Kitabı oku: «Seewölfe Paket 12», sayfa 28

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6.

Seit Batuti die Flucht des einen Piraten vereitelt hatte, stand er in der Gunst des Schotten ganz oben. Sein Vertrauen in den Gambia-Neger war so groß, daß er ihn allein auf Erkundung geschickt hatte, den nicht bewachsenen Hügel zu durchstreifen, der ihnen wahrscheinlich den Blick auf die südliche Hälfte der Insel verwehrte.

Sie waren inzwischen fast zwei Dutzend Männer. Zwei Gruppen von je fünf Mann waren zu ihnen gestoßen. Aus den Gesten hatten Matt Davies und die anderen entnehmen können, daß auch diese ihren Auftrag bereits erledigt hatten. Wie viele der anderen Piraten dabei ihr Leben hatten lassen müssen, danach hatte Matt vorsichtshalber erst gar nicht gefragt.

Batuti dachte daran, daß dem Schotten, seinen Männern und auch ihnen von der „Isabella“ der härteste Brocken noch bevorstand. Das war die Gruppe, die unter der Leitung des kleinen Franzosen mit dem Sichelbart und der Riesennase eine neue Großstenge heranschaffen sollte. Der Schotte hatte gesagt, daß Le Nez, wie der Giftzwerg hieß, mindestens zwanzig Mann bei sich habe.

Batuti bahnte sich seinen Weg durch das dichte Unterholz mit dem Entermesser. Er hielt immer wieder Ausschau nach Schlangen oder Raubtieren, aber anscheinend gab es so was auf dieser Insel nicht.

Die Bäume begannen etwas lichter zu stehen, und Batuti hoffte, daß er bald die Spitze des Hügels erreicht hatte, von der aus er die Insel nach allen Seiten überblicken konnte. Doch plötzlich stand er vor einer steil aufragenden Felskante. Er blickte an ihr hinauf und sah einen großen Fleck vom blaßblauen Mittagshimmel.

Er überlegte, ob er es wagen könne, die Felskante zu erklettern, aber dann sagte er sich, daß es auch einen leichteren Weg geben müsse. Er ging etwa hundert Yards am Fuß der Felskante entlang und entdeckte schließlich einen Abriß in der Felskante, den er leicht erklettern konnte. Nach einer weiteren Viertelstunde befand er sich am oberen Rand der Felskante und sah sich um.

Er hatte einen herrlichen Ausblick nach allen Himmelsrichtungen. Nach Süden war die Sicht nicht sonderlich klar. Batuti meinte, irgendwo an der Kimm den schmalen Streifen eines Landstrichs zu erkennen, aber er war sich nicht sicher.

Er drehte sich um und blickte zur Flußmündung hinunter, wo er das Piratenschiff entdeckte, das von hier oben wie eine Nußschale wirkte.

Er wollte die nähere Umgebung des Hügels, auf dem er sich befand, in Augenschein nehmen, um vielleicht etwas von den Piraten zu sichten, als ein paar Punkte in nordwestlicher Richtung an der Kimm seine Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.

Dan würde jetzt genau sagen können, was das ist, dachte er. Daß es die Masten von Schiffen waren, sah er nach ein paar Minuten auch, aber ihm war nicht klar, um wie viele Schiffe und um welche Typen es sich handelte.

Wahrscheinlich waren das die anderen Piraten von Espanola, die es auf die Silberflotte der Spanier abgesehen hatten.

Batuti ahnte, daß die Zeit für den Schotten knapp werden würde. Er ließ seinen Blick über die dichten Wälder nördlich des Hügels schweifen und starrte dann auf eine Stelle, an der eine graue Rauchspirale in den blassen Himmel stieg.

Er merkte sich die Stelle anhand von ein paar markanten Punkten und der Richtung, die er von der Spitze des Hügels aus einschlagen mußte.

In fünf Minuten hatte er den Fuß der Felskante wieder erreicht. Ein paar hundert Yards lief er in der Schneise zurück, die sein Entermesser geschlagen hatte, dann bog er nach Osten ab und schlug sich wieder durch das Dickicht. Der Schotte hatte ihm die ungefähre Richtung angegeben, in der er sich weiterbewegen wollte.

Batuti hatte Glück, daß er die Spuren der anderen Männer kreuzte. Er brauchte ihnen nur zu folgen, und nach einer halben Stunde hatte er sie eingeholt.

Der Schotte kniff die Lippen zusammen, als er sich den Bericht des Schwarzen angehört hatte. Viel mehr als drei Stunden blieben ihnen also nicht, die „L’Exécuteur“ in ihre Gewalt zu bringen.

„Und wo hast du den Rauch gesehen?“ fragte der Schotte heiser.

Batuti wies mit der Hand die Richtung und marschierte voraus. Er wußte, daß sie nicht mehr weit von der Stelle entfernt sein konnten, und nach einer halben Stunde hallte ihnen das Schlagen von Äxten entgegen.

Der Schotte teilte seine Männer in drei Gruppen auf. Diesmal behielt er alle Männer der „Isabella“ bei sich. Er hatte offensichtlich erkannt, daß ihr Kampfwert noch höher einzuschätzen war als der seiner eigenen Männer.

Sie schlichen sich immer näher heran. Batuti wies auf eine breite Schleifspur, die von einem frischen Baumstumpf auf eine Lichtung zuführte. Hier hatten die Piraten einen Baum gefällt und bearbeiteten ihn, auf der Lichtung, wo sie Platz genug hatten.

Der Schotte wollte erst einmal allein die Lage sondieren und befahl den anderen, zurückzubleiben. Er war noch nicht einmal fünf Minuten verschwunden, als Matt Davies Stimmen hörte und hastig flüsterte: „Los, weg hier!“

Sie wußten nicht, was die Piraten hier noch zu suchen hatten, aber vielleicht ergab sich eine Möglichkeit, ein paar von ihnen ohne großen Kampf auszuschalten.

Es waren vier Mann. Matt Davies hatte noch keinen von ihnen gesehen. Sie unterhielten sich lachend. Nebeneinander gingen sie auf der Schneise, die sie mit dem gefällten Baumstamm gezogen hatten, auf den frischen Baumstumpf zu.

Matt sah aus seiner Deckung hervor, daß einer von ihnen eine Axt aufhob, die im Gras gelegen hatte, und sich auf den Baumstumpf setzte. Einer der anderen hatte offensichtlich einen Witz erzählt, denn sie begannen alle auf einmal zu lachen.

Mit Handbewegungen scheuchte Matt Batuti, Stenmark und Blacky weg, damit sie die vier Piraten in die Zange nehmen konnten. Dann wartete er, bis er das leise Pfeifen hörte, das wie der Schrei eines Vogels klang.

Die Piraten kümmerten sich nicht darum. Der Mann mit der Axt hatte sich wieder erhoben, und gemeinsam wollten sie die Schneise zur Lichtung zurückgehen.

Matt gab dem Piraten, den der Schotte bei seiner Gruppe behalten hatte, ein paar Zeichen mit der Hand. Der Mann verstand. Seine Augen waren groß. Wahrscheinlich hatte er ein bißchen Angst, den vier Männern allein gegenüberzutreten, aber er riß sich zusammen und trat auf die Schneise hinaus.

Die vier Piraten blieben stehen, als sie ihren Kumpan von der „L’Exécuteur“ plötzlich vor sich stehen sahen. Sie sprachen ein paar Worte miteinander, bis einer von ihnen zusammenzuckte und herumwirbelte.

Er hatte das knackende Geräusch, das hinter ihnen aufgeklungen war, als einziger richtig gedeutet. Er öffnete den Mund zu einem Schrei, doch in diesem Moment traf ihn Batutis Faust an der Stirn und schickte ihn besinnungslos zu Boden.

Mit einem wilden Schrei warf sich der Mann mit der Axt nach vorn. Er hatte begriffen, daß der Mann, der ihnen in den Weg getreten war, mit den Angreifern unter einer Decke steckte. Er schwang seine Axt so schnell, daß der Pirat vor ihm nicht mehr ausweichen konnte.

Die Schneide zischte durch die Luft und traf den Mann tödlich. Ohne einen Ton sackte er zusammen und rührte sich nicht mehr.

Matt Davies hatte den Axtträger erreicht, der sofort herumgewirbelt war und schon sein schweres, breites Messer in der rechten Hand hielt.

Die Klinge prallte gegen Matts Eisenhaken. Gleichzeitig zischte seine linke Hand vor. Das Messer darin verfehlte den Piraten nur knapp. Mit einer geschickten Drehung hatte der Mann dem Stoß die Wucht genommen. Die Spitze schlitzte nur seinen weiten Hemdsärmel auf.

Matt hörte hinter und neben sich wilde Kampfgeräusche. Er dachte daran, daß der Lärm sicher auf der Lichtung zu hören war, und hoffte nur, daß die Männer des Schotten rechtzeitig zur Stelle waren, wenn die restlichen Piraten von der Lichtung hier auftauchten.

Er hatte keine Zeit, sich nach den anderen umzudrehen. Der Pirat mit dem schweren Messer war ein geschmeidiger Bursche. Geschickt wich er immer wieder dem vorstoßenden Haken seines Gegners aus und ging fast gleichzeitig jedesmal zum Angriff über.

Vielleicht wäre der Kampf schneller vorbei gewesen, wenn Matt Davies darauf ausgewesen wäre, den Mann zu töten, aber das war noch nie seine Art gewesen.

Er stellte sich auf die Kampfweise des Mannes ein. Plötzlich bemerkte er, daß außer seinem scharfen Atem und dem Keuchen seines Gegners keine Geräusche mehr zu hören waren. Wieder wehrte er mit einer kurzen Bewegung aus dem Handgelenk das Messer des Piraten ab. Und diesmal schaffte er, was er schon die ganze Zeit vorgehabt hatte. Der Haken an seiner rechten Hand verfing sich hinter der gebogenen Parierstange. Mit einem kurzen Ruck riß Matt dem Piraten das schwere Messer aus der Hand.

Der Pirat wich einen halben Schritt zurück, blieb dann aber abrupt stehen. Matt sah, wie sich seine Augen weit öffneten. Er drückte das Kreuz durch und ging langsam in die Knie. Aber erst als er nach vorn aufs Gesicht fiel, ohne den Versuch zu unternehmen, sich mit den Händen abzustützen, sah Matt den Grund für seinen Sturz.

Aus dem Rücken des Piraten ragte der Griff eines Stiletts.

Matt blickte auf. Er starrte dem Schotten entgegen, der hinter einem Baum hervortrat, auf den am Boden liegenden Piraten zuging und das Stilett wieder an sich nahm.

Ein leichtes Grinsen zog das Gesicht des Schotten in die Breite.

„Ihr seid komische Heilige“, sagte er. „Ihr wißt genau, daß die Kerle euch mit in den Tod reißen würden, und dennoch geht ihr sanfter mit ihnen um als mit einem Kerl, der euer Mädchen mal schief angeschaut hat.“

Matt Davies sagte nichts. Er wollte den Schotten nicht provozieren. Aber wer wußte schon, ob sie sich auf die richtige Seite gestellt hatten? Gab es überhaupt eine richtige Seite in diesem Kampf? Auch der Schotte und die Männer dieses Le Requin waren skrupellose Piraten, denen es um nichts anderes ging als um reiche Beute. Ein Menschenleben zählte da nichts, ob es sich um einen Feind handelte oder um einen Kumpan, dessen Beute man für sich beanspruchte.

Matt wandte sich ab. Er sah, wie der Begleiter des Schotten den letzten Piraten tötete, den Stenmark nur verwundet hatte. Er preßte die Lippen aufeinander. Sie konnten nichts tun, wenn sie das Leben der Zwillinge und des Kutschers nicht gefährden wollten.

Ein Schuß auf der Lichtung ließ sie alle zusammenfahren.

Das Grinsen des Schotten war plötzlich wie weggewischt.

„Vorwärts!“ zischte er seinen Kumpan an, der noch sein blutbeschmiertes Messer in der Hand hielt. Um Matt und die anderen kümmerte er sich nicht weiter, als er auf die Lichtung zustürmte, auf der ein fürchterlicher Kampf entbrannt war. Matt hörte es an den klirrenden Geräuschen aufeinandertreffender Klingen.

Ein zweiter Schuß krachte, und ein Schrei riß auch die Männer von der „Isabella“ aus ihrer Erstarrung.

Sie liefen hinter dem Schotten und seinem Kumpan her.

Auf der Lichtung war ein Gemetzel im Gange, wie Matt Davies es sonst nur erlebt hatte, wenn Piraten ein Schiff enterten. Genauso wenig, wie sie Gnade mit ihren Opfern hatten, nahmen sie jetzt Rücksicht auf ihre ehemaligen Kameraden. Wahrscheinlich dachten sie nicht nur daran, daß die anderen sie mit in den Tod reißen würden, sondern kämpften auch dafür, daß die zu erwartende Beute nicht mehr in zu viele Anteile aufgeteilt werden mußte.

Als Matt, Stenmark, Blacky und Batuti sahen, daß die Männer des Schotten das Überraschungsmoment voll genutzt und die anderen Piraten fest im Griff hatten, nahmen sie nicht mehr am Kampf teil. Sie sahen mit zusammengepreßten Lippen, wie die Piraten des Comte getötet wurden.

Auch unter den Männern des Schotten hatte es diesmal Verluste gegeben. Drei Piraten Waren tot, ein vierter so schwer verwundet, daß er den Weg zurück kaum mehr lebend überstehen würde.

Laut hallte die Stimme des Schotten über die Lichtung. Er befahl seinen Männern, die Leichname der Piraten so liegen zu lassen, wie sie lagen. Zwölf Männer luden sich den fast fertig behauenen Baumstamm von der Stärke eines Oberschenkels auf die Schultern, und zwei Piraten wurden vorausgeschickt, um zu erkunden, was inzwischen beim Schiff vorgefallen war.

Sie hatten nur noch knapp zwei Stunden Zeit, dann waren die Schiffe der anderen Piraten von Espanola da, und die Entscheidung an Bord der „L’Exécuteur“ mußte gefallen sein.

Der Schotte wandte sich grinsend nach den auf dieser Insel Ausgesetzten um.

„Der erste Teil unseres Planes hat ausgezeichnet geklappt“, sagte er. „Auch dank eurer Hilfe. Le Requin wird das zu würdigen wissen. Wenn wir unter seiner Führung beim Angriff auf die Silberflotte dabei sind, werdet ihr eine fette Prise einstekken.“

Matt Davies und die anderen nickten nur. Der Schotte brauchte nicht zu wissen, daß eine fette Prise sie einen Dreck interessierte. Viel lieber hätten sie gewußt, was mit der „Isabella“ geschehen war. Sie hätten viel darum gegeben, zu wissen, ob es dem Seewolf, Ben Brighton, Carberry und den anderen Kameraden gelungen war, die offensichtlich angeschlagene „Isabella“ sicher an Land zu segeln und wieder flottzumachen.

7.

Der Kutscher hatte die Gelegenheit ausnutzen wollen, als der Triangel die Mannschaft zum Essenfassen gerufen hatte, aber diesmal waren ihm zwei andere Piraten in den Weg getreten und hatten ihm mit unmißverständlichen Gesten erklärt, was ihn erwartete, wenn er es wagte, auf der Kuhl zu erscheinen.

Er hatte die beiden Zwillinge nur ab und zu in der Menge der Piraten auftauchen sehen, sie dagegen schienen ihn nicht mal bemerkt zu haben. Nach einem wüsten Gebrüll und dem anschließenden Essen waren die Zwillinge wieder in dem Verschlag verschwunden. Seitdem hatte er nichts mehr von ihnen gesehen. Er war froh, daß es ihnen gutging. Anscheinend hatten sie jedoch genau wie er Anweisung, sich nicht auf dem Schiff herumzutreiben.

Einer der beiden Piraten, die ihn lauernd bewachten, sprach Englisch.

„He“, sagte der Kutscher zu ihm.

Der Pirat drehte den Kopf und starrte ihn an.

„Schnauze halten!“ erwiderte er grollend.

Wut stieg im Kutscher hoch. Wenn sie ihm wenigstens erklären würden, warum er sich von seinem Lagerplatz nicht entfernen und die Schnauze nicht aufreißen durfte! Die ganze Situation kotzte ihn allmählich an. Wahrscheinlich bin ich verwöhnt, dachte er. Beim Seewolf auf der „Isabella“ durfte jeder seine Meinung sagen. Hier bei den Piraten war das Denken wahrscheinlich verboten.

Er versuchte es noch einmal. „He, du Drecksack!“

Der Pirat erhob sich. Er überragte den Kutscher, der sich ebenfalls aufrichtete, um mehr als einen Kopf. Sein wild wuchernder Kinnbart, der in allen Farben schimmerte, sträubte sich.

„Was willst du Laus?“ fragte er und hob die rechte Faust, die groß wie eine Wassermelone war, zum Schlag.

„Ich will arbeiten“, sagte der Kutscher. „An Deck ist so viel zu tun, da ist es eine Schande, wenn drei Kerle nur herumsitzen. Ihr könnt mich doch auch im Auge behalten, wenn wir den anderen helfen, die neue Großbramstenge herzurichten.“

Der Pirat starrte ihn an, als hätte er sie nicht mehr alle.

„Du bist verrückt!“ sagte er aus voller Überzeugung. „Sei froh, daß du hier im Schatten sitzen und dich erholen kannst. Wenn du noch ein Wort sagst, polier ich dir die Zähne, daß dir die Lust an der Arbeit vergeht, klar?“

„Klar“, erwiderte der Kutscher sarkastisch. „Dann laß mich wenigstens den Holzteller, den mir einer deiner Kumpane gebracht hat, zur Kombüse zurückbringen.“

„Mann!“ stieß der bärtige Riese hervor. „Hast du Flöhe im Arsch oder was? Setz dich, verdammt noch mal, hin, und halt endlich die Schnauze! Dein Teller bleibt, wo er ist. Das Zeug, das noch drauf klebt, wird morgen wahrscheinlich besser schmecken als der neue Fraß von Ratatouille. Heute ist ihm wohl was mißlungen. So genießbar wie vorhin war sein Gekochtes schon lange nicht mehr.“

„Warum schmeißt ihr ihn nicht über Bord?“ fragte der Kutscher.

„Und wer soll dann für uns kochen, du Klugscheißer?“

„Ich“, sagte der Kutscher. „Ich bin gelernter Koch. Ich habe jahrelang in der Küche von Sir Freemont gestanden und ihm die besten Speisen bereitet.“

Der Pirat begann zu grinsen.

„So“, sagte er, „und warum kochst du nicht mehr für deinen Sir?“

„Er ist an Herzverfettung gestorben“, sagte der Kutscher mit traurigem Hundeblick. „Meine Speisen haben ihm so sehr gemundet, daß er sich überfressen hat. Vor Gram und Kummer habe ich mich von einem Freund überreden lassen, meine Kochkünste für ihn und seine Kameraden auszuüben. Leider merkte ich erst zu spät, daß mein Freund bei einem Piraten angeheuert hatte. Und so hat mich das Schicksal nach Westindien verschlagen und mich an Bord einer Karacke geweht, auf der es von Verrückten wimmelt, die sich über einen genießbaren Fraß, der einem den Magen nach außen kehrt, freuen, als würden sie an der Tafel eines Königs speisen.“

Der Kutscher war ein wenig freizügig mit seinem Lebenslauf umgegangen, aber er brauchte schließlich keine Befürchtungen zu haben, daß ihn jemand der Lüge bezichtigen könne.

Der bärtige Riese war nachdenklich geworden. Die Aussicht, von einem Mann bekocht zu werden, der etwas von seinem Fach verstand, war zu verlokkend, um so ohne weiteres darüber hinwegzugehen. Er drehte den Kopf und sprach kurz mit seinem Kumpan.

Der Kutscher sah, wie sich der Mann über die Lippen leckte und heftig nickte. Der Riese wandte sich ihm wieder zu und sagte mit grollender Stimme: „Wenn du mich angelogen hast, wirst du deines Lebens nicht mehr froh werden, das schwöre ich dir. Ich werde jetzt zu Vert-de-gris gehen und ihm deine Geschichte erzählen. Ratatouilles Fraß hat uns allen bereits den Magen versaut. Vielleicht wirst du schon heute abend unser neuer Koch sein.“

„Wer ist Vert-de-gris?“ fragte der Kutscher mit besorgtem Blick.

„Unser Profos“, erwiderte der Pirat.

„Der Glatzkopf mit der Pockenfresse?“ fragte der Kutscher flüsternd.

Der Riese drehte schnell den Kopf, bevor er sagte: „Laß ihn das nicht hören. Er ist verdammt empfindlich.“

„Vergiß es“, sagte der Kutscher.

„Was soll ich vergessen?“

„Daß ich für euch koche.“

„Warum denn?“

„Der Glatzkopf kann mich nicht leiden“, sagte der Kutscher. „Ich glaube, der würde lieber den Fraß eures Koches essen, als mich in die Kombüse zu meinen Söhnen zu lassen.“

„Quatsch“, sagte der Riese. „Wenn Vert-de-gris dir einen übergebraten hat, dann nur, weil er es nicht leiden kann, wenn einer nicht gehorcht.“

„Ich denke, der Bootsmann gibt auf diesem Schiff die Befehle? Und der hat mir geholfen, als der Glatzkopf mich totschlagen wollte.“

„Verdammt, sag nicht immer ‚Glatzkopf‘!“ zischte der bärtige Riese.

„Ich denke, der Kerl versteht kein Englisch?“

„Das denkst du“, flüsterte der Pirat. „Der versteht alles. Der ist gerissener als alle Männer auf der ‚L’Exécuteur‘ zusammen. Du könntest polnisch reden, und er würde dich verstehen.“

„Woher weißt du das?“ fragte der Kutscher.

Der Riese zuckte richtig zusammen.

„Ich weiß gar nichts, verdammt!“ sagte er heftig. „Ich glaube, du bist ein ganz gefährlicher Kerl. Ich hätte mich lieber nicht mit dir unterhalten sollen. Am Ende hänge ich noch neben dir an einer Rahnock oder schwimme mit dir zusammen mit einem Messer im Rücken den Fluß hinunter.“

Der Kutscher nickte grinsend.

„Gut, daß du weißt, daß wir jetzt an einem Strang ziehen“, sagte er. „Ich glaube, es ist besser, wenn du dich gleich an den Bootsmann wendest.“

Der Riese schüttelte den Kopf.

„Geht nicht“, erwiderte er.

„Und warum nicht?“

„Weil Le Requin sich nicht darum kümmert, was auf der Kuhl vor sich geht. Er hat Vert-de-gris noch nie mit Vorschriften belemmert, er hat ihn höchstens mal daran gehindert, wenn er in seiner Wut einen Mann totschlagen wollte. Aber sonst kann der Profos hier unten schalten und walten, wie er will.“

„Verdammt, dann geh zu diesem Vert-de-gris“, sagte der Kutscher wütend. „Mehr als totschlagen kann er uns schließlich nicht.“ Er hatte absichtlich „uns“ gesagt, damit der Riese sich auch wirklich mächtig ins Zeug legte, ihn als Austausch für den buckligen Koch anzupreisen.

Der Pirat nickte. Er drehte sich um und wollte sich entfernen, doch plötzlich blieb er stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Der Kutscher sah, wie er den Kopf zwischen die Schultern zog, als erwarte er Schläge.

Plötzlich stand der Profos vor ihm. Die mit Pockennarben übersäte Glatze glänzte in der Sonne. Sein tückischer Blick glitt über den Riesen zu dem anderen Piraten und schließlich zum Kutscher.

Er sagte etwas auf französisch zu dem Riesen, der eine hastige Antwort hervorsprudelte. Immer wieder hörte der Kutscher das Wort „cuisinier“.

Der Glatzkopf unterbrach ihn mit einer kurzen Handbewegung, sagte etwas, drehte sich um und ging davon.

Der bärtige Riese blieb noch einen Augenblick stocksteif stehen, dann trat er hastig neben den Kutscher und packte ihn am Arm.

„Mann, wer weiß, was das wieder bedeutet“, sagte er zischend. „Der Alte will dich sprechen. Vert-de-gris soll dich zu ihm bringen. Die speisen jetzt erst zu Mittag. Du bist eingeladen, mit Vert-de-gris und dem Bootsmann an der Kapitänstafel zu sitzen.“

„Ich soll den Fraß noch mal essen?“ fragte der Kutscher empört und versuchte, sich aus dem Griff des Riesen zu befreien.

Der Pirat hielt ihn fest.

„Los, komm endlich mit!“ stieß er hervor. „Oder glaubst du, ich will deinetwegen die Neunschwänzige verpaßt kriegen? Du brauchst keine Angst vor dem Essen zu haben. Die Herren vom Achterdeck haben ihren eigenen Koch.“

„Wenn das so ist.“ Der Kutscher folgte dem Riesen, bevor der ihm den Arm ausreißen konnte.

Die anderen Piraten schienen inzwischen alle die Sensation vernommen zu haben. Sie starrten den Kutscher an, als sei er ein Fabeltier. Eben noch hatte ihn der Profos fast totgeschlagen, und jetzt sollte er mit dem Kapitän speisen. Der Kutscher begann zu grinsen. Wenn er allerdings gewußt hätte, was die Männer sonst noch dachten, hätte er sicher auf der Stelle umgedreht und hätte in Kauf genommen, von dem muskelbepackten Glatzkopf durch die Decksplanken geschlagen zu werden.

Er mußte sich Mühe geben, ein Grinsen zu verkneifen, als er den Riesen vom Achterdeck durch eine niedrige Tür treten sah. Der Mann sah aus wie ein Clown. Sein Oberkörper war bloß. Muskeln spielten unter der mit Narben übersäten Haut. Er trug eine gestreifte Hose, die von einer roten Schärpe an den Hüften gehalten wurde. Aber statt seines roten Kopftuches trug er eine grauweiße Perücke mit langen Lokken, die ihm fast bis auf die Schultern fielen.

Die Perücke war für seinen Kopf viel zu klein. Sie gab ihm das Aussehen eines Betrunkenen, zumal sie noch schief auf dem großen Kopf saß und an der linken Schläfe einen Teil seiner schwarzen Haare zeigte.

Ein kleiner, spindeldürrer Mann tauchte hinter dem Bootsmann auf. Er hatte eine Schürze vor dem Bauch, die eine Wäsche vertragen konnte. Der Mann hielt in jeder Hand eine Perücke, und als er dem glatzköpfigen Profos eine von ihnen reichte und der sie sich mit einer lässigen Handbewegung über die Glatze streifte, wußte der Kutscher, was ihm blühte.

Er dachte nicht mehr daran, über den Aufzug des Bootsmannes zu grinsen. Er nahm die Perücke aus der Hand des Schürzenträgers entgegen und drehte sie in den Händen. Er hatte offensichtlich die schmutzigste erhalten. Hoffentlich sind keine Würmer drin, dachte er voller Abscheu, als er sie sich gottergeben auf die Haare stülpte.

Le Requin, der Bootsmann, nickte.

„Der Kapitän liebt es nicht, wenn ihm ein Mann ohne Perücke gegenübertritt“, sagte er. „Er hält auf Etikette, die er seinem Adelsrang schuldig ist. Er möchte dich stellvertretend für deine Kameraden an Bord der ‚L’Exécuteur‘ begrüßen. Ich hoffe, du weißt die Ehre zu schätzen, an seiner Tafel Platz nehmen zu dürfen.“

Der Kutscher nickte. Mein Gott, dachte er, sind sie denn auf diesem Schiff alle verrückt?

Er folgte dem Bootsmann und Vert-de-gris durch eine niedrige Tür, die der Mann mit der Schürze hinter ihnen zuzog. Durch einen dunklen Gang gelangten sie in die Kapitänskammer, die von einem langen, schmalen Tisch fast völlig ausgefüllt wurde.

An dem ihnen zugewandten Ende des Tisches waren drei Gedecke aufgetischt, dazu eine Schale mit Obst und ein Kerzenleuchter mit sechs Kerzen, die brannten.

Am anderen Ende saß ein Mann.

Außer ihm befand sich niemand mehr in der Kammer, also mußte das der Kapitän sein.

„Der Comte Armand de Fauvenoir“, sagte der Bootsmann mit getragener Stimme. Er schob den Kutscher am schmalen Tisch entlang auf den Mann zu.

Erst jetzt war der Mann deutlicher zu sehen. Im Schein der Kerzen sah das rötlich glänzende, verfallene Gesicht wie die Maske eines Teufels aus. Der Kerl hing schief in seinem Sessel, in der einen Hand ein großes Glas, das bis zur Hälfte mit Rotwein gefüllt war. Die schmalen Finger der anderen Hand trommelten auf der Tischplatte.

Der Kutscher fühlte sich von den kleinen, stechenden Augen durchbohrt. Er dachte nicht daran, über die rosa Perücke, in die blaßblaue Schleifen gebunden waren, zu lächeln. Er hatte das Gefühl, einem Menschen gegenüberzustehen, dem es Freude bereitete, andere zu quälen.

Instinktiv verbeugte sich der Kutscher und vollführte eine wedelnde Bewegung mit der rechten Hand, wie er es schon häufiger bei vornehmen Spaniern gesehen hatte.

Der Comte schien davon sehr angetan. Er zog die Lippen in die Breite und zeigte ein paar braune Zahnstummel, die ihm sicherlich nicht allzuviel Freude bereiteten.

„Ich sehe, Sie wissen sich zu benehmen, mein Freund“, sagte der Comte mit süffisanter Stimme, die hell wie eine gläserne Glocke klang. „Nehmen Sie Platz, meine Herren.“

Der Kutscher trat zurück und wartete, bis Le Requin ihm einen Platz anwies. Er setzte sich. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß die Kammer nur von Kerzen erleuchtet wurde. Die Fenster zum Heck waren mit schweren Brokatgardinen verhängt. Er dachte über den Namen des Comte nach. Sicher hatte er ihn sich nur zugelegt, denn so viele Kenntnisse hatte der Kutscher, daß er wußte, daß Fauvenoir „schwarzes Raubtier“ hieß. Offensichtlich war es unter den Piraten Mode, sich möglichst wüste Namen zuzulegen.

Der Kutscher zuckte zusammen, als hinter ihm etwas hart auf den Boden gestampft wurde. Er wandte den Kopf und sah den kleinen, spindeldürren Aufklarer mit der Schürze, der einen langen Stab in der Hand hielt und ihn auf den Boden hämmerte.

„Le hors d’oeuvre“, sagte er mit krächzender Stimme. „Mouette á l’exécuteur!“

Ein Schauer nach dem anderen rann dem Kutscher über den Rükken. Er schaute den Bootsmann von der Seite an, aber Le Requin und auch der Profos starrten unbewegt durch die Kerzen auf den Kapitän, der immer weiter zur Seite sackte, dann aber von einem herzhaften Rülpser wieder in die richtige Position zurückbefördert wurde.

„Guten Appetit, meine Herren“, sagte er, als der spindeldürre Aufklarer die Teller vor sie hingestellt hatte.

Der Kutscher sah einen gebratenen Vogel vor sich liegen. Er hatte bisher noch keine Möwe gegessen, aber wenigstens sah es einigermaßen genießbar aus.

Le Requin wollte gerade seinen Vogel aufschneiden, als die helle Stimme des Kapitäns ihn innehalten ließ.

„Lieber Le Requin“, sagte der Comte, rülpste und sprach dann weiter: „Würden Sie mir die Ehre erweisen und persönlich eine neue Flasche Wein für mich holen?“

Der Bootsmann legte Messer und Gabel mit ruhigen Bewegungen auf den Tisch und erhob sich. Der Kutscher hatte genau gespürt, wie ein kurzer Blick ihn streifte, dann nickte Le Requin, drehte sich um und verließ die Kapitänskammer.

Es war offensichtlich, daß der Comte den Bootsmann los sein wollte. Die Karaffe, die vor ihm auf dem Tisch stand, war zu mehr als der Hälfte gefüllt.

Dem Kutscher schlug das Herz plötzlich bis zum Hals hinauf. Er war weiß Gott kein Angsthase, aber die ganze Atmosphäre dieses Raumes, der ihn an eine Gruft erinnerte, trieb ihm den Schweiß aus den Poren.

Der Kapitän begann plötzlich zu stöhnen. Sein Gesicht verzerrte sich. Wütend stampfte er mit dem Fuß auf.

Der kleine Mann mit der Schürze, der die Kammer wieder verlassen hatte, nachdem die Möwen serviert waren, wieselte durch die Tür, schenkte Wein nach und träufelte aus einer winzigen Flasche ein paar Tropfen in die dunkelrote Flüssigkeit.

Wie ein Verdurstender schüttete der Comte den Wein in sich hinein. Sein Gesicht blieb noch für Minuten verkniffen, dann löste es sich, und in seine Augen trat ein tückisches, gemeines Glitzern.

Er beugte sich vor und fixierte den Kutscher.

„Sag dem englischen Schwein, was ich von ihm wissen will“, sagte er. Es hörte sich an wie das Zischeln einer Schlange.

Ehe der Kutscher den Kopf drehen konnte, weil er merkte, daß der Comte den Profos angesprochen hatte, spürte er etwas Kaltes an seinem Hals. Er erstarrte. Langsam senkte er den Blick und sah die Schneide eines Messers im Schein der Kerzen blitzen.

„Was hat Le Requin mit euch vor?“ fragte der Muskelprotz mit gequetschter Stimme. Irgend etwas stimmte mit seinem Kehlkopf nicht. Dem Kutscher gingen noch andere Gedanken durch den Kopf, aber der Schmerz an seinem Hals brachte ihn wieder zur Besinnung. Er merkte, wie ihm Blut am Hals hinunter in den Kragen lief.

„Ich – ich weiß es nicht!“ stieß er hervor. „Ich weiß nicht einmal, warum sie mich allein an Bord zurückgelassen haben.“

„Er weiß nichts, Vert-de-gris“, sagte der Comte lächelnd. „Was für ein Glück, daß er kein Schwätzer ist. Sonst hätte er uns um unser Vergnügen gebracht, nicht wahr?“

Der Glatzkopf grinste unter seiner Perücke, die ihm in die Stirn gerutscht war, und nickte.

„Soll ich die Schaukel …“

Der Comte winkte ab und verzog gelangweilt das Gesicht.

„Das haben wir doch erst letzte Woche gehabt“, sagte er. „Vert-de-gris, du willst doch nicht anfangen, mich zu langweilen?“

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