Kitabı oku: «Seewölfe Paket 16», sayfa 11

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7.

Die „Isabella IX.“ segelte mit vollem Preß durch die Nordsee und näherte sich den Ostfriesischen Inseln. Schon seit einiger Zeit hatten Hasard und seine Männer den „Eiligen Drachen“ Thorfin Njals aus den Augen verloren, der nach wie vor auf demselben Kurs lag wie sie, an Geschwindigkeit dem neuen Schiff der Seewölfe jedoch unterlegen war.

Während die Galeone durch die bewegte See jagte, saß Hasard oft in seiner Kammer und sah auf das versiegelte Kuvert, das er immer wieder aus der Schublade seines Pultes hervorholte.

Welche Order mochte es wohl enthalten?

Wieder stellte er die abwegigsten Überlegungen an, gelangte aber nie zu einem logischen Schluß. Groß war der Fächer der Möglichkeiten, vielfältig konnten die Beweggründe sein, die die Königin von England zu diesem Auftrag veranlaßt hatten. Kaperfahrt? Entdeckung? Ein schnelles, radikales Vorgehen gegen Feinde der Nation, die englische Schiffe behinderten? Spionage? All das mochte zutreffen, aber es hatte keinen Zweck, Mutmaßungen darüber anzustellen. Es führte ihn ja doch nicht weiter.

Einmal war er sogar versucht, das Siegel vor der Zeit aufzubrechen, doch rasch legte er das Kuvert wieder weg und schalt sich einen Narren, daß er überhaupt daran dachte.

Er kehrte auf das Achterdeck zurück, kontrollierte die Stellung der Segel und sprach mit Ben Brighton, um sich abzulenken.

„Eine verdammte Situation“, sagte auch Ben. „Wir haben einen Kurs, aber wir haben nicht die geringste Ahnung, wo unser Ziel liegt. Hat der Mensch so was schon erlebt?“

„Das hat er nicht“, erwiderte der Seewolf. „Es ist das erste Mal, daß wir uns in einer solchen Lage befinden. Aber du stimmst ja wohl mit mir überein, daß wir Lord Gerald nicht enttäuschen durften.“

„Natürlich. Er hat viel für uns getan und hält große Stücke auf uns. Beißen wir uns also durch.“

„Ja!“ schrie Big Old Shane zu ihnen herüber. „Was anderes bleibt uns wohl auch nicht übrig, oder?“

Hasard zuckte mit den Schultern und betrat das Ruderhaus, über das auch die neue „Isabella“ verfügte, um den Rudergänger vor den überkommenden Seen zu schützen. Rauh war das Meer, schlecht und diesig die Sicht, aber noch bewährte sich die „Isabella“ hervorragend.

Hasard warf einen Blick auf die Karte, die an der Innenseite der Rückwand festgenagelt war, und berechnete die Position.

„Borkum und Juist liegen bald vor uns“, sagte er. „Wir müssen aufpassen, daß wir bei dem verfluchten Nordwind nicht zu sehr nach Legerwall gedrückt werden.“

„Aye, Sir“, sagte Pete, der am Ruder stand. „Aber so, wie ich die Lady bislang kennengelernt habe, hält sie prächtig stand. Sie liegt gut auf dem Ruder.“

Die Zuversicht verließ die Männer trotz der miserablen Wetterverhältnisse und der grimmigen Kälte nicht. Der Kutscher und Mac Pellew hatten eine kräftige Mahlzeit zubereitet, die mit heißem Wasser und Whisky zusammen eingenommen wurde. Es wurde so mancher Witz an Bord gerissen, und man schloß neue Wetten über das ab, was vor ihnen lag.

Dann aber, Stunden darauf, entwickelte sich der Sturm zu seiner vollen Härte, packte die „Isabella“ und beutelte sie heftig durch. Harte Grundseen erschütterten das Schiff, die Sicht war gleich Null, der Wind heulte eisig von Norden heran und versetzte sie nun doch in die bedrohliche Nähe der Inseln.

Der Seewolf fluchte. Das, was er befürchtet hatte, trat ein: Sie gerieten immer mehr auf Legerwall. Er versuchte, den Kurs zu korrigieren, scheuchte die Männer immer wieder an die Brassen und Schoten, und Pete Ballie kämpfte verbissen mit dem Ruderrad. Aber unaufhaltsam näherte sich die „Isabella“ Norderney und Baltrum, hier versagte das seemännische Geschick der Crew.

Bill, der Ausguck, hatte auf Hasards Befehl hin den Großmars geräumt, aber mit Dan O’Flynn zusammen die Back geentert, um von dort aus vorauszuspähen. Der Kutscher hatte den Rauchabzug der Kombüse abgenommen, die Manntaue waren gespannt worden, die Luken und Schotts waren verschalkt, die Kanonen durch zusätzliche Zurrings gesichert, die Beiboote durch gefettetes Segeltuch wasserdicht zugedeckt worden. Wild hob und senkte sich der Schiffsleib, die Brecher rollten brüllend gegen die „Isabella“ an. Die Dunkelheit senkte sich über sie. Hasard und seine Männer befanden sich in einem tosenden Inferno der Finsternis.

Bill und Dan O’Flynn hatten sich auf der Back an der Nagelbank des Fockmastes festgebunden, um nicht außenbords zu gehen. Die Brecher überspülten die Decks. Ihre Kleidung war durchnäßt, doch sie hielten dem Wüten der Urgewalten tapfer stand und hörten nicht auf, ihre Blikke vorauszuschicken, als könne es irgendwo dort vorn etwas geben, das ihnen Orientierung und Sicherheit versprach.

Plötzlich stieß Dan Bill an.

„Siehst du, was ich sehe?“ schrie er. „Da vorn – das sind doch Lichter!“

„Ich kann nur ganz schwach was erkennen!“ rief Bill zurück. „Das muß die Küste sein!“

„Aber welche Küste, zur Hölle? Die von Norderney oder die von Baltrum?“

Bill kniff die Augen eng zusammen. „Mehrere Lichter – an zwei verschiedenen Punkten!“ brüllte er. „Die scheinen doch was zu kennzeichnen!“

„Sir!“ schrie Dan. „Achterdeck! Da gibt jemand Zeichen! Wir haben Leuchtfeuer Steuerbord voraus!“

Der Seewolf hangelte vom Quarterdeck zur Kuhl hinunter, arbeitete sich an den Manntauen weiter, langte bei Carberry an und schrie: „Was sollen wir davon halten, Ed?“

„Man will uns wohl helfen!“ brüllte der Profos. „Beim Henker, die Lady ist wie aus Eisen gebaut, aber wenn der Sturm weiterhin so dick anhält, haut er uns doch die ganze Takelage kaputt! Wir müssen was unternehmen, Sir! Was wir brauchen, ist eine geschützte Bucht, in der wir vor Anker gehen!“

Ja, eine Bucht wäre jetzt der ideale Zufluchtsort für sie gewesen, das wußte natürlich auch der Seewolf. Er enterte die Back und arbeitete sich geduckt bis zu Bill und Dan vor, dann nahm er Dans Spektiv entgegen und warf einen Blick hindurch. Es war keine leichte Sache, das Rohr bei diesem Wetter einigermaßen ruhig zu halten, aber er konnte damit zumindest etwas mehr von den Feuern erkennen, die in der Ferne flakkerten.

„Kaum zu fassen!“ rief er. „Das müssen freundliche Leute sein, sie weisen uns den Weg zwischen den Sandbänken hindurch!“

„Wer lebt denn auf den Inseln?“ fragte Bill.

„Die Ostfriesen natürlich!“ sagte Dan. „Die sollen ein ganz eigenartiger Schlag von Menschen sein, aber daß sie anständig und hilfsbereit sind, könnte ja durchaus angehen!“

Old O’Flynn war unvermittelt hinter ihnen aufgetaucht und schrie: „Es ist eine Falle! Das merkt doch jeder vernünftige Mensch! Wir haben es mit Piraten zu tun!“

Hasard, Dan und Bill fuhren zu ihm herum. Der Alte stand wie ein Geist vor ihnen und hob beschwörend die Hände. Dann donnerte ein neuer Brecher über die „Isabella“ hinweg, überflutete ihre Decks und nahm die Gestalt Old O’Flynns mit. Schwer krängte das Schiff nach Steuerbord. Der Alte war verschwunden.

Der Seewolf erschrak, Dan stieß einen entsetzten Laut aus. Bill verlor fast das Spektiv aus den Händen, das er inzwischen wieder auf die Leuchtfeuer hatte richten wollen.

Hasard schrie: „Mann über Bord!“

Da war auch die Crew alarmiert. Carberry, Blacky, Smoky und Stenmark waren die ersten, die an den Manntauen nach Steuerbord hangelten. Auf dem Achterdeck und auf dem Quarterdeck wurden Ben, Shane, Ferris, Pete und Jan Ranse – der sich auch gerade im Ruderhaus aufhielt – mobil. Sie alle reckten die Köpfe und hielten nach dem offensichtlich außenbords gestürzten Old O’Flynn Ausschau.

Hasard gab seinen Halt auf, rutschte quer über die Back nach Steuerbord und packte erst hier wieder nach den Traljen der Balustrade. Ein Ruck lief durch seinen Körper, er klammerte sich fest. Für einen Moment schienen seine Beine aber frei in der Luft zu schweben.

Er wollte Dan zurufen, daß er ein Tau brauche, um sich festzubinden und dann selbst in die See zu springen, die unter seinen Füßen brodelte. Doch plötzlich sah er Old Donegal Daniel O’Flynn wie einen Spuk wieder vor sich auftauchen. Mit verzerrter Miene kletterte der Alte an den Fockwanten hoch und kehrte an Deck zurück.

Was geschehen war, ließ sich leicht rekonstruieren: Er war tatsächlich außenbords geflogen, hatte sich jedoch im letzten Augenblick an den Wanten festhalten können. Eine Weile hatte er auf den Fockrüsten gekauert, aber jetzt, als das Schiff sich wieder aus der Schräglage aufrichtete, kletterte er wie ein Affe in den Webeleinen hoch.

„Ich hab’ meine Krücke verloren!“ schimpfte er. „Zum Teufel mit der Nordsee! Zur Hölle mit dem verfluchten Geheimauftrag!“

Hasard und die Crew atmeten aber doch erleichtert auf.

Carberry brüllte: „Hast du wenigstens dein Holzbein behalten, Donegal?“

„Ja, verdammt!“

„Dann sei doch froh! Ferris wird dir schon eine neue Krücke zimmern!“

Immer noch fluchend verließ der Alte die Wanten und kroch zu Hasard, Dan und Bill zurück.

„Verdammt“, sagte der Seewolf. „Du hast uns einen ganz schönen Schreck eingejagt.“

„Ein salzgewässerter Knochen wie ich geht nicht unter!“ rief der Alte. „Paßt lieber auf euch selbst auf, ihr Knilche! Das mit dem Feuer ist ein elender Trick, um uns reinzulegen!“

Wieder wurde er unterbrochen. Die Brecher stiegen wie Felswände neben dem Schiff hoch, es krachte und donnerte, und die „Isabella“ schien unter der Belastung zu ächzen. Wild rollte sie in den schwarzen Fluten, bedrohlich neigten sich die Rahnocken erneut der See entgegen.

„Du sollst mit dem Unken aufhören, Dad!“ schrie Dan seinem Vater zu. „Das hilft uns auch nicht weiter!“

Carberry hatte ebenfalls die Back geentert, seine wuchtige Gestalt wuchs aus einem Schwall von Wasser und sprühendem Gischt hervor.

„Die Lady ist nicht völlig wasserdicht!“ brüllte er. „Ferris hat eben gemeldet, daß sie im Laderaum ein bißchen Wasser zieht! Wenn das ein richtiges Leck gibt, sollen wir es dann mit deinem Achtersteven verdübeln, Donegal? Was? Wie?“

„Macht doch, was ihr wollt!“ schrie der Alte gereizt. „Auf mich hört ja doch keiner! Aber wenn wir erst richtig in Not geraten, dann beschwert euch nicht bei mir!“

„Donegal!“ rief Hasard. „Halt die Luft an! Wir nehmen Kurs auf die Inseln, vielleicht will man uns dort den Weg durch eine Passage zeigen, die in ruhigeres Wasser führt! Wir passen aber trotzdem auf!“

„Wie denn?“ Old O’Flynn schien jetzt richtig in Fahrt zu geraten. „Wenn wir erst im Watt aufsitzen, wie willst du dich dann noch gegen Marodeure und Schlagetots schützen?“

„Mit den bloßen Händen!“ schrie Hasard. „Wir haben ja schließlich keine Kanonen an Bord, oder?“

Jetzt schwieg der Alte beleidigt. Er kehrte auf das Quarterdeck zurück und rührte sich von dort vorläufig nicht mehr fort. Hasard nahm sich seine Warnung aber trotzdem zu Herzen. Immerhin – es konnte etwas Wahres daran sein, denn letzten Endes war wohl niemand so selbstlos, daß er in Sturm und Eis stundenlang Lichtzeichen gab, damit die armen, verirrten Seefahrer nicht ihrem Untergang ausgeliefert waren.

Auch der Seewolf war nicht so unbedarft, blindlings in eine mögliche Falle zu tappen. Bei nüchterner Überlegung gelangte er nur zu dem Schluß, daß er keine andere Wahl hatte, als die Inseln anzulaufen. Tatsächlich würde die „Isabella“ dieser Sturmstärke auf die Dauer kaum standhalten, und ein Nachlassen des Wetters kündigte sich vorläufig nicht an.

Darum ließ er zwar Kurs auf die Feuer nehmen, blieb vorläufig aber auf der Hut. Die ganze Zeit über hielt er sich bei Dan und Bill auf der Back auf und ließ die Lichter nicht aus den Augen.

Allmählich rückten sie näher, und wahrhaftig schienen sie auf eine Passage hinzuweisen, in die man auf der Suche nach Schutz vor dem Sturm verholen konnte. Die „Isabella IX.“ steuerte die Durchfahrt zwischen den Inseln Norderney und Baltrum an – dies hatten Hasards zwischenzeitliche Berechnungen deutlich ergeben –, und nach und nach schien der Seegang tatsächlich ein wenig nachzulassen.

Dann aber trat die Überraschung ein, auf die Old O’Flynn mit all seinen Flüchen und Rufen hatte hinweisen wollen. Urplötzlich verloschen die Feuer, die an den Ufern der Inseln flackerten, und auch die Lampen, die von eifrigen Händen hin und her geschwenkt wurden, sandten auf einmal kein Licht mehr aus.

Schlagartig herrschte tintenschwarze Finsternis.

Die Groot-Jehans und die Lütt-Jehans, die auf ihren Uferposten auf der Lauer lagen, hatten sich zu ihrem heimtückischen Spielchen eine neue Variante einfallen lassen. Größer noch mußte die Verwirrung an Bord des in die Passage segelnden Schiffes sein, wenn jählings kein Licht mehr zu sehen war. Diese Galeone würde ein noch leichteres Angriffsziel für sie sein als die holländische „Eendracht“ – so dachten sie.

Als sich für Augenblicke jetzt jedoch der Mond durch eine Wolkenbank schob, erkannte Dan O’Flynn ganz dicht voraus etwas, das aus dem Wasser aufragte.

„Hölle!“ stieß er hervor. „Bill – das ist ein Schiffsgerippe!“

„Ja“, sagte auch Bill entsetzt. „Von dem Kahn sind nur noch die Spanten übrig.“

Dan hatte sich inzwischen bereits umgedreht und schrie der Crew eine Warnung zu. Hasard richtete sich zu seiner vollen Größe auf, sprang an die nach achtern weisende Balustrade der Back und rief: „Weg mit den Segeln! Fallen beide Buganker! In den Wind mit dem Kahn, Pete! Ben, kümmere dich um die Segel!“

„Aye, Sir!“ schrie Ben Brighton, und dann stand er auch schon selbst an den Fallen des Besams und brüllte seine Befehle.

Hasard, Dan und Bill sprangen sofort in das Spill auf der Back, unterstützt von vier Männern. Der eine Buganker rauschte aus und klatschte ins Wasser. Die Trossen flogen ihnen fast um die Ohren. Dann folgte der andere Anker. Als die Anker griffen, lief durch die „Isabella“ ein heftiger Ruck, der sie bis in die letzten Verbände erbeben ließ.

Schleunigst wurden bereits die Sturmsegel geborgen. Die „Isabella“ wiegte sich auf den Wogen, vollführte im Wind einen schlingernden Tanz und schwojte im Bogen an ihren beiden Ankertrossen. Hasard beobachtete die Umgebung, konnte im letzten Streifen Mondlicht, der sich noch durch die Wolken stahl, das Steifkommen der Trossen verfolgen und atmete auf, als die Anker hielten.

Die Wolkenbänke schlossen sich wieder, es herrschte Finsternis.

„Klarschiff zum Gefecht!“ rief der Seewolf.

Seine Männer stürzten an die Geschütze, rissen das gewachste Segeltuch herunter und lösten die Zurrings.

Jan Ranse verließ die Back, sprang den Niedergang zur Kuhl hinunter und lief zu Piet Straaten und Nils Larsen, die mit Blacky, Batuti und einigen anderen bereits an den Geschützen arbeiteten. Big Old Shane und Al Conroy kümmerten sich um die achteren Drehbassen.

Jetzt stand es fest: Sie waren in eine ganz üble Falle geraten, in die anscheinend schon andere Schiffe gelaufen waren.

Die „Isabella“ aber, so schwor sich der Seewolf grimmig, würde hier nicht ihren Geist aufgeben.

8.

Die „Isabella IX.“ war 550 Tonnen groß und zweiundvierzig Yards über Kiel sowie zweiundfünfzig Yards vom Bug bis zum Heck lang, den Bugspriet nicht mitgerechnet. Ihre Breite betrug zehn Yards. Sie war mit vierzehn 25-Pfündern und zwölf 17-Pfündern armiert, außerdem verfügte sie vorn und achtern noch zusätzlich über je zwei Drehbassen. Sie hatte überhohe Masten und war bis auf den Besan mit Rahsegeln getakelt. Am Bugspriet konnten zwei Blinde gesetzt werden. Ihre Konstruktionsweise war sehr fortschrittlich für das Ende des 16. Jahrhunderts. Sie hatte flachere Kastelle als die anderen Galeonen ihrer Zeit, und ihre Decks waren geräumiger.

Lüder Groot-Jehan und Karl Lütt-Jehan, die einen kundigen Blick für Schiffe hatten, erkannten all dies, als sie sich in ihren Booten der „Isabella“ näherten. Sie waren ihr jetzt zum Greifen nah.

Dieser Kahn, so befand Lüder im stillen, ist ein gefundenes Fressen für uns. Mag der Teufel wissen, was er geladen hat und woher er stammt – es ist bestimmt etwas Wertvolles.

Gold vielleicht, Silber oder Diamanten? „Isabella“ – Lüder konnte den Namen jetzt entziffern. Anscheinend handelte es sich um ein spanisches oder portugiesisches Schiff, das sich bis hier herauf verirrt hatte. Oder täuschte er sich? Hatte er eben, als so plötzlich die Anker ausgerauscht waren, nicht englische Wortfetzen vernommen?

Nun er konnte sich täuschen. Der Kapitän war offenbar ein kluger und vorsichtiger Mann, er hatte die Pfahlfalle noch rechtzeitig genug entdeckt. Das bewahrte ihn aber nicht vor dem Schicksal, das auch die Holländer von der „Eendracht“ getroffen hatte.

Schon gingen die Boote der Friesen längsseits, schon enterten die Jehans, die nun wieder ein Herz und eine Seele waren, und der Angriff begann.

Was immer diese „Isabella“ auch geladen haben mochte, Lüder und Karl sahen es bereits als ihr sicheres Eigentum an. Sie gaben ihren Männern ein Zeichen. Gode, Jan, Uwe, Willem, Onno, Heino, Pit, Friedhelm und Brüne warfen die Enterhaken.

Im selben Moment öffneten sich knarrend die Stückpforten der Galeone. Doch zu spät rannten die Seewölfe die Geschütze aus, schon hingen die Gestalten der Friesen wie Kletten an den Bordwänden. Sie kletterten an den Berghölzern hoch, erreichten die Rüsten, schoben sich über die Schanzkleider und sprangen auf die Decks.

„Die Waffen raus!“ schrie der Seewolf. „Ed – Musketenfeuer!“

„Aye, Sir!“ brüllte der Profos.

Dann gab er Gary Andrews, Sam Roskill, Luke Morgan, Jack Finnegan, Paddy Rogers, Jeff Bowie und Matt Davies ein Zeichen, und diese hoben ihre Musketen und Tromblons.

Lüder und Karl waren als erste Angreifer mitten auf der Kuhl der „Isabella“, sie warfen ihre Knüppel von sich und griffen sogleich zu den Handfeuerwaffen, als sie die Musketen und Tromblons auf sich gerichtet sahen.

Die komplette Friesenmeute schwang sich von beiden Seiten des Schiffes an Deck, ein paar Schreie wurden auf beiden Seiten ausgestoßen, dann brach die Hölle los. Lüder und Karl ließen sich fallen und feuerten ihre Pistolen ab, Gary, Sam und die anderen Seewölfe schossen zurück. Die Ladungen der Tromblons, die aus gehacktem Blei und Eisen bestanden, ließen gleich mehrere Friesen zusammenbrechen, zwei oder drei Musketenkugeln fanden gleichfalls ihr Ziel.

Doch die Zahl der Gegner war groß, immer mehr Kerle kletterten über die Schanzkleider. Hasard, Ben, Shane, Ferris, Old O’Flynn und Roger Brighton stürzten sich vom Quarterdeck aus in das wilde Handgemenge, das auf der Kuhl entbrannte. Nachdem die Feuerwaffen entleert waren, blitzten die Säbel, Degen und Schiffshauer auf, und ein helles Klirren erfüllte das ganze Schiff.

Die Ostfriesen hatten diesmal nicht das Überraschungsmoment auf ihrer Seite, sie hatten es verspielt, trotz ihres schnellen Einsatzes. Hasard und seine Männer indessen kannten sich auf ihrem eigenen Schiff besser aus als der Feind.

Hasard holte sich Lüder vor die Klinge, er hatte erkannt, daß dieser Mann einer der Anführer der Bande sein mußte. Lüder fluchte und trachtete danach, die Degenklinge des Seewolfs mit seinem Säbel zu zerschmettern, doch es wollte ihm nicht gelingen.

Ein wenig ließ Hasard den Friesen toben, dann vollführte er eine Finte, durchbrach die Deckung des anderen und trieb ihn mit zwei schnellen, pfeifenden Streichen zum Steuerbordniedergang des Quarterdecks. Lüder wich zurück und stolperte fast über die hölzernen Stufen. Die „Isabella“ hob sich unter dem Anrollen einer starken Woge, senkte sich dann aber gleich wieder – und Lüder Groot-Jehan drohte das Gleichgewicht zu verlieren.

Er taumelte den Niedergang hoch, war jetzt auf dem Quarterdeck und versuchte, einen Vorteil für sich zu gewinnen, war aber der sirrenden Klinge des Seewolfes dennoch ausgeliefert. Immer weiter mußte er zurückweichen, und schließlich prallte er mit dem Rücken gegen das Ruderhaus.

„Wer bist du?“ fuhr Hasard ihn an. „Führst du hier das Kommando? Wie viele Seeleute habt ihr Hundesöhne auf diese Weise schon getötet?“

„Ich versteh’ dich nicht“, keuchte Lüder.

„Warte mal, aus dir kriege ich noch alles raus, was ich wissen will!“ stieß der Seewolf grimmig hervor. Er wollte sich umdrehen und nach Nils Larsen rufen. Nils konnte Deutsch, er sollte ihm als Dolmetscher behilflich sein.

Doch Nils und Piet Straaten waren gerade mit Schwager Willem beschäftigt, der mit seinem gewaltigen Schiffshauer Amok zu laufen drohte. Überhaupt herrschte auf der Kuhl immer noch das wildeste Getümmel, ein in der Dunkelheit völlig unübersichtlicher Haufen Leiber schlug um sich wie verrückt.

Lüder duckte sich, stieß mit seinem Säbel nach Hasard und eilte nach Backbord hinüber. Hasard wich gedankenschnell aus und bewahrte sich um Haaresbreite vor einer lebensgefährlichen Verletzung. Er fuhr zu Lüder herum, sprang erneut auf ihn zu und deckte ihn mit einer Parade ein, bei der dem blonden Mann die Klinge nur so um die Ohren pfiff.

Lüder erkannte, daß er gegen diesen schwarzhaarigen Teufel nicht bestehen konnte. Er saß nun selbst in der Falle. Der Durchbruch zu seinen Kumpanen würde ihm nicht gelingen – ausgeschlossen. Schwager Willem, Karl oder sonstwer konnten ihm nicht zu Hilfe eilen, sie hatten selbst genug mit ihrer eigenen Verteidigung zu tun. Und hier, auf dem Quarterdeck der „Isabella“, trieben die Dinge unaufhaltsam ihrem bitteren Ende entgegen, denn im Fechten war Lüder dem Seewolf glatt unterlegen.

Hasard unternahm einen neuen Ausfall, und plötzlich wirbelte Lüders Säbel in hohem Bogen durch die Luft und landete im Wasser. Die „Isabella“ krängte nach Backbord, Lüder fühlte, wie ihm buchstäblich der Boden unter den Füßen wegrutschte, und dann ritzte die Degenklinge ein blutiges Muster auf seine rechte Wange.

„Streich die Flagge, Bastard!“ schrie der Seewolf. „Sag deinen Kerlen, sie sollen sich ergeben! Ich weiß, daß du mich verstehst! Oder soll ich dich noch ein bißchen kitzeln?“

„Nein!“ schrie Lüder, dann riß er die Beine hoch und ließ sich außenbords fallen. Er hatte nicht die Worte, wohl aber den Sinn dessen begriffen, was der schwarzhaarige Mann von ihm forderte. Kapitulation – Niederlage auf der ganzen Linie! Gefangenschaft, ein schnelles Bordgericht, dann das Urteil, das auf Tod durch Erhängen lautete – nein, so wollte ein Groot-Jehan nicht enden!

Er landete zwischen den Booten im Wasser und begann sofort zu schwimmen. Er hielt auf eine Jolle zu und brüllte: „Haut diese Hurensöhne zusammen! Zeigt es ihnen!“

„Jaaaa!“ schrie Karl Lütt-Jehan, der im harten Säbelgefecht mit Ben Brighton lag. „Nieder mit diesen Bastarden! Tod! Bringt sie um, werft sie in die See!“

Ben zog ihm die Klinge seines Cutlasses quer über die linke Schulter, und in diesem Augenblick ließ Karl entsetzt seine Waffe fallen. Ben rammte ihm die Faust unters Kinn. Karl sank zusammen.

Carberry hatte Pit nach Strich und Faden zusammengeschlagen, Nils Larsen und Piet Straaten waren mit Schwager Willem fertig, der nun auch seufzend alle viere von sich streckte.

„Anpacken!“ rief der Seewolf, der eben vom Quarterdeck zurückkehrte. „Ins Wasser mit den Kerlen!“

Heino, Friedhelm, Brüne, Gode, Jan und all die anderen Jehans lieferten zwar nach wie vor einen erbitterten Kampf, doch sie verloren jetzt rasch an Energie und Selbstsicherheit. Ihre Anführer waren außer Gefecht gesetzt, das hatten sie deutlich genug verfolgen können.

Onno Osten versuchte, über die Kuhl zu stürmen. Er wollte sich bis zur Waffenkammer und den Munitionsdepots vorarbeiten, vielleicht eine Lunte legen und einen Teil der Galeone in die Luft jagen – doch die Zwillinge machten ihm einen Strich durch die Rechnung.

Hasard junior stellte Onno ein Bein. Onno flog gegen das Kombüsenschott und stöhnte auf. Philipp junior trat ihm kräftig gegen das Hinterteil. Dann öffnete sich das Schott, und Mac Pellew, der sich hierher zurückgezogen hatte, um in aller Ruhe ein paar Tromblons aufzuladen, knallte Onno den Kolben einer Waffe an den Schädel.

Er wollte ihm auch noch den Rauchabzug auf den Rücken hauen, aber Hasard junior rief: „Danke, das genügt, Mister Pellew!“

Gode und Jan waren inzwischen auch auf die Planken gesunken, und nun waren die anderen dran. Lüder konnte von unten so laut und so viel brüllen, wie er wollte, die Situation ließ sich nicht mehr retten. Ein Friese nach dem anderen flog außenbords. Mit lauten Klatschern landeten die Kerle neben Lüder im Wasser. Er stöhnte erschüttert auf.

Onno Osten stürzte mitten in eine der Jollen, doch er brach sich weder das Genick noch sonst irgendeinen Knochen, er hatte geradezu unerhörtes Glück. Die Duchten aber zersplitterten unter dem Aufprall seines schweren Körpers wie dünnes Holz.

Die Friesen waren geschlagen. Wer nicht bewußtlos geschlagen war, der ergriff jetzt eilends die Flucht. Unter dem Fluchen und dem rauhen Lachen der Seewölfe sprangen die letzten Kerle vom Schanzkleid ins Wasser, dann waren sie alle verschwunden, und es trat Ruhe ein.

Old O’Flynn wollte ihnen ein paar Schüsse nachfeuern, doch Hasard hielt ihn zurück. Auch Al Conroy und Ferris Tucker standen schon an den Drehbassen, bereit, den Friesen den Rest zu geben, doch der Seewolf gebot auch ihnen durch eine Gebärde Einhalt.

„Das genügt, Männer“, sagte er. „Oder wollt ihr euch mit diesen Galgenstrikken auf eine Stufe stellen?“

„Sie hätten nichts anderes verdient!“ rief der alte O’Flynn. „Und du siehst jetzt hoffentlich ein, daß ich mit meinen Bedenken mal wieder recht hatte!“

„Natürlich, Donegal“, sagte der Seewolf. „Wir wollen aber keine weitere Munition vergeuden. Vorerst greifen die Kerle nicht wieder an, und wenn sie doch so dumm sind, begrüßen wir sie dieses Mal mit unseren Kanonen.“

„Klar“, sagte Ben. ‚Spätestens dann dürfte ihnen der Spaß an der Sache wohl vergehen. Ist jemand verletzt worden?“

„Es hat nur ein paar Kratzer und ein paar Beulen gegeben“, antwortete der Kutscher, der mit dem Verarzten der Männer begonnen hatte. „Nichts Ernstes, wirklich nicht.“

„Um so besser“, sagte der Seewolf. „Wir verschnaufen erst einmal und bleiben hier vor Anker liegen. Morgen früh entscheiden wir, was weiter geschehen soll.“

Lüder Groot-Jehan sprach kein einziges Wort, er war ein geschlagener Mann. Eine Niederlage wie diese hatte er noch nie erlebt. Wer waren diese Teufel an Bord der Galeone, die sich so ausgezeichnet zu verteidigen verstanden? Engländer, das hatte er aus ihrer Sprache nun doch herausgehört. Aber was für Leute? Doch keine harmlosen Kauffahrer – nicht bei dieser Kampferfahrung und nicht bei der Armierung, über die das Schiff verfügte!

Zornig kehrte er mit den Seinen an Land zurück. Noch begriff er nicht, daß die Seewölfe ihn eher rücksichtsvoll behandelt hatten. Sie hätten seine Spießgesellen und ihn durchaus töten können, aber davon hatten sie abgesehen, weil sie ihre Prinzipien hatten, die auf Fairneß und Anständigkeit beruhten.

Lüder kannte jedoch keine Prinzipien, das Wort war ihm fremd. Er dachte nur an eins: an Rache. Unter gemurmelten Flüchen stieg er aus seinem Boot, als sie das Ostufer von Norderney erreicht hatten, und er nahm kaum zur Kenntnis, daß Frieda mit besorgter Miene auf ihn zueilte.

„Was ist passiert?“ fragte sie bestürzt. „Haben sie euch die Hucke vollgehauen?“

„Das werden sie noch bereuen“, zischte Lüder. „Ich gebe nicht auf. Ich nicht! Das werden sie mir büßen!“

„Wo sind die Lütt-Jehans?“

„Zurück nach Baltrum gepullt. Ist mir doch egal, was die machen.“

Sie erkannte das blutige Mal auf seiner Wange und wollte sich um ihn bemühen, aber er schüttelte ihre Hand mit einer ruckartigen Bewegung seiner Schultern ab.

„Du bist doch verwundet!“ stieß sie hervor.

„Ist nur ein Kratzer.“

„So?“ Sie beruhigte sich zusehends und beobachtete ihn mit forschendem Blick. „Wie viele Männer befinden sich denn als Besatzung auf der Galeone?“

„Mindestens vierzig. Diese Schweine! Diese Dreckskerle!“

„Du willst sie wieder angreifen“, murmelte Frieda. „Das ist richtig, so lobe ich es mir. Wir geben uns nicht geschlagen. Aber weißt du was? Sie sind gerissen. Vielleicht ist ihr Schiff ein Kriegssegler. Vielleicht sind sie auch Korsaren.“

„Möglich könnte es sein“, brummte er. „Ich denke mir aber einen Plan aus, mit dem ich sie doch noch zu fassen kriege.“

„Laß mich mit dir zusammen überlegen“, sagte Frieda sanft. „Gemeinsam stellen wir schon etwas Vernünftiges auf die Beine. Es wäre doch gelacht, wenn wir uns von diesen Bastarden in die Knie zwingen lassen würden.“ Sie warf der „Isabella“ einen haßerfüllten Blick zu.

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