Kitabı oku: «Seewölfe Paket 16», sayfa 21

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4.

„Ich habe etwas vorzuschlagen“, sagte Big Old Shane, ehemals Schmied auf der Feste Arwenack in Falmouth. Der kräftige Mann mit dem wilden grauen Bart und den mächtigen Pranken erinnerte, so wie er auf der Back stand, an ein Standbild des Meeresgottes Neptun.

„Laß ihn hören, Shane“, forderte ihn Hasard auf.

„Da wir uns darüber einig sind“, begann Big Old Shane, „daß dort drüben Schnapphähne lauern, könnten wir die Jolle aussetzen und die Küste bis hin nach Kullen ein bißchen in Augenschein nehmen. Morgen früh brauchen wir die Jolle ohnehin zum Ankerfischen.“

Der Seewolf wiegte nachdenklich den Kopf hin und her.

„Nun gut“, sagte er dann. „Es kann nicht schaden, wenn wir die Augen offenhalten und uns möglichst gut absichern. Wenn wir davon ausgehen, daß sich die Kerle dort aufhalten, wo die ‚Isabella‘ hätte auflaufen müssen, mag es schon sein, daß uns eine solche Erkundungsfahrt etwas schlauer werden läßt. Ich bitte mir jedoch aus, daß sich die Bootscrew auf keinen Kampf einläßt. Wir sind mit einem geheimen Auftrag der Königin unterwegs und müssen schon aus diesem Grund jeden Ärger vermeiden.“

Der Vorschlag Big Old Shanes fand auch bei den übrigen Seewölfen Zustimmung, und ebenso akzeptierte man Hasards Bedingungen.

Da der Seewolf wußte, daß sich alle Hände heben würden, wenn er nach Freiwilligen fragte, bestimmte er von sich aus einige Männer, die Big Old Shane auf der Erkundungsfahrt begleiten sollten. So gehörten denn Stenmark, Mac Pellew, Sam Roskill, Jack Finnegan sowie Paddy Rogers und Dan O’Flynn, der Sohn von Old Donegal, zu der kleinen Crew.

„Und wir, Dad?“ fragten die Zwillinge wie aus einem Munde.

„Sollen wir etwa wieder in die Koje steigen?“ fügte Hasard junior hinzu.

„Du hast es erraten“, erwiderte Vater Hasard. „Auf euch beide wartet morgen eine Menge Arbeit. Zunächst einmal muß Reinschiff gemacht werden, außerdem werden noch einige starke Männer gebraucht, die beim Ankerfischen helfen.“

Die beiden „Rübenschweinchen“ zogen einen Schmollmund, denn gerade jetzt, da es ihrer Meinung nach interessant wurde, sollten sie in die Koje zurück. Das war wieder typisch Dad. Aber hatte er nicht was von starken Männern gesagt, die man morgen brauchen würde? Nun ja, wenigstens schien er ihre Qualitäten richtig einzuschätzen. Und das versöhnte sie wieder.

„Aye, Sir!“ sagten sie und verzogen sich.

Inzwischen wurde die Jolle mit geübten Griffen abgefiert. Dann ging die kleine Crew, die gut bewaffnet war, an Bord. Um möglichst wenig Lärm zu verursachen, ließ Big Old Shane, der das Kommando übernommen hatte, den Mast und das Segel setzen. Der kalte Wind, der über die Wasserfläche strich, trieb die kleine Jolle lautlos voran – direkt auf die Küste zu.

Am Himmel zogen immer noch grauschwarze Wolkenfetzen entlang, die dem Mond nur ab und zu die Gelegenheit einräumten, die Umgebung in ein trübes, milchiges Licht zu tauchen.

Es mochte wohl eine halbe Stunde vergangen sein, als Dan O’Flynn mit seinen scharfen Augen etwas entdeckte, das der kleinen Bootscrew die Haare zu Berge stehen ließ.

Bis jetzt waren sie immer dicht unter der Küste geblieben, um nicht in einen Hinterhalt zu tappen. Aber es war alles still geblieben, niemand hatte etwas Auffälliges bemerkt. Jetzt aber riß es Dan beinahe von der Ducht hoch.

„Ich werd nicht mehr!“ stieß er hervor. „Wir haben uns also doch nicht getäuscht!“

„Was ist denn?“ fragte Jack Finnegan. „Siehst du Gespenster?“

„Nein, aber Boote und Männer in rauhen Mengen!“

„Wo denn, verdammt noch mal?“ fragte Big Old Shane. „Ich kann nichts sehen.“

„Du solltest mehr Grünzeug essen, das soll gut für die Augen sein“, erwiderte Dan respektlos. Dann hob er den rechten Arm und deutete in eine bestimmte Richtung. „Dort, Steuerbord voraus! Die Boote liegen an Land. Es sind – äh – es sind mindestens acht Stück. Und daneben stehen mehrere Gruppen von Kerlen und debattieren. Hol’s der Teufel, das müssen mindestens vierzig ausgewachsene Schnapphähne sein!“

Jetzt konnten auch die anderen Männer die Boote und die wohl dazugehörenden Besatzungen in schwachen Umrissen erkennen.

„Sag doch gleich, daß du die Boote an Land entdeckt hast“, knurrte der bullige Paddy Rogers. „Ich suche die ganze Zeit die Wasserfläche ab und dachte schon, ich hätte Kleister auf den Augen.“

„Die Welt besteht eben nicht nur aus Wasser, Paddy“, meinte Dan O’Flynn. „Ab und zu muß man eben auch mal einen Blick an Land werfen, auch wenn sich dort nicht gerade eine Schar Jungfrauen tummelt.“

„Hört auf mit den dummen Witzen“, sagte Big Old Shane scharf. „Wenn es die Kerle da drüben auf unsere ‚Isabella‘ abgesehen haben, werden wir bald eine ganze Menge Ärger kriegen, ob es Hasard paßt oder nicht. Acht Boote, die gewissermaßen startbereit am Strand liegen, und dann noch diese Schar von Schnapphähnen – damit ist nicht zu spaßen.“ Mac Pellew zog, wie fast immer, ein griesgrämiges Gesicht.

„Und ich koche euch morgen eine Suppe aus alten Stiefeln“, erklärte er, „wenn diese Burschen nichts mit unserer gekappten Ankertrosse zu tun haben. Die wären sicherlich wie die Heuschrecken über uns hergefallen, wenn unsere Lady hier aufgebrummt wäre.“

„So ist es“, sagte Shane. „Das erinnert mich an die roten Feuerameisen, die damals am Ufer des Rio Tocantins zu Millionen über unser Schiff hergefallen sind. Wenn uns damals die Indianer nicht geholfen hätten, wäre von unserer Galeone nicht einmal mehr Sägemehl übriggeblieben. Die hätten uns glatt das Schiff unter den Füßen weggefressen.“

„Na, da würden sich die Burschen da drüben an unserer heuen ‚Isabella‘ ganz schön die Zähne ausbeißen“, meinte Sam Roskill. „Aber was jetzt? Segeln wir mal eben bei den Schnapphähnen vorbei, um uns kurz vorzustellen?“

„Nicht mehr nötig“, sagte Dan und deutete abermals zur Küste hinüber.

Tatsächlich geschah etwas Merkwürdiges. Die Männer, die da drüben palavert hatten, mußten die Jolle gesichtet haben, denn sie stoben urplötzlich wie eine Schar aufgescheuchter Hühner auseinander und verschwanden in Windeseile landeinwärts, wo sie sich in dichtes Gestrüpp verzogen.

Big Old Shane schüttelte verständnislos den Kopf.

„Da soll noch einer schlau draus werden“, brummte er. „Wenn die schon die Hacken zeigen, sobald sie nur eine winzige Jolle sichten, dann haben wir von denen nicht viel zu befürchten.“

„Vielleicht bilden sie sich ein, wir hätten sie noch nicht gesehen“, meinte Stenmark. „Oder sie wollen uns in Sicherheit wiegen, um dann im richtigen Augenblick über uns herzufallen.“

Big Old Shane zuckte mit den Schultern.

„Wie dem auch sei! Jetzt, da wir schon mal hier sind, werden wir uns die acht Boote näher ansehen. Dabei wird wohl nicht gleich ein Krieg ausbrechen. Sollten wir jedoch angegriffen werden, verholen wir uns. Schließlich haben wir Hasard versprochen, uns nicht auf Kampfhandlungen einzulassen.“

Damit waren alle einverstanden, und die Jolle hielt direkt auf den Strand zu, auf dem die acht Boote nebeneinander lagen.

„Ich gehe zunächst allein an Land“, entschied Shane. „Dan, du läßt die Jolle nicht auflaufen, damit wir notfalls sofort wieder verschwinden können.“

„Willst du rüberschwimmen?“ fragte Dan O’Flynn.

„Witzbold! Vor einem kleinen Spaziergang durchs Wasser wird mir wohl nicht gleich was wegfrieren.“

Es geschah, wie der grauhaarige Schmied angeordnet hatte. Er glitt flink über Bord und watete – bis an die Hüften im Wasser – zu den Booten hinüber. Schußwaffen hatte er keine mitgenommen. An seinem breiten Ledergürtel trug er lediglich einen Degen und ein Messer.

Seine Augen tasteten vorsichtig die Umgebung ab, aber da rührte sich nichts. Kein Geräusch und keine Bewegung deuteten darauf hin, daß sich jemand in der Nähe aufhielt. Dennoch wußte Shane genau, daß man von dem dichten Gestrüpp aus jede seiner Bewegungen beobachtete.

Das Unternehmen war gewagt, denn jeden Augenblick konnten die Schnapphähne auftauchen und das Feuer auf ihn und die Jolle eröffnen. Aber Shane wollte nicht unverrichteter Dinge von hier verschwinden – zumindest nicht, ohne vorher einen Blick in die acht Boote geworfen zu haben.

Triefend stieg er aus dem kalten Wasser und stapfte auf das erste Boot zu. Noch immer geschah nichts. In der ganzen Umgebung herrschte Totenstille.

Big Old Shane murmelte eine leise Verwünschung, denn er fand bestätigt, was er vermutet hatte. Die Boote waren zum Entern bestimmt, das bewies ihr Inhalt eindeutig. Sie waren vollgepackt mit Enterhaken an Wurfleinen sowie mit Schiffshauern und Blankwaffen jeder Art. Nur Schußwaffen konnte er keine entdecken.

Für Shane gab es keinen Zweifel mehr daran, daß die Kerle da drüben im Gestrüpp ein Auge auf die „Isabella“ geworfen hatten.

„So ein verdammtes Lumpenpack!“ knurrte er böse. „Heimtückische, hinterfurzige Schnapphähne sind das! So was kann man doch nicht einfach durchgehen lassen.“

Ein heiliger Zorn stieg in ihm hoch, und da sich immer noch niemand zeigte, packte er kurzentschlossen einen der Schiffshauer, die im ersten Boot verstaut waren, holte weit aus und schlug zu, daß buchstäblich die Fetzen flogen.

Das ganze wiederholte sich beim zweiten, dritten, vierten und fünften Boot.

Laut hallten die Hiebe durch die Nacht und übertönten das Rauschen der Brandung. Die Bootsplanken splitterten, und die Späne flogen durch die Luft. Big Old Shane wütete wie ein Berserker, und wo er den Schiffshauer mit ungeheuerer Wucht in das Holz donnerte, blieben nur noch Trümmer übrig.

Nach wenigen Augenblicken hatte er bereits fünf Boote zerstört. Kochend vor Wut stapfte er auf das sechste zu, um das Werk fortzusetzen. Doch da ließ ihn ein lauter Warnruf aufhorchen.

Der Grund wurde ihm sofort klar, denn drüben im Gestrüpp wurde es plötzlich lebendig. Die Schnapphähne wollten offenbar verhindern, daß auch noch die restlichen drei Boote zertrümmert wurden. Mit lauten Flüchen und Schreien brachen die dunklen Gestalten durch die Büsche. Aber kein Schuß fiel. Wie es den Anschein hatte, verfügten die Piraten nur über Blankwaffen.

Und darum war Big Old Shane nicht böse.

Angesichts der gewaltigen Übermacht blieb dem Schmied von Arwenack-Castle nur die Flucht. Also glitt er sofort ins Wasser zurück, watete, so schnell es irgend ging, auf die Jolle zu und schwang sich hinein. Und das keine Sekunde zu spät, denn die ersten Verfolger hatten die Boote schon fast erreicht.

Dan segelte seewärts, und jetzt in dieser Situation zeigte sich wieder einmal, was für ein schnelles und prächtiges Segelboot die Jolle war. Auch sie war aus der Werft Hesekiel Ramsgates hervorgegangen.

Der Abstand zur Küste vergrößerte sich rasch, aber die wüsten Flüche der Strandpiraten waren noch immer deutlich zu hören. Außerdem konnten die Seewölfe noch sehen, wie die drei restlichen Boote in höchster Eile ins Wasser geschoben wurden.

„Die wollen uns tatsächlich verfolgen“, sagte Jack Finnegan. „Da müssen sie sich aber ganz schön in die Riemen legen.“

Big Old Shane lachte verächtlich.

„Schade, daß ich die letzten drei Nußschalen nicht auch noch zu Kleinholz verarbeiten konnte. Aber irgendwann erwische ich die auch noch.“

Dan O’Flynn blieb an der Pinne und hielt nach wie vor Kurs auf die offene See, um später mit einem Kreuzschlag über Backbordbug zur „Isabella“ zurückkehren zu können.

5.

Die Sicht verschlechterte sich ständig. Über dem Wasser verdichtete sich der Dunst zu grauen Nebelschwaden, die sich mit der Dunkelheit vermischten.

Von den Verfolgern war kaum noch etwas zu sehen. Die Umrisse ihrer Boote hoben sich nur zeitweise vom Nachthimmel ab. Dafür aber drangen Stimmengewirr und das Geräusch von Riemen an die Ohren der kleinen Seewölfe-Crew.

„Na, wenigstens segeln sie nicht“, meinte Mac Pellew. „Pullen ist auch viel gesünder, denn es hält im Winter schön warm.“

„Du hast wohl Angst, die Kerle könnten sich einen Schnupfen holen, wie?“ Dan war sauer. „Ob sie nun pullen oder segeln – auf jeden Fall haben sie nicht aufgegeben, und das, was jetzt stattfindet, ist ein regelrechtes Katz- und Mausspiel. Das Üble daran ist nur, daß wir die Maus sind.“

„Das mag schon sein“, ließ sich Paddy Rogers vernehmen. „Aber wir sind eine verdammt bissige Maus, die nicht lange mit sich spielen läßt.“ Er zupfte an seiner prächtigen Knollennase.

„Soll das heißen, daß du die Kerle gerne angreifen möchtest?“ fragte Dan. „Man muß wohl nochmals daran erinnern, daß sich Hasard ausdrücklich jede Art von Kampfhandlung verbeten hat.“

„Na und?“ knurrte Big Old Shane, dem es in den nassen Kleidern jetzt doch etwas kalt wurde. „Hast du jemanden gesehen, der in einen Kampf verwickelt war?“

„Du Schlaumeier!“ sagte Dan bissig. „Bei dir ist das Zertrümmern von fremden Booten wohl keine Kampfhandlung, wie?“

„Nein“, entschied Shane. „Das war lediglich ehrliche Handwerksarbeit. Und als die Kerle nicht mehr wollten, daß ich ihre Boote so wunderschön verziere, habe ich sofort damit aufgehört. War es nicht so?“

„So ähnlich“, erwiderte Dan vorwurfsvoll. „Zumindest war die Zerstörung der Boote ein aggressiver Akt, der die Verfolgung ausgelöst hat. Wenn es uns nicht gelingt, die Burschen abzuschütteln, dann wird der Ärger erst richtig beginnen. Und genau das wollten wir ja vermeiden.“

„Wir sind dem Ärger ja bereits aus dem Weg gegangen“, verteidigte sich Shane, „indem wir den Kerlen nicht eins aufs Haupt gegeben haben, sondern hurtig davongesegelt sind. Wenn die sich über unseren kurzen Besuch ärgern, dann ist das ihre Sache. Oder ärgert sich vielleicht hier jemand – ich meine natürlich außer Mister O’Flynn?“

Die anderen grinsten nur, denn im Grunde genommen hatte es ihnen gutgetan, daß Big Old Shane kräftig zugelangt hatte. Damit hatte er den Schnapphähnen gezeigt, daß sich die Männer von der „Isabella“ nicht ungestraft die Ankertrosse kappen ließen.

Nur Dan schnitt immer noch ein sauertöpfisches Gesicht.

„Hör schon auf mit dem Theater, Shane. Du weißt genau, was ich meine. Du hättest die Verfolgung nicht provozieren sollen.“

„Schon gut, mein Sohn“, brummte Shane. „Nun hab ich eben mal ordentlich reingehauen! Sozusagen auf eigene Verantwortung, denn soweit ich mich erinnern kann, obliegt mir das Kommando für dieses Unternehmen. Gut, wenn du so willst, ist mir der Gaul durchgegangen, so was kann schon mal passieren, wenn der heilige Zorn in einem hochsteigt. Selbst der Apostel Petrus hat – wie in der Bibel steht – einmal wütend mit dem Schwert zugeschlagen und einem Häscher ein Ohr abgetrennt. Das war bestimmt nicht gerade das, was er gewollt hatte, aber als er sah, was da lief, da konnte er nicht anders. Und so erging es mir auch.“

Mac Pellew kicherte.

„Du wirst dich doch nicht mit dem heiligen Petrus vergleichen wollen?“

„Tu ich ja nicht“, meinte Big Old Shane. „Aber das Reinhauen kann ich mindestens so gut wie er!“

„Ich geb’s auf“, sagte Dan, „sonst vergleicht er sich am Ende noch mit dem lieben Gott.“

Shane grinste und nickte zufrieden.

Aber die Laune Dan O’Flynns sollte noch weiter absinken, denn wenige Minuten nach der hitzigen Debatte stellte sich heraus, daß sie keinen Bootskompaß an Bord hatten.

„Elende Schlamperei!“ fluchte Dan. „Der Nebel wird immer dichter, so daß man die Kerle fast nur noch anhand ihrer lauten Flüche orten kann. Und wir segeln ohne Kompaß durch die Gegend!“

„Da hast du allerdings recht“, sagte Big Old Shane, der sich jetzt diebisch über seine Revanche freute. „So was ist eine Riesenschlamperei. Am Ende segeln wir ohne Kompaß noch zurück nach England und merken es erst, wenn wir an die Kaimauer von Plymouth brummen. Wer ist denn eigentlich für den Kompaß verantwortlich, he?“ Über das bärtige Gesicht des ehemaligen Schmieds huschte ein hintergründiges Lächeln.

Die Antwort kam prompt, und zwar von Sam Roskill.

„Der Navigator natürlich, der ja zur Schiffsführung gehört.“

„Aha“, fuhr Shane fort. „Und wer ist dieser Mann auf der ‚Isabella‘?“

Wieder antwortete Sam Roskill, der sich gern an dem Spielchen beteiligte.

„Wenn ich mich recht erinnere“, sagte er, „dann ist das ein gewisser Mister Donegal Daniel O’Flynn. Für gewöhnlich hat er sich um solche Dinge zu kümmern.“

Der Kopf Dan O’Flynns war blutrot angelaufen, und genaugenommen war er froh darüber, daß es dunkel und neblig war, so daß ihn niemand so genau sehen konnte. Zunächst wollte er, wie es seinem Temperament entsprach, aufbrausen, aber dann besann er sich doch eines Besseren.

„Wenn dem heiligen Petrus und sogar einem gewissen Mister Shane was unterrutschen kann“, sagte er, „dann kann das ab und zu auch einem Navigator passieren. Außerdem braucht man normalerweise für einen kurzen Landausflug keinen Kompaß.“

„Normalerweise nicht“, meinte Big Old Shane, „aber bei Nacht und Nebel kann so ein Ding mitunter recht nützlich sein. Doch zum Glück gibt es ja noch Wassermänner. Vielleicht nimmt uns einer in Schlepp und lotst uns zur ‚Isabella‘ zurück.“

„Ich konnte schließlich nicht ahnen, daß es plötzlich so neblig wird“, erklärte Dan. „Und daß die verdammten Schnapphähne hinter uns her sind, ist auch nicht unbedingt meine Schuld.“

Shane vollführte eine großzügige Geste.

„Ist ja schon gut“, brummte er. „Jeder kann mal was vergessen. Als Petrus damals dem Häscher ein Ohr abhieb, hatte er auch nicht an das Verbandszeug gedacht, so daß der Herr Jesus ein Wunder wirken mußte, um dem Kerl das Ohr wieder dranzusetzen.“

„Hier geht’s aber nicht um Verbandszeug, sondern um einen Bootskompaß“, sagte Paddy Rogers und kratzte sich bedächtig am Hinterkopf.

„Na und?“ Old Shane grinste. „Dann wird Mister O’Flynn eben auch ein kleines Wunderchen vollbringen müssen. So einfach ist das!“

Dan stieß einen Knurrlaut aus.

„Auf Wunder könnt ihr lange warten“, sagte er. „Aber ich werde zur ‚Isabella‘ zurückfinden, darauf könnt ihr euch verlassen!“

Damit war das Thema vorerst erledigt.

Der zunehmende Nebel, der zusammen mit der Dunkelheit eine fast undurchdringliche, grauschwarze Mauer bildete, erforderte jetzt die volle Konzentration der Seewölfe. Sie konnten schon seit einigen Minuten nicht mehr feststellen, in welcher Richtung die „Isabella“ vor Anker lag. Außerdem konnten jeden Moment eins der Verfolger-Boote aus dem Nichts auftauchen.

Die Lage spitzte sich mehr und mehr zu.

„Jetzt schläft auch noch der Wind ein!“ Dans Gesicht wirkte plötzlich sorgenvoll. Bis jetzt hatte der Wind aus Süden geweht und der kleinen Bootscrew zumindest einige Anhaltspunkte für ihren weiteren Kurs geliefert. Nun aber törnten sie im Nebel herum und verloren vollends die Orientierung.

Nur zu gern hätte Dan jetzt ein Wunder bewirkt, wenn er die Macht dazu gehabt hätte. So aber mußte er sich gleich den anderen auf seine Augen und auf seinen Spürsinn verlassen. Zumindest im Augenblick.

„Wer weiß, wann es wieder aufbrist“, sagte Big Old Shane, in dessen Händen das Kommando lag. „Wir bringen die Riemen aus, damit wir auf jeden Fall manövrierfähig sind, wenn die Burschen auftauchen. Außerdem wärmt das Pullen den Körper auf, nicht wahr, Mac?“ Er brachte trotz der verfahrenen Situation ein Grinsen zustande.

Mac Pellews griesgrämiges Gesicht wurde noch sauertöpfischer.

„Nun ja“, sagte er kleinlaut, „mitunter friert es sich auch ganz angenehm.“

Shane verschluckte im letzten Moment ein dröhnendes Lachen, um den Standort der Jolle nicht zu verraten.

Mitunter drangen Geräusche zu ihnen durch, die aber infolge der dichten Nebelwatte verzerrt wirkten. Dennoch waren sie der Beweis dafür, daß sich die Verfolger noch in der Nähe befanden. Auch sie mußten inzwischen die Orientierung verloren haben.

Die sechs Riemen der Jolle wurden rasch ausgebracht – drei auf jeder Seite. Doch die kleine Crew brauchte gar nicht erst richtig mit dem Pullen zu beginnen, weil sich die Situation schlagartig veränderte.

An Backbord tauchte urplötzlich, wie herbeigezaubert, ein dunkler Schatten auf und hielt direkt auf die Jolle zu. Es konnte sich nur um eins der Piratenboote handeln.

Stenmark, der blonde Schwede, versuchte die Situation zu retten, indem er die Besatzung des Bootes geistesgegenwärtig auf Schwedisch anbrüllte.

„Verdammt, pullt uns nicht über den Haufen!“ rief er. „Haltet euch nach Backbord, dort gurken die Kerle mit der Jolle herum. Sie sind ganz in der Nähe!“

Einen Augenblick hielten die Seewölfe den Atem an. Doch Stenmarks Bluff gelang.

„In Ordnung, dann werden wir sie gleich zum Baden schicken!“ brüllte eine rauhe Stimme – ebenfalls auf Schwedisch – zurück.

Gleich darauf drehte das Boot ab und wurde weiter nach Backbord gepullt. In kurzer Zeit war es wieder im Nebel verschwunden.

Big Old Shane stieß die Luft aus.

„Das ist ja noch mal gutgegangen“, sagte er mit gedämpfter Stimme. „Jedenfalls wissen wir jetzt, daß wir es nicht mit Dänen, sondern mit Schweden zu tun haben.“

„Glückssache“, sagte Stenmark ungerührt. „Und da Schwedisch meine Muttersprache ist, wird der Trick auch noch öfter klappen.“

„Da bin ich mir nicht so sicher“, meinte Shane.

„Aber ich“, sagte Stenmark und wischte sich eine blonde Haarsträhne aus der Stirn. „Oder glaubst du etwa, die Kerle in den anderen Booten sind schlauer als die, die wir eben geleimt haben?“

Shane blieb weiterhin skeptisch. „Kann schon sein, daß die Galgenstricke alle Stroh hinter der Kimm haben. Trotzdem möchte ich mich da nicht unbedingt festlegen.“

Vorsichtig tauchten die Seewölfe die Riemen in das nachtschwarze Wasser. Die Dunkelheit begann sich jetzt, in den frühen Morgenstunden langsam zurückzuziehen, wodurch die dichte Nebelwand in ein helleres Grau überging.

„Hoffentlich hören die nicht meinen Magen knurren“, ließ sich nun Paddy Rogers vernehmen. „Wenn ich daran denke, daß uns der Kutscher für heute auch ein dänisches Frühstück versprochen hat, dann möchte ich am liebsten zur ‚Isabella‘ zurückschwimmen.“

„Das ist eine fabelhafte Idee“, meinte Jack Finnegan. „Wenn du die ersten Kombüsendüfte riechst, schwimmst du los und zeigst uns die Richtung. Wenn du mit deinem Knollen im Gesicht hoch genug an den Wind gehst, müßtest du das Frühstück nach menschlichem Ermessen wittern können.“

„Psst!“ unterbrach Dan das leise geführte Gespräch. „Da ist wieder ein Boot!“

Jetzt nahmen es auch die anderen wahr, wenn auch nur in Umrissen.

„Na, dann los“, wandte sich Big Old Shane an Stenmark. „Vielleicht kannst du sie noch einmal leimen.“

Stenmark war von der Wirksamkeit seiner Methode überzeugt. Er ließ das Boot gar nicht erst näher heran, sondern legte sofort die Hände trichterförmig an den Mund und brüllte die Piraten an.

„He, ihr da!“ tönte es in astreinem Schwedisch über die Wasserfläche. „Haltet euch mehr nach Steuerbord. Dort wurden die Kerle vor wenigen Minuten gesichtet. Schlagt ihnen die Schädel ein!“

„Und ob wir das tun!“ dröhnte eine Stimme zurück. Dann verschwand auch dieses Boot hinter der grauen Nebelwand.

Stenmarks Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen. Seine hellen Augen blitzten.

„Na, hab ich vielleicht zuviel versprochen?“ fragte er. „Wenn der Reigen so weitergeht, spielen die Kerle mit sich selber Haschmich.“

„Richtig Spaß macht das erst, wenn sie sich gegenseitig über Bord werfen“, sagte Dan.

Schweigsam pullten sie weiter in die Richtung, in der sie die ankernde „Isabella“ vermuteten.

Außer den Geräuschen, die die Riemen verursachten, drangen zeitweise schwache Wortfetzen an ihre Ohren. Die Verfolger waren also immer noch in der Nähe. Deshalb ließen die Seewölfe, die ihre Jolle mit zügigen Riemenschlägen vorantrieben, die immer heller werdende graue Mauer keine Sekunde aus den Augen. Besonders Dan, der den scharfen Blick eines Adlers hatte, suchte konzentriert die Umgebung ab und versuchte gleichzeitig, die Richtung zu bestimmen, aus der der schwache Wind wehte. Dieser reichte noch nicht aus, um das Segel wieder setzen zu können.

Einige Minuten lang ereignete sich nichts, aber dann wahrschaute Dan O’Flynn die kleine Crew erneut.

„Verdammt!“ zischte er. „Da tauchen schon wieder welche auf.“

Big Old Shane horchte und starrte mit düsterem Gesicht in die dunstige Masse.

„Mehr als drei Boote habe ich diesen Geiern nicht übriggelassen“, sagte er. „Wenn das jetzt das dritte ist, haben wir sie alle durch.“

„Das laß mich mal regeln“, erklärte Stenmark siegessicher. „Ich werde ihren Kurs schon etwas korrigieren.“

Sobald die Konturen des Bootes deutlicher zu sehen waren, griff der blonde Schwede abermals in seine Trickkiste.

„He, Leute!“ brüllte er. „Ihr müßt euch mehr nach Backbord halten. Dort muß die mickrige Jolle sein.“

„Nichts da!“ lautete die Antwort. „Da hat uns vorhin schon so ein Blödmann hingeschickt. Warst du das vielleicht?“

Die Besatzung des Piratenbootes änderte ihren Kurs nicht, sondern pullte direkt auf die Jolle zu.

„So ein Pech!“ zischte Shane. „Das sind die mit dem ersten Boot. Und die lassen sich von uns nicht ein zweites Mal an der Nase rumführen.“

Stenmark stieß ein äußerst unfeines Wort hervor, dann versuchte er, das drohende Unheil noch abzuwenden.

„Ich weiß nicht, was du meinst!“ rief er zurück. „Ich war das jedenfalls nicht. Ihr solltet euch wirklich nach Backbord halten, sonst entwischen uns die Bastarde!“

„Von wegen!“ tönte es zurück. „Wir haben keine Lust, ständig im Kreis zu pullen.“

Das Piratenboot hielt nach wie vor direkt auf die Jolle der Seewölfe zu. Die Schweden schienen mißtrauisch geworden zu sein. Wie es aussah, hatten sie die Absicht, sich die vermeintlichen Kumpane etwas näher anzusehen.

Die Seewölfe waren sich darüber im klaren, daß es jetzt Ärger geben würde. Ein eiliges Davonpullen schied aus, dazu waren die Kerle schon zu nahe heran. Außerdem würden sie dadurch erst recht verdächtig sein. Die Kerle würden dann vermutlich durch Lärm versuchen, ihre Kumpane herbeizurufen. Die sieben Seewölfe aber hatten nicht die geringste Lust, sich mit drei Bootsbesatzungen gleichzeitig herumzuschlagen.

Dan konnte bereits erkennen, daß sich acht Männer in dem Boot befanden.

„Greift euch was Handfestes, Leute“, sagte Shane leise. „Aber bitte keine Schußwaffen, sonst haben wir gleich die ganze Meute am Hals.“

Unauffällig und ohne jede Hast stellten sich die Seewölfe auf die Begegnung mit den Schnapphähnen ein.

Das Piratenboot schob sich von achtern her längsseits der Jolle. In diesem Augenblick schienen die Kerle auch schon zu begreifen, wen sie vor sich hatten.

Ein ellenlanger schwedischer Fluch drang zu den Seewölfen hinüber, dann wurde es auf dem Boot plötzlich lebendig. Die verluderten Kerle schnatterten überrascht durcheinander und griffen in Windeseile nach ihren Waffen. Einige sprangen bereits von den Duchten hoch, als hätte ihnen jemand mit einer Nadel in den Hintern gepiekst.

Doch Big Old Shane und seine kleine Truppe waren darauf vorbereitet.

„Los, Männer!“ rief Shane mit Donnerstimme. „Spielen wir mit diesen Rübenschweinen Schinkenklopfen!“

Was der graubärtige Riese damit meinte, sollten die Piraten sofort zu spüren kriegen.

Vier Riemen der Jolle zischten durch die Luft – und gleich darauf wurden vier der düsteren Gestalten von den Duchten gefegt. Zwei davon gingen mit lautem Gebrüll über Bord und zwei sanken durch die Wucht der Hiebe wie schlaffe Mehlsäcke zwischen die Duchten und rührten sich nicht mehr.

Einer der Schweden hatte sich auf die Heckducht geschwungen und fuchtelte – laute Kommandos brüllend – mit einem Enterbeil in der Luft herum.

Doch bevor er irgendeinen Schaden mit dieser gefährlichen Waffe anrichten konnte, traf ihn Paddys Riemen wie ein Rammbock gegen die Brust. Er schrie auf, dann warf er die Arme hoch und kippte ebenfalls über Bord.

Die drei anderen Schnapphähne hatten sich mit Sam Roskill, Stenmark und Dan angelegt. Sie drangen mit wütenden Flüchen auf die Seewölfe ein und versuchten, diesen mit Cutlassen und Degen zuzusetzen.

Da aber waren sie an die Falschen geraten, denn die Seewölfe verstanden es meisterhaft, diese Attacken zurückzuschlagen.

Big Old Shane aber kürzte diesen Kampf auf seine Art ab. Er hatte sich eine mächtige Langaxt gegriffen, und damit zertrümmerte er in bewährter Manier den Spiegel des Piratenbootes.

„So, Freunde, jetzt gibt’s gleich nasse Füße!“ brüllte er.

Und schon begann das Boot abzublubbern.

Sam Roskill hatte gerade noch einen Ausfall, den einer der Kerle mit seinem Degen versucht hatte, abgewehrt, da merkten die Schweden, daß sie ihr Boot verlieren würden. Mit lautem Wutgeheul ließen sie von den Seewölfen ab und sprangen über Bord.

„Und jetzt klar bei Riemen!“ befahl Shane. „Wir werden uns mal so richtig schön warmpullen, denn ich schätze, daß wir gleich noch mehr Besuch kriegen. Das Gebrüll hat den übrigen Galgenstricken bestimmt unseren derzeitigen Standort verraten.“

„Aye, Sir“, sagte Jack Finnegan. „Dann nichts wie weg hier. Wenn sie erscheinen, können sie ihre Kumpane aus dem Wasser fischen. Hoffentlich kriegen sie einen ordentlichen Husten!“

Die Riemen wurden mit geübtem Griff in die Dollen gelegt. Niemand bemerkte dabei, daß sich einer der Piraten, der während des Kampfes über Bord gegangen war, an das Heck der Jolle gehängt hatte. Die mächtige Gestalt Shanes, der sich gerade auf der achteren Ducht niederließ, verdeckte den Kerl, in dessen rechter Hand ein Messer aufblitzte.

Er hatte es ohne Zweifel auf Big Old Shane abgesehen, und es war nur noch eine Frage von Augenblikken, daß er diesem die Klinge in den Rücken jagen würde.

Die „Isabella IX.“ schwoite gemächlich an der Trosse des Steuerbord-Bugankers. Trotzdem hatten die sechs Ankerwachen, die der Seewolf bestimmt hatte, keine leichte Aufgabe. Erste helle Schatten kündigten zwar den beginnenden neuen Tag an, dennoch wurde auch die große Galeone völlig von den dichten Nebelmassen eingehüllt.

Auf dem Achterdeck konnte man nicht mehr sehen, was auf der Back vor sich ging, und von einer funktionierenden Ankerpeilung konnte natürlich keine Rede sein. Das Schiff war völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Manchmal hatten die Männer der Ankerwache das Gefühl, die einzigen Menschen auf der Welt zu sein.

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