Kitabı oku: «Seewölfe Paket 16», sayfa 22

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Edwin Carberry zog ein besorgtes Gesicht. Nicht etwa, weil er Angst um die „Isabella“ gehabt hätte, o nein. Bei einer solchen „Milchsuppe“, wie er den Nebel zu nennen pflegte, würde sich ganz gewiß kein feindlich gesinntes Boot oder gar ein Schwimmer an das Schiff herantrauen. Selbst wenn jemand versuchen sollte, abermals die Ankertrosse zu kappen, würde er sich bei diesem Nebel unweigerlich verirren und die Galeone gar nicht erst finden.

Die Falten auf der Stirn des bulligen Profos galten vielmehr Big Old Shane und seiner kleinen Crew, die mit der Jolle Kurs auf die Küste genommen hatten.

„Die Burschen sind schon ziemlich lange weg“, sagte er zu Jeff Bowie, einem stämmigen Liverpooler, der links eine Hakenprothese trug, weil Piranhas ihm die Hand zerfleischt hatten. „Hoffentlich haben sie keine Schwierigkeiten.“

„Die haben sie ganz bestimmt“, sagte Jeff. „Denn bei diesem Nebel werden sie kaum zu uns zurückfinden. Vielleicht haben sie sich noch rechtzeitig an Land verholt und warten dort den Tag ab. Dieses Sauwetter kann schließlich nicht ewig dauern.“

„Das kann sein“, pflichtete ihm Ed Carberry bei. „Sie können, nachdem der Wind eingeschlafen ist, unmöglich mit der Jolle in dieser verdammten Milchsuppe herumpullen. Die Rübenschweine hocken bestimmt irgendwo an Land und erzählen sich zum Zeitvertreib Schwänke aus ihrer Jugendzeit.“

Jeff Bowie grinste.

„Wahrscheinlich hast du recht“, sagte er. „Schüsse sind bis jetzt auch keine gefallen, demnach wird man sie auch in Ruhe gelassen haben. Wenn sich tatsächlich Schnapphähne an der Küste aufhielten, dann haben die sich bei diesem Wetter todsicher aufs Ohr gehauen.“

Der Profos rieb sich unternehmungslustig die Hände.

„Vielleicht gelingt es Shane, sie rechtzeitig zum Frühstück hochzupurren und ihnen etwas Feuer unter die kalten Ärsche zu legen.“

„Vergiß nicht, daß unsere Leute nur als Kundschafter unterwegs sind“, sagte Jeff Bowie. „Hasard will keinen Ärger!“

„Haben wir denn jemals Ärger angefangen, was, wie?“ Ed Carberry schob sein gewaltiges Rammkinn vor. „Du weißt doch, daß manchmal die edelsten Absichten nichts nutzen. Kaum hat man ein paar fromme Worte mit irgendwelchen Kerlen gewechselt, da muß man sich schon seiner Haut erwehren. Friedliebende Pilger sind eben nicht mehr geschätzt auf dieser verwahrlosten Welt.“

„Genauso ist es, Mister Carberry“, sagte Jeff Bowie und grinste dabei von einem Ohr bis zum anderen. „Man kann nicht immer in christlicher Demut sämtliche Backen hinhalten, wenn einem jemand an den Kragen will.“

Der Profos quittierte diese Feststellung mit einem wohlwollenden Kopfnikken. Und gewiß hätten die beiden Männer, die sich auf dem Achterdeck aufhielten, noch eine Weile in diesbezüglichen Erinnerungen geschwelgt, wenn nicht ein lauter Fluch an ihre Ohren gedrungen wäre.

„War das nicht Batuti?“ fragte Carberry.

„Kann sein, es kam jedenfalls von der Back“, antwortete Jeff Bowie.

Weitere einschlägige Geräusche bestätigten seine Aussage.

Auf dem Vorschiff polterte es plötzlich, dann stieß Batuti erneut deftige Flüche aus.

„Verdammt, da ist was los!“ stieß Carberry hervor, dann stürmten beide aufs Quarterdeck hinunter, enterten von da aus zur Kuhl ab und eilten nach vorn zur Back. Dort schlossen sich ihnen Al Conroy und Luke Morgan an.

Alle trugen schußbereite Pistolen in den Händen.

Als sie die Back betraten, war der kurze Kampf, der dort offensichtlich stattgefunden hatte, schon beendet.

„Donner und Wolkenbruch!“ schnaubte Ed. „Was geht hier vor? Könnt ihr uns nicht rechtzeitig wahrschauen, wenn sich irgendein Rübenschwein auf unser Schiff schleicht, he?“

Jetzt erst sah er, was passiert war.

Batuti, der Gambia-Neger, rappelte sich gerade von den Planken hoch. Neben ihm stand Arwenack, der Bordschimpanse, und trommelte sich mit den Pfoten gegen die Brust. Dabei keckerte er aufgeregt.

In unmittelbarer Nähe stand Will Thorne, der Segelmacher, mit einer Muskete im Anschlag.

„Willst du vielleicht Arwenack erschießen?“ fragte Al Conroy fuchtig.

„Wo kommt der Affe denn so plötzlich her?“ fügte Jeff Bowie hinzu. „Ich denke, der pennt mit den anderen im Mannschaftslogis.“

Luke Morgan begann unterdrückt zu lachen.

„Das hat er wohl auch“, prustete er. „Aber auch einen Schimpansen packt manchmal ein gar menschliches Rühren, und ich vermute, daß Arwenack aus eben diesem Grund an Deck gestiegen ist. Wahrscheinlich wollte er sich auf die Galion verholen, das hat er sich ja schon lange so angewöhnt. Dabei muß Batuti wohl über ihn gestolpert sein.“

Luke Morgan hatte die Situation auf Anhieb richtig eingeschätzt. Es hatten sich tatsächlich keine Schnapphähne an Bord geschlichen, sondern Arwenack war von Batuti und Will Thorne, die auf der Back Wache gingen, im dichten Nebel zu spät erkannt worden.

Batuti bestätigte es.

„Was kann Batuti dafür?“ maulte er in seinem holprigen Englisch. „Plötzlich rennt kariertes Affenarsch über die Back. Batuti wirbelt herum und wirft sich auf die dunkle Gestalt. Erst auf den Planken hat er gemerkt, daß er Arwenack an Genick hat.“

Edwin Carberry hätte vor Lachen am liebsten laut losgebrüllt, dann aber besann er sich in letzter Sekunde auf den Rest der Crew, der in den Kojen lag.

„Hoffentlich turtelst du nicht eines Tages im dichten Nebel mit einer Schönen herum“, sagte er, „sonst tätschelst du womöglich noch ihrer Urgroßmutter den Hintern, bevor du den Irrtum bemerkst, ha!“

Die Lage entspannte sich rasch wieder.

Arwenack verschwand gemäß seinem ursprünglichen Vorhaben auf der Galion, und die Männer der Ankerwache verzogen sich wieder auf ihre Stationen – den neuen Tag und klares Wetter herbeisehnend.

Niemand von der kleinen Bootscrew ahnte die tödliche Gefahr, in der Big Old Shane schwebte – bis zu jenem Moment, in dem Dan O’Flynn, der jetzt als Backbord-Schlagmann pullen sollte und zu diesem Zweck seinen Degen aus der Hand legen wollte, eine schattenhafte Bewegung hinter Shane wahrnahm.

Blitzartig begriff Dan.

„Vorsicht, Shane!“ brüllte er.

Während sich der grauhaarige Schmied geistesgegenwärtig zur Seite warf, riß er den Degen hoch und hechtete mit einem gewaltigen Satz, der die Jolle weit nach Backbord krängen ließ, zur Heckducht.

In diesem Augenblick zuckte die Hand mit dem Messer nach vorn, um dem verhaßten Engländer den Todesstoß zu geben.

Da sich Shane aber zur Seite geworfen hatte, schoß die Klinge an seiner linken Schulter vorbei und riß ihm den Wamsärmel in Fetzen.

Der Pirat schaffte es nicht mehr, seinen heimtückischen Angriff zu wiederholen, denn der Degen Dan O’Flynns fuhr ihm in die Brust und ließ ihn mit einem Aufstöhnen ins Wasser zurücksinken. Wie es aussah, würde er keine Hand mehr zum Meuchelmord erheben.

Die übrigen Seewölfe hatten den kurzen Kampf mit entsetzten Gesichtern verfolgt. Alles war viel zu schnell erfolgt, als daß sie noch Zeit zum Eingreifen gefunden hätten. Shane schien rettungslos verloren zu sein.

Nun aber war die Gefahr gebannt.

„Danke, Dan“, sagte Shane.

„Keine Ursache“, erwiderte Dan O’Flynn. „Ich konnte lediglich einen zweiten Dolchstoß verhindern. Den ersten hättest du voll abgekriegt, wenn du nicht so geistesgegenwärtig reagiert hättest.“

„Mag sein“, sagte Shane, „aber zu dieser Reaktion wäre es nie gekommen, wenn du mich nicht rechtzeitig gewarnt hättest.“

„Schon gut“, wehrte Dan ab. „Wir sollten jetzt lieber wieder pullen, sonst können wir das Schinkenklopfen gleich fortsetzen. Die anderen Beutelschneider müssen in der Nähe sein.“

Gleich darauf setzte sich die Jolle wieder in Bewegung. Tatsächlich vernahmen sie wenige Minuten später laute Rufe. Die Piraten, die noch immer suchend in der Gegend herumpullten, mußten den Lärm des Kampfes gehört haben und wollten jetzt sicherlich ihren Kumpanen zu Hilfe eilen.

Die Stimmen rückten ständig näher.

„Wir fallen nach Steuerbord ab“, entschied Big Old Shane.

Aber dazu war es bereits zu spät.

Ein Boot schoß wie ein dunkles Ungeheuer aus der Nebelmasse hervor und hielt direkt auf den Bug der Jolle zu. Gleichzeitig setzte ein wildes Gebrüll ein. Jetzt, nachdem es bereits etwas heller geworden war, hatten die Piraten rasch erkannt, daß es sich bei der Jolle nicht um eines ihrer Boote handelte.

Ein weiterer Kampf war nicht mehr zu umgehen.

„Wir benutzen zuerst die Riemen!“ rief Big Old Shane. „Schußwaffen werden nur dann eingesetzt, wenn es sich nicht mehr umgehen läßt. Dafür wird auch Hasard Verständnis haben.“

„Das wäre ja gelacht, wenn wir diese verdammten Schlickrutscher nicht schaffen würden“, knurrte Paddy Rogers. „Notfalls reiße ich die Duchten raus und haue sie diesen Ratten auf die Eierköpfe.“

Den Seewölfen blieb nicht viel Zeit, den bevorstehenden Kampf gegen die schwedischen Piraten vorzubereiten. Das Boot der Angreifer schoß pfeilschnell auf sie zu.

Big Old Shane und seine Mannen hatten bereits mit dem Pullen aufgehört und die Riemen aus den Dollen genommen.

Das Gebrüll der Angreifer wurde immer lauter. Die Seewölfe wußten nur zu gut, daß dieser Lärm auch das dritte Boot der Schnapphähne herbeilocken würde.

„Was brüllen die da eigentlich?“ Sam Roskill blickte Stenmark fragend an.

„Das erzähl ich dir lieber nicht“, erwiderte dieser grinsend, „sonst kriegst du glatt Minderwertigkeitsgefühle.“

Big Old Shane erhob sich von der Heckducht.

„Der Tanz beginnt, Leute! Laßt sie nur nahe genug heran. In dem Augenblick, in dem sie zu entern versuchen, geben wir ihnen was auf den Scheitel.“ In seinen mächtigen Pranken hielt er einen Bootsriemen und sah den Dingen, die da kommen sollten, gelassen entgegen.

Das Boot der Piraten schor längsseits, und die Seewölfe ließen das auch geschehen. Mit lautem Wutgeheul schickten sich die ersten Galgenstricke an, auf die Jolle hinüberzuspringen. Auch sie waren mit Blankwaffen jeder Art sowie mit Äxten, Spaken und Riemen bewaffnet.

Da aber traten die Seewölfe in Aktion.

„Ar-we-nack!“ brüllte Big Old Shane mit donnernder Stimme. Seine Crew wiederholte den alten Schlachtruf derer von Arwenack-Castle, der zum Kampfruf der Seewölfe geworden war.

Dann brach augenblicklich die Hölle über die Schweden herein.

Den ersten Ansturm wehrten die Männer von der „Isabella“ mit den schweren Riemen ab. Diesmal war es Mac Pellew, der damit den ersten Angreifer über Bord stieß. Sein ewig griesgrämiges Gesicht sah dabei aus, als habe er soeben einen ganzen Essigkrug ausgetrunken.

Im Nu krachte Holz gegen Holz, dazwischen war das Klirren der Hieb- und Stichwaffen zu hören.

Big Old Shane hatte sich einem nordischen Kleiderschank mit wildem, blondem Bartgestrüpp zugewandt. Der Kerl schwang ein Enterbeil über dem Kopf und war sich wohl noch nicht recht über den Einsatzort der Waffe im klaren.

Shane nahm ihm die Entscheidung ab, indem er mit dem Riemen, den er in den Fäusten hielt, blitzartig zuschlug. Einen Lidschlag später erwischte er damit die Waffe des Schweden und prellte sie ihm aus der Hand.

Während das Enterbeil einem anderen Piraten, der nur zwei Schritte von seinem Kumpan entfernt war, gegen den Kopf knallte, stieß der blonde Kleiderschrank einen fast tierischen Wutschrei aus, hechtete über die Dollborde und warf sich Big Old Shane mit den blanken Fäusten entgegen. Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, nach seinem Messer zu greifen.

Doch Shane war auf den Angriff vorbereitet. Mit einer raschen Bewegung riß er abermals den Riemen hoch und rammte ihn dem Piraten kraftvoll gegen die Brust.

Dem Bärtigen entwich keuchend die Luft aus den Lungen, dann stürzte er kopfüber in sein Boot zurück – mitten hinein in das wilde Kampfgetümmel.

Neben Shane hatte Dan gerade einen der Angreifer mit einem harten Fausthieb auf die Planken geschickt. Dann packte er den Kerl, der die Jolle geentert hatte, und wuchtete ihn auf das Piratenboot zurück. Dabei prallte der schlaffe Körper des Besinnungslosen gegen einen kleinen, kugelrunden Burschen, der mit hoher Fistelstimme irgendwelche Befehle keifte, und ließ ihn rückwärts über Bord gehen.

Stenmark war in einen Degenkampf verwickelt. Da er das Duell jedoch nicht zu lange ausdehnen wollte, provozierte er einen geschickten Ausfall seines Gegners. Der Pirat, ein stämmiger, aber flinker Mann, nutzte die vermeintliche Chance sofort und wollte Stenmark mit einem lauten Wutschrei den Degen in die Brust stoßen.

Doch der glitt blitzschnell zur Seite, so daß der Pirat seinen Degen ins Leere stieß. Dabei wurde der stämmige Kerl durch die Wucht seines eigenen Ausfalls nach vorn gerissen.

Und das wurde ihm zum Verhängnis.

Stenmark wuchtete ihm die Fäuste in den Nacken und beförderte ihn damit über Bord der heftig schaukelnden Jolle.

Auch die anderen Seewölfe waren voll beschäftigt, so daß schon nach kurzer Zeit die meisten Piraten entweder schlaff über den Duchten ihres Bootes hingen oder aber im eiskalten Wasser des Kattegats ein Bad nahmen.

Big Old Shane hatte den Riemen längst gegen seine Langaxt ausgetauscht und mit seiner sachkundigen „Handwerksarbeit“ am Boot der Angreifer begonnen. Die kraftvollen Axthiebe dröhnten laut über das Wasser, Holz splitterte und krachte – und im Handumdrehen soff das Boot ab.

„Mit diesem Nachttopf jagen die keine ehrlichen Seeleute mehr!“ schnaufte Shane wütend. „Da zahlt man ehrlich diesen verrückten Sundzoll, nur um seine Ruhe zu haben, und dann muß man sich noch bei Nacht und Nebel mit diesem Pack herumschlagen.“

Aber wenn der graubärtige Riese gedacht hatte, daß der Ärger nun vorbei wäre, dann hatte er sich gewaltig getäuscht.

Das dritte und letzte Boot der Schweden befand sich in unmittelbarer Nähe. Und der Lärm des wilden Kampfes hatte der Besatzung den Standort der Engländer verraten.

Das Boot schoß genau in dem Augenblick auf die Jolle zu, in dem das andere sank. Sofort schwammen einige der wüsten Kerle, die den Kampf überstanden hatten, auf ihre Kumpane zu. Doch die nahmen sich zunächst nicht die Zeit, ihre Leute aus dem Wasser zu fischen. Jetzt, als man die Jolle der Engländer endlich geortet hatte, durfte man keine Zeit verlieren, sonst verschwanden die Kerle am Ende wieder im Nebel.

Auch dieses Boot war mit acht Männern besetzt, die fest entschlossen waren, die Engländer auf keinen Fall entwischen zu lassen. Wenn es diesen nämlich gelang, mit ihrer Jolle zu der großen Galeone zurückzukehren und die Besatzung zu wahrschauen, dann würde ihnen wahrlich ein fetter Brocken durch die Lappen gehen.

Ein neuer Kampf war demnach unvermeidlich.

Die Seewölfe hatten sich ebenfalls darauf eingestellt, auch noch den Schnapphähnen im letzten Boot auf die Finger klopfen zu müssen. Bis jetzt hatten sie das ohne Schußwaffen geregelt, und das war ihnen nur recht so. Auf ihren Fahrten über die Weltmeere waren sie schon wesentlich härteren Situationen ausgesetzt gewesen, dagegen war das hier nur eine handfeste Keilerei für sie – allerdings eine nicht ungefährliche Keilerei.

Nachdem die Piraten mitgekriegt hatten, was mit dem anderen Boot geschehen war, stürzten sie sich wie Wölfe auf die Arwenacks. Im Nu war ein harter Nahkampf im Gange, der zumindest von der Seite der Schweden aus ohne jede Fairneß geführt wurde. Die wilden Burschen kämpften verbissen und mit den übelsten Tricks. Dennoch mußten sie rasch feststellen, daß die Engländer nicht so leicht zu übertölpeln waren.

Der Kampf wurde noch härter, als die Schweden von ihren heranschwimmenden Kumpanen Verstärkung erhielten. Einige der Kerle aus dem bereits gesunkenen Boot hatten den Schauplatz bereits erreicht und sich keuchend an Bord ihrer „letzten Bastion“ gezogen. Nun beteiligten sie sich am Kampfgetümmel.

Diesmal mußten auch die Seewölfe einiges einstecken. Harte Beulen, Schrammen, Kratzer und Fleischwunden ließen sich nicht vermeiden, denn die Angreifer waren in der Überzahl.

Die erste Verletzung kriegte Jack Finnegan ab. Durch einen Degenstoß wurde ihm am linken Oberschenkel die Hose zerfetzt und eine Fleischwunde gerissen.

Der bullige Paddy kriegte einen wuchtigen Hieb mit einem Riemen auf den Schädel, der selbst einen Elefanten umgeworfen hätte. Der Mann mit der Knollennase sackte mit einem Ächzen zusammen und hockte einen Augenblick lang benommen und bewegungslos auf der vorderen Ducht. Nur ein gewaltiger Fußtritt Sam Roskills verhinderte, daß Paddy in dieser Verfassung von einem üblen Messerstecher erledigt wurde.

Mac Pellew ging durch einen Fausthieb über Bord, aber er tauchte nur kurz weg und zog sich am Heck wieder in die Jolle.

Da Big Old Shane alle Hände voll zu tun hatte, beschloß der alte Mac, den Schweden das kühle Bad heimzuzahlen. Flink packte er die Langaxt Shanes, der gerade seine mächtigen Pranken einsetzte, und hieb mit aller Kraft, die in ihm steckte, zu.

Sein sauertöpfisches Gesicht strahlte plötzlich wie ein frischgebackener Kuchen, als das erste Wasser in das Piratenboot schoß. Mac hatte zwar einige Hiebe mehr als Shane aufwenden müssen, aber er hatte die gleiche Wirkung erzielt.

Rasch packte er sich nun einen Riemen und stieß die Jolle, so gut es ging, von dem sinkenden Boot ab. Dabei gingen zwei weitere Galgenvögel über Bord. Einer davon versuchte zwar, über das Dollbord der Jolle einzusteigen, aber da klopfte ihm der erboste Paddy Rogers so kräftig auf die Finger, daß er das kalte Wasser vorzog.

Auch das letzte Boot der Piraten sank unaufhaltsam, dafür hatte Mac Pellew gesorgt. Dadurch veränderte sich die Situation schlagartig. Der Kampfgeist der wenigen überlebenden Piraten sank auf den Nullpunkt, und damit war der Kampf entschieden.

So rasch es ging, räumten die Seewölfe das Feld.

„Wie sieht es mit deinem Bein aus?“ fragte Shane den hageren Jack Finnegan.

Der winkte ab.

„Nicht der Rede wert. Nur die Hose ist im Eimer. Der kleine Kratzer wirft mich schon nicht um.“

„Und mir macht das kleine Beulchen auf dem Kopf auch nichts aus“, fügte Paddy hinzu und deutete auf ein mächtiges Gewächs, das sich ständig zu vergrößern schien.

„Ich werde mich darum kümmern“, meinte Mac Pellew, dem das Wasser noch immer aus allen Knopflöchern tropfte.

Als die Seewölfe jetzt wieder am Pullen waren, fiel ihnen auf, daß sich die Sicht wesentlich verbessert hatte. Obwohl keiner von ihnen wußte, wie spät es war, sahen sie doch, daß die Nacht sich verzogen hatte. Es war hell, und der Nebel schien sich rasch aufzulösen.

„Ein Königreich für ein kräftiges Frühstück“, stöhnte Sam Roskill. „Ich schätze, daß wir bald zur ‚Isabella‘ zurückfinden, wenn erst der Nebel verschwunden ist.“

„Das will ich doch hoffen“, meinte Dan O’Flynn. „Vor den Schnapphähnen werden wir vorerst wohl Ruhe haben. Die Hucke haben sie jedenfalls ordentlich vollgekriegt. Drei Boote haben sie verloren, und die fünf anderen, die Shane schon an Land bearbeitet hat, werden ihnen vorerst auch keine Freude mehr bereiten.“

Big Old Shane nickte grimmig.

„Das Kappen unserer Ankertrosse hat ihnen nichts eingebracht, das dürfte wohl feststehen.“

Da der Wind noch immer auf sich warten ließ, legten sich die Männer kräftig in die Riemen, um die Jolle voranzutreiben.

6.

Der Nebel hatte sich längst verzogen, und fast hatte es den Anschein, als wolle sich jetzt, in dieser frühen Morgenstunde des 9. Februar 1593, ein erster schüchterner Sonnenstrahl durch die Wolkendecke wagen.

Es war acht Uhr, und die Schiffsglocke der „Isabella“ glaste gerade, als Big Old Shane und seine Männer mit kräftigen Schulterhieben an Bord empfangen wurden. Irgendwie mußte jeder seine Erleichterung über die Rückkehr der Kameraden zum Ausdruck bringen.

Auch dem Seewolf, der vom Quarterdeck zur Kuhl abgeentert war, fiel ein tonnenschwerer Stein vom Herzen, als er die Männer erblickte.

„Ihr seht nicht gerade aus, als hättet ihr eine ruhige Nacht gehabt“, stellte er mit einem Lächeln fest.

„Haben wir auch nicht“, erwiderte Old Shane. Dann gab er einen kurzen Bericht, ohne jedoch etwas Wesentliches auszulassen.

„Es ist kein einziger Schuß gefallen“, hob Old Shane hervor. „Wenn man mal von dem Zorn absieht, der mich drüben an der Küste packte, dann mußten wir uns nur unserer Haut erwehren.“

Der Seewolf billigte das Verhalten Shanes, denn auch er war davon überzeugt, daß die Schweden beim Kappen der Ankertrosse die Hände im Spiel hatten. Wäre die Rechnung der Schnapphähne aufgegangen, dann hätte das böse für die „Isabella“ und ihre Crew enden können.

Der Kutscher kümmerte sich sofort um das leibliche Wohl der Jollenbesatzung. Paddy kriegte eine übelriechende, schwarze Salbe auf die Beule, Jack einen Verband um den Oberschenkel, und der alte Mac war in erster Linie an trockener Kleidung interessiert – und natürlich noch mehr an dem deftigen Frühstück, das der Kutscher wenig später mit Hilfe der Zwillinge auftischte.

Die Jolle hatte man gleich außenbords belassen, weil sie nach dem morgendlichen Backen und Banken von einer anderen Crew unter dem Kommando Edwin Carberrys übernommen werden sollte, um mit einem Draggen an der früheren Ankerstelle nach dem Backbord-Buganker zu fischen.

Natürlich waren auch Philip und Hasard junior dabei. Der Seewolf hatte wohl oder übel zu seinen Worten, die er in der vergangenen Nacht geäußert hatte, stehen müssen. Die beiden Schlitzohren hatten sich nur zu genau gemerkt, was er gesagt hatte.

Nachdem das Suchen nach dem verlorengegangenen Anker begonnen hatte, ging auch die „Isabella“ ankerauf, um ihren Standort in die unmittelbare Nähe der ersten Ankerstelle zu verlegen.

Das „Fischen“ nahm fast eine ganze Stunde in Anspruch, dann aber verkündete eine saftige Bemerkung Edwin Carberrys, daß man fündig geworden war.

Tatsächlich hatte der Draggen, ein kleiner, vierarmiger Bootsanker, der auch als Suchanker eingesetzt werden konnte, gefaßt.

„Heiliges Kielschwein!“ schnaufte der Profos. „Das hat ja eine ganze Weile gedauert. Da kriegt man beim Fischen schneller einen triefäugigen Hering am Schwanz zu packen als einen Anker.“

„Kein Wunder, Mister Carberry, Sir“, ließ sich Philip junior vernehmen. „Einen Hering kann man mit einem Köder an den Haken locken, aber so ein Anker läßt sich von uns nicht ködern.“

Carberry warf dem Bengel einen verdutzten Blick zu. Dann verzog er das narbige Gesicht zu einem breiten Grinsen.

„Da hast du recht“, knurrte er. „Vielleicht erfindet mal irgendein schlauer Kopf einen Köder für verlorengegangene Anker, wie?“

Nun aber gab es für die „Ankerfischer“ alle Hände voll zu tun. Die Draggentrosse wurde zur „Isabella“ verfahren und dort um das Spill gelegt. Dann begann man mit dem Hieven.

Und da Edwin Carberry alle am „Fischen“ beteiligten „Rübenschweine“ und „Lahmärsche“ stets auf Vordermann hielt, klappte die Sache. Der Anker befand sich nach kurzer Zeit wieder auf der Galeone.

Jetzt wurde auch die Jolle wieder an Bord genommen. Gleich darauf ging die „Isabella“ abermals ankerauf, um Kurs auf den Öresund zu nehmen.

Das Wetter hatte sich in den letzten Stunden total verändert. Es war kalt und etwas sonnig, nichts erinnerte mehr an die dichten Nebelschwaden der vergangenen Nacht. Es herrschte klare Sicht, und der Wind wehte wieder aus Süden, so daß die „Isabella“ auf ihrem Weg in den Öresund kreuzen mußte.

Nach ungefähr zwei Stunden tauchte Steuerbord voraus die dänische Hafenstadt Helsingör auf.

Hasard, der sich neben Ben Brighton auf dem Achterdeck aufhielt, drehte an der Optik seines Spektivs.

„Jetzt brauchen wir uns wenigstens nicht mehr wegen des Sundzolls aufzuhalten“, sagte er. „Sonst hätten wir Helsingör anlaufen müssen.“

Ben Brighton nickte. „Da haben uns die Dänen direkt einen Gefallen getan, indem sie noch gestern abend abkassiert haben.“

Dieser Meinung war auch der Seewolf. Aber er sollte schon recht bald erfahren, daß meistens nichts so glatt verlief, wie man sich das wünschte oder vorstellte.

„Was soll das?“ fragte er plötzlich verwundert und schraubte wiederum am Kieker herum.

„Meinst du die Schaluppe?“ fragte Ben.

„Die meine ich“, erwiderte Hasard. „Der Segler schießt direkt aus dem Hafen und hält genau auf uns zu.“

„Merkwürdig“, meinte Ben Brighton. „Haben die gestern vielleicht was vergessen? Oder spielen sie jetzt plötzlich Händler, die uns Proviant verkaufen wollen?“

Hasard zuckte mit den Schultern.

„Es ist nicht die Schaluppe der Zollbehörde“, stellte er dann fest. „Das Schiff ist mir unbekannt. Vielleicht fallen die auch noch ab und gehen auf einen anderen Kurs.“

Aber diese Vermutung des Seewolfs bestätigte sich nicht. Der Segler hielt nach wie vor auf die „Isabella“ zu. Erst in einer Entfernung von weniger als einer halben Kabellänge ging die Schaluppe plötzlich auf Parallelkurs.

Der Seewolf schickte Philip junior, der zusammen mit seinem Bruder seit einer Stunde die Planken des Achterdecks schrubbte, nach Nils Larsen, weil er das Gefühl hatte, daß er bald einen Dolmetscher brauchen würde.

Nils Larsen erschien sofort.

„Ja, das sind Soldaten des dänischen Königs“, bestätigte er sofort. Und mit einem Seitenblick auf Edwin Carberry, der gerade mit Sir John auf der Schulter zum Achterdeck aufenterte, fügte er hinzu: „Vielleicht wollen die jetzt die Maulsteuer kassieren. Soll ich dir beim Heranschleppen der Goldstücke zur Hand gehen, Mister Carberry? Du kannst diese Menge unmöglich allein bewältigen.“

Ed musterte den blonden Dänen mit drohender Miene. „Du hast wohl lange keinen Belegnagel mehr im Kreuz gehabt, was, wie?“

Der Ara-Papagei, der sich wohlig in der Morgensonne räkelte, leistete seinem Herrn und Meister sofort Schützenhilfe.

„Aufbrassen, du Hering!“ krächzte er mit einem schiefen Blick auf Nils Larsen. „Hopp, hopp, hurtig, hurtig!“

Carberry nickte zustimmend und fuhr seinem Schützling mit einer Pranke liebkosend über das bunte Gefieder.

Dann wandte er sich ebenfalls der dänischen Schaluppe zu.

Ein Uniformierter, der auf dem Achterdeck stand, preite die Seewölfe an. Seine Stimme klang barsch und äußerst unfreundlich.

Die Seewölfe sollten auch gleich erfahren, warum.

Als Nils Larsen übersetzte, klappten ihnen beinahe die Kinnladen nach unten.

„Der Lieutenant fordert uns auf, sofort zu ankern oder den Hafen anzulaufen“, sagte Nils Larsen etwas verdattert.

„Und warum, wenn man fragen darf?“ Hasards Gesicht wirkte plötzlich ernst und verschlossen.

„Zwecks Entrichtung des Sundzolls!“ stieß Nils Larsen hervor.

Jetzt waren die Arwenacks samt und sonders verblüfft.

Hasard erlangte als erster die Fassung zurück, fischte seinen Revers aus der Tasche und hielt ihn deutlich sichtbar hoch.

„Erkläre dem Lieutenant das Mißverständnis“, befahl er Nils Larsen. „Er kann jederzeit an Bord kommen und sich die Zahlungsbestätigung ansehen. Und sag ihm auch, daß wir immerhin achtzig Silbertaler berappt haben und gar nicht daran denken, den Zoll zweimal zu zahlen.“

Nils Larsen dolmetschte, während der Seewolf die „Isabella“ stur weitersegeln ließ. Er dachte gar nicht daran, die Aufforderung des Lieutenants zu befolgen.

Doch der schien mit der Antwort Nils Larsens ganz und gar nicht zufrieden zu sein. Und da man auf der „Isabella“ noch immer keine Anstalten zeigte, seiner Aufforderung zu gehorchen, ließ er drei Böller lösen.

Das wiederum hatte – wie die Seewölfe mit Verwunderung feststellten – zur Folge, daß voraus bei der Insel Ven einiges passierte.

Acht schwer armierte Schaluppen verließen die Piers und schoben sich in den Sund. Wie sich bald zeigte, verfolgten sie eine ganz bestimmte Strategie. Vier von ihnen versperrten das Backbordfahrwasser, und die vier anderen riegelten das Steuerbordfahrwasser ab.

Zum selben Zeitpunkt meldete Bill aus dem Mars, daß drei weitere Schaluppen Helsingör verlassen hätten und nun – zusammen mit der ersten Schaluppe – von achtern auf segelten.

Die eisblauen Augen des Seewolfs funkelten plötzlich wütend.

„Das alles sieht ganz nach mächtigem Ärger aus“, sagte er mit fester Stimme. „Aber wenn die Schlitzohren sich einbilden, daß wir uns so mir nichts dir nichts verschaukeln lassen, dann täuschen sie sich.“

„Was willst du tun?“ fragte Ben. „Sollen wir uns mit ihnen anlegen?“

„Dazu hätte ich jetzt Lust“, erwiderte Hasard. „Aber das können wir bei dieser Übermacht natürlich nicht riskieren. Außerdem müssen wir die königliche Order berücksichtigen, die uns ebenfalls die Hände bindet. Trotzdem denke ich nicht daran, den Zoll noch mal zu zahlen. Das Vernünftigste ist wohl, wenn wir vor Anker gehen und den Beutelschneidern die Meinung geigen. Schließlich habe ich ja den Revers. Und den müssen sie wohl oder übel anerkennen.“

In Carberrys Gesicht zog ein Gewitter auf.

„Hab ich’s nicht gleich gesagt, daß die nordischen Lockenköpfchen hinter dem Geld her sind wie der Teufel hinter den armen Seelen, was, wie? Räudige Kakerlaken sind das, jawohl, Halsabschneider und uniformierte Bilgengespenster! Man sollte ihnen samt und sonders mit der Neunschwänzigen das Tanzen beibringen, diesen plattnasigen Gewitterziegen!“

„Bastarde, Hornochsen, Affenärsche!“ ergänzte Sir John mit einem lauten Krächzen. Und wieder einmal wunderte sich niemand mehr an Bord, woher der bunte Papagei seinen deftigen Wortschatz hatte.

Das Gesicht des Seewolfs wirkte eisig.

„Ed und Sir John haben völlig recht“, sagte er, „manchmal müßte man wirklich mit der Neunschwänzigen dreinschlagen.“ Dann gab er den Befehl zum Ankerwerfen.

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