Kitabı oku: «Reise durch den Stillen Ozean», sayfa 29
Wir segelten bereits ganz dicht an der Brandung von Maui entlang, als mit einem mal der bisher so günstige und frische Wind aufhörte und tödtliche Stille eintrat.
Es war wie eine Strafe für die unzüchtigen Gespräche und Geberden des Kapitäns, womit er uns zu unterhalten suchte. Erst hatte er uns die Bewegungen des Hula Hula mit all seinen scheusslichen Feinheiten vorgemacht, dann über die Frauenzimmer des frommen Kohala geschimpft, die nichts mehr davon verstehen wollten, und dagegen die Mädchen seines Dorfes gepriesen, die darin noch sehr bewandert seien. Dies war auch in so fern höchst interessant, als er dabei die teuflischesten Grimassen schnitt, deren das Teufelsgesicht eines solchen obszönen und lasziven Kanakas überhaupt fähig ist, wenn er von Weibern spricht. Die Mannschaft hatte ihm jubelnd Beifall geklatscht. Jetzt da sie wieder rudern mussten, legte sich ihre Heiterkeit. Sie arbeiteten faul und verdrossen an den Riemen und benutzten jeden Vorwand, um sich eine Pause zu gönnen. Bald zog einer zur Erleichterung sein Hemd aus, ein anderer zog es wieder an, bald bewunderten sie die Pracht des aufgehenden Mondes und hörten deshalb insgesammt zu rudern auf, oder sie kauten an langen Zuckerrohrstangen, und schliesslich fing einer an das Abendgebet vorzubeten, und alle entblössten ihr Haupt und falteten die Hände und sahen nun so fromm und andächtig aus, als ob sie niemals gezotet hätten.
Wir schliefen ein, und als ich erwachte schlief auch die ganze Mannschaft und schnarchte. Senkrecht über uns stand der Vollmond und goss sein mildes Licht über die leise wogende See, über unser langsam auf- und niederschwebendes Boot und über die nahen Felsgründe des Haleakala. Eine zauberhafte Stille lag ringsum auf der Umgebung, kein Lüftchen regte sich, schüchtern gluckste das Wasser unter dem Kiel. Es war eine äusserst poesievolle, aber auch etwas gefährliche Situation. Auf allen Seiten drohten Klippen mit heftiger Brandung, und wir trieben gerade im Fahrwasser des Dampfers, der ja doch mittlerweile ausgebessert sein und den Dienst wieder aufgenommen haben konnte.
Eine Weile genoss ich noch die Schönheit der Nacht und der Umgebung, dann weckte ich die Schläfer und trieb sie zur Arbeit an. Hie und da fächelte uns ein leiser Zephyr die Wangen, und gleich hörten wieder die Kanakas zu rudern auf und setzten das Segel, um es bald wieder wegnehmen zu müssen.
So kamen wir langsam vorwärts, bis die niedrige flache Lücke zwischen dem Haleakala und dem westlichen Gebirgsstock von Maui erreicht war, durch welche der Passat ungehemmt herüber weht. Nach Sonnenaufgang hatten wir diese und den schönen Wind hinter uns und abermals Stille. Die Hitze wurde drückend. Am Ufer kam gerade eine grüne Oase in Sicht, vor welcher eine zahlreiche Gesellschaft mit Fischen beschäftigt war. Wir beschlossen hier zu landen um unser Frühstück statt in dem schaukelnden Boot auf festem Boden zu verzehren.
Etliche Mädchen rannten nach ihren Hemden als wir uns näherten, und ein paar Männer wateten dienstfertig uns entgegen, packten das Boot und leiteten es durch die Klippen, welche aus dem sandigen Grunde hervorragten. Das Boot stiess fest, und wir sprangen ans Ufer. Die liebenswürdigen Insulaner hatten bereits eine Menge kleiner kaum fingerlanger Fische gefangen und in Töpfen über einem prasselnden Feuer gekocht. Wir setzten uns in den spärlichen Schatten der nächsten Palme und theilten unsere gepöckelten Austern, unseren Schinken und unseren Zwieback mit ihnen, wogegen sie uns von ihren sehr wohlschmeckenden Backfischchen gaben. Wir waren bei diesem famosen Picknick zweifellos im Vortheil, wenn auch unsere selteneren Artikel bei jenen die grössere Freude hervorriefen. Trotz des strengen königlichen Verbots liessen wir auch an unserem Whisky nippen, der den meisten noch neu zu sein schien und ein schauerlich wollüstiges Grinsen abzwang.
Wir baten die braunen Freunde, ihre Methode des Fischens zu zeigen, und sie gingen ins Wasser, die Männer bis auf den Maro nackt, die Weiber jetzt mit ihren Hemden bekleidet. Unter Kanakas pflegt das zarte Geschlecht sich weniger zu geniren und fischt sehr oft ohne alle Gewandung. Männer jedoch habe ich niemals ohne Maro gesehen. Ein grosses Netz wurde von zwei Jungen auf dem Grunde ausgebreitet und an den Zipfeln gehalten. Die übrige Schaar formirte einen weiten Kreis und trieb, mit Armen und Beinen plätschernd, die Fische über das Netz zusammen, welches schliesslich, rasch emporgezogen, jedesmal eine reiche zappelnde Beute gewährte.
Schon gleich im Anfang war mir ein schöner, stattlicher Mann aufgefallen, der das Haupt der Gesellschaft sein musste. Scharfe, intelligente Züge, ein wohlgepflegter Henriquatre und sorgsam gescheiteltes Haar gaben ihm den Typus eines eleganten französischen Gendarmeriebrigadiers. Er sprach fliessend Englisch und hatte viel natürliche Kourtoisie in seinem Benehmen. Auch er war nackt bis auf den Maro und entpuppte sich als Zeitungskorrespondent. Bei unserer Ankunft war ein Reiter zugegen gewesen und rasch ins Innere abgesprengt. Nun kam dieser zurück, einen Bogen Papier und einen Bleistift in der Hand, und jener feine wohlfrisirte Kavalier richtete höflich an uns das Ersuchen, ihm unsere Namen zu notiren, er schreibe Berichte an die in Honolulu erscheinende hawaiische Zeitung, und er könne ihr das wichtige Ereigniss unserer Landung bei ihm nicht vorenthalten. Mit Vergnügen willfahrten wir diesem interessanten Mann der Presse.
Drei Stunden später näherten wir uns, von einer plötzlich aufgesprungenen munteren Brise vorwärtsgetrieben, der Hauptstadt der Insel Maui, Lahaina, wo wir abermals ausstiegen.
Lahaina hat vielleicht 500 Einwohner und liegt auf einer grünen Zunge, die sich aus wüsten und kahlen Höhen in die See herausstreckt. Die Häuser sind klein und malerisch unter Palmen und Bananen verborgen. Vorne am Hafen steht in der Sonnenhitze ein alter Thurm und ein grösseres Regierungsgebäude. Wir wollten Wassermelonen kaufen und Kaffe trinken. Da es hier zwar mehrere chinesische Speisespelunken aber kein Hotel giebt, so wurden wir von einem sehr artigen städtisch gekleideten Kanaka, der nebst einer Menge Neugieriger uns bewillkommnend herbeieilte, zum Bäcker des Ortes geführt, welcher einer der wenigen ansässigen Weissen war. Diese Hawaiier sind alle von der grössten uneigennützigsten Zuvorkommenheit.
Das Erste was ich erblickte, als wir beim Bäcker eintraten, war das Porträt Ludwigs II. von Baiern, ein Holzschnitt aus irgend einer illustrirten Zeitung, welcher an der Wand klebte. Ich befand mich in dem Hause eines engeren Landsmanns, der alsbald dick und schwerfällig, eine echt baierische Bäckergestalt, aus dem Hintergrund sich hervorwälzte.
Wie sein Name hiess, weiss ich leider nicht mehr. Es war schwer aus dem alten, schweigsamen Kauz etwas herauszubringen. Deutsch oder vielmehr Baierisch hatte er theilweise vergessen, Englisch wohl nie recht gelernt, obgleich er früher in Kalifornien Gold gegraben. Mit dem Hawaiischen, dem Idiom seiner Gattin, gings vielleicht besser, Hawaiisch aber verstand ich nicht. Er begriff erst nach einiger Zeit, dass ich aus München sei, erinnerte sich langsam, dass auch er einmal dort gewesen und sogar noch Verwandte dort habe. Allmälig thaute er auf und zeigte mir einen Brief seiner Schwester, der schon mehrere Jahre alt war, und frug mich, ob ich sie nicht vielleicht kenne, sie habe früher beim Lotzbeck gedient, der den vielen Schnupftabak mache. Ich schrieb mir die Geschichte in mein Notizbuch, und als ich später einmal in München von den Sandwichinseln sprach, wurde mir von jener Köchin erzählt, die nun todt ist, und deren Kinder vor Kurzem über das Meer gegangen sind, um ihren Onkel den Bäcker von Lahaina aufzusuchen und sein Geschäft zu übernehmen. Denn seine Ehe ist ohne Frucht geblieben.
Nachdem wir Kaffe und eine heimliche unerlaubte Flasche Bremer Bier von derselben Sorte wie auf dem Vulkan Kilauea getrunken, schüttelten wir dem Landsmann die Hand und fuhren wieder ab.
Wir hatten eben etwa zehn Minuten gerudert und auf die Langsamkeit unserer Reise geschimpft, da kam unerwartet schnell viel mehr Wind als wir brauchten. Der Kanal zwischen den Inseln Maui und Molokai öffnete sich, der Passat fegte stürmisch darüber hin, die Wogen gingen höher und höher und warfen unser Boot auf und nieder, dass es verdächtig in unserer zweifelhaften Takelage krachte. Ueberall war die See weiss von dem Gischt der Wellenkämme. Hoch empor schäumte das Wasser vorne am Steven, grobe Sprühregen über uns giessend, und nach links und nach rechts gierte das Boot unter dem Druck des Steuers, welches nun der Kapitän ergriffen hatte. Der sonst so laszive Kerl musste mir jetzt imponiren. Er bot das schönste Bild eines entschlossenen, scharf nach allen Vortheilen spähenden Mannes, der mit den Elementen um sein und unser Leben kämpfte. Mit grosser Geschicklichkeit verstand er, den höheren Wellen auszuweichen, und oft furchte sich besorgnissvoll seine Stirne. Die Fahrt wurde bedenklich. Bats und ich, wir sprachen kein Wort, jeder von uns fühlte vielleicht etwas wie Reue über unser Wagniss. Ich wusste nicht, sollte ich wünschen dass das Segel aushielt und uns nach Honolulu brachte, oder dass es lieber reissen und uns dadurch vom Kentern bewahren möchte. Vorne auf den schräg ansteigenden Sandflächen des Ufers von Molokai zeigten sich zuweilen eigenthümliche Säulen wie von Rauch oder Sand, die sich fortbewegten, und ich erinnerte mich gelesen zu haben, dass hierzulande Windhosen ziemlich häufig seien. Waren es solche, und geriethen wir zufällig in ihr Bereich, so hätten sie uns wahrscheinlich nicht lange am Leben gelassen. Wir behielten sie sorgsam im Auge, aber sie verschwanden je mehr wir uns näherten. Der Himmel war seltsam düster. Eine blauschwarze Bank stieg über Molokai auf, rostrothe geballte Wolken flogen vor ihr her und bildeten einen grellen Gegensatz zu ihrem unheimlichen Dunkel.
Nach vier ziemlich unangenehmen Stunden endlich, während deren kaum ein Laut geäussert wurde, höchstens dass unsere Mannschaft zuweilen Rufe ausstiess, als ob sie die Wogen beschwören wollte, kamen wir unter Land, in ruhigeres Wasser und mässigeren Wind. Wir athmeten erleichtert auf, und sofort begann beim Kapitän auch wieder die Laszivität. Er übergab das Steuer und holte wieder die Hula Hula-Rassel hervor, um zu rasseln und zu singen und unzüchtige Geberden zu machen.
Noch hatten wir den breitesten Kanal offener See zwischen Molokai und Oahu zu bestehen, ehe wir in Sicherheit waren. Wir erreichten diesen, als eben die Sonne unterging, und jenseits des Abendrothes der Vollmond glühend emporstieg. Der Wind war hier nicht mehr so heftig. Die See ging zwar hoch, aber nur wenige Schaumkämme zeigten sich auf den Wellen. Trotz der herrlichen Mondnacht konnten wir unser Ziel, die fernen Massen der Insel Oahu, welche Gewölk überlagerte, nur eben noch erkennen. Endlich hellte es vorne ein wenig auf, und die kahlen Wände von Diamond Head traten deutlicher vorne als Richtpunkt heraus, immer höher und höher rückend. Eine Viertelstunde nach der anderen verging, wir glaubten Diamond Head greifen zu können, und immer noch war es fern und wollte nicht näher kommen, obwohl wir nicht weniger als sieben Meilen die Stunde segelten. Ich werde diesem Wahrzeichen von Honolulu, das wir müde der gewagten Fahrt so heiss herbeisehnten, nie vergessen, wie es uns damals neckte.
Nachts um Ein Uhr kamen wir glücklich nach Honolulu, nachdem wir bei Waikiki uns noch eine Weile zwischen den Riffen verirrt hatten. Wir lauschten und hörten einen einsamen Kanaka in seinem Kanuu dem Ufer entlang rudern, wir riefen ihn an, und er brachte uns wieder auf den richtigen Weg, ohne dass wir ihn erblickten. Kurz vorher war ein grösseres Fahrzeug mit einem rothen Licht weit draussen in Sicht gewesen, welches nur der Dampfer Kilauea sein konnte. Er war also doch nicht zu Grunde gegangen.
Tiefe nächtliche Ruhe lag über den Schiffen des Hafens, als wir dem Kai zuruderten. Ein Posten rief uns an, woher wir kämen und ein »Oh« des Erstaunens entschlüpfte ihm, als wir »von Hilo« antworteten. Der ganze Zauber einer tropischen Mondnacht erfüllte die stillen Strassen und Gärten Honolulus. Ferne schmachtende Gesänge liessen sich leise vernehmen, und ein Liebespaar, blumenbekränzt und eng umschlungen, sie den Arm um seine Hüften und er um ihren Hals, wandelte schwebenden Schrittes nach Hause, als wir dem Hotel zustrebten, um den Wirth aus dem Bett zu trommeln.
Der Kilauea war wirklich nicht zu Grunde gegangen, er hatte nur einen Sprung in seinen alten Kesseln erlitten und nach dessen Reparatur den Dienst wieder aufgenommen. Drei Tage später brachte er unsere Reisegenossen, die in Kohala geblieben waren. Wir beide, Bats und ich, hatten somit viel Geld und Wagniss umsonst geopfert. Die Verwaltung des Kilauea gab uns indessen die Hälfte des bereits vorausbezahlten Dampferfahrgeldes zurück, übernahm unentgeltlich die Rückbeförderung unseres Walbootes nebst Mannschaft, wozu sie durchaus nicht verpflichtet gewesen wäre, und lieferte damit ein Beispiel seltener Anständigkeit, die man von europäischen oder amerikanischen Dampfergesellschaften wohl niemals erwarten dürfte.
XXII.
LETZTE TAGE IN HONOLULU
Das Walboot und der Stadtklatsch der Honoluluianer. Audienz beim König. Festliche Zurüstungen. Bad im Kapena. Tanzvergnügen. Der Deutsch-englische Klub. Besuch verschiedener Kirchen. Die Missionäre.
Den nächsten Tag wusste ganz Honolulu um unsere Bootfahrt. Alles wunderte sich und staunte uns an. Wir kamen in die Zeitung, und im Hotel und auf der Strasse frugen die Leute uns unaufhörlich, ob es nicht furchtbar gefährlich gewesen sei. Kamehameha der Grosse hat eine starke Armee auf gebrechlichen Kanuus von einer Insel zur anderen gebracht, die jetzige Generation ist durch Dampfer und Schuner schon so verweichlicht, dass sie vor solchem Wagniss zurückschreckt.
Wir und das Walboot wurden das stehende Thema und wir wurden nervös, von nichts als von dem Walboot zu hören. Wir besuchten einen Beamten im Governementsgebäude und sahen bei ihm zum ersten mal eine amerikanische Schreibmaschine. Bemüht uns gefällig zu sein setzte er sich sofort an das Instrument und fingerte in die Tasten: »These Gentlemen have come in an open Waleboat from« – wir hatten genug von seinen Künsten und dankten. Als wir bald darauf dem König Kalakaua vorgestellt wurden, war das Walboot wieder das Erste, wovon Seine Majestät sprach. Die Fama knüpfte indess an dieses Thema weitergehende abenteuerliche Geschichten. Ein Herr der mich nicht kannte erzählte mir bei Tisch allen Ernstes, es seien in der gestrigen Nacht zwei Europäer unter sehr verdächtigen Umständen gelandet und von der Polizei in Gewahrsam genommen worden, und bei den Eingeborenen galten wir für Parteigänger der Königin Emma, der halbweissen Wittwe Kamehamehas IV., welche viel Sympathien geniesst und deren Rehabilitirung von den Gegnern des jetzigen Königs noch immer gehofft zu werden scheint. Es war mehr als ermüdend, von nichts anderem als von dem Walboot und all den Versionen darüber reden zu hören. Honolulu ist eben eine richtige Kleinstadt, und da es keine telegraphische Verbindung mit der übrigen Welt hat, müssen sich die Leute dort von einem Schiff zum anderen mit dem Lokalklatsch unterhalten.
Dank der Zuverlässigkeit des Nordostpassats gibt es zwischen Honolulu und San Francisco noch eine vierwöchentliche Post per Segelschiff, welche meist in der Mitte zwischen zwei Dampferposten eintrifft. Zum Glück erschien am zweiten Tage eine solche und brachte nebst Briefen auch einige Blatternfälle, die uns als Unterhaltungsstoff ablösten.
Der König hat zwei Schwestern, welche beide an englische Kaufleute verheirathet sind. Die eine heisst Missis Dominis, die andere Missis Gleghorn. Nachdem mittlerweile der zwanzigjährige Kronprinz gestorben, ist Missis Dominis präsumptive Thronfolgerin geworden und ihr Mann, der einen Laden für Alles in Honolulu hat, präsumptiver Prince Consort. Der Hof mischt sich hier überhaupt sehr demokratisch mit den bürgerlichen Elementen. Ich lernte zum Beispiel einen jungen Amerikaner kennen, der bei feierlichen Gelegenheiten als Flügeladjutant in goldgestickter Uniform mit breiter Schärpe, Degen und Generalshut neben Majestät reitet, an gewöhnlichen Wochentagen aber als Komptorist bei einer grösseren Firma beschäftigt ist.
Mister Gleghorn hatte die Güte, uns bei seinem königlichen Schwager einzuführen. Wir warfen uns in schwarzen Anzug, obwohl dies eigentlich gar nicht nothwendig gewesen wäre, und betraten das Innere der grossen Residenzmauer durch eines der vier Thore, hinter welchem ein Gardesoldat auf Posten stand und vor Mister Gleghorn, der sein zwangloses Ladenzivil trug, das Gewehr präsentirte. Durch eine schattige Allee gelangten wir zu mehreren niederen anmuthigen Gebäuden im Verandastyl, wo abermals ein Gardist aber ohne Gewehr stand und die Hand salutirend an die Mütze legte.
Im Hintergrunde erschien eine auffallend hübsche Kammerzofe oder Prinzessin oder Favoritin, guckte uns neugierig an und verschwand sogleich wieder. Ein kokettes, schiefsitzendes Watteauhütchen beschattete das braune Gesichtsoval, die grossen glühenden Augen und das blauschwarz herabquellende Haar, ein leichtes Hemd flatterte um ihren klassischen Körper, und leicht und barfüssig tänzelte sie geschmeidig vorbei. Es war die hinreissendste Kanakin, die wir jemals gesehen. Leider währte die holde Erscheinung nur einen Augenblick. Mister Gleghorn hatte den Kämmerer geholt, und dieser, ein alter Mann vom Typus eines deutschen Schlosskastellans und ehemaligen Unteroffiziers, führte uns in das Empfangszimmer des Königs. Kaum hatten wir uns in dem elegant tapezierten und möblirten Gemach umgesehen, als Seine Majestät eintrat.
Folgendermassen lautet das Signalement Kalakauas. Haare schwarz, gekräuselt und links gescheitelt, Schnurrbart, Kotelettes und Mücke, ausrasirtes Kinn, Lippen voll, Nase voll und etwas gebläht, Augen dunkelbraun und mandelförmig geschlitzt, Gesicht breitknochig, Farbe ein sattes Hellbraun. Er ist ein grosser und starker Mann mit mehr gutmüthigen als geistvollen Zügen, und war von Kopf bis zu Fuss in blendendes Weiss gekleidet wie ein echter Amerikaner des Südens. Er reichte uns echt amerikanisch die Hand zum Grusse, während wir vorgestellt wurden, dann nahmen wir Stühle aus Strohgeflecht und setzten uns alle vier um einen runden Tisch. Kalakaua sprach langsam aber vollkommen fliessend und korrekt Englisch und benahm sich als tadelloser Gentleman.
Das erste Thema war auch hier unsere Fahrt von Hilo in dem Walboot, das zweite der altersschwache Kilauea und die Nothwendigkeit eines neuen Dampfers, welche Majestät betonte, vielleicht um zu zeigen, dass Sie das Regieren verstehe, die Bewunderung Ihres schönen Landes und unser Bedauern es bald verlassen zu müssen das dritte. An diese reihten sich die Schwimmkünste Ihrer Unterthanen, Haifische, die Unfreundlichkeit unserer Heimath und der kalte Winter des Nordens. Ich frug, ob Majestät jemals schon Schnee und Eis auf den Strassen gesehen habe, und Sie versicherte fast beleidigt über meinen Zweifel, einen ganzen Winter in New York und anderen Städten des amerikanischen Ostens zugebracht zu haben. Und als Bats frug, ob Majestät nicht auch einmal Europa besuchen wolle, zuckte Sie lächelnd die Achseln wie um zu sagen: »Ich möchte wohl, aber Ich habe kein Geld«.
Jedenfalls würde sich Kalakaua an europäischen Höfen anständiger und ebenbürtiger aufgeführt haben, als jener Schah von Persien, der überall Spuren seiner unsauberen Gewohnheiten zurückliess. Ich erinnerte mich jetzt, dass ich damals selbst in Amerika war und alle Witzblätter voll von Menschenfresserkarrikaturen des Hawaiischen Potentaten fand, desselben, den ich nun als vollendeten Gentleman kennen lernte. Ueber seine Regentenweisheit wird allerdings in Honolulu viel geschimpft. Aber wo auf der Erde geschieht dies nicht? Beachtenswerth war mir namentlich eine Aeusserung, welche er über die oft in Reisebeschreibungen aufgetischten Wasserkämpfe der Eingeborenen mit Haifischen machte. Er sagte, dass er solche Geschichten nicht glaube, und wahrscheinlich verhält es sich hiermit wie mit vielen anderen Mährchen, die wir den Seeleuten verdanken.
Nach diesem interessanten Besuch, den wir eigenmächtig beendeten, ohne des Königs gnädiges Zeichen hierzu, das er vielleicht nie gegeben hätte, abzuwarten, benützten wir die Gelegenheit, das Innere des grossen ummauerten Residenzblocks zu rekognosziren. Ausser ein paar schattigen Alleen und den Anfängen von Gartenanlagen war kein besonderer fürstlicher Schmuck zu bemerken. Am anderen Ende eines grossen viereckigen Platzes war man mit dem Aufschlagen von Gerüsten und Dekorationen für ein grosses Freudenfest beschäftigt, welches gegeben werden sollte, sobald die offizielle Bestätigung des Handelsvertrages mit den Vereinigten Staaten eingetroffen sei. Ein riesiges Wappen des Hawaiischen Königreiches wurde eben festgenagelt.
Ins Hotel zurückgekehrt kleideten wir uns um und fuhren dann das Nuuanu-Thal hinauf, um beim Kapena-Wasserfall zu baden. Der Kapena, ein Nebenbach des Nuuanu, hat hier hinter dem Mausoleum einen kleinen aber in der Mitte ziemlich tiefen Tümpel ausgehöhlt, aus dessen Rand ein etwa 15 Meter hoher senkrechter Felsen emporragt. Von dieser bedeutenden Höhe herab ins Wasser zu springen ist die Lieblingsunterhaltung der vielen Jungen und Mädchen, die sich fast beständig dort schreiend herumtreiben. Die kleinen Körper zittern und biegen sich deutlich, wie von der Gewalt des Sprunges erschüttert, während sie hinunter stürzen. Dabei ist die genügende Tiefe so eng begrenzt, dass sie sich oben kräftig abschnellen müssen, um in dem richtigen Bogen gerade das Zentrum zu treffen. Springen sie zu kurz oder zu weit, so zerschellen sie an den zahlreichen scharfkantigen Klippen der seichteren Stellen.
Nach dem Bade liessen wir uns an Bord des englischen Kanonenbootes »Myrmidon« übersetzen, dessen Offiziere wir im Honolulu-Klub kennen gelernt hatten. Ich wollte danach auch der gleich nebenan liegenden amerikanischen »Lackawanna« einen Besuch machen, aber mein Gefährte Bats hielt es für unvereinbar mit seinen britischen Gefühlen, einen Yankee zu betreten, und so fuhren wir wieder nach Honolulu zurück.
Am Abend folgten wir der Einladung einiger ansässigen Weissen und besuchten mit ihnen ein Tanzlokal für die eingeborene Jugend in Kapalama, in welchem aber nicht etwa Hula Hula sondern nur europäische Tänze geübt werden. Die braunen Mädchen waren alle so schüchtern gegen uns, dass wir bald wieder weggingen, um die armen Dinger nicht länger in ihrem Vergnügen zu stören.
Die kurze Zeit, die uns noch auf Hawaii zu verleben vergönnt war, schwand uns aufs Angenehmste in Gesellschaft deutscher und englischer Landsleute. Im Honolulu-Klub, in welchem diese beiden Nationen sehr kordial zusammenleben, gab es für mich eine Menge Zeitungslektüre nachzuholen. Aus der Kölnischen Zeitung entnahm ich mit grosser Genugthuung, dass im Deutschen Reich mittlerweile die Kulturepoche des Kri Kri und des geschundenen Raubritters angebrochen war.
Um auch den wichtigen Faktor der Religiosität, der in der Geschichte des Hawaiischen Inselvölkchens eine so grosse Rolle spielt, nicht zu vernachlässigen, besuchte ich eines Sonntags verschiedene Kirchen. Das Glockengebimmel hatte den ganzen Morgen nicht aufgehört und erinnerte sehr an erzkatholische Städtchen bei uns, nur dass es aus lauter Diskantstimmen zusammengesetzt und kein einziger tieferer Ton darunter zu hören war.
Von nah und fern strömten Fussgänger, Reiter und Wagen zum Gottesdienst heran, und um alle Bäume vor den Kirchthüren waren Pferde gebunden. Vornehme hawaiische Damen wandelten, stolz das Haupt erhoben und mit unübertrefflicher Grandezza, in ihren schwarzen taillelosen Talaren, schwarze Sonnenschirmchen in den elegant behandschuhten Händen, über die Strasse, und hinter ihnen trugen Dienerinnen die grossen Gebetbücher mit goldenem Kreuz. Man sieht zuweilen klassisch schöne Gestalten unter diesen Weibern, und ihr freier aufrechter ungezwungener Gang verleiht ihnen ein hohes Mass natürlicher Würde – so lange sie schweigen. Oeffnen sie die sinnlich üppigen Lippen um zu sprechen oder zu lachen, so sind sie wieder die alten rohen Barbarinnen. Der Schnitt ihrer Züge ist in der Ruhe oft stylvoll und grossartig, er entspricht dann weniger dem Geschmack unserer Modejournalkünstler als dem Genius eines Michel Angelo. Leider dauert bei ihnen die Schönheit nicht lange, und ist die erste Jugendfrische vorüber, so werden sie fett und schwammig.
In helleren Gewändern und blumenbekränzt gallopirte die Landbevölkerung herein, Mädchen und Frauen alle rittlings im Sattel, nicht immer sehr graziös und ohne sich viel zu kümmern, ob die langen Hemden die feinen Stiefeletten und weissen Strümpfe bedeckten. Das grosse rothe Tuch, welches sie ehemals um die Beine zu schlingen und malerisch hinten nachflattern zu lassen pflegten, scheint aus der Mode zu kommen. Ich habe es nur zwei oder dreimal gesehen. Sie springen ziemlich ungenirt vom Pferde und begeben sich schwatzend von dannen, um Freunde zu begrüssen.
In der Kawaiahao Kirche, in deren Hof das Mausoleum Lunalilos steht, hoffte ich nebst dem König auch die Königin zu sehen. Das versammelte Volk plauderte laut und fröhlich, da der Gottesdienst noch nicht begonnen hatte, und das anmuthige Spiel der Fächer, hinter denen wieder die bekannten grossen glühenden Augen funkelten, wogte unruhig über die Menge. Man bot mir freundlich einen Platz in der Nähe der königlichen Loge an. Die Majestäten kamen jedoch heute nicht. Ich ging nun in die katholische Kirche, in der ein Hochamt zelebrirt wurde. Das Publikum dieser schien vorwiegend den ärmeren Klassen anzugehören, und nicht nur auf den Altären, sondern auch in den Gewändern herrschten die freudigeren Farben des Katholizismus.
In der Kapelle des anglikanischen Bischofs sah ich fast nur Weisse. Eine Abtheilung Matrosen des englischen Kanonenbootes füllte die Hälfte des bescheidenen Raumes, der dafür eine um so grössere Zahl von Ober- und Unterpriestern entfaltete. Des ewig wechselnden Aufstehens und Niederknieens das dieser Ritus erfordert war ich bald müde und ich drückte mich wieder von dannen. Zum Schluss machte ich noch bei einer anderen frommen Gesellschaft Besuch, die ihr einfaches schmuckloses Haus in der Nähe des Chinesenviertels hat. Es waren dort nur Eingeborene zu sehen. Ein presbyterianischer Reverend aus Amerika in schwarzem Frack und weisser Kravatte hielt eine Hawaiische Predigt, dann sang die Gemeinde mit vollen und kräftigen Stimmen einen schönen Gesang, welcher mir wieder Zeugniss ablegte von der grossen musikalischen Begabung dieser Kanakas. Nur die Weiber haben zuweilen etwas zu wilde gellende Stimmen gleich unseren süddeutschen Bäuerinnen.
Wie allenthalben in der Südsee wird auch in Hawaii von den Kaufleuten den Missionären viel Schlimmes nachgesagt und behauptet, dass sie sehr geldgierig seien. In wie fern derartige Aeusserungen berechtigt waren, konnte ich bei der kurzen Dauer meines Aufenthaltes natürlich nicht beurtheilen. Auffallend war mir, dass dieselben sich stets nur auf Missionäre der verschiedenen angloamerikanischen Sekten bezogen, während über die katholischen, meist französischen Missionäre stets nur Lobeserhebungen ihrer Uneigennützigkeit zu hören waren. Diese Beobachtung drängte sich mir nicht blos in Hawaii, sondern auch in Viti und in Neuseeland auf. Die geringere Macht und in Folge dessen vielleicht eine geringere Geschäftsbeeinträchtigung von Seiten des Katholizismus dürften zur Erklärung nicht ausreichen.