Kitabı oku: «Seewölfe Paket 10», sayfa 8

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2.

Moana war entsetzt über ihre eigenen Empfindungen.

War es Angst, die sie wieder überwältigte? Oder war das grenzenlose Erstaunen stärker, das sie beim Anblick des riesenhaften fremden Bootes befiel? Auf jeden Fall ging eine seltsame Faszination von diesem schwimmenden Ungeheuer aus. Moana vermochte ihren Blick nicht davon loszureißen, und in ihrem ungläubigen Staunen vergaß sie alles, wovon ihre Gedanken bis jetzt bestimmt gewesen waren. Es mußte die Kraft der Götter sein, die ihre Sinne so sehr zu beeinflussen vermochte.

Das mochte auch der Grund sein, weshalb Charangu an Bedeutung verlor. Bis eben waren das Königskanu und seine Besatzung für Moana noch übermächtig erschienen. Jetzt war es fast ein Nichts, verglichen mit diesem gigantischen Boot, das so freundlich aussah. Es waren die hellen Segel, die diesen Eindruck in ihr hervorgerufen hatten.

Mit großen Augen beobachtete das Mädchen, wie die hellen Tücher zu den Querhölzern hin zusammenschrumpften. Dann schwenkte das Riesenboot unvermittelt herum und rauschte mit mächtigem Bug auf sie zu.

Der Instinkt ließ Moana spüren, daß ihr die Menschen auf diesem Boot freundlich gesinnt waren. Denn dessen Erscheinen konnte kein Zufall und mußte vielmehr von den Göttern schon zu dem Zeitpunkt gelenkt worden sein, als sich ihre Fesseln während der Nachtstunden gelockert hatten.

Moanas Angst wich endgültig der Zuversicht. Sie überwand sich, das eigene kleine Segel zu bergen, auch wenn es bedeutete, daß Charangu und seine Männer jetzt rascher aufholen würden.

Ein mächtiger Gegenstand, der wie ein Kreuz aussah, rauschte vom Bug des Riesenbootes in die Fluten. Nur noch einen Steinwurf weit war es von Moana entfernt. Dann sah sie, wie ein kleineres Boot zu Wasser gelassen wurde, das immerhin aber noch mehr als doppelt so groß war wie ihr Auslegerboot.

Fünf Männer waren es, die sich ihr näherten. Große, hellhäutige Männer mit unglaublich breiten Schultern. Sie bewegten ihr Boot auf andere Weise voran, als Moana es von Kahoolawe kannte. Sie saßen mit dem Rücken zur Fahrtrichtung, und sie benutzten die langen Paddel wie Hebel, deren oberes Ende sie in rhythmischen Abständen zu sich heranzogen. Vier der Männer brachten das Boot auf diese Weise in Fahrt. Der fünfte saß im Heck und hielt das Ruder.

Sein Anblick verursachte ein Gefühl in Moana, das sie sich selbst nicht zu erklären vermochte. Etwas Beruhigendes ging von diesem großen Mann mit den schwarzen Haaren und den eisblauen Augen aus.

Niemals hatte Moana von solchen Menschen gehört. In keiner der Geschichten, die die Dorfältesten erzählten, war von Wesen dieser Art die Rede. Doch wieder war es der Instinkt des Mädchens, der ihr sagte, daß es gute Menschen sein mußten.

Noch einmal wandte sie sich um.

Genugtuung erfüllte sie, als sie sah, daß Charangus Männer die Paddel langsam und zögernd führten.

Hasard richtete sich auf der Achterducht der Jolle auf.

Dan O’Flynn, Sam Roskill, Luke Morgan und Stenmark pullten weiter. Das Auslegerboot dümpelte jetzt im schwachen Wellengang, und in einer Kabellänge Entfernung nahte das große Kanu mit den Verfolgern heran, die jetzt offenkundig weniger Verbissenheit an den Tag legten.

Das Mädchen war eine jener Schönheiten, wie Hasard und seine Männer sie schon auf der Insel Hawaii kennengelernt hatten. Schlank und zierlich, reichten ihr die schwarzen Haare bis weit auf den Rücken herunter. Ein hauchdünnes Etwas aus buntem Stoff war um ihren Körper geschlungen.

Während sie herannahten, blickte Hasard in die großen mandelförmigen Augen, die flehentlich und hoffnungsvoll zugleich auf ihn gerichtet waren.

Er gab den Männern ein Handzeichen. Sie holten die Riemen ein. Hasard schwenkte die Ruderpinne und steuerte die Jolle längsseits. Dan O’Flynn beugte sich nach außenbords, packte eine Strebe des Auslegers und zog die polynesische Nußschale heran.

Stenmark stieß einen leisen Pfiff aus. Sam Roskill und Luke Morgan wechselten einen bedeutungsvollen Blick. Die Schönheit des Mädchens war überwältigend.

Hasard suchte die wenigen Brokken jener polynesischen Sprache zusammen, die er von der Insel Hawaii kannte.

„Wir sind Freunde“, sagte er, „können wir helfen? Was ist geschehen?“

Das Mädchen blickte ihn verständnislos an. Ihr Blick hing an seinen Lippen, doch in ihren Augen las Hasard, daß sie kein Wort von dem begriff, was er sagte.

„Wir kommen von Hawaii“, versuchte er es noch einmal, „wir haben dort gute Freunde.“

Immer noch dieser verständnislose und gleichzeitig fragende Blick.

„Es hat keinen Zweck“, sagte Dan O’Flynn, der seine Augen nicht von dem Mädchen wenden konnte. „Sieht so aus, als ob sie hier eine ganz andere Sprache sprechen.“

„Und was ein Wasserfahrzeug ist, wissen sie bestimmt auch nicht“, sagte Luke Morgan und lachte glucksend. Die beiden anderen stimmten mit ein.

„Ruhe!“ fauchte Dan O’Flynn. „Gleich gibt es sowieso Stunk.“ Er deutete zu dem Kanu, das bereits auf eine halbe Kabellänge herangenaht war.

Das Mädchen wandte gleichfalls den Kopf und erschrak sichtlich. Es hatte den Anschein, als würde ihr plötzlich eine unangenehme Erinnerung wieder bewußt, die sie bis eben aus ihrem Bewußtsein verdrängt hatte.

Sie gab sich einen jähen Ruck, turnte mit katzenhafter Gewandtheit über den Ausleger, vollführte einen federnden Sprung und kauerte unvermittelt auf der vordersten Ducht der Jolle. Gestikulierend begann sie zu reden. Ein nicht enden wollender Wortschwall sprudelte über ihre Lippen.

Die Männer zuckten hilflos mit den Schultern, denn sie verstanden nichts von dem, was das Mädchen sagte.

„Dan“, sagte Hasard schließlich mit einem Seitenblick zu dem herannahenden Kanu. „Versuch es mit der Zeichensprache. Verklare ihr, daß sie sich beruhigen soll und wir ihr helfen werden. Scheint so, als ob wir dazu doch etwas mehr Zeit brauchen.“

Er warf Luke Morgan einen aufgerollten Tampen zu. Die Männer vertäuten das Auslegerboot, damit sie es später ins Schlepp nehmen konnten.

Mit Begeisterung übte sich der junge O’Flynn währenddessen in der Zeichensprache. Das Mädchen beobachtete seine Handbewegungen voller Staunen, aber dann glitt ein Leuchten des Verstehens über ihr schmales Gesicht.

Hasard und die anderen hatten sich umgedreht. Dieses Wasserfahrzeug, das da auf sie zuglitt, war schon eine imposante Erscheinung. Mehr noch die Besatzung.

Die Männer waren klein, dunkelhäutig und ungeheuer muskulös. Indessen wirkten ihre Mienen eher unbeteiligt als angriffslustig. Wilden Kampfeseifer schienen sie nicht an den Tag zu legen. Danach hatte die ganze Begegnung ohnehin von vornherein nicht ausgesehen. Im Grunde mußte es der gleiche freundliche Menschenschlag sein, wie ihn die Seewölfe auf Hawaii kennengelernt hatten. Denn sehr weit waren sie von jener großen Insel noch nicht entfernt.

Der Bursche im Heck des Kanus sah allerdings höchst merkwürdig aus.

Hasard und seine Männer konnten sich den Anflug eines Grinsens nicht verkneifen, obwohl sie ahnten, daß dieser seltsame Kerl Angst und Schrecken verbreitete. Zumindest das Verhalten des Mädchens ließ darauf schließen.

Das Augenfälligste war unbestreitbar ein wohlgenährter alter Gibbon-Affe, der würdevoll auf der linken Schulter des Mannes thronte. Er selbst trug einen hellblauen Turban, der nur den Ansatz seines blauschwarzen Haupthaars erkennen ließ. Sein Gesicht war dunkelbraun, ohne Falten und von einem Vollbart umrahmt. Bekleidet war er mit einem Umhang aus wallender Seide, die in melierten Farben schimmerte. In Hüfthöhe war dieser Umhang mit geflochtenem Bast gegürtet. Ein Krummdolch mit kunstvoll ziseliertem Griff hing in einer Lederscheide an eben jenem Gurt. Die feinnervigen Hände des Mannes ruhten auf einem etwa brusthohen Holzstab, der mit Schnitzereien verziert war. Sein rechtes Handgelenk war mit einer Manschette aus einem etwa handtellerbreiten Eisenreif bewehrt.

Bis auf etwa fünfzig Yards hatte sich das Kanu mittlerweile genähert, und die Männer verhielten in offenkundiger Unschlüssigkeit.

„Sieht aus wie ein Inder, dieser Knilch mit dem Affen“, flüsterte Luk Morgan.

„Richtig“, sagte Hasard leise, „er ist gekleidet wie ein Sikh.“

„Ist das was Besonderes?“ erkundigte sich Stenmark.

„In Indien nicht. Eine kriegerische Sekte, soviel ich weiß. Sie haben mehrere strenge Regeln, an die sie sich halten müssen. Dazu gehört, daß sie nie ihr Haar schneiden. Sie rollen es zusammen und binden den Turban darüber. Außerdem müssen sie immer verteidigungsbereit sein. Deshalb haben sie sogar nachts ihren Dolch bei sich. Und dieses Stück Eisen am rechten Handgelenk gehört zu einer besonderen Kampftechnik, mit der sie ihren Gegner abwehren.“

„Himmel“, sagte Sam Roskill gedämpft, „mir wird angst und bange.“

Hasard lächelte.

„Ich denke, ein paar höfliche Worte sind wohl angebracht.“

Er richtete sich auf und hob die rechte Hand zu einem freundschaftlichen Gruß.

Das Mädchen kauerte auf der Ducht und verbarg das Gesicht zwischen den Armen.

„Wir sind Engländer, und wir sind in friedlicher Absicht hier!“ rief der Seewolf. „Versteht ihr unsere Sprache?“

Die Polynesier blickten verständnislos. Der Inder hingegen ließ sich zu einem würdevollen Nicken herab, hob die rechte Hand nur knapp und ließ sie sofort wieder auf seinen Holzstab sinken.

„Ich bin König Charangu, Herrscher von Kahoolawe.“ Eine knappe Kopfbewegung zeigte an, daß damit die Insel gemeint war, die jetzt ungefähr eine Seemeile entfernt hinter seinem Rücken lag. Sein Englisch war korrekt, doch mit einem schauderhaften rollenden Akzent behaftet.

„Mein Name ist Philip Hasard Killigrew“, antwortete der Seewolf, „Kapitän der ‚Isabella VII.‘, die unter der Flagge Ihrer Königlichen Hoheit Elizabeth der Ersten von England, segelt.“

Charangu verzog keine Miene. England schien nichts Beeindrukkendes für ihn zu sein, denn es lag am anderen Ende der Welt. Hier bestand die Welt aus weißgoldenem Strand, leuchtendgrünen Palmen und vulkanischem Felsgestein. Eine Welt, die sich Kahoolawe nannte.

„Unter anderen Umständen wäre ich über Ihre Bekanntschaft vielleicht erfreut, Mister Killigrew“, antwortete Charangu herablassend. „Leider haben Sie sich aber in die inneren Angelegenheiten meines Landes eingemischt. Ich fordere Sie auf, Moana herauszugeben. Sie ist eine Verbrecherin.“

Die Blasiertheit dieses Burschen verschlug Hasard einen Moment die Sprache.

„Moana“, wiederholte Dan O’Flynn hingebungsvoll, „was für ein schöner Name!“ Er schien den Inder nicht im geringsten ernst zu nehmen und konnte seinen Blick nicht von dem Mädchen losreißen, das sein Gesicht noch immer verbarg.

„Hören Sie, Charangu“, sagte Hasard energisch, „ich habe keineswegs vor, mich in Ihre sogenannten Angelegenheiten einzumischen. Wenn Sie es aber unbedingt so betrachten wollen, dann weise ich Sie darauf hin, daß Sie sich außerhalb Ihres Hoheitsgebietes befinden. Hier draußen gelten Ihre Gesetze nicht, hier ist freie See. Im übrigen ist es meine Pflicht, einem hilfsbedürftigen Menschen Schutz zu gewähren. Außerdem müssen Sie zugeben, daß es nicht gerade fair ist, eine junge hilflose Frau mit einer Übermacht von mehr als zwanzig Männern zu verfolgen.“

Die Miene des Inders verfinsterte sich. Der Gibbon auf seiner Schulter reckte den weißgrau umrahmten Kugelschädel vor und starrte Hasard an, als wolle er ihn im nächsten Moment anspucken.

„Ich warne Sie, Mister Killigrew!“ fauchte Charangu. „Zwingen Sie mich nicht zu ernsthaften Maßnahmen. Ich fordere Sie zum letzten Male auf, das Mädchen herauszugeben.“

Hasard schüttelte verständnislos den Kopf. In was für einen verrückten Teil der Welt waren sie hier geraten?

Luke Morgan konnte ein glucksendes Lachen nicht unterdrücken.

„Habt ihr diese Witzfigur gehört? Ernsthafte Maßnahmen! Vielleicht will er uns dadurch besiegen, daß wir uns totlachen!“

„Hör auf, Luke“, sagte Hasard gedämpft, „man sollte niemanden unterschätzen, auch wenn er noch so lächerlich aussieht.“

„Verzeihung“, murmelte Luke Morgan, „aber der Knilch reizt mich einfach zum Lachen.“

Hasard wandte sich wieder dem Inder zu.

„Seien Sie vernünftig, Charangu. Wir werden die Angelegenheit klären. Aber nicht auf die Art und Weise, wie Sie es sich vorstellen.“

Charangus Gesicht verzerrte sich jäh.

„Ich habe dich gewarnt, Engländer!“ schrie er schrill. Und dann spie er einen Schwall von Worten in der Sprache der Eingeborenen aus.

Die Männer an der Backbordseite des Kanus sprangen auf. In ihren Fäusten lagen Speere, deren gefährlich aussehende Spitzen auf Moanas Retter zeigten.

Die Haltung der Seewölfe wurde schlagartig gespannt. Luke Morgan vergaß seine Scherze, und selbst Dan O’Flynn wandte sich von dem Mädchen ab. Die Männer tasteten nach ihren Pistolen, die sie in den Gurten trugen.

Hasard runzelte die Stirn. Seine Rechte ruhte bereits auf dem Knauf des schweren Radschloßdrehlings. War dieser Inder so weltfremd, daß er allen Ernstes glaubte, sie mit Speeren beeindrucken zu können?

„Gebt das Mädchen heraus!“ keifte Charangu. „Oder …“

Hasards Faden riß. Er hatte genug von diesem Spiel. Mit einem Ruck zog er den Drehling und spannte den Hahn in derselben Bewegung. Das Reibrad schnurrte. Blitzschnell hob Hasard die schwere Waffe, und sein Zeigefinger krümmte sich um den Abzug. Der Flint klackte auf das Rad und sprühte Funken.

Charangu schrie etwas in der Sprache der Eingeborenen.

Aber die Polynesier verharrten. Ihre Blicke waren wie gebannt auf das funkensprühende Ding gerichtet, das der riesenhafte Fremde in der Rechten hielt.

Im nächsten Sekundenbruchteil zischte das Zündkraut mit weißer Lohe. Und dann brach ein urgewaltiges Krachen los. Aus dem Laufbündel des Drehlings zuckte eine yardlange Mündungsflamme, und eine Wolke von Pulverrauch stieg auf.

Haarscharf vor dem Kanu riß die großkalibrige Kugel eine Fontäne aus dem Wasser.

Die Wirkung war verblüffend, selbst für die Seewölfe, für die es eigentlich nichts gab, was es nicht gab.

Die Polynesier stießen gellende Entsetzensschreie aus, ließen die Speere fallen, packten die Paddel und hieben sie in das Wasser, als säße ihnen der Leibhaftige im Nacken.

Durch die plötzliche Bewegung des Bootes verlor Charangu das Gleichgewicht. Er kippte nach hinten, konnte sich aber im letzten Moment am hochgeschwungenen Heck festhalten.

Der übergewichtige Gibbon-Affe kippte außenbords und stieß helle Schrekkenslaute aus, die wie das Meckern einer Ziege klangen. Klatschend landete das Tier in den Fluten und reckte die überlangen Arme hoch. Mehrmals schluckte der Gibbon Wasser, und jedesmal ging sein Meckern in ein klägliches Gurgeln über.

Fluchend hielt ihm Charangu den Holzstab hin. Der Affe packte zu und konnte das Ende des Stabes eben noch erreichen, denn die Polynesier paddelten wie von Sinnen, ohne noch etwas von dem wahrzunehmen, was um sie herum vor sich ging.

Das Kanu war schon hundert Yards von der Jolle der Seewölfe entfernt, als es dem Inder endlich gelang, seinen triefend nassen haarigen Begleiter an Bord zu ziehen.

Hasards Männer brachen in prustendes Gelächter aus.

Der Seewolf beobachtete das davonjagende Kanu indessen eher nachdenklich. Er sah noch, wie Charangu den Gibbon in den weiten unteren Teil seines seidenen Umhangs hüllte.

Moanas Gesicht hatte eine unnatürliche Graufärbung angenommen. Sie zitterte. Ihre Augen waren furchtsam auf die Waffe gerichtet, die der große Mann jetzt in seinen Gurt zurückschob.

Dan O’Flynn nahm die Hand des Mädchens. Mit der freien Hand gab er ihr zu verstehen, daß sie keinen Grund mehr hatte, sich zu ängstigen. Sie verstand, und auch in seinem Blick las sie, was er sagen wollte.

„Schluß der Vorstellung“, sagte Hasard und ließ sich auf die Achterducht sinken. „Aber das dürfte noch nicht das Ende sein.“

Mit dem Auslegerboot im Schlepp kehrten sie zu der vor Anker liegenden Galeone zurück.

3.

Niemand an Bord der „Isabella“ bestaunte das Mädchen, als verkörpere es das siebente Weltwunder. Diese hartgesottenen Männer, die oft genug mitten in die Hölle gesegelt waren, um den Teufel am Schwanz zu zwacken, diese rauhen Burschen begegneten dem zierlichen jungen Mädchen mit fast scheuer Zurückhaltung und beinahe ebensoviel Mitgefühl.

Moana spürte es deutlich, als sie in die verwegenen Gesichter blickte. Und sie fühlte sich wie in einem Taumel. Die Eindrücke, die auf sie einstürmten, waren zu vielfältig und zu übermächtig.

Nach der für sie wundersamen Rettung erlebte sie die fremde Welt, die das Schiff für sie bedeutete, mit grenzenlosem Staunen und der Begeisterungsfähigkeit eines kleinen Kindes.

Anfangs hatte sie ihre nackten Fußsohlen nur zögernd auf die Decksplanken gesetzt, deren hartes Holz ihr unbekannt war. Aber Dan O’Flynn hatte sie bei der Hand genommen, und schon nach wenigen Schritten wurde ihr wohler.

Ihre Blicke erforschten die Gesichter, die lächelten, ihr zunickten und ihr einen so unmißverständlich herzlichen Empfang bereiteten, daß nicht einmal ein Anflug von Furcht in ihr entstand.

Da war Edwin Carberry mit seinem wüsten Narbengesicht, das sich so friedlich wie selten zuvor zeigte. Und Batuti, der herkulische Gambianeger, der lachend die perlweißen Zähne entblößte und für Moana trotz seiner unbekannten Hautfarbe nichts Erschreckendes hatte. Ferris Tucker, der rothaarige Riese, stützte sich auf den Griff seiner Zimmermannsaxt und blinzelte verschmitzt. Ein wenig ernst und verschlossen wirkte Ben Brighton, doch gerade dieser Wesenszug machte ihn auf Anhieb sympathisch, denn es war nichts Ungerades in seinem Gesichtsausdruck. Und Old Donegal Daniel O’Flynn, der rauhbeinige Seebär, humpelte mit Holzbein und Krücken heran, klopfte seinem Sohn auf die Schulter und wollte sich ausschütten vor Vergnügen, als er Moanas fassungslosen Blick bemerkte, mit dem sie die schmerzlichen Relikte seiner kriegerischen Vergangenheit betrachtete.

All die anderen waren dem Mädchen gegenüber von kaum geringerer Zuneigung erfüllt. Der Kutscher ebenso wie Smoky, der bullige Decksälteste, Blacky, der schwarzhaarige Kämpfer, Pete Ballie, der stämmige Rudergänger, und Gary Andrews, der hagere Fockmastgast. Furchterregend wirkte Matt Davies, der anstelle der fehlenden rechten Hand einen Eisenring mit spitzgeschliffenem Haken trug. Jeff Bowie trug eine ähnliche Hakenprothese links. Das fröhliche Lachen der beiden Männer zerstreute Moanas anfängliches Schaudern. Und sie blickte in die gütigen braunen Augen des Stückmeisters Al Conroy und in das schmale Gesicht des versonnen lächelnden Bob Grey. Will Thorne, der Segelmacher, stand neben Big Old Shane, dem riesenhaften Schmied von Arwenack, der trotz seiner wilden grauen Bartpracht sichtbare Freundlichkeit erkennen ließ. Bill, der schwarzhaarige Moses, hatte seinen Platz im Ausguck beibehalten. Doch er winkte zur Kuhl hinunter, als er sah, wie Moana mit beinahe ehrfürchtigen Blicken die Höhe der Masten maß.

Auch die Söhne des Seewolfs waren zur Stelle und ebenso Siri-Tong, die dem Mädchen entgegeneilte und ihm beide Hände auf die schmalen Schultern legte.

Moana sperrte den Mund auf, als plötzlich ein durchdringendes Kreischen ertönte. Mit elegantem Schwung segelte Sir John, der karmesinrote Ara-Papagei, von der Fock-Marsrah nach unten und landete zielsicher auf der Schulter von Hasard junior. Dort glättete er sein Gefieder, plusterte sich auf und wiegte sich aufgeregt von einer Seite zu anderen.

„Affenarsch!“ krächzte er mit erschreckender Deutlichkeit. „Lausiger Affenarsch!“

Siri-Tong holte tief Luft. Dan O’Flynn sah aus, als wolle er sich mit einem Satz auf den vorlauten Vogel stürzen. Und auch den übrigen Männern gefror das Lächeln.

Sir John schien durch die plötzliche Stille ermuntert.

„Miese Kakerlake!“ fuhr er fort. „Bilgenratte!“

Hasard junior warf seinem Zwillingsbruder einen amüsierten Blick zu, und Philip junior deutete mit einer Kopfbewegung zu Edwin Carberry, der sich inmitten der Crew betreten abwandte, um die gelinde Röte zu verbergen, die sein Narbengesicht plötzlich überzog. Durch nichts konnte sich der Profos herausreden. Er und kein anderer war verantwortlich für den enormen Wortschatz des gefiederten Sir John.

Doch bevor einer der Männer eingriff, löste Moana das Beklemmende der Situation auf ihre Weise. Sie nickte Siri-Tong und Dan O’Flynn zu, lachte, ließ die beiden stehen, ging Sir John entgegen und verneigte sich vor ihm, indem sie die Unterarme vor der Brust kreuzte. Dabei sagte sie etwas, das wie eine Begrüßung klang. Und als solche hatte sie vermutlich auch die Worte des karmesinroten Schwätzers verstanden, bei denen die Männer der Crew am liebsten zwischen den Decksplanken versunken wären.

Beifälliges Gelächter wurde laut. Sir John blinzelte, und dann schloß er wohlgefällig die Augen, als Moana ihn hinter dem Kopf kraulte.

„Ich werde mich erst einmal um die Kleine kümmern“, entschied Siri-Tong. Aus ihren Worten klang deutlich, daß sie keinen Widerspruch duldete.

„Aber …“, wandte Dan O’Flynn ein. Er verstummte sofort wieder, als er den knappen Seitenblick der Roten Korsarin spürte.

Hasard beobachtete lächelnd, wie Dan rot anlief.

„Es gibt gewisse Gelegenheiten“, erklärte Siri-Tong energisch, „in denen einer Frau am besten mit der Gesellschaft einer Frau geholfen ist. Das ist hier in der Südsee nicht anders als in der nebligsten Ecke von Cornwall. Zum Dahinschmachten wirst du noch Zeit genug haben, Mister O’Flynn!“

Dan knirschte mit den Zähnen, denn aus den schmunzelnden Mienen der anderen las er Spott.

Hasard ergriff seinen Unterarm.

„Schluck es hinunter, Dan. Siri-Tong hat schon recht, wenn du ehrlich bist.“

Dan nickte krampfhaft.

Siri-Tong wandte sich ab und nahm Moana bei der Hand. Gemeinsam gingen sie auf die Kapitänskammer zu.

Etwas geschah, als sie erst zwei Schritte hinter sich gebracht hatten.

Fast schien es, als hätte Arwenack den Zeitpunkt seines großen Auftritts sorgfältig vorgeplant. Einige der Männer waren noch lange danach überzeugt, daß der Schimpanse im Grunde ein gerissener Halunke war, der genau wußte, welchen Moment er sich aussuchen mußte, um allen anderen die Schau zu stehlen.

So turnte er mit plötzlichem Kekkern vom Großmast hinunter, überbrückte die letzten sechs Fuß mit einem Sprung und hüpfte scheinbar unbeholfen über die Decksplanken – vor aller Augen. Jeder an Bord der „Isabella“ wußte, daß diese Unbeholfenheit nur gespielt war. Es gehörte zu Arwenacks gut einstudiertem Gehabe, mit dem er bei Fremden eine Mischung von Mitleid, Zuneigung und Zärtlichkeit hervorrief.

Daß er mit seinem Erscheinen bei Moana indessen eine völlig andere Reaktion bewirkte, ahnte der listige Schimpanse nicht im entferntesten.

So prallte er erschrocken zurück, als er sah, wie sich die Polynesierin mit ehrfürchtiger Miene zu Boden warf. Mehrmals hintereinander richtete Moana ihren Oberkörper auf, hob dabei die Arme mit nach vorn gerichteten Handflächen und murmelte etwas, das die Männer der „Isabella“ entfernt an die Gebete der Menschen im Orient erinnerte.

Arwenack rieb sich mit der flachen Hand über die Augen, klappte die Lider zu, öffnete sie wieder und bleckte voller Verwirrung die mächtigen Zähne.

Als Moana schließlich in nicht endender Ehrfurcht auch noch die Decksplanken küßte, platzte dem jungen O’Flynn der Kragen.

Er stürzte los, an Siri-Tong vorbei, und war im Begriff, dem Schimpansen einen Fußtritt zu versetzen.

„Jetzt reicht es, du Mistvieh! Verschwinde!“

Mit einem Entsetzenslaut nahm Arwenack gerade noch rechtzeitig Reißaus. Er flüchtete in Richtung Vorkastell, hüpfte über mehrere Taurollen und war im nächsten Moment verschwunden.

Dan drehte sich um und half dem Mädchen fürsorglich auf die Beine. Siri-Tong und die anderen standen noch immer wie versteinert.

Moana starrte den jungen Mann entsetzt an. In ihren Augen las er, daß sie nicht begreifen konnte, was er getan hatte.

„Das ist ein ganz normaler Affe“, sagte er, „ein ganz normales Mistvieh. Verstehst du?“

Sie verstand nicht.

Hilflos blickte Dan in die Runde. Aber auch die anderen wußten nicht, wie man das in die Zeichensprache übersetzen konnte.

Siri-Tong gab sich einen Ruck, nahm Moana wieder bei der Hand und führte sie zur Kapitänskammer. Diesmal ohne Hindernisse.

Für Hasard war es nicht besonders schwierig, zwei und zwei zusammenzuzählen. Da war dieser reichlich fette Gibbon-Affe gewesen, den der Inder auf der Schulter getragen hatte. Und dann die Tatsache, daß Moana beim Anblick eines Affen auf die Knie fiel. Zwar sah ein Schimpanse anders aus als ein Gibbon, aber das Mädchen hatte Arwenack zweifellos in die gleiche Tierfamilie eingestuft.

Hasard hatte das unbestimmte Gefühl, daß er sich mit diesem Charangu, der sich selbst König nannte, näher befassen mußte.

Ben Brighton war der gleichen Meinung wie Hasard. Der Ankerplatz der „Isabella“ war in Ordnung. Noch näher an das Korallenriff heranzugehen, erschien zu riskant.

Daß es einen etwas längeren Aufenthalt geben würde, hatte für den Seewolf einen weiteren Grund – abgesehen von dem mysteriösen Geschehen um das Mädchen Moana.

Sie hatten die Bewohner der Insel Hawaii vor einer wilden Meute französischer Freibeuter gerettet. Deren Anführer Malot war jedoch mit der Galeone „Saint Vincent“ entkommen. An Bord hatte er etwa zwanzig Geiseln, unter ihnen König Zegu und den Deutschen namens Thomas Federmann, der schon seit vielen Jahren auf Hawaii lebte und sich der Malerei verschrieben hatte. Aufgrund einer Zeichnung von Federmann waren die Freibeuter unter Malot jetzt auf der Suche nach einer Insel. Es handelte sich um eine unbekannte Insel, die angeblich einen Schatz bergen sollte. In ihrer Gier war den Franzosen bislang offenbar nicht aufgegangen, daß sie möglicherweise durch eine fingierte Skizze auf eine falsche Spur gelockt wurden.

Immerhin war es aber denkbar, daß auch Malot und seine Meute auf diese Insel gestoßen waren, die sich Kahoolawe nannte. Das herauszufinden, war allein schon ein Grund, an Land zu gehen.

Auf Hasards Anordnung hatten sich alle Mitglieder der Crew an Deck versammelt. Gemeinsam mit Ben Brighton verließ der Seewolf das Quarterdeck und trat in den Halbkreis, den die Männer auf der Kuhl gebildet hatten.

„Unser eigentliches Ziel kennt jeder von euch“, erklärte Hasard. „Ich denke, daß wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wenn wir uns die Insel näher ansehen. Wir können herausfinden, ob Malot hier gewesen ist. Außerdem werden wir klären, welche hinterhältigen und gemeinen Spiele dieser Inder mit einem Mädchen wie Moana treibt.“

„Vielleicht wollte die Kleine anders als er“, meinte Edwin Carberry, „was ein rechter Stinkstiefel ist, der reagiert giftig auf so was.“

Hasard schüttelte den Kopf.

„Es muß mehr dahinterstecken. Die Geschichte mit dem Affen ist ziemlich merkwürdig. Weshalb führt sich ausgerechnet ein Inder als König auf dieser Insel auf?“ Der Seewolf schnitt mit der flachen Hand durch die Luft. „Wie auch immer – ich möchte eure Meinung über Moana hören. Sofern ihr Leben in Gefahr ist, haben wir eine gewisse Verantwortung für sie.“

„Wir könnten sie mitnehmen“, schlug Dan O’Flynn spontan vor.

„So siehst du aus!“ rief Luke Morgan. „Vielleicht fragst du sie erst mal, ob sie das überhaupt will!“

„Nichts gegen Moana“, warf Stenmark ein, „aber wenn wir so weitermachen, haben wir bald das ganze Schiff voller Wei …“ Er verschluckte sich fast, als er den Blick des Seewolfs spürte.

Jeder respektierte mittlerweile Siri-Tong an Bord der „Isabella“, aber wenn es um grundsätzliche Diskussionen ging, traten gewisse Einstellungen manchmal wieder zutage. Typisch männliche Einstellungen, wie sie die rauhen Burschen vom Schlage der „Isabella“-Crew nun einmal nicht vollends unterdrükken konnten. Hasard nahm die Bemerkung Stenmarks beileibe nicht krumm. Aber es gab für ihn keinerlei Grund mehr, daß an Siri-Tongs Anwesenheit noch Kritik geübt wurde.

„Wir sollten Moana selbst entscheiden lassen“, meinte Ben Brighton. „Selbstverständlich kann sie nicht für immer an Bord bleiben. Aber wenn ihr Leben auf dieser Insel in Gefahr ist, könnten wir sie beispielsweise auf einer Nachbarinsel absetzen, wo sie in Sicherheit ist.“

„Ein guter Vorschlag“, sagte Edwin Carberry, „sieht so aus, als ob unser Erster mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen hat.“

Die übrigen Männer nickten zustimmend. Hasard lächelte zufrieden. Er sah, daß kein längeres Herumreden notwendig war. Sobald sie also die Lage auf Kahoolawe erforscht hatten, würde man auch entscheiden können, was mit Moana geschah.

Bis dahin blieb das Mädchen zunächst einmal an Bord der „Isabella“.

„Es ist möglich“, sagte der Seewolf, „daß wir auf Kahoolawe nicht mit offenen Armen empfangen werden. Zur Vorbeugung habe ich ein besonderes Rezept.“

In knappen Worten schilderte er den Männern seinen Plan. Ihre Augen begannen zu leuchten, und als Hasard geendet hatte, hieben sie sich gegenseitig vor Begeisterung auf die Schultern. In den leuchtendsten Farben malten sie sich aus, wie dieses Rezept wohl wirken mochte.

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