Kitabı oku: «Seewölfe Paket 16», sayfa 12

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9.

Als die Morgendämmerung mit blassem rötlichem Schein nahte, standen die Seewölfe vollzählig versammelt auf Deck und betrachteten mit gemischten Gefühlen und unterschiedlichen Mienen, in was sie da hineingeraten waren.

Sehr deutlich waren jetzt die Reste der fremden Galeone zu erkennen, die Dan in der Nacht gerade noch rechtzeitig entdeckt hatte. Wie ein Skelett muteten die Spanten an, die aus dem Wasser ragten. Drohend schienen die mit Eisenspitzen bewehrten und mit Lanzen ummantelten Holzpfähle herüberzugrüßen, aus denen die Schiffsfalle errichtet war.

„Feine Sache“, sagte Big Old Shane grimmig und spuckte über das Schanzkleid ins Wasser. „So verdienen diese Bastarde sich also ihren Lebensunterhalt, was? Sie plündern Schiffe aus, wracken sie ab, schlagen sich mit dem erbeuteten Proviant ihre Bäuche voll und heizen mit dem Holz ihre Öfen an.“

„Hölle und Teufel“, sagte Carberry. „So eine Satansbande. Wie wäre es denn, wenn wir denen auf ihren Düneninseln mal einen kurzen Besuch abstatten würden?“

„Davon halte ich nichts“, erwiderte der Seewolf. „Es könnte sein, daß auch Unschuldige in Mitleidenschaft gezogen werden, falls es zum Kampf kommt – Frauen und Kinder zum Beispiel. Das will ich nicht.“

„Aber was ist, wenn die Hunde noch mal angreifen?“ wollte Smoky wissen.

„Das habe ich euch doch schon gesagt“, antwortete Hasard. „Dann ziehen wir selbstverständlich alle Register.“

„Soll ich schon mal die Höllenflaschen holen, die ich hergestellt habe?“ fragte Ferris Tucker mit grimmiger Miene.

Hasard blickte zu ihm. Die Wirkung der von dem rothaarigen Riesen erfundenen Wurfgranaten war wirklich grandios, aber es hatte keinen Sinn, sie zu vergeuden. Wer weiß, was weiter nördlich noch alles auf uns wartet, dachte Hasard.

„Nein, Ferris“, erwiderte er. Dann wies er auf die ausgerannten und feuerbereiten Kanonen. „Wenn sie wirklich nicht aufgeben und noch mal angreifen, genügen uns die Geschützbatterien, um ihnen genug Angst einzujagen.“

„Und um sie in Stücke zu schießen“, sagte Ben Brighton. Er fing Hasards verwunderten Blick auf und fuhr fort: „Ich weiß, ich weiß, so kennt ihr mich sonst gar nicht. Aber ich möchte nicht wissen, was die Friesen mit den armen Teufeln von der Galeone dort aufgestellt haben.“

„Ich kann’s mir denken“, brummte Old O’Flynn. „Sie haben sie alle umgebracht und in die See geworfen. Die Strömung hat die Leichen der armen Kerle mitgenommen.“

„Diese Höllenbraten“, sagte der Profos und ballte die Hände zu Fäusten. „Die hätten einen kräftigen Denkzettel verdient, damit sie so was nicht wieder versuchen.“

„Ich kann verstehen, daß ihr aufgebracht seid“, meinte der Seewolf. „Ich selbst bin es auch. Aber die Strand- und Küstenräuberei wird wohl nie aufhören, weder hier noch woanders. Ich glaube, es könnten hundert Galeonen auftauchen und alles kurz und klein schießen, es würde im Endeffekt doch nichts nützen.“

„Ja“, bestätigte Dan O’Flynn. „Irgend jemand von diesen Schnapphähnen kehrt zurück und fängt wieder von vorn an.“

„Na gut“, sagte Carberry. „Aber es braucht doch seine Zeit, bis so eine Falle gebaut ist, oder?“ Er deutete auf die Pfahlbarriere. „Also könnten wir wenigstens die verdammten Hölzchen da drüben kaputtfeuern, ehe wir wieder ankerauf gehen und weitersegeln.“

„Ich bin ganz deiner Meinung“, sagte der Seewolf. „Sobald sich das Wetter beruhigt hat, erledigen wir das und kehren dann den gastlichen Inseln Norderney und Baltrum den Rücken.“

Er blickte nach Norden. Außerhalb der Passage türmten sich die Wogen der See immer noch hoch auf, und auch der Nordwind schien kaum nachgelassen zu haben. Aber die sich glättende Formation der Wolken in der Ferne ließ auf einiges schließen, man durfte auf eine Verbesserung im Laufe des Tages hoffen.

Hasard ließ die wenigen Schäden ausbessern, die während des Kampfes an Bord entstanden waren. Danach bereiteten der Kutscher, Mac Pellew und die Zwillinge ein kräftiges Frühstück zu, das von allen mit Heißhunger verschlungen wurde.

Bill hatte den Großmars geentert und beobachtete unaufhörlich die Ufer von Norderney und Baltrum, doch dort zeigte sich kein Mensch. Plötzlich schienen beide Inseln wie ausgestorben zu sein. Nur die Dachfirste, die wie Buckel hinter den Deichen aufragten, zeugten davon, daß auf den Inseln die Jehans lebten – seltsame Leute, die es mit der Moral und Nächstenliebe nicht sehr genau nahmen.

Hinter dem Deich von Norderney wurde eifrigst beratschlagt, und auf Baltrum war es nicht anders. Lüder Groot-Jehan und Karl Lütt-Jehan konnten sich untereinander nicht verständigen, weil sie befürchten mußten, von Bord der nach wie vor in der Passage ankernden Galeone aus beobachtet zu werden. Doch Lüder wie Karl nahmen gegenseitig voneinander an, daß der eine dem anderen schon helfen würde, sobald eine neue Aktion begann.

„Ich bin dafür, daß wir gleich losschlagen“, sagte Lüder zu Frieda, Willem Gode, Jan, Uwe und all den anderen, die sich vor seinem Haus um ihn herum versammelt hatten. Er hatte Bilanz gehalten: Fünf Männer hatte er durch die Schüsse des Gegners verloren, aber seine besten Kumpane waren ihm geblieben. Er konnte sich auf sie verlassen, sie würden nicht zögern, mit ihm durch dick und dünn zu gehen.

Die Baltrumer hatten vier Männer eingebüßt. Karl Lütt-Jehan schüttelte wild die Fäuste, Eberhard fuchtelte mit seinem Eichenwurzelstock herum.

„Rache!“ schrie Karl. „Das zahlen wir den Hunden heim!“

„Jawohl!“ brüllte Eberhard. „Wir lassen sie hier nicht weg. Ehe sie die Anker lichten, greifen wir sie von neuem an und zeigen ihnen, was ein richtiger Ostfriese ist!“

„Das sind englische Korsaren“, sagte Brüne, dem dies alles nicht mehr recht geheuer war. „Die kennen keine Angst. Die stehen mit dem Teufel persönlich im Bund.“

„Feigling!“ stieß Karl höhnisch aus.

„Verdammt“, sagte Eberhard, „willst du etwa vor ihnen kneifen?“

„Habe ich das vielleicht gesagt?“ erwiderte Brüne aufgebracht. „Aber wie sollen wir gegen sie vorgehen? Wir brauchen bloß in die Passage rauszupullen, dann eröffnen sie mit ihren Kanonen das Feuer auf uns.“

„Wir müssen uns was Schlaues ausdenken“, brummte Karl. Er kratzte sich angelegentlich am Hinterkopf, doch es wollte ihm nichts Brauchbares einfallen.

Auf Norderney hatte sich Frieda soeben an Lüder gewandt und sagte: „Das wäre das Dämlichste, was wir unternehmen könnten. Wollt ihr euch alle abknallen lassen? Nein, kommt nicht in Frage. Diese Engländer sind mit allen Wassern gewaschen, das haben sie bewiesen. Wir müssen uns eine List ausdenken.“

„Eine List?“ wiederholte Onno Osten. „Aber wie?“

„Man muß nur seinen Grips anstrengen“, sagte die alte Frau. „Nun seid mal still, ich bin nämlich schon dabei. Lüder und ich haben die ganze Nacht über noch darüber rumgegrübelt, aber es wollte nichts Rechtes dabei herausspringen.“ Plötzlich schnalzte sie mit zwei Fingern und schaute die Männer an. „Aber jetzt hab’ ich’s! Eine gute Idee! Wir brauchen dazu zwei Mädchen – besser noch, zwei von unseren jungen Frauen.“ Sie blickte über die Schultern der Männer und sah Herma und Grete nicht weit entfernt vor dem Groot-Jehanschen Tor stehen und miteinander tuscheln.

„He, ihr!“ rief Frieda. „Kommt mal her, wir brauchen euch!“

„Moment“, sagte Onno schwerfällig. „Dazu habe ich auch noch was zu sagen.“

„Keine Angst, deiner Herma wird keiner ein Härchen krümmen“, sagte Frieda freundlich und warf ihrem Pflegesohn Lüder dabei einen vernichtenden Blick zu.

„Hier sind wir“, sagte Grete unbekümmert. Herma hingegen hatte sichtlich Angst. Hatte Frieda Onno etwas von der Geschichte mit Lüder erzählt? Sie spürte, wie ihre Beine zu zittern begannen.

„Auf euch werden die Engländer bestimmt nicht schießen“, sagte Frieda. „Aber wir wollen auf euch schießen.“

„Was?“ stieß Onno entsetzt hervor, und auch Willem schienen die Augen fast aus dem Kopf zu fallen. „Ist das dein Ernst, Groot-Jehans-Mutter?“ fragte Onno verdattert. „Jetzt versteh ich gar nichts mehr.“

„Lüder“, sagte die dürre Alte scharf. „Kann man eine Flinte so laden, daß sie nur kracht, aber nicht richtig schießt?“

„Aber sicher doch“, entgegnete dieser. „Man läßt die Kugel weg, dann explodiert nur das Pulver. Das verursacht viel Lärm, aber es passiert nichts dabei.“ Plötzlich grinste er. „Ich weiß schon, was du vorhast.“

„Ja?“ Sie lächelte zurück. „Aber du spielst bei der List nicht mit. Onno und Willem sollen hinter ihren Frauen herjagen, ihr anderen Mannskerle liegt hinter dem Deich und rührt euch nicht, bevor die Engländer erscheinen.“

„Wieso sollen die Engländer denn erscheinen?“ fragte Willem völlig verständnislos. „Das will mir nicht in den Kopf.“

„Hört mal alle genau her“, sagte Frieda. „Ich erklär’s euch. Paßt aber gut auf, ich will nichts zweimal erzählen.“

Sie steckten die Köpfe zusammen, und wenig später war Friedas Plan beschlossene Sache. Auf Baltrum hingegen waren die Lütt-Jehans nach wie vor zu keinem Ergebnis ihrer Verhandlungen gelangt.

Friedas Idee hingegen schien den Schlüssel zum Erfolg zu bergen. Wenn die Engländer mit ihrer „Isabella“ schon nicht auf die Pfahlbarriere gelaufen waren, so mußten sie doch in die nächste Falle tappen, die die Jehans für sie aufstellten.

„Deck!“ schrie Bill plötzlich vom Mars nach unten. „Es tut sich was!“

Die Arbeiten an Deck waren abgeschlossen, die Hälfte der Crew hatte sich gerade zu einer von Hasard angeordneten Ruhepause zurückziehen wollen. Jetzt aber eilten die Männer ans Schanzkleid und spähten in die von Bill angegebene Richtung – nach Norderney.

Dort liefen zwei Mädchen – oder junge Frauen – den Deich hinunter und stürmten offensichtlich in kopfloser Panik über den Strand auf die Brandung zu. Sie stießen kurze, spitze Schreie aus.

Carberry, der sich von Dan O’Flynn ein Spektiv hatte aushändigen lassen und einen Blick hindurchwarf, stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Donnerwetter, die sind aber gut beieinander. Nun seht euch doch mal diese Prachtweiber an. He, Shane, schau mal, was die eine für große …“

„Schnickschnack“, fiel ihm der alte O’Flynn ins Wort. „Merkst du nicht, daß das schon wieder so eine Arglist ist, um uns hinters Licht zu führen?“

„Ja, Donegal, das geht selbst mir auf“, entgegnete der Profos langsam. „Ich bin ja schließlich nicht blöd, oder?“

„Hat das wer behauptet?“ sagte Dan aufgebracht. „Daß mir ja keiner unseren Profos beleidigt.“

Carberry hob verblüfft die Augenbrauen. Was sollte er davon halten? Ergriff Dan O’Flynn tatsächlich Partei für ihn? Oder nahm er ihn doch nur wieder auf den Arm?

Gerade wollte Carberry dazu etwas sagen, da ertönte über ihnen wieder Bills Stimme: „Die Mädchen werden verfolgt!“

Tatsächlich – zwei Ostfriesen waren oben auf dem Deich erschienen, sie schwangen ihre Flinten und hetzten hinter den Frauen her, die die Brandung erreicht hatten und Anstalten trafen, sich in das Wasser zu stürzen. Die beiden Männer brüllten wie verrückt, dann legte der eine von ihnen auf die Frauen an.

„Ach, du meine Güte“, sagte Carberry. „Was soll das denn werden?“

„Ich kenne die beiden“, brummte Roger Brighton. „Die waren heute nacht bei dem Überfall mit dabei.“

„Richtig“, bestätigte Mac Pellew. „Dem einen habe ich kräftig was übergebraten. Daß er sich davon schon wieder erholt hat – kaum zu glauben.“

„Die Ostfriesen sollen besonders harte Rüben haben“, erklärte Nils Larsen. „Ich weiß das aus sicherer Quelle. Als ich noch ein Junge war, war ich mal auf Wangerooge. Dort lebt ein ähnlicher Menschenschlag wie hier.“

„Ist ja hochinteressant“, sagte Smoky. „Aber wollen wir hier tatenlos stehen und zusehen, wie die Idioten auf ihre Frauen schießen?“

Ein Schuß krachte, von Willems Flinte stieg eine weiße Wolke Pulverqualm auf. Grete kreischte auf und brach auf dem Sandstrand zusammen. Herma schrie wie von Sinnen und rannte in die hohen Brandungswellen.

„Da brat mir doch einer einen Barsch!“ stieß der Profos empört aus. „Sind diese Säcke total durchgedreht?“

„Das ist doch alles nur Theater“, sagte der alte O’Flynn. „Sie haben sich hübsch was ausgedacht, um uns anzulocken.“

„Ja“, sagte nun auch der Seewolf. „Aber hoffentlich haben sie sich dabei nicht verkalkuliert.“

„Es könnte aber auch was Wahres an der Sache dran sein“, meinte Nils Larsen. „In Ostfriesland soll ein Mädchen nämlich nur solange Jungfrau bleiben, wie es schneller als Vater und Bruder laufen kann.“

„Ist das dein Ernst?“ Carberry sah ihn völlig verdutzt an. „So was gibt’s doch nicht! Bist du nicht mehr ganz dicht?“

„Das nennt man Inzucht“, mischte sich Dan O’Flynn ein. „Ja, auch ich habe gehört, daß so etwas besonders auf diesen Inseln gang und gäbe ist.“

„Blödsinn.“ Der Profos schüttelte den Kopf. „Ihr wollt mich ja bloß verschaukeln. Aber das kann ich auch selber, verstanden?“

„Aye, Sir“, erwiderte Dan und Nils.

Wieder krachte ein Schuß. Onno hatte zum Schein auf Herma geschossen. Herma zuckte zusammen, ihre Angst war echt. Sie malte sich aus, was wohl geschah, wenn Frieda heimlich doch mit ihrem Mann gesprochen hatte. Konnte es nicht sein, daß Onno jetzt über alles unterrichtet war? Daß er seine Waffe scharf geladen hatte, um mit ihr abzurechnen?

Herma schluchzte entsetzt. Auf was hatte sie sich eingelassen? Hatten Frieda und Onno am Ende ein Komplott gegen sie geschmiedet? Sie stürzte ins Wasser, richtete sich wieder auf, wurde von einem Brecher überspült und schluckte Wasser. Sie würgte und spuckte, ihr wurde fast übel, und plötzlich kriegte sie kaum noch Luft. Verzweifelt versuchte sie, zum Ufer zurückzukehren, doch eine Strömung entführte sie immer weiter in die Passage hinaus.

Frieda, die bei Lüder und den anderen Groot-Jehans hinter dem Deich lag und alles genau beobachtete, grinste zufrieden.

„Sie spielt ihre Rolle großartig“, sagte sie anerkennend.

„Etwas zu gut, finde ich“, brummte Lüder, aber Frieda achtete nicht weiter auf ihn. Er stand bei ihr immer noch in Ungnade und mußte sich erst wieder bewähren, damit sich dies änderte.

Onno und Willem waren bei Grete angelangt, die unverändert reglos auf dem Strand lag und so tat, als sei sie tot.

„Was macht denn Herma?“ sagte Onno verwundert. „Sie soll bloß nicht zu weit rausschwimmen, das ist gefährlich.“

„Ich glaube, sie schwimmt überhaupt nicht“, sagte Willem betroffen. „Sie ist am Absaufen.“

„Herma!“ schrie Onno entsetzt.

An Bord der „Isabella IX“ stieß Old O’Flynn einen saftigen Fluch aus. „Wie die das alles einstudiert haben – widerlich! Für wie bescheuert halten die uns eigentlich?“

Hasard behielt Herma Osten durch sein Spektiv im Auge.

„Daran ist jetzt nichts Vorgetäuschtes mehr“, sagte er, dann fuhr er zu seinen Männern herum. „Die Frau ertrinkt wirklich. Los, fiert ein Boot ab. Wir müssen ihr helfen.“

„Sir!“ stieß Ben entgeistert hervor. „Ist das wirklich dein Ernst? Die Kerle liegen da drüben bestimmt hinter dem Deich und warten nur darauf, ein Zielschießen auf uns veranstalten zu können.“

„Wir müssen eben vorsichtig sein“, sagte der Seewolf, während Sam, Al, Luke und Bob bereits das kleinere der beiden Beiboote außenbords brachten und abfierten. „Auf keinen Fall dürfen wir die Frau ihrem Schicksal überlassen. Ehe ihre eigenen Leute bei ihr sind, könnte jede Hilfe zu spät für sie erfolgen. Sieh doch mal, wie weit sie schon abgetrieben ist.“

Tatsächlich schafften Onno und Willem es nicht, Herma zurück an Land zu holen, denn sie selbst hatten schwer mit der Brandung zu kämpfen, und die Wogen trugen Herma immer weiter in Richtung auf die Pfahlbarriere hinaus.

Am Westufer von Baltrum hatten sich inzwischen die Lütt-Jehans versammelt. Eberhard, Karl, Heino, Pit, Friedhelm, Brüne, Gerlinde und alle anderen hielten das, was die Groot-Jehans inszeniert hatten, ebenfalls für eine großartige Komödie, die dazu dienen sollte, die Engländer hereinzulegen.

Daß etwas schiefgelaufen war, sollte ihnen erst etwas später aufgehen. Sie hielten sich bereit, in ihre Boote zu steigen und loszupullen, sobald die Groot-Jehans den neuen Angriff auf die Männer des Schiffes eröffneten.

Hasard hatte sich seine Begleiter ausgesucht – Carberry, Dan, Shane, Roger und Nils Larsen hangelten mit ihm an der Jakobsleiter in die Jolle hinunter. Sie ließen sich auf den Duchten nieder, griffen nach den Riemen und begannen wie besessen zu pullen. Hasard drückte die Ruderpinne herum und nahm Kurs auf Herma, die noch einmal einen unterdrückten Schrei ausstieß. Er sah, wie sie unterging und dann wieder hochschoß. Er wußte, daß es nur noch wenige Augenblicke dauerte, bis sie ganz verschwand und nicht wieder auftauchte.

10.

Herma Osten hatte das Gefühl, ein tückisch grinsender Dämon greife nach ihren Beinen und zerre daran. Das Scheusal hockte auf dem Grund der Passage und wollte sie zu sich holen. Sie schluckte wieder Wasser, hustete und bekam keine Luft mehr. Ihr Schrei war nur noch ein gurgelnder Laut, die Panik raubte ihr den letzten Rest Beherrschung. Sie schlug wie verrückt um sich, aber damit verschlimmerte sie alles nur noch.

Es zog sie in die Tiefe, die Fluten schlugen über ihr zusammen. Sie glaubte noch, ein Boot zu sehen, das auf sie zuhielt, aber sie war nicht sicher. Es mochte ein Trugbild gewesen sein.

Ein fürchterliches Stechen setzte in ihrer Brust ein, aber dann ließen alle Qualen nach, und die Welt versank in einem süßen Schlummer. Herma breitete die Arme aus und sank tiefer. Onno war nur noch ein Traum, Lüder ein ferner Schatten an der Kimm der See, alles war vorbei, und es würde nie wieder Probleme für sie geben.

Plötzlich aber griffen starke Hände nach ihr. Sie fühlte sich nach oben zurück entführt, die Auftriebskraft war gewaltig. Was genau geschah, vermochte sie nicht zu ermessen, ihre Augen waren geschlossen.

Sie sah nicht das harte Gesicht des schwarzhaarigen Mannes neben sich, sie hatte nicht verfolgen können, wie er von der Jolle ins Wasser gesprungen war. Sie bemerkte nicht, wie sich ihr Kopf über die Fluten hob, wie andere kräftige Hände nach ihr griffen und sie an Bord der Jolle zogen.

Sie war besinnungslos.

Hasard hatte sich nur in etwa die Stelle merken können, an der sie untergegangen war. Das Boot hob und senkte sich wie ein Spielball, die Wogen ließen eine genaue Orientierung nicht zu. Aber er hatte es trotzdem versucht, war hineingesprungen und hatte nach ihr gesucht. Das Glück hatte es gewollt, daß er sie gefunden hatte.

Er griff nach dem Dollbord und zog sich selbst in die Jolle. Dan und Shane hatten Herma unterdessen zwischen zwei Duchten gebettet. Hasard stieg über zwei andere Duchten zu ihnen, beugte sich über sie und begann sofort mit der Wiederbelebung.

Genau in diesem Augenblick richtete sich Frieda hinter dem Deich auf, sie hatte alles genau verfolgt.

„Diese dreckigen Hunde!“ schrie sie. „Sie haben Herma gefangen! Sie wollen sie vergewaltigen!“

Lüder und die Männer sprangen gleichfalls auf. Sie stürmten den Deich hinunter, brachten die Boote zu Wasser und pullten los.

Onno und Willem schwammen auf die Jolle der Seewölfe zu, Onno hatte ebenfalls gehört, was Frieda gerufen hatte, und er zückte in blinder Wut sein Messer.

Auf Baltrum stiegen die Lütt-Jehans gleichfalls in ihre Boote und nahmen Kurs auf die „Isabella“.

„Achtung, Bastard!“ schrie Ben Brighton, der mittlerweile die Back der „Isabella“ geentert hatte. „Es gibt wieder Ärger!“

„Feuer frei!“ rief der Seewolf zurück. „Haltet uns die Bande vom Hals!“

Herma hatte schwallweise das Seewasser ausgespuckt und atmete wieder. Eben war es ihm so erschienen, als habe sie sich auch bewegt. Er wollte seine Versuche jetzt um keinen Preis aufgeben.

Carberry richtete das Spektiv, das er mit ins Boot genommen hatte, auf den Deich von Norderney.

„Die alte Hexe da drüben“, sagte er zu Nils Larsen. „Was hat die geschrien? Du verstehst doch Deutsch, oder? Mann, ist das eine verrückte Sprache.“

Nils mußte unwillkürlich grinsen.

„Hei neit er“, wiederholte er.

Er deutete auf den Seewolf, der sich nach wie vor tief über die Ostfriesin gebeugt hielt. „Das bedeutet soviel wie …“

„Er mißbraucht sie“, half Dan dem Dänen weiter. „Na, da haben wir uns ja was Schönes eingebrockt.“

Herma kam zu sich, schlug die Augen auf und blickte Hasard in die Augen.

„Du liebe Güte“, hauchte sie. „Wo bin ich denn hier?“

„Oha!“ sagte Carberry. „Was für ein Geschöpf!“ Dann drehte er sich zu den Ostfriesen um, die jetzt in ihren Booten bedrohlich nah herangerückt waren.

„Aufpassen“, sagte Roger Brighton. „Daß wir ja nicht die beiden aus den Augen lassen, die da im Wasser schwimmen.“ Er packte einen der Riemen und blickte aufmerksam zu Onno und Willem, die sich fluchend heranschoben.

„Feuer!“ schrie Ben an Bord der „Isabella“, und jetzt spuckten die 17-Pfünder der Backbordseite ihre Ladungen gegen die Lütt-Jehans aus, die auch nicht mehr weit entfernt waren. Eine Jolle wurde wie von einer unsichtbaren Faust hochgehoben und durch die Luft gewirbelt, Schreie ertönten im Grollen der Geschütze, Fontänen stiegen dicht neben der Friesenfalle auf und fielen dann rauschend wieder in sich zusammen.

Al Conroy, Ferris Tucker, Smoky und Old O’Flynn bedienten die Drehbassen und zielten damit auf die Groot-Jehans, die ihrerseits das Musketenfeuer auf die „Isabella“ und auf Hasards Jolle eröffneten. Die Schüsse krachten. Der Seewolf und seine fünf Begleiter duckten sich tief in ihr Boot. Lüder Groot-Jehan begann zu fluchen und zu schreien, als eins seiner Boote plötzlich getroffen war und zu sinken begann.

„Verehrte Lady“, sagte Hasard zu der blonden Herma mit den großen blauen Augen, die nicht aufhörte, ihn halb entsetzt, halb bewundernd zu mustern. „Ich bin Philip Hasard Killigrew, und dies sind meine Kameraden. Wir wollen dir nichts Böses antun und haben dich nur aus dem Wasser gezogen, damit du nicht ertrinkst. Es wäre denn doch zu schade um dich gewesen.“ Lächelnd blickte er zu Nils Larsen, der ebenfalls sehr froh über Hermas Rettung zu sein schien. „Übersetze das bitte, Nils.“

Nils gab sich alle Mühe, sich mit Herma zu verständigen. Sie lauschte ihm, nickte hin und wieder, stieß ein geseufztes „Oh“ und dann auch mal ein „Ach“ aus und setzte eine beinah andächtige Miene auf.

Wieder krachten die Kanonen der „Isabella“, dieses Mal waren es die schweren Stücke der Backbordseite. Dröhnend und wummernd rasten die Kugeln auf die Boote der Lütt-Jehans zu, und wieder hob es eine der Jollen wie durch Geisterhand hoch. Schreie gellten. Heino und Pit waren getroffen, Friedhelm und Brüne landeten im Wasser und klammerten sich an den Trümmern der ersten zerstörten Jolle fest. Eberhard und Karl lagen flach auf den Duchten ihres Bootes und verfolgten entsetzt, was geschah. Wie durch ein Wunder waren sie bisher verschont geblieben, aber sie hatten schon mehr als zehn Männer verloren.

Lüder Groot-Jehan sah, wie Gode und zwei andere seiner Sippe starben, und eine eisige Hand schien nach seinem Herzen zu greifen. Jetzt ist alles aus, dachte er.

Wieder krachten die Drehbassen der „Isabella“. Ben wollte die Kanonen der Steuerbordseite nicht gegen die Angreifer einsetzen, weil er fürchtete, das Boot des Seewolfs zu gefährden. Die viel kleineren Drehbassenkugeln lagen aber wieder im Ziel – noch ein Boot der Friesen kenterte und ging unter. Die Insassen versuchten, die übriggebliebenen Jollen zu erreichen.

Grete hatte sich inzwischen vom Strand erhoben und lief zu ihrer Mutter, die wie von Sinnen am Deich auf und ab rannte und schrille Schreie ausstieß.

„Mutter!“ rief Grete ihr zu. „Das muß ein Ende haben!“

Herma richtete sich zwischen den Duchten von Hasards Boot auf und blickte voll Grauen auf das Geschehen. Dann griff sie nach Hasards Hand.

„Vielen Dank für die Rettung“, sagte sie. „Und bitte – nicht mehr schießen.“

Nils dolmetschte wieder. Der Seewolf blickte zu den Booten der Friesen. Die Groot-Jehans hatten noch drei, die Lütt-Jehans nur noch zwei Boote.

Eberhard und Karl schickten sich bereits an, sich zurückzuziehen, sie begriffen, daß jede weitere Aktion sinnlos war. Lüder Groot-Jehan indes war von dem wilden Wunsch beseelt, wenigstens dem großen schwarzhaarigen Kerl, der der Kapitän der Engländer zu sein schien, alles heimzuzahlen. Schon hob er seine Muskete und richtete sie auf den Seewolf.

„Das Feuer einstellen!“ rief Hasard zur „Isabella“ hinüber.

„Aye, Sir!“ schrie Ben zurück. „Aber zieh den Kopf ein!“

Herma zerrte Hasard an der Hand zu sich herunter. Lüders Muskete krachte, die Kugel pfiff um etwa zwei Handspannen über Hasard weg. Carberry schrie: „Na warte, wenn ich dich erwische, du verfluchter Hund!“

Onno und Willem hatten die Jolle der Seewölfe erreicht. Onno versuchte, sich am Dollbord hochzuziehen und mit seinem Messer nach Hasards Beinen zu hacken, aber Roger Brighton hieb mit dem Riemen zu. Dan O’Flynn setzte Willem auf die gleiche Weise außer Gefecht.

„O Gott!“ stieß Herma hervor. „Nur das nicht!“

„Wer sind denn die Kerle?“ wollte Nils von ihr wissen.

„Der eine ist mein Mann“, sagte sie und begann zu jammern.

Hasard, Shane, Ed und Dan hatten zu den mitgebrachten Musketen und Tromblons gegriffen und schossen auf Lüder und dessen Kumpane. Damit hatten die Jehans nicht gerechnet. Sie stießen Flüche und entsetzte Rufe aus und duckten sich hinter das Dollbord.

Roger und Nils beugten sich weit aus dem Boot und zerrten Onno und Willem, die beide bewußtlos waren, zu sich heran, ehe diese ganz wegsinken konnten. Dann hievten sie sie in die Jolle.

Nils stand jetzt auf und rief den Friesen zu: „Wagt nicht, noch näher zu pullen! Wir haben drei Geiseln!“

„Lüder!“ schrie Frieda vom Ufer aus. „Aufhören! Dreh bei und kehr heim! Das ist ein Befehl!“

Endlich begriff Lüder, daß das Spiel aus war. Er ließ wenden und pullte mit seinen letzten Männern zum Ufer zurück. Mit gesenkten Häuptern landeten sie, stiegen an Land und schleppten ihre Verwundeten und die geretteten Schiffbrüchigen zu den wartenden Frauen.

Ben Brighton beobachtete alles, was geschah, mit scharfem Blick, und er ließ auch die Lütt-Jehans nicht aus den Augen, die inzwischen nach Baltrum zurückgekehrt waren.

Eberhard und Karl dachten jedoch nicht mehr an Gegenwehr. Sie traten vor Gerlinde und die anderen Frauen und Mädchen hin, die sie mit besorgten Gesichtern empfingen.

Es wurde eine Weile um die Opfer des kurzen Gefechts geweint, dann sagte Eberhard: „Schluß. Frieda hat recht, bei uns muß alles anders werden. Morgen schließen wir Frieden mit den Groot-Jehans, und ob wir uns wieder mit fremden Schiffsbesatzungen einlassen, muß gründlich geklärt werden. Mein Bedarf ist gedeckt, ich lebe lieber von der Fischerei und von der Gänse- und Entenjagd.“

Hasard gab seinem Ersten Offizier und Bootsmann ein Zeichen, dann ließ er anpullen, und sein Boot bewegte sich ebenfalls auf den Strand von Norderney zu. Ben und die Männer an Bord der „Isabella“ schnitten zwar verwunderte Mienen, aber Hasard hatte keine Bedenken, auf der Insel zu landen.

„Mach dir keine Sorgen“, sagte er zu Herma. „Wir bringen dich nach Hause.“

Sie seufzte wieder und dachte: Himmel, was für ein Mannsbild! Dann aber beugte sie sich mit kummervollem Gesicht über Onno und flüsterte: „Onno, sag doch was. Hast du Schmerzen? Oh, was haben wir beide bloß für ein Pech gehabt.“

Nils Larsen verstand jedes Wort. Er dachte sich dieses und jenes, grinste ein bißchen vor sich hin, äußerte sich aber nicht weiter zu dem, was sie sagte.

Knirschend schob sich der Bug der Jolle kurz darauf in den Sand von Norderney, die Brandungswellen setzten sie unerwartet sanft auf das Ufer. Die Seewölfe stiegen aus und schritten auf die wartende Gruppe zu, die sich auf dem Deich versammelt hatte. Ganz Norderney war zugegen – die Männer, die Frauen, die Mädchen, die Greise und die Kinder.

Als nur noch zehn Schritte die beiden Parteien voneinander trennten, ließ der Seewolf halten. Herma sah ihn von der Seite her an und fragte sich, was nun wohl geschehen würde. Onno war ins Bewußtsein zurückgekehrt und stützte sich auf ihren Arm. Willem, der auch wieder bei Bewußtsein war, wurde von Dan O’Flynn mit der Pistole in Schach gehalten.

„Nils“, sagte der Seewolf. „Du übersetzt bitte, was ich diesen Leuten mitzuteilen habe.“

„Aye, Sir.“

Hasard sah zu Lüder und zu Frieda und las den Haß in ihren Augen. Doch die anderen schienen ein wenig anders zu denken, sie blickten weniger angriffslustig drein.

„Wir könnten eure Häuser zusammenschießen“, sagte der Seewolf. „Aber darauf verzichten wir. Wir könnten die Geiseln mitnehmen und erst später irgendwo aussetzen, aber auch das tun wir nicht. Laßt euch das, was hier geschehen ist, eine Lehre sein.“

Nils übertrug jedes Wort ins Deutsche, und die Ostfriesen lauschten aufmerksam.

Friedas Züge entspannten sich ein wenig. Sie trat vor und erklärte: „Wir werden euch keine Schwierigkeiten mehr bereiten, wenn ihr Herma, Onno und Willem nur freigebt.“

Hasard nickte Herma Osten aufmunternd zu, und auch Onno und Willem durften zu den Ihren gehen. Keiner unternahm auch nur eine feindselige Geste – nur Lüder spielte plötzlich verrückt.

Er wollte sich auf Hasard stürzen.

„Du englischer Bastard!“ schrie er – und dieses Wort verstanden selbst Hasard, Carberry, Shane, Dan und Roger.

Der Profos tat nur einen Schritt, dann stoppte er den Friesen mit seiner mächtigen Gestalt. Lüder riß sein Messer aus dem Gurt hervor und wollte zustechen, doch Carberry schickte ihn mit einem einzigen Fausthieb zu Boden.

„So“, sagte er grimmig. „Jetzt hast du auch dein Fett. Du bist selber ein dreckiger kleiner Bastard.“

„Leider“, murmelte Frieda, die auch diese Sätze recht gut verstand. „Und ein Esel ist er obendrein. Er hat noch eine Menge Ohrfeigen verdient. Und wenn er nicht bald heiratet, verbanne ich ihn. Dann kann er nach Baltrum gehen und zusehen, wie er zurechtkommt.“

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