Kitabı oku: «Seewölfe Paket 17», sayfa 6

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„Na, dann paßt gut auf, wenn ich da reingehe“, sagte der Kutscher. „Weiß der Teufel, was für eine Krankheit sich dieser Halunke ausgesucht hat.“ Zu Stenmark gewandt, fuhr er fort: „Frag ihn doch mal, wo es zwickt und zwackt!“

Stenmark preite den Gefangenen auf Schwedisch an.

„Was ist los? Was soll das Theater?“ rief er.

Die Antwort bestand zunächst aus einem langgezogenen Stöhnen. „Der Madonna sei Dank“, erwiderte der Generalkapitän dann ebenfalls auf Schwedisch. „Endlich ein barmherziger Mensch, mit dem man reden kann, und der einen nicht wie ein Tier krepieren läßt!“

„So schnell gibt man nicht den Löffel ab, wenn man noch vor wenigen Stunden einen gesunden Appetit hatte“, sagte Stenmark spöttisch. „Unser Feldscher ist hier. Er will wissen, was los ist. Hast du plötzlich Pestbeulen gekriegt?“

Der Pole stöhnte erneut.

„Viel Schlimmeres!“ jammerte er. „Vielleicht hat mir jemand Gift ins Essen getan. Ich habe fürchterliche, krampfartige Schmerzen im ganzen Leib, so daß ich mich nicht mehr vom Boden erheben kann. Außerdem bin ich schweißgebadet und habe Fieber. Wenn mir nicht sofort jemand hilft, dann sterbe ich!“

Jetzt legte sich eine steile Falte über die Stirn des Kutschers.

„Stenmark, sag dem Miststück, daß bei uns an Bord noch niemand vergiftet worden ist. Ich selbst habe sein Frühstück hergerichtet, und wenn er noch ein einziges Mal behauptet, es habe ihm jemand Gift reingetan, dann kriegt er die nächsten acht Tage keinen Bissen mehr und kann meinetwegen die Planken annagen.“

Der Kutscher war fuchtig geworden. Schließlich ließ er sich nicht einfach unterstellen, ein Giftmischer zu sein. Das klang ja gerade so, als würde die „Isabella“ von einer heimtückischen Mörderbande bevölkert.

Stenmark übersetzte seine Worte, doch Witold Woyda jammerte lauthals weiter.

„So war das doch nicht gemeint!“ rief er schließlich. „Es war nur eine Vermutung. Es kann ja auch eine andere schlimme Krankheit sein. So helft mir doch!“ Ein lautes Ächzen und Gurgeln rundete seine Worte ab.

„Nun ja“, meinte der Kutscher, „ich will nicht dran schuld sein, wenn der Bursche tatsächlich das Zeitliche segnet, obwohl das für die Welt auch nicht gerade ein schwerer Verlust wäre. Macht auf, ich schaue mal rein. Du, Bob, begleitest mich mit deiner Funzel, damit ich mir den Kerl bei Licht ansehen kann.“

Bill schloß das Schott zur Vorpiek auf und schob den schweren Eisenriegel zurück.

Bob Grey, der in einer Hand eine schußbereite Pistole hielt, hob mit der anderen die Tranlampe hoch. Die Gestalt, die sich auf den Planken krümmte, wurde in trübes Licht getaucht.

Stenmark und Bill postierten sich am Eingang.

„Hilfe, Hilfe!“ wimmerte Witold Woyda, der immer noch seine schmucke Uniform und seine Perükke trug, wie sie meist nur von hochstehenden Offizieren aufgesetzt wurde. Er hatte die Beine angewinkelt und preßte beide Hände gegen den Leib.

Die beiden Männer traten näher. Während sich der Feldscher neben dem Gefangenen niederkniete, um ihn zu untersuchen, hielt Bob die Tranlampe hoch, um die Szene zu beleuchten.

Witold Woyda verzog schmerzlich das Gesicht und rollte mit den Augen, als stehe sein letztes Stündlein bevor.

„Diese Krämpfe bringen mich noch um“, stieß er mit gequälter Stimme hervor. Wie es auf den ersten Blick aussah, hatte es ihn tatsächlich übel erwischt.

Der Kutscher beugte sich über ihn, um zunächst einmal durch Abdrücke festzustellen, wo das Schmerzzentrum lag. Beim ersten Druck seiner Fingerspitzen zuckte der polnische Generalkapitän heftig zusammen und stieß einen kurzen Schrei aus.

Der zweite Druck hingegen schien ihm keineswegs mehr Schmerzen zu bereiten. Im Gegenteil. Sein Oberkörper ruckte schlagartig hoch, und seine rechte Hand fuhr blitzschnell zum Gürtel des Kutschers, in dem ein Messer steckte. Während er den Feldscher mit der anderen Hand am Hemdkragen packte, riß er das Messer heraus und setzte es ihm an die Kehle.

„Laßt eure Waffen fallen!“ brüllte er gleichzeitig. „Wenn ihr nicht gehorcht, ist euer Quacksalber ein toter Mann!“

Stenmark vergaß zunächst vor lauter Verblüffung, die Aufforderung des Polen zu übersetzen. Dennoch wußte jeder auf Anhieb, was mit dem Befehl gemeint war.

Auch Bob Grey war völlig überrascht worden. Woyda hatte unglaublich schnell gehandelt und zudem noch den richtigen Augenblick abgepaßt, so daß es ihm unmöglich geworden war, seine Pistole abzufeuern. Er hätte damit unweigerlich den Kutscher erwischt, da dieser sich über den Polen gebeugt hatte.

„Du Hundesohn!“ rief Stenmark nun wutentbrannt. „Damit wirst du keinen Erfolg haben. Das einzige, was du mit diesem heimtückischen Trick erreichst, ist, daß dir unser Kapitän den Hals an der Rah langziehen läßt!“

Witold Woyda stieß ein heiseres Lachen aus.

„Niemand hängt mich an die Rah, solange dieser Mann hier in meiner Gewalt ist. Gleich, was ihr unternehmt, ich zögere nicht, sofort zuzustoßen! Los, laßt eure Waffen fallen, sonst ist es soweit!“

Zähneknirschend gehorchten die Seewölfe.

Zuerst polterte Bobs Pistole auf die Planken der Piek, sein Messer, mit dem er so meisterhaft umzugehen verstand, folgte. Auch Stenmark und Bill, die mit verkniffenen Gesichtern am Schott standen, warfen ihre Waffen auf den Boden.

„Aufstehen!“ befahl Woyda, und dem Kutscher blieb nichts anderes übrig, als der Aufforderung Folge zu leisten. Langsam erhob er sich von den Planken, und der Pole folgte ihm.

Der Kutscher kochte innerlich vor Wut. Verdammt, warum war er nur auf diesen Kerl hereingefallen? Was würde Hasard dazu sagen? Es war noch gar nicht lange her, seit der räuberische Finne Matti Hakulinen Mac und den Profos durch einen üblen Trick als Geiseln genommen hatte. Sollte sich das jetzt in ähnlicher Form wiederholen? Dem Kutscher wurde abwechselnd heiß und kalt. Er empfand seine Situation als schreckliche Blamage, jawohl! Schließlich waren sie in der Überzahl gewesen, trotzdem waren sie auf diesen Gauner hereingefallen.

„Eins schwöre ich dir, Woyda“, sagte er mit gepreßter Stimme und ohne den Kopf zu bewegen. „Wenn ich dir jemals wieder eine Muck oder Kumme zu füllen habe, dann kannst du dessen sicher sein, daß ich mir ein hochwirksames Gift besorgen werde, aber eins, das dich langsam zu einer Kakerlake zusammenschrumpfen läßt. Und dann zertrete ich dich mit meinem Stiefelabsatz!“

Stenmark übersetzte diese Worte, doch Woyda stieß abermals ein trokkenes Lachen aus.

„Dazu wirst du keine Gelegenheit mehr haben, du Bastard! Im übrigen folgt ihr mir jetzt an Deck, und dann wollen wir mal sehen, wer hier am längeren Hebel sitzt. Wenn euer Kapitän kein Feigling ist, läßt er sich sogar gegen diesen Hund hier austauschen.“

Die Seewölfe hatten längst begriffen, was dieses Schlitzohr von Generalkapitän beabsichtigte. Wie er den Seewolf einschätzte, würde der keinen von seinen Männern über die Klinge springen lassen, sondern sich notfalls selber als Geisel zur Verfügung stellen. Damit hätte sich das Blatt für ihn entscheidend gewendet. Ohne Zweifel wollte Woyda sein ehemaliges Flaggschiff, die jetzige „Wappen von Kolberg“ zurückhaben und ebenso seine geraubten Schätze, die sich noch immer an Bord befanden.

„Ihr geht jetzt schön brav vor mir und eurem Quacksalber her!“ befahl der Pole. „Und vergeßt nicht: eine falsche Bewegung, und er stirbt!“

Bob, Bill und Stenmark blieb nichts anderes übrig, als dem Generalkapitän zu gehorchen. Keiner von ihnen wollte den Kutscher unnötig gefährden, also setzten sie sich in Bewegung.

Witold Woyda schob den Kutscher vor sich her, das Messer direkt an dessen Hals.

„Du hältst dich mit der Lampe direkt vor uns“, forderte er Bob Grey auf, der die Tranfunzel noch immer in Händen hielt.

Bob gehorchte.

Der kleine Trupp gelangte jedoch nicht weit. Bereits nach wenigen Schritten trat ein Umstand ein, mit dem niemand gerechnet hatte.

Der Kutscher, der durch die Umklammerung Woydas den Blick geradeaus gerichtet hielt, stolperte über die schwere Pistole Bob Greys, die dieser auf die Planken geworfen hatte.

„Verdammt!“ stieß er hervor und geriet im selben Moment samt Woyda, der ihm den linken Arm unters Kinn gelegt hatte, ins Straucheln.

Der Pole, der von diesem Umstand genauso überrascht wurde wie der Kutscher, ließ seine Geisel für den Bruchteil einer Sekunde los. Und damit beging er einen schwerwiegenden Fehler.

Der Kutscher, der ein sehr flinker Mann war, reagierte geistesgegenwärtig. Er ging blitzschnell in die Hocke, so daß die Faust mit dem Messer über seinen Kopf hinwegzuckte. Dann sprang er hoch, packte Woyda mit einer Kraft, die man ihm gar nicht zugetraut hätte, am Unterarm und wuchtete ihn mit Schwung über seine Schultern.

Mit einem Ächzen, das diesmal sehr echt klang, krachte der Generalkapitän auf die Planken vor dem Schott.

Damit war sein Schicksal besiegelt, denn jetzt warfen sich auch die anderen Seewölfe mit Hurra auf ihn. Ein Hagel von eisenharten Fäusten prasselte auf ihn nieder. Wuchtige Hiebe trieben ihn hoch und schmetterten ihn erneut auf die Planken.

Witold Woyda bezog die härteste Tracht Prügel seines Lebens, und als ihn die Seewölfe schließlich wieder gefesselt in der Vorpiek zurückließen, sah er tatsächlich aus, als sei er von schweren Krankheiten, beispielsweise der Beulenpest, befallen worden.

Der Kutscher drehte sich noch einmal um.

„Denk daran, Freundchen!“ zischte er wütend. „Ich pflege meine Versprechen zu halten. Bereits beim nächsten Backen und Banken füttere ich dich mit Rattengift, bis es dir zu den Ohren herauskommt!“

Woydas zerschundenes Gesicht verfärbte sich grün, als ihm Stenmark diese wüste Drohung des Kutschers übersetzte. Als der schwere Riegel des Schotts vorgeschoben wurde, schickte er den Seewölfen einen langen polnischen Fluch hinterher.

„Da haben wir echt Glück gehabt“, meinte Bob Grey. „Das hätte genausogut anders ausgehen können.“

Der Kutscher zuckte mit den Schultern.

„Was kann ich dafür, wenn du deine Pistole im Dunkeln herumliegen läßt?“

Bill und Bob nahmen ihre Posten wieder ein, als sei überhaupt nichts vorgefallen. Stenmark und der Kutscher kehrten an Deck zurück.

„Na, lebt unser Gast noch?“ fragte Hasard lächelnd, als er die beiden Männer sah.

„Wir haben ihn am Leben gelassen, Sir“, sagte der Kutscher. „Und gesund ist er auch wieder, wir haben dazu lediglich die Fäuste gebraucht.“

„Soll das heißen …?“ Hasard war erstaunt.

„Genau das soll es, Sir“, erwiderte der Kutscher und grinste. „Der Kerl hat uns was vorgespielt, und wir Idioten wären auch beinahe noch darauf reingefallen. Das heißt – äh – genaugenommen sind wir das sogar. Nur als er mich dann mit meinem eigenen Messer kitzeln wollte, da mußten wir ihn etwas beruhigen!“

Der Seewolf ließ sich die Einzelheiten berichten. Als der Kutscher in Richtung Kombüse verschwand, um nach der Erbsensuppe zu sehen, atmete Hasard fast hörbar auf.

10.

Die Seewölfe fühlten sich satt und rund wie lange nicht mehr. Niemand hätte für möglich gehalten, daß eine kräftige Erbsensuppe mit Speck nach so vielen Räucherheringen so gut schmecken konnte.

Jeder war mit sich und der Welt zufrieden. Selbst Old Donegal lächelte verzückt und rieb sich gedankenverloren den Bauch.

„Die Kerls in der Kombüse haben schon was los, das muß man ihnen lassen“, sagte er. „Wer ein Wort gegen dieses Essen sagt, der gehört tatsächlich an die Rah gehängt, jawohl!“

„Dann kannst du den Generalkapitän gleich dran hochziehen, Opa“, sagte Philip junior.

„Hä? Was willst du damit sagen?“

„Er hat sich strikt geweigert, die Suppe anzurühren“, berichtete Philip. „Er sagte etwas von Rattengift.“

„Na so was!“ Die Stimme des alten O’Flynn klang empört. „Da habt ihr die Suppe doch wohl wieder mitgenommen, wie?“

„Natürlich!“

„So ist’s in Ordnung“, sagte der rauhbeinige Alte. „Dann kann man notfalls später noch einen Schlag kriegen.“

Jung-Philip starrte ihn verblüfft an.

„Aber Opa …!“

Doch Old O’Flynn stolzierte bereits davon. Er drehte sich lediglich noch einmal kurz um.

„Und noch was!“ rief er. „Du Hosentrompeter sollst mich nicht ständig Opa nennen, ist das klar?“

„Klar, Op …, ich meine, aye, aye, Sir!“

Ein Ruf aus dem Ausguck unterbrach die Mittagsidylle. Will Thorne, der grauhaarige Segelmacher, war es, der vom Großmars aus die Kimm mit einem Spektiv abgetastet hatte. Und seine Augen erwiesen sich noch als bemerkenswert gut.

Die übrige Crew brauchte noch eine Weile, bis sie die Galeeren erkennen konnte, die aus südlicher Richtung herankrebsten.

„Also doch“, sagte Hasard. „Umsonst ist der Schnösel von einem Offizier nicht nach Süden geritten. Es ist durchaus möglich, daß wir ihm diesen Besuch zu verdanken haben.“

Arne von Manteuffel, der gerade sein Boot besteigen wollte, um auf die „Wappen von Kolberg“ zurückzukehren, enterte noch einmal rasch an Bord der „Isabella“, um eine kurze Lagebesprechung mit dem Seewolf abzuhalten.

„Ich finde, wir sollten einem Gefecht nicht ausweichen“, meinte Hasard, „zumal sich die Galeeren sowieso an unsere Fersen heften würden. Und beim Kreuzkurs nach Westen wären sie sogar schneller als wir.“

„Da hast du recht“, sagte Arne. „Wir könnten zwar nach Norden ausweichen, aber da würden wir gewissermaßen auf dem alten Kurs zurücksegeln.“

Ben Brighton vollführte eine abwehrende Geste.

„Und das ist nicht im Sinne des Erfinders“, sagte er. „Außerdem würde es die rachelüsternen Polen kaum besänftigen. Ich bin ebenfalls dafür, daß wir uns zum Kampf stellen, damit die ständigen Querelen endlich einmal aufhören.“

„Sollten wir nicht Woyda wieder als Geisel benutzen?“ fragte Big Old Shane. „Ich meine, die Masche hat ja schon einmal gewirkt.“

Hasard legte die Stirn in Falten.

„Davon halte ich nicht mehr viel. Wir können die Galeeren damit vielleicht für kurze Zeit auf Distanz halten, aber irgendwann haben wir sie wieder am Hals, das haben die Erfahrungen der letzten Tage deutlich gezeigt. Es muß endlich einmal ein Schlußpunkt hinter dieses Tauziehen gesetzt werden.“

Das leuchtete allen an Bord ein. Die ganze Crew war einstimmig dafür, daß den unablässigen Verfolgungsjagden und Angriffen der polnischen Soldaten endgültig Einhalt geboten wurde.

Der Profos schob das gewaltige Rammkinn vor, zupfte sich am ersten Haarflaum, der auf seiner bislang so kahlen Schädeldecke sproß, und wandte den grimmigen Blick südwärts.

„Vier Galeeren sind nicht eben wenig“, meinte er, „aber ich sehe trotzdem keinen Grund, aus dem wir vor diesen plattfüßigen Wasserspinnen kneifen sollten. Gerade nach einer so kräftigen Erbsensuppe können wir alle etwas Bewegung brauchen.“

Während Arne von Manteuffel auf die „Wappen von Kolberg“ überwechselte, wurde die Gefechtsbereitschaft der „Isabella“ überprüft. Aber da gab es nur wenig zu ergänzen, man hatte sich auf dem Schiff der Seewölfe in den letzten Tagen daran gewöhnt, ständig auf der Hut zu sein. Außerdem hatte man die bestehende Gefechtsbereitschaft nach dem Abzug der Polen drüben am Strand nicht völlig aufgehoben.

Will Thorne blieb im Großmars und erhielt Unterstützung durch Bill. Beide schauten sich fast die Augen aus dem Kopf, um die Crew ständig mit neuen Meldungen versorgen zu können.

Die Zwillinge sorgten in Windeseile dafür, daß an allen Stellen, wo es nötig war, Sand ausgestreut wurde, um den Füßen der Männer bei einem Kampf festeren Halt zu vermitteln. Anschließend halfen sie dem Kutscher und Mac dabei, die Kupferbekken mit den glühenden Holzkohlen aus der Kombüse zu holen, wohin man sie vor dem Backen und Banken zurückgebracht hatte. Sie wurden rasch auf alle Geschütze verteilt.

Edwin Carberry und Old O’Flynn gingen an den achteren Drehbassen auf Station, während sich Gary Andrews und Dan O’Flynn zum gleichen Zweck auf die Back begaben.

Pete Ballie stand bereits am Ruder und Al Conroy überwachte die erneute Ausgabe der Pistolen, Musketen, Tromblons und Flaschenbomben. Gleichzeitig achtete er darauf, daß die Stückpforten geöffnet und die schweren Geschütze ausgerannt wurden.

Das alles ging reibungslos und äußerst schnell vor sich, denn die Seewölfe waren eine perfekt aufeinander eingespielte Crew, die sich auch durch eine Übermacht nicht aus dem Gleichgewicht bringen ließ.

Auch drüben auf der „Wappen von Kolberg“ hatte man sich auf den ungebetenen „Besuch“ eingestellt. Arne und seine Mannen signalisierten ihre Gefechtsbereitschaft.

Dann gingen beide Galeonen ankerauf und liefen etwas von der samländischen Küste ab, um die Luvposition zu gewinnen.

Die vier polnischen Galeeren hielten in unmißverständlicher Absicht auf die beiden Segler zu. Es gab nicht den geringsten Zweifel daran, daß sie ohne Umschweife angreifen würden. Während sich eine etwas größere Galeere, offenbar das Flaggschiff, nach vorn schob, bildeten die anderen eine breite Linie.

„Die tun ja gerade so, als bräuchten sie nur einen Dweil zu nehmen, um uns von der Wasseroberfläche wegzuwischen“, sagte Ben Brighton, der an seinem Spektiv drehte.

Der Seewolf lächelte.

„Es sieht tatsächlich nicht danach aus, als ob sie uns anpreien und zur Kapitulation auffordern wollten. Im Viererverband fühlen sie sich offenbar stark genug, um uns zu den Fischen schicken zu können.“

In der Tat boten die vier Galeeren ein groteskes Bild, zumal sie nicht nur durch die rhythmischen Riemenschläge der Ruderknechte vorangetrieben wurden, sondern auch unter Segeln standen. Das Flaggschiff hob sich deutlich von den anderen ab. Die Seewölfe schätzten das Schiff auf eine Länge von 30 bis 35 Yards. Auf dem schlanken Schiffskörper lagen große, rechteckige Holzaufbauten, die als Aus- und Auflieger für die Riemen der Ruderer dienten. Vorn lief der Schiffskörper in einen langen Oberwasser-Sporn aus, der einerseits als Rammwaffe, andererseits aber auch als Enter- und Landebrücke diente. Außerdem konnte er bei der Segelbedienung benutzt werden. Auf dem Vorderteil des Gerüstes befand sich ein Backaufbau, von dem aus man das Segel des Fockmastes bedienen konnte. Am Heck befand sich eine Hütte für die Schiffsführung.

Auch die Armierung des Flaggschiffes war etwas besser als bei den anderen Galeeren. Außer den Bug- und Heckgeschützen waren auf beiden Seiten mittschiffs unter der Back sechspfündige Minions zu erkennen.

„Wir werden uns zunächst um das Flaggschiff kümmern müssen“, sagte Hasard. „Es ist den anderen ein beträchtliches Stück vorausgeeilt, aber Vorwitz hat sich noch nie ausgezahlt. Später werden wir versuchen, in eine Lücke einzubrechen, denn die drei anderen haben ihre Linie ziemlich weit auseinandergezogen.“

Die letzten Worte des Seewolfs gingen im Krachen eines Kanonenschusses unter. Aus einem Buggeschütz der großen Galeere leckte eine Feuerzunge hervor, und die ausgestoßene Kugel klatschte Sekunden später etwa eine Kabellänge von der „Isabella“ entfernt ins Wasser.

„Das war wohl die offizielle Kriegserklärung“, sagte Ben Brighton, „denn noch liegen sie außerhalb jeder Schußweite.“

„Pah, Angabe war das, nichts als Angabe!“ rief Edwin Carberry, der an einer Heckdrehbasse auf Station war. „Die wollen uns imponieren und spielen sich deshalb auf wie ein Sack voller Flöhe! Wenn ihnen erst unsere harten Nüsse um die Ohren fliegen, kneifen sie schnell den Hintern zu!“

Das Flaggschiff, auf dem sich nach Schätzung des Seewolfs einschließlich der Ruderknechte mindestens sechzig bis siebzig Mann befanden, schien sich als erstes die „Isabella“ ausgesucht zu haben, weil von der großen Galeone die Hauptgefahr ausging.

„Wir fallen nach Backbord ab und gehen auf Gegenkurs“, entschied Hasard und gab dem Rudergänger, Pete Ballie, eine entsprechende Anweisung. „Wenn wir auf gleicher Höhe mit der Galeere sind“, fuhr er fort, „begrüßen wir sie mit einer Breitseite, daß sie die Englein singen hören.“

Während man auf dem Flaggschiff der Polen die Segel einholte, um die Manövrierfähigkeit zu verbessern, fiel Pete Ballie hart nach Backbord ab, und die „Isabella“ lief über Backbordbug liegend auf Gegenkurs.

Die Polen jedoch schienen die Absicht der Engländer erraten zu haben, denn sie korrigierten, so schnell es nur ging, ebenfalls den Kurs und liefen schräg von vorn auf die Steuerbordseite der Galeone zu. Der gewaltige Rammsporn war wie ein riesiger Zeigefinger auf die „Isabella“ gerichtet.

„Die wollen uns ihren Piekser in den Bauch jagen“, sagte Ben Brighton.

„Das werden wir eben verhindern müssen“, erwiderte Hasard. Seine Wangenmuskeln zuckten, was bei ihm auf äußerste Konzentration und Entschlossenheit hindeutete.

Der Abstand zwischen den feindlichen Linien verringerte sich rasch. Jetzt waren bereits das Stimmengewirr, die gebrüllten Kommandos, die Drohungen und Verwünschungen zu hören, mit denen sich die Polen auf das Gefecht vorbereiteten. Hastig eilten Männer der Besatzung und Seesoldaten auf den Decks hin und her, um die Befehle des Kommandanten auszuführen.

Da plötzlich donnerte erneut ein Buggeschütz der Galeere los. Diesmal plumpste die Kugel nur noch höchstens dreißig Yards vor dem Bug der „Isabella“ ins Wasser und ließ eine Wassersäule aufsteigen, die sich spaltete und dann wieder in sich zusammenfiel. Auch eine Salve von Musketenschüssen krachte.

Die Seewölfe konnten jedoch ihre Culverinen noch nicht einsetzen, denn die Galeere befand sich nicht in deren Schußwinkel. Also mußte man ihnen zunächst mit anderen Mitteln beikommen.

„Dan!“ rief der Seewolf. „Gib den Burschen Zunder und halte auf den Bug!“

„Aye, aye, Sir!“ rief Dan O’Flynn zurück, der vorn an der Steuerbord-Drehbasse auf Station war. Gleich darauf senkte er die Lunte nieder.

Einen Lidschlag später stieß das schwenkbare Geschütz wummernd und fauchend seine Ladung aus. Dan hatte sein Möglichstes getan, um die Reichweite zu erhöhen, und siehe da, es klappte.

Die Ladung, die aus gehacktem Eisen und Blei bestand, prasselte der Galeere voll ins Vorschiff. Berstendes Holz und laute Schreie bestätigten den Treffer. Von den Soldaten, die das Buggeschütz hatten nachladen wollen, war plötzlich nichts mehr zu sehen. Einer von ihnen wälzte sich auf den Planken.

Für die Seewölfe war dieser Treffer das Startsignal. Ein lautes „Arwe-nack!“ tönte aus rauhen Männerkehlen, und das war die Kampferklärung der Männer von der „Isabella“. Das Tor, das dieser uralte Schlachtruf aufstieß, war das Tor zur Hölle, wie sich das noch innerhalb der nächsten knappen Stunde erweisen sollte.

„Diese Wasserspinne ist verdammt schnell!“ brüllte Carberry. „Wenn die ihren Kurs nicht ändert, tut sie mit ihrem Rammsporn unserer Lady glatt Gewalt an!“

„Laß sie ruhig näher ran, Ed!“ rief Hasard. „Wenn sie unserer Steuerbordseite den Bug zudreht, bietet sie uns zwar eine kleinere Angriffsfläche, aber wir können ihr dennoch ganz ordentlich einheizen.“

Der Seewolf warf einen Blick zur „Wappen von Kolberg“, gleich darauf huschte ein Grinsen über sein Gesicht, seine eisblauen Augen blitzten.

Ben, Ed und die anderen Männer auf dem Achterdeck folgten seinem Blick, da sahen auch sie, was geschah.

Arne von Manteuffel hatte das Vorhaben seines Vetters rechtzeitig erkannt. Deshalb hatte auch er abdrehen lassen und ging nun ebenfalls auf Gegenkurs zu dem Flaggschiff.

Die „Wappen von Kolberg“ lag nahezu auf gleicher Höhe mit der „Isabella“, und bereits in wenigen Augenblicken würde die Galeere genau zwischen den beiden Seglern stehen. Man konnte sie dann von zwei Seiten aus in die Mangel nehmen, und die Polen mußten sich entscheiden, auf welches Schiff sie sich mit ihrem Rammsporn konzentrieren wollten. Wahrscheinlich würden sie weiter auf die „Isabella“ zuhalten, doch in diesem Falle hatten sie die „Wappen von Kolberg“ im Rücken.

Jetzt krachte auf Arnes Galeone ein Drehbassenschuß, der dem Flaggschiff der Polen riesige Holzstücke aus dem Backaufbau fetzte. Der Galeeren-Kommandant ließ mit Musketenfeuer antworten und wenig später krachte das Minion auf der Steuerbordseite.

Die sechspfündige Kugel orgelte jedoch knapp am Bug der „Wappen“ vorbei, weil der Schußwinkel sehr ungünstig lag.

Der Kommandant brüllte mit wütender Stimme weitere Befehle, die jedoch das Durcheinander an Bord der Galeere nur noch verstärkten. Offenbar hatte man erkannt, daß es ein Fehler gewesen war, den anderen Galeeren zu weit vorauszueilen. Doch es blieb den Polen nicht die Zeit, über diese Fehlentscheidung lange nachzudenken. Die beiden Segler befanden sich jetzt auf gleicher Höhe, und die Galeere lag schräg dazwischen.

Die Besatzung des Flaggschiffs erkannte die Gefahr und begann aus allen Rohren zu feuern, aber sie wurde durch das Drehbassen-, Musketen- und Tromblonfeuer der beiden Galeonen in ihre Grenzen verwiesen.

„Sir?“ rief Ferris Tucker, der an seiner Schleudervorrichtung wartete.

Hasard nickte. „Gib ihnen eine Flasche Brandy, Ferris!“

Sekunden später flog die Flasche in hohem Bogen durch die Luft und senkte sich auf die Bugpartie der Galeere nieder. Die ohrenbetäubende Explosion, die dann alle anderen Geräusche übertönte, löste bei den Polen Wuhling aus. Kein Wunder, denn es flogen ihnen buchstäblich die Fetzen um die Ohren. Der gefährliche Rammsporn war plötzlich verschwunden, und von dem gesamten Backaufbau waren nur noch Bruchstücke zu erkennen.

Die Galeere geriet augenblicklich aus dem Kurs, denn die Ruderknechte dachten nicht mehr daran, als Kugelfang zu dienen. Sie ließen die Riemen fahren und versuchten, in Dekkung zu gehen.

„Und jetzt geben wir ihnen den Rest!“ befahl der Seewolf. „Paßt auf, daß die Schüsse nicht zu hoch liegen, sonst blasen wir am Ende noch Arne einige Pfunde Eisen zwischen die Rippen. Steuerbordseite Kuhl – Feuer!“

Sofort senkten die Männer an den vier 25pfündern die Zündschnüre auf die Bodenstücke der Geschütze, dann drückten sie die Luntenstöcke fest auf die Öffnungen der Zündkanäle. Mit einem gewaltigen Fauchen rasten die Kugeln aus den Rohren, die Kanonen rollten in den Holzlafetten zurück und wurden von den Brooktauen abgebremst.

Das Inferno ließ das ganze Schiff erzittern. Dunkler, fetter Qualm stieg auf, während die Kugeln über die See orgelten und wie Blitzschläge in die Galeere hieben.

Kaum war der Donner verstummt, mischte sich die „Wappen von Kolberg“ ein. Die Mündungsflammen ihrer Backbordgeschütze stachen grell aus den Rohren und jagten ihre Kugeln von der anderen Seite her in den Leib der Galeere.

Das höllische Bersten und Krachen dauerte nur einen Augenblick. Das Flaggschiff war buchstäblich in Stücke gerissen worden. Trümmer flogen durch die Luft, Masten splitterten und stürzten ins Wasser, Planken wirbelten durch die Gegend. Das Gebrüll der Besatzung verriet totale Panik. Wer noch konnte, sprang über Bord, um wie vom Teufel gejagt davonzuschwimmen. Niemand wollte von dem sinkenden Wrack in die Tiefe gerissen werden.

„Die haben ihr Fett!“ stellte der Profos überflüssigerweise fest. „Sie wollten es ja nicht anders haben.“

Inzwischen waren die drei anderen Galeeren ziemlich nahe heran und begannen, aus ihren Buggeschützen zu feuern. Eine Kugel raste gefährlich dicht über die Galion der „Isabella“ weg und schlug in die sinkenden Trümmer des ehemaligen Flaggschiffs. Ein weiteres Geschoß streifte die Querbalustrade, die die Back zur Galion hin abgrenzte.

Dan und Gary, die sich wegen der Drehbassen in unmittelbarer Nähe befanden, kriegten einige Splitter um die Ohren. Aber sie hatten Glück, die Sache war mit einigen Kratzern abgetan. Auch am Schiff entstand kein größerer Schaden.

Die Galeeren griffen mit dem Mut der Verzweiflung an, denn für einen Rückzug war es jetzt zu spät. Außerdem fühlten sie sich ja immer noch in der Überzahl – trotz der Vernichtung ihres Flaggschiffs.

„Die Lücken sind noch immer groß genug!“ rief der Seewolf. „Los, wir segeln hinein, und dann feuern wir aus allen Knopflöchern!“

Rasch winkte Hasard zu Arne hinüber. Seine Geste wurde sofort beantwortet. Beide Galeonen liefen direkt auf die Linie der herankrebsenden Galeeren zu, auf denen man in Windeseile die Segel barg.

Die Kommandanten der polnischen Schiffe durchschauten die Absicht der Galeonen-Kapitäne und versuchten eilig, ihren Kurs zu ändern. Aber es war bereits zu spät dazu, die beiden Schiffe auf die „Hörner“ zu nehmen. Die Polen hatten, wie der Seewolf schon einmal festgestellt hatte, ihre Linie zu weit ineinandergezogen.

Bevor die Galeeren mit ihren Rammsporen irgendwelchen Schaden anrichten konnten, befanden sich die Galeonen auf gleicher Höhe mit ihnen.

Das Donnern der Drehbassen, Musketen und Tromblons, die auch auf der „Isabella“ und der „Wappen von Kolberg“ voll im Einsatz waren, rollte wie ein Gewitter über die Wasserfläche.

Dann schien sich urplötzlich erneut der Schlund der Hölle zu öffnen und alles an Feuer, Tod und Verwüstung auszuspeien, was in ihm war.

Auf beiden Seiten der „Isabella“ brüllten je drei 17pfünder des Vordecks und vier 25pfünder der Kuhl auf. Von Steuerbord und Backbord aus rasten je sieben schwere Kanonenkugeln fauchend und zischend auf die Galeeren zu und verwandelten sie in Wracks. Dabei hatte die „Isabella“ ihre Culverinen oberhalb und unterhalb des Quarterdecks noch gar nicht zum Einsatz gebracht. Wie es schien, war dies auch nicht mehr nötig, denn das Schiff der Seewölfe hatte sich auch mit einem Teil seiner Stücke schon in eine feuerspeiende Festung verwandelt.

Auf der „Wappen von Kolberg“ wummerten die Culverinen ebenfalls. Die Galeone hatte sich zur selben Zeit wie die „Isabella“ in die feindliche Linie geschoben.

Naturgemäß erwischte es die mittlere der drei Galeeren am härtesten, da sie je eine Breitseite von beiden Galeonen empfing. Die Treffer hieben sie in Stükke, der Besatzung blieb nur noch der Sprung über Bord.

Von den beiden letzten polnischen Schiffen stand eins in Flammen und sackte über das Heck weg, das andere krängte durch die Einschläge unterhalb der Wasserlinie so stark nach Steuerbord, daß sein Sinken nur eine Zeitfrage war.