern mit einem Freunde geprügelt und lag mit verschwollenem blauem Gesicht zu Hause im Bett.
Der lästigen Pflicht des Einpackens genügend hätte ich es beinahe ernstlich mit der braunen Stubenmagd verdorben. Die vielen nicht sehr reinlichen und geruchlosen Naturalien, die ich in meinem Zimmer ausbreitete um sie zu ordnen und in Kisten zu vertheilen, erregten ihr grosses Missfallen, und jedesmal so oft sie mit der Suluka im breiten Maul eintrat und den Platz immer noch nicht für ihre Arbeit frei fand, blitzte sie mir tadelnde Blicke aus ihrem stupiden Antlitz zu, zog sich zurück und schimpfte.
Bald war das Hotel wieder eben so voll von Betrunkenen wie bei meinen früheren Besuchen und bot zuweilen Szenen dar, als ob es ein Narrenhaus wäre. Unter den Betrunkenen befanden sich zwei Mischlinge, deren einer in der englischen Midshipman-Uniform steckte. Den Vollbluteingeborenen geistige Getränke zu verabreichen ist von der Regierung wohlweislich strenge verboten, und die Ganzwilden sind in der Regel nüchtern. Eine Beimischung weissen Blutes scheint hiervon zu dispensiren. Der Midshipman gehörte zur Besatzung des Vermessungsschooners und war mit einem älteren Matrosen herübergekommen, um auf Briefe zu warten. Der Andere, ein schöner und stattlicher Mann, gerieth mit dem verunglückten Norweger in Streit und forderte ihn zu einem Fight heraus. Dieser aber zog sich feige zurück, indem er behauptete, es sei unter seiner Würde, mit einem Nigger loszugehen. Sich von ihm treaten zu lassen hatte er nicht unter seiner Würde gehalten. Es war nun komisch aber keineswegs vortheilhaft für den Weissen zu beobachten, wie der ritterliche Halbwilde todesmuthig und unermüdlich vor dem Hotel seine Herausforderung wiederholte, und wie sein Gegner, der Norweger, der es nicht mehr wagte ins Freie zu treten, ihn durchs Fenster hartnäckig für einen Nigger und satisfaktionsunfähig erklärte.
Der Levukadampfer erschien und warf Wailevu gegenüber Anker. Auch auf ihm gab es eine grosse Zecherei, wobei es so lustig herging, dass am anderen Morgen im Salon eine kleine Ueberschwemmung angerichtet und Spiegel und Fenster zerschlagen waren. Offiziere und Passagiere hatten sich erst damit amüsirt, durch das Decklicht Wasser auf die Untensitzenden zu giessen und schliesslich sich ein wenig geprügelt.
Bei jenem Kaufmann, der damals in Dalingele beinahe ertrunken wäre, machte ich noch einige Einkäufe. Er hatte seinen Laubhüttenladen mit allen möglichen Vitimerkwürdigkeiten für die von den Dampfern zu erwartenden Fremden kompletirt. Namentlich fiel mir eine Menge verschiedenst gestalteter Keulen auf. Die Eingeborenen müssen diesen Artikel ehemals in ungeheurer Anzahl produzirt haben, da es davon noch so viel giebt. Er hatte auch Photographien von Insulanern, die in Levuka gefertigt waren. Leider fand ich darunter nur wenige gute und typische.
Ich lernte den Regierungshäuptling der Insel kennen, einen Mann in den Vierzigen mit grauem Schnurrbart, Wangen und Kinn rasirt. Ein blaugestreiftes feines Hemd und ein dunkel gemusterter Sulu aus Tapa waren seine Bekleidung. Als weitere Konzession an die Kultur trug er einen Papierkragen um den Hals. Die Beine und Füsse waren nackt wie bei allen Anderen. Man sagte ihm, dass ich derselbe sei, der seinen Freund in Dalingele, den alten Häuptling von der Rewa, behandelt habe, und zum Zeichen seiner Anerkennung hierfür schenkte er mir ein Stück zartester weisser Tapa, welches lose geschürzt um seine Schultern hing. Er hatte ein Frauenzimmer bei sich, eine Tonganerin, deren Kostüm eine wunderbar effektvolle Farbenzusammenstellung zeigte. Die eigenthümlich gelbbraune Haut der Büste und der blossen Arme und Beine, das Haar hellglänzend gelb von hineinfrisirtem Kalk, das hellblaue Busenhemdchen und der frischgewaschene weisse Sulu mit schwarzem Franzengürtel um die Hüften machten sie zu einer äusserst malerischen Erscheinung. Wenn doch einer unserer modernen Farbenvirtuosen zugegen gewesen wäre diese weichen harmonisch gestimmten Töne festzuhalten.
Auch einen weissen Herrn aus Levuka lernte ich kennen, der viel in Inselpolitik zu machen schien. Man sollte kaum glauben, welche Menge von politischer Leidenschaft auf dem kleinsten Fleckchen Erde ihr Spiel treibt. Jener weisse Herr war ein wüthender Gegner des Gouverneurs und der Missionäre. Ich weiss nicht mehr Alles, was er mir erzählte. Einiges aber war so interessant, dass ich es behielt. Er behauptete, was ich indess schon öfters gehört hatte, England habe die Kolonie nur widerwillig und gezwungen durch die ewigen Streitigkeiten zwischen den Europäern und dem König Thakombau an sich genommen und wäre froh, sie wieder los zu sein, Viti habe bisher blos schweres Geld gekostet, ohne einen erheblichen Nutzen zu bringen.
Das Kolonisiren scheint jetzt überhaupt schwieriger zu sein als früher. Früher kümmerte man sich nicht viel um die Rücksichten der Humanität, und die Geschichte wohl jeder Kolonie beginnt mit Gewaltakten und Unterdrückung der Rechte der Eingeborenen. Seitdem die mächtig gewordene öffentliche Meinung laut ihre Stimme zu Gunsten der Menschlichkeit erhebt, seitdem man gezwungen ist, die Landkäufe und die Beschaffung von Arbeit auf ehrliche Weise abzumachen, rentirt sich das Anlegen neuer Plantagen nicht mehr wie früher, und nur auf jenen Inseln der Südsee steht der Handel in höherer Blüthe, auf denen der Kuli-Import noch in der Stille und unkontrolirt fortgetrieben werden kann.
Es ist eine interessante Erscheinung dort, dass die Eingeborenen auf ihren eigenen Inseln sich weigern, mehr als das Nöthigste zu arbeiten, dass sie aber als Kulis auf fremde Inseln versetzt, ganz gute fleissige Arbeiter werden.
Verwandt mit dieser Thatsache dürfte jene andere sein, dass auch der deutsche Handwerker, aus seinem heimathlichen Schlendrian in das frischere amerikanische Medium versetzt, nicht mehr billig und schlecht, sondern ausgezeichnet und jeglicher Konkurrenz gewachsen produzirt. Er bringt die besten Anlagen mit sich auf die Welt, aber im Sumpfe der Alltäglichkeit und des Herkömmlichen bleiben sie unentwickelt, die Zünftigkeit äussert ihren nivellirenden Einfluss und hält jede freiere Regung zum Besseren nieder. Gleichwie in der Entstehung der Arten, so spielt auch in der Kulturgeschichte der Menschheit Isolirung eine wichtige Rolle. Und erst wenn das Experiment der Isolirung zur Genüge angestellt ist, wird man im Stande sein, zu entscheiden, wie viel Berechtigung in dem oft gebrauchten Schlagwort von der Kulturunfähigkeit der sogenannten niedern Rassen steckt.
Die Zealandia kam pünktlich zur bestimmten Zeit von Sydney her eingelaufen. Schaarenweise ergossen sich die Passagiere ans Land. Jetzt wars aus mit der schönen Idylle. Glatt geschniegelte Gentlemen und geschminkte Ladies wohin man blickte. Auch der Kapitän, ein dicker kurzer aber sehr gravitätischer Herr, erschien in voller Uniform, einen Regenschirm unterm Arm, so dass er aussah wie der Amiral Suisse. Leider erfuhr ich die Veranlassung seines pompösen Auftretens zu spät, als sie bereits vorüber war. Es fand nämlich eine Gerichtsverhandlung gegen ihn und den Agenten statt. Er war beschuldigt auf einer früheren Fahrt mehrere Insulaner von Kandavu zur Ergänzung seiner theilweise desertirten Mannschaft nach San Francisco mitgenommen und sie zwar richtig wieder zurückgebracht aber nicht bezahlt zu haben. Jetzt wurde er genöthigt dieses Versäumniss nachzuholen. Als Gerichtssaal fungirte die grösste Laubhütte Wailevus, und um das Gericht abzuhalten, war eigens ein weisser Justice mit zwei Schreibern aus Levuka herübergekommen.
Wailevu gerade gegenüber liegt die kleine, palmengekrönte Insel Angaloa, grösstentheils das Besitzthum der Pacific Mail Steam Shipping Company, welche auch dort am Ufer ihre Office hat, was sehr unbequem ist, da man so nur mittels eines Bootes zum Agenten Mister Woods, dem ehemaligen Premierminister Thakombaus, gelangen kann. Ich fuhr hinüber um ihm, dem grossen Staatsmann einer interessanten Vergangenheit, mein Ticket zu zeigen und mich für die City of New York einschreiben zu lassen. Dann sah ich mich ein wenig auf dem Inselchen um. Hinter der Office ist ein lobenswerther Anfang von Spazierwegen den Hügel hinauf gemacht, und auf der entgegengesetzten Seite fand ich unten ein hübsches Dorf, in dem die Weiber eifrigst beschäftigt waren, Tapa zu klopfen, wahrscheinlich um sie noch zu Markt auf die Dampfer zu bringen. In einer tiefeinschneidenden seichten Bucht, deren Zusammenhang mit der See das prangende Grün eines Mangrovesumpfes versteckte, lagen mehrere Kanuus, und eine Menge von Hühnern und Schweinen gaben Wohlhabenheit kund. Das ganze Dorf ist gegen das Land mit einem Zaun umgeben. In einem schmutzigen Süsswassertümpel lag badend ein alter gebrechlicher Mann.
In Wailevu gab es von nun ab jeden Abend Kawagelage und Meke Meke für die Passagiere der Zealandia, welche auf die von Neuseeland her fällige City of New York warteten, um die Reise nach Osten fortzusetzen. Es scheint sich auf diese Art den Eingeborenen ein neuer Erwerbszweig zu entwickeln.
XVII
VON KANDAVU NACH HONOLULU
Gang der Reise. Abermals die schmähliche Knauserei der Pacific Mail Steam Shipping Company. Der Obersteward und sein Servirreglement. Die Aequatorkalmen. Die Passagiergesellschaft. Ausflüsse der Langweile. Zwei Bonzen englischer Rasse.
Erst am frühen Morgen des 6. August erschien endlich die City of New York die mich nach Honolulu bringen sollte. Sie hatte in Neuseeland an der Barre von Port Chalmers wieder Schwierigkeiten und Aufenthalt gehabt. Daher die Verspätung.
Ich verabschiedete mich von Herrn Kleinschmidt, dem ich so grossen Dank schuldig war, nahm ein Boot und schiffte mich ein, was leichter und schneller ging als ich in Anbetracht der vielen Passagiere, die mit Sack und Pack von der Zealandia herüberwimmelten, erwartete. Meine sieben Kisten wurden diesmal merkwürdiger Weise ohne jegliche Schikane untergebracht. Bald darauf dampften wir aus der Angaloa Bai, die schönen Palmenhaine und Wilden hinter uns lassend.
Wir gingen in einem weiten Bogen um die südöstliche Ecke der Vitigruppe herum und nahmen dann einen nördlichen Kurs. Hie und da sah man links die fernen Bergkonturen einer der Inseln. Zwischen Viti und Samoa zieht sich die Datumgrenze des Stillen Ozeans hin. Da wir nach Osten also gegen die Sonne fuhren, musste gleich hinter Viti ein Tag eingeschoben werden. Wir zählten zweimal den 6. August, welcher ein Sonntag war.
Es hiess, der Kapitän beabsichtige durch die Samoagruppe zu steuern. Wind und See wurden jedoch heftiger, so dass wir sie rechts liegen liessen. Am Morgen des dritten Tages, als ich noch schlief, sollte ein Stück davon in Sicht gewesen sein.
In der Nacht darauf passirten wir eine isolirte kleine Insel, welche die Offiziere Swains Island nannten, und auf welcher man ein Feuer bemerkt haben wollte. Dieses Feuer erwärmte die Phantasie der müssigen Passagiere zu den fabelhaftesten Geschichten. Selbstverständlich war das Inselchen von gräulichen Kannibalen bewohnt. Durch das Feuer dachten sie uns vielleicht zum Scheitern zu verlocken. Andere glaubten, dass dort ein Kriegstanz aufgeführt worden sei, und wieder Andere hatten vielleicht einen Menschen braten sehen. Von nun an bis Honolulu erblickten wir nicht die Spur eines Landes mehr, obwohl wir die Inselschaar Polynesiens mitten durchkreuzten.
Am 11. August hatten wir Mittags 48 Minuten nördlicher Breite. Wir hatten somit den Aequator kurz zuvor überschritten. Am 14. August stand die Mittagssonne ungefähr senkrecht über uns, und am Abend vor unserer Ankunft in Honolulu sah ich meinen alten nordischen Freund, den grossen Bären, wieder.
Die City of New York machte im Anfang einen besseren Eindruck als ihre vollständig gleichgebaute Schwester die City of San Francisco, mit der ich von Auckland gekommen war, vielleicht blos deshalb, weil keine Mongolen sondern Weisse und Neger sowie Mischlinge beider in der Kajüte bedienten. Es dauerte indessen nicht lange, bis auch hier aus allen Dingen die kleinliche Sparsamkeit der Pacific Mail Steam Shipping Company guckte, welche auf der australischen Linie schlechte Geschäfte macht.
Das Matrosenvolk zählte kaum zwanzig Köpfe und bestand nur aus Chinesen, die mit einem eigenthümlich schrillen Geheul und mit nervöser Hast an den Tauen rissen. Es scheint etwas Unruhiges und Zappeliges in der Mongolennatur zu liegen. Die Heizer waren natürlich auch nur Chinesen, lauter echte, niederträchtig hässliche Sklavengestalten. Diese Mongolen mögen ganz brauchbare Lastthiere sein, als Matrosen aber erwecken sie kein Vertrauen. Im Fall eines Unglücks werden sie sich stets als feiges, jeder Ehre und jeden Pflichtgefühls baares Gesindel zeigen, was erst unlängst die Strandung eines Dampfers der Pacific Mail an der peruanischen Küste glänzend bewiesen hat.
Die Mahlzeiten waren eben so schlecht und ungenügend wie auf der City of San Francisco. Auch hier beherrschten die kleinen amerikanischen Schüsselchen mit lauter Nichtschen darauf das Menü. Man erreichte sein Verlangen den gesunden Seeappetit zu stillen nur selten. Die ganze Gesellschaft blickte auch hier oft gierig Tafel auf Tafel ab, wo noch etwas zu erhaschen sein möchte, und feindliche Gesinnungen entwickelten sich in diesem Kampf ums Dasein.
Es wurde kein Eis zum Getränk verabreicht. Wir mussten mit warmem, nicht selten unfiltrirtem, trübem und rostigem Wasser dem mit steigender Hitze anwachsenden Durst gerecht zu werden suchen. Um diese schmähliche Knauserei in der Verpflegung, die sich »erster Klasse« nannte und auf den Programmen der Agenten bombastisch gepriesen wurde, gebührend zu würdigen, ist zu betonen, dass wir unter amerikanischer Flagge fuhren, und dass nach amerikanischen Begriffen Eis zu den gewöhnlichsten Bedürfnissen selbst des Aermsten gehört. Ich glaube nicht, dass durch solch peinliches Sparsystem die Verluste der Kompagnie merklich erleichtert wurden. Ich wünsche ihr im Interesse des Verkehrs alles mögliche Gute. Aber eine volle Passagierzahl möchte ich ihr niemals wünschen. Dies wäre inhuman. Obgleich noch etwa ein Viertel der Kabinen unbesetzt war, hatten wir schon genug an Raumbeschränkung zu leiden.
Wie ganz anders ist es dagegen auf den Atlantischen Postdampfern, mit denen sich diese Pacifischen überhaupt in keiner Weise vergleichen lassen. Wir legten niemals 300 Seemeilen in einem Tage zurück trotz des günstigsten Wetters, und was wir durch den Passat an Segelkraft gewannen, wurde gleich wieder an den Kohlen gespart. In den Kalmen machte sich das bedeutende Obergewicht des hoch aus dem Wasser ragenden Schiffes empfindlich geltend, indem es scheinbar ganz unmotivirt niemals aus einem langweiligen trägen Hin- und Herrollen kam, so dass es viel Seekrankheit gab bei einer so ruhigen glatten See, wie man sie auf dem Nordatlantik selbst im Sommer selten sieht. Eine Winterfahrt in jenen rauhen Gewässern würde unser Steamer wohl kaum mit heiler Haut überstanden haben.
Wenn auch die weissen, halbweissen und schwarzen Aufwärter im Salon nichts an Diensteifer zu wünschen liessen, so war doch niemals Ordnung und System bei Tisch. Der ganze Salon war voll, und Streitigkeiten um die Plätze hörten mehrere Tage nicht auf. Der Obersteward, ein brutaler tyrannischer Quarderone, that was er wollte. Er kujonirte seine Untergebenen in der schauderhaftesten Weise, ohne den Passagieren damit zu nützen, und hatte ein raffinirt militärisches Reglement des Servirens eingeführt, welches jedoch nur durch seine komische Seite uns zu Gute kam.
Alle Bewegungen des Personals wurden durch Glockenschläge dirigirt. In der Mitte des Buffets stand wüthend die Augen rollend der Feldherr und lenkte die Schlacht. Erster Glockenschlag – die Aufwärter ergreifen jene ominöse Menge von Schüsselchen und stellen sich in zwei Reihen auf. Zweiter Glockenschlag – sie setzen sich in Bewegung und marschiren jeder an seinen Tisch. Dritter Glockenschlag – sie beugen sich vor und erwarten ängstlich schwitzend den vierten Glockenschlag – der ihnen gestattet, sich ihrer Last zu entledigen. Die Theilung der letzten zwei Momente durch eine längere Pause war ein sehr beliebter Scherz jenes Viertelsnegers, und gewöhnlich schüttelten uns dabei die durch die unbequeme Stellung, das Rollen des Schiffes und die Hitze gequälten Opfer seiner Laune einen förmlichen Schweissregen in unsere Teller. Was für elende Subjekte mussten diese Stewards sein, dass sie sich Solches gefallen liessen.
Wir hatten Viti unter Regen und drückender Treibhausschwüle verlassen, dann waren einige schöne, lachende Passattage gekommen, und jetzt unter der Linie litten wir abermals an unerträglicher Hitze und Dunstigkeit. Bleifarbene Wolken bedeckten den Himmel, und bleifarben wogte schwerfällig die See. Das Schiff hörte niemals zu rollen auf, und öffnete man im Salon ein Fenster, flugs leckte gurgelnd eine Welle herein, begoss die Nächstsitzenden und nöthigte die Ladies zu einem Schrei des Entsetzens. Nie ist mir das Reisen saurer geworden als damals.
Nicht einmal die Wohlthat eines erquickenden Bades konnte man auf dieser City of New York geniessen. Die Badezimmer empfingen von dem hinter ihnen durchgehenden Maschinenraum so viel Hitze, dass sie unübertreffliche Schwitzkästen waren. Die einzige Möglichkeit sich abzukühlen bestand darin, dass man vorn an der äussersten Spitze des Deckes den Wind, welchen die Fahrt des Schiffes selbst erregte, an sich heraufströmen liess.
Dort fehlte es auch sonst nicht an allerlei Unterhaltung. Jede Minute scheuchten wir fliegende Fische auf, die rechts und links aus dem Wasser emporschwirrten und über die nächsten Wellen undulirend dahinflogen, stets in der Haltung eines Vogels, der sich niedersetzen will und um den Flug zu hemmen die Flügel nach vorne stemmt. Oder es kamen lange Züge von Tümmlern herangewälzt, begleiteten ein paar Stunden das Schiff und setzten dann wieder ihre ursprüngliche Richtung weiter.
Ich that einen glücklichen Griff, indem ich mir statt einer der überfüllten aber nobleren Kabinen unten im Salon die vorderste oben gleich neben der Küche und den Vieh- und Hühnerställen geben liess, und zwar rechts auf der Windseite. Es waren sechs Kojen darin, ich bekam aber nur einen einzigen Genossen, einen jungen Kaufmann aus Levuka, der die unschätzbaren Vorzüge hatte, des Morgens die Kabine sofort für den ganzen Tag zu verlassen, nicht seekrank zu sein und nicht einmal zu schnarchen. An Ventilation war hier kein Mangel. Der frische Passat strömte direkt zur Thüre und zu den Fenstern herein, so heftig, dass Handtücher und Vorhänge wild zu flattern begannen, wenn man sie öffnete. Und während die Passagiere der Leeseite und der unteren Kabinen rathlos schwitzten oder auch die Nächte auf Deck zubrachten, hatten wir stets den schönsten kühlenden Luftzug, wenn wir im Bett lagen. Ich hatte diesen Raum gewählt, um ungestört arbeiten zu können. Aber die besten Vorsätze mussten an den Schwierigkeiten der Umstände scheitern. Der Waschtisch mit den zwei hohlen Waschbecken war ein sehr unbequemes Schreibpult, und das mühselig angefertigte Manuskript fiel häufig ins Waschwasser oder flog nach allen Richtungen auseinander, sowie die Thüre aufging.
Als die äquatorialen Stillen kamen, machte sich allerdings die Nähe des lebenden Proviants und anderer Dinge empfindlich bemerkbar. Von links stanken die Ochsen und Schafe, von der Front das Geflügel, von rechts die Küche und von allen Seiten die Chinesen, die Zwischendecker und die Maschine. Die Chinesen hatten hier nicht ihr eigenes Logis, sondern schliefen vorne neben den Ankerketten in Hängematten oder auf dem Boden. Den ganzen Tag lagen dort ihre nackten, ausgemergelten, leichenartigen Körper herum. Ein mitleiderregendes Schauspiel boten die nicht oft genug gereinigten Käfige der Hühner, Enten, Gänse und Puter, die am stärksten von der Hitze litten, und es war kläglich anzusehen, wie sie eng zusammen gesperrt nach den Gittern drängten um Luft zu schnappen.
Deutsche Landsleute fehlen bekanntlich nirgends auf der Erde. Ich fand mich bald mit einem solchen, welcher zugleich Kollege war, zusammen. Er hatte auf den Philippinen als Augenarzt praktizirt und ging nun nach Peru, wo er in Goldminen interessirt war. Wir beide und zwei Franzosen, die von Neukaledonien kamen, bildeten eine intimere Tischgesellschaft zum Kampf ums Dasein gegen die Nachbarn. Auch im Waitemata Hotel zu Auckland hatte ich vorzugsweise mit zwei Franzosen verkehrt. Trotz der politischen, künstlich gemachten Gegensätze werden eben Deutsche und Franzosen sich von einander stets in höherem Grade angezogen fühlen als von den wenig liebenswürdigen Engländern, der steifsten exklusivsten Rasse der Erde. Dreht einem nicht schon jeder kleine englische Balg, den man ob seiner Wohlgestalt freundlich betrachtet, kaum dass er krabbeln kann, hochmüthig und naserümpfend den winzigen Hintern zu, als ob er sagen wollte: »Du bist mir nicht vorgestellt«. Die beiden Franzosen waren recht liebenswürdige Leute, aber entsetzlich ungelehrt und voller naiver Fragen. Wenn sie wissbegierig wurden, wurden sie unangenehm. Denn sie wussten von Gottes grosser Welt schauderhaft wenig. Warum das Englische anders ausgesprochen werde, als das Französische, warum es hier wärmer sei als in Paris, warum man das Seewasser nicht trinken könne, solche und andere Dinge mehr gaben sie uns zu beantworten. Sie verstanden fast kein Wort Englisch, hatten auch wohl nicht übermässig viel Geld auszugeben und wollten allein durch Amerika reisen. Wie es ihnen dort wohl ergangen sein mag.