Kitabı oku: «Seewölfe Paket 17», sayfa 5

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7.

Die Morgensonne schob sich höher an den Himmel. Ihr Licht, das sich in den vergangenen Wochen als winterlich kraftlos erwiesen hatte, wurde von Tag zu Tag durchdringender und ließ erkennen, daß auch an der deutschen Ostseeküste der Frühling bereits Einzug gehalten hatte.

Den Seewölfen, die das rauhe Klima der Ostseeländer mehr als einmal verwünscht hatten, war das nur recht, denn die Verbesserung der Witterungsverhältnisse konnten der Ausführung ihres Auftrages nur förderlich sein. Schließlich mußten sie mit Ergebnissen aufwarten können, wenn sie nach England zurückkehrten. Teilweise war es ihnen auch schon gelungen, der königlichen Order gemäß neue Handelsbeziehungen mit den Ostseeanliegern anzuknüpfen – unter Ausschluß der Hanse, versteht sich, wie Elisabeth I. das gewünscht hatte.

Dennoch hatten Philip Hasard Killigrew und seine Männer auch in diesem Teil der Erde die Erfahrung gesammelt, daß jeder Weg, ob zu Land oder zur See, seine Hindernisse aufzuweisen hat.

Auch die Ereignisse dieses frühen Morgens bestätigten die bisherigen Erfahrungen der Seewölfe. Und sie würden sich noch zuspitzen, das war jetzt schon abzusehen.

Kaum hatten die spöttischen Bemerkungen Arne von Manteuffels den polnischen Offizier wutentbrannt verschwinden lassen, tauchte der Kutscher aus dem Krankenraum auf und eilte zu Hasard.

„Unser Gast ist bei Besinnung“, meldete er nicht ohne Stolz, denn schließlich hatten er und Mac Pellew sich entsprechend um den Fremden gekümmert.

„Wie steht es um ihn?“ fragte der Seewolf.

„Er wird es überstehen“, antwortete der Kutscher. „Die Schädelverletzungen sind nicht so schlimm, wie sie zunächst ausgesehen haben. Aber er wird trotzdem eine Weile daran zu knacken haben.“

„Ist er ansprechbar?“

Der Kutscher nickte. „Er scheint ein ziemlich zäher Brocken zu sein.“

Hasard und Arne begleiteten den Kutscher zum Krankenraum, der sich unter der Back, gleich neben der Kombüse, befand. Nils Larsen folgte ihnen als Dolmetscher.

Der Seewolf war im stillen froh darüber, Nils und Stenmark an Bord zu haben. Beide, der Däne und der Schwede, hatten als Dolmetscher wertvolle Dienste geleistet. Ohne Nils Larsen zum Beispiel würde selbst zwischen ihm und seinem Vetter Arne eine nur schwer überwindbare Sprachbarriere bestehen. Doch mit Nils’ Hilfe, der auch die deutsche Sprache beherrschte, gab es keine Verständigungsprobleme.

Arne und Hasard waren überrascht, als sie den Mann erblickten. Jetzt, nachdem der Kutscher und Mac ihm das Blut vom Gesicht gewachen hatten, sah er weit weniger hilfsbedürftig aus als drüben am Strand. Seine Züge ließen sich etwas genauer studieren.

Der Fremde hatte ein kantiges, offenes Gesicht, das jetzt etwas fahl wirkte. Seine Augen tasteten sich über die Gestalten der Männer, die vor seiner Koje standen.

Als sein Blick auf Arne fiel, huschte ein überraschter Ausdruck über sein Gesicht. Reflexartig versuchte er, den Kopf etwas anzuheben, ließ ihn aber mit einem Aufstöhnen zurücksinken.

„Wir kennen uns flüchtig, nicht wahr?“ fragte Arne in seiner Muttersprache.

Der Fremde verzog den Mund zu einem Lächeln.

„Ja, ich habe Sie schon einmal gesehen. Es war in Pillau und ist vielleicht ein Jahr her.“ Seine Stimme klang noch etwas schwach. „Ich bin sehr froh darüber“, fuhr er fort, „daß Sie mich am Strand gefunden haben. Als ich zu mir kam, glaubte ich zunächst, ich sei auf einem polnischen Schiff gelandet. Ich muß mich bei Ihnen für die Hilfe bedanken, Ihre Männer haben sich sehr um mich bemüht.“

Arne lächelte.

„In erster Linie haben Sie nicht mir zu danken, sondern meinem Vetter aus England.“ Er deutete auf den Seewolf. „Er heißt Philip Hasard Killigrew, und seine Leute waren es, die Sie am Strand entdeckt haben. Außerdem befinden Sie sich auf seinem Schiff. Ich selber heiße Arne von Manteuffel und stamme aus Kolberg.“

Die Blicke des Mannes wanderten zu Hasard.

„Ich weiß gar nicht, wie ich mich bei Ihnen bedanken kann“, sagte er dann, während Nils Larsen übersetzte. „Mein Name ist Fritz Strakuweit. Ich lebe als Fischer in Palmnicken, das ist nicht weit von hier.“

„Unsere Hilfe war selbstverständlich“, sagte Hasard lächelnd. „Darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen, und schuldig sind Sie uns dafür auch nichts. Sie haben großes Glück gehabt, daß mein Ausguck Sie gesehen hat, sonst wäre die Sache wohl übel für Sie ausgegangen.“

„Das kann man mit Gewißheit sagen“, erwiderte Fritz Strakuweit mit ernstem Gesicht. „Die Kerle, die mich überfallen haben, hielten mich wahrscheinlich für tot, sonst hätten sie bestimmt noch etwas nachgeholfen.“

„Wenn Sie das Sprechen nicht zu sehr anstrengt, würden wir gerne erfahren, was eigentlich geschehen ist“, sagte Hasard. „Wer hat Sie denn so übel zugerichtet?“

„Drei polnische Soldaten“, antwortete Strakuweit. „Sie hatten es auf mein Bernstein abgesehen. Zuerst dachte ich, sie wollten mich verhaften und vor das Gericht in Fischhausen bringen, dann aber merkte ich, daß sie sich nur persönlich bereichern wollten.“

Der Fischer aus Palmnicken gab einen umfassenden Bericht von dem, was sich im ersten Morgengrauen drüben am Strand zugetragen hatte. Seine Ausführungen stimmten mit dem überein, was Arne bereits über das sogenannte Bernsteinregal des polnischen Königs Sigismund III. erzählt hatte.

„Drüben am Strand befinden sich ungefähr sechzig polnische Soldaten, die eine Schar Einheimischer zum Bernsteinsammeln zwingen“, sagte Hasard. „Würden Sie die drei Kerle, sofern sie dabei sind, wiedererkennen?“

„Mit Sicherheit“, erwiderte Strakuweit. „Ich werde die Visagen dieser Halunken mein Lebtag lang nicht mehr vergessen. Ich hatte ja Zeit genug, mir ihr Aussehen einzuprägen.“

„Sehr gut“, sagte Hasard, „dann wollen wir uns die Burschen mal etwas näher betrachten. Können Sie es verkraften, wenn wir Sie kurz hinaus auf die Kuhl bringen?“

„Ich denke schon“, sagte Strakuweit.

Die Männer hoben den Verletzten vorsichtig in einen bequemen Lehnstuhl, nachdem sie ihn in eine warme Decke gepackt hatten. Dann trugen sie ihn samt Stuhl nach draußen. Hasard drückte ihm ein Spektiv in die Hand, mit dem er eifrig den Strand absuchte.

Edwin Carberry konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er das merkwürdige Bild sah. Seiner Meinung nach glich der deutsche Bernsteinsammler, der mit seinem Kopfverband und der Decke um den Leib auf einem Lehnstuhl saß, einem orientalischen Scheich, der mit Turban und Gewand auf seinem Thron hockt und mit dem Kieker Ausschau nach seinen Haremsdamen hält.

Das Treiben am Strand war noch immer in vollem Gange. Die Männer, Frauen und Kinder durchstöberten den angeschwemmten Tang nach Bernstein, und wenn sie es nicht eifrig genug taten, wurden sie von den Soldaten roh angetrieben.

Einige Minuten schwieg Fritz Strakuweit. Dann aber platzte es plötzlich aus ihm heraus: „Da sind sie, ja, zum Teufel, sie sind dabei!“ Er beschrieb die drei Soldaten dem Seewolf, der nun ebenfalls durch ein Spektiv blickte.

Hasard erkannte die Kerle aufgrund der exakten Beschreibung sofort. Sie hatten sich zwar von den anderen Soldaten nicht abgesondert, waren aber zusammengeblieben.

„Na, sehr vertrauenserweckend sehen die auch nicht aus“, stellte er fest. „Daß Sie gegen diese drei Burschen, die zudem noch bewaffnet waren, keine Chance hatten, leuchtet mir ein.“

Der Seewolf prägte sich die Visagen der drei Bernsteinräuber gut ein. Ebenso eine Reihe von anderen Erkennungsmerkmalen. Der eine hielt sich etwas krumm, der zweite hatte eine Messernarbe über der linken Wange, die weithin sichtbar war, und der dritte, ein hagerer Bursche, hatte deutliche Säbelbeine.

„Jetzt haben wir Sie lange genug strapaziert“, sagte Hasard zu Fritz Strakuweit. „Am besten, Sie sehen zu, daß Sie im Krankenraum wieder zu Kräften kommen. Während sich unsere Feldschere um Sie kümmern, werden wir den drei Gentlemen da drüben einen netten guten Morgen wünschen.“

„Ich möchte aber nicht, daß Sie wegen mir in Schwierigkeiten geraten“, sagte Strakuweit. „Ich lebe auch ohne den Sack mit Bernstein, den man mir geraubt hat. Hauptsache, ich bin mit einigermaßen heiler Haut davongekommen. Von mir aus lassen Sie es gutsein, Mister Killigrew. Ich kann notfalls auf eine Vergeltung verzichten. Bis jetzt habe ich Sie ohnehin schon lange genug aufgehalten, und weitere Unannehmlichkeiten möchte ich Ihnen gern ersparen. Bedenken Sie, daß sich fast sechzig Soldaten da drüben befinden!“

„Darüber bereiten Sie sich mal keine Gedanken“, sagte Hasard. „Wir sind vorsichtig, außerdem wissen wir, wie man mit Schnapphähnen umzugehen hat. Schließlich muß auch verhindert werden, daß sich gemeine Raubüberfälle dieser Art wiederholen.“

Fritz Strakuweit wurde wieder in die Krankenkammer der „Isabella“ zurückgebracht, wo Mac Pellew mit einer dampfenden Kumme und einer Muck Rum auf ihn wartete.

Der Seewolf und Arne stiegen zusammen mit Nils Larsen, Batuti, Edwin Carberry, Stenmark sowie mit Jeff Bowie und Ferris Tucker in die Jolle und pullten zum Strand hinüber.

8.

Obwohl Hasard angesichts der Übermacht polnischer Soldaten entschlossen war, die Angelegenheit mit „Köpfchen“ zu erledigen, hatte er doch eine ausreichende Bewaffnung der kleinen Jollen-Crew angeordnet. Niemand konnte absehen, ob sich der eine Offizier, der jetzt noch die Soldaten befehligte, so leicht überlisten ließ.

Außerdem hatte der Seewolf noch vor Verlassen der „Isabella“ befohlen, scharf nach Süden Ausguck zu halten und ihn sofort zu alarmieren, falls etwas gesichtet wurde. Er war sich nach wie vor darüber im klaren, daß das plötzliche Verschwinden des anderen Offiziers einen Grund haben mußte. Der Kerl war mit Sicherheit nicht wie der Teufel in südlicher Richtung davongeritten, um sich aus Wut irgendwo zu verstecken.

So waren Hasard und seine Mannen, die nun die Jolle an Land zogen, auf alle Eventualitäten eingestellt.

In der Tat sah es zunächst nicht danach aus, als wollten ihnen die Polen einen herzlichen Empfang bereiten. Die kleine Gruppe wurde sofort von einer Anzahl Soldaten umringt, die drohend ihre Musketen auf sie richteten.

Doch die Seewölfe ließen sich davon nicht beeindrucken und setzten auf das Geheiß Hasards hin freundliche Gesichter auf. Sogar Edwin Carberry brachte ein solches zustande, auch wenn es bei ihm wie ein herausforderndes Grinsen wirkte.

Die Fremden wurden mit mißtrauischen Blicken abgetastet. Hasard gab sich jedoch unbefangen, als er zusammen mit Arne, den er wegen seiner polnischen Sprachkenntnisse als Dolmetscher brauchte, auf den Offizier zutrat.

Bei diesem handelte es sich um einen ziemlich jungen Burschen, dem man deutlich anmerkte, daß er nicht so richtig wußte, wie er die fremden Männer einschätzen sollte. Da diese jedoch nur in kleiner Anzahl an Land gegangen waren und sich freundlich und friedlich verhielten, schob er seine anfänglichen Befürchtungen beiseite. Trotzdem wußte er, daß der kleine Trupp gar nicht so hilflos war, wie es den Anschein hatte. Wenn es Ärger gab, würden die beiden Galeonen höchstwahrscheinlich den Strand unter Beschuß nehmen. Also hielt er es für angebracht, ebenfalls friedlich und freundlich aufzutreten.

„Wer sind Sie, und was suchen Sie hier?“ fragte er.

„Wir sind friedliche Handelsfahrer“, ließ Hasard durch Arne antworten. „Aber wir betrachten es als unsere Pflicht, Sie auf eine Sache hinzuweisen, um die Sie sich als Kommandant dieser Soldaten unbedingt kümmern sollten.“

„Ich verstehe nicht, was Sie damit meinen“, sagte der Offizier erstaunt.

Hasard lächelte.

„Im Gegensatz zu Ihrem Kollegen kann man mit Ihnen vernünftig reden“, fuhr er fort. „Ich habe nämlich Beweise dafür, daß sich drei der hier anwesenden Soldaten in den ersten Morgenstunden an dem Bernstein bereichert haben, den der Sturm hier angeschwemmt hat. Das dürfte doch wohl nicht im Sinne Seiner Majestät, des polnischen Königs sein.“

Der Offizier rutschte erregt aus dem Sattel.

„Was sagen Sie da? Das ist eine ungeheuerliche Anschuldigung, und ich hoffe sehr, daß Sie dafür wirklich stichhaltige Beweise erbringen können.“

„Das kann ich“, sagte Hasard mit fester Stimme. Er trat, ohne zu zögern, einige Schritte zur Seite und deutete auf die drei Soldaten, die ihm Fritz Strakuweit als Täter bezeichnet hatte. „Diese drei Männer“, sagte er, „sollten Sie einmal durchsuchen lassen. Finden Sie nicht auch, daß ihre Taschen ziemlich ausgebeult sind?“

Die drei Kerle wurden blaß, während der Offizier sie mit durchdringenden Blicken musterte.

Edwin Carberry konnte eine liebenswürdige Bemerkung nicht länger unterdrücken.

„Jetzt sehen die Rübenschweine aus wie Braunbier mit Spucke“, sagte er. Und damit hatte er nicht einmal unrecht.

Der Hagere mit den Säbelbeinen fand als erster die Sprache wieder. Seine Blicke hetzten zwischen Hasard und dem Offizier hin und her.

„Das ist eine hundsgemeine Lüge!“ schrie er plötzlich los.

„Jawohl“, bestätigte sein Kumpan mit der Messernarbe. „Dieser Mann schadet durch seine Verleumdungen dem Ansehen des polnischen Heeres!“

„Warum diese Aufregung, wenn Sie wirklich nichts zu verbergen haben?“ fragte der Seewolf spitz.

„So ist es“, bestätigte der Offizier, dann schnarrte er einige Befehle.

Augenblicklich sprangen je vier Soldaten auf jeden Kerl des Räuber-Trios zu. Man entwaffnete sie und riß ihnen die Arme auf den Rükken.

Dann begann die Durchsuchung.

Dem jungen Offizier fielen nahezu die Augen aus dem Kopf, als er sah, welche Mengen von Bernstein da zutage befördert wurden. Selbst durch die Reihen der Soldaten und der Einheimischen, die jetzt eine Zwangspause eingelegt hatten, ging ein erstauntes Raunen und Murmeln.

Trotz der offensichtlichen Beweise begannen die drei Kerle zu zetern und zu fluchen. Sie überhäuften Hasard und seine Männer mit den unflätigsten Drohungen und Verwünschungen. Aber das alles nutzte ihnen nichts. Das, was da aus ihren prallgefüllten Taschen hervorgeholt wurde, füllte ohne weiteres einen ganzen Sack.

Die Bernsteindiebe wurden sofort gefesselt. Selbst die Füße band man ihnen zusammen, und zwar so, daß sie noch kleine Schritte tun, nicht aber davonlaufen konnten. Ihre lauten Proteste und die Behauptungen, alles erklären zu können, beachtete niemand. Ihr Wutgeschrei erhielt schon sehr rasch einen gehörigen Dämpfer, als der Offizier – nun selber blaß vor Wut –, einen bulligen Soldaten herbeiwinkte, der noch vor wenigen Minuten die Bernsteinsammler mit seiner Peitsche angetrieben hatte.

„Diese Männer haben gegen das Gesetz unseres Königs verstoßen!“ brüllte der Offizier. „Sie werden deshalb ihrer angemessenen Bestrafung nicht entgehen. Vorab aber ist es nötig, sie zur Räson zu bringen. Sergeant, verabreichen Sie jedem dieser Verbrecher auf der Stelle zwölf Peitschenhiebe!“

Der bullige Kerl ließ sich das nicht zweimal sagen. Als ersten knöpfte er sich den Burschen mit der Messernarbe vor. Nachdem er ihm die Uniformjacke und das Hemd vom Leib gerissen hatte, schlug er erbarmungslos zu.

In Sekundenschnelle waren Rükken und Brust des Bernsteinräubers mit blutigen Striemen übersät. Sein anfängliches Geschrei ging bereits nach dem sechsten Hieb in ein Jammern und Winseln über, und nach dem zehnten Schlag brach er mit einem Stöhnen zusammen. Den Sergeanten, der offenbar so eine Art Profos war, rührte das nicht im geringsten. Er zählte laut bis zwölf und hieb zu, bis das Soll erfüllt war.

Bei den beiden anderen verlief die Bestrafung ähnlich. Der Hagere mit den Säbelbeinen fiel schon nach dem siebten Hieb um. Da er als letzter von dem Sergeant vorgenommen wurde, hatte er die Auspeitschung seiner beiden Kumpane mitansehen müssen, und allein das hatte ihm schon die Beine im voraus schlottern lassen.

An dem versteckten Mundzucken der Samländer konnte Hasard erkennen, daß es für sie eine äußerst erbauliche Sache war, einmal mitzuerleben, wie drei ihrer Quälgeister selbst ordentlich Dresche bezogen.

Edwin Carberry kleidete diese Tatsache in die passenden Worte.

„Ich habe den Eindruck, Sir“, sagte er, „daß die armen Leute hier das Ganze als Kuß auf den Bauchnabel empfinden!“

Und damit hatte der Profos der „Isabella“ den Nagel wieder einmal auf den Kopf getroffen.

Der Offizier sorgte dafür, daß sich die drei Ausgepeitschten schnell wieder aufrappelten. Das eiskalte Wasser der Ostsee vermochte in dieser Hinsicht wahre Wunder zu wirken.

Mit Gesichtern, die von Wut und Schmerz verzerrt waren, starrten die drei Kerle den Seewolf an.

„Das wirst du mir büßen, du Bastard!“ zischte der Hagere. „Ich schwöre es bei der heiligen Madonna!“

„Halt’ den Mund!“ herrschte ihn der Offizier an. „Halunken, die die Ehre des Königs beschmutzen, haben nichts zu schwören. Oder willst du noch mal die Peitsche schmecken?“

Nein, das wollte der Bernsteinräuber nicht. Deshalb beschränkte er sich zunächst auf ein wütendes Zähneknirschen.

Der Offizier wandte sich Hasard zu.

„Ich muß mich bei Ihnen bedanken“, sagte er. „Sie haben uns einen wertvollen Dienst erwiesen, denn diese drei Hunde hätten ihr schändliches Treiben mit Sicherheit bei nächster Gelegenheit fortgesetzt. Nur würde mich noch interessieren, wie Sie von dieser Sache erfahren haben.“

Hasard war um eine listige Antwort nicht verlegen.

„Oh“, sagte er, „das ist rasch erklärt. Wir sind wegen des Sturms in der vergangenen Nacht hier vor Anker gegangen. Dabei konnten wir am frühen Morgen beobachten, wie diese drei Soldaten Bernstein aufsammelten.“

„Das ist eine Lüge!“ schrie der Kerl mit der Messernarbe. „Wir haben hier einen dreckigen Fischer beim Bernsteinraub gestellt. Da er sich der Verhaftung widersetzte, mußten wir ihn totschlagen. Den geraubten Bernstein aber haben wir beschlagnahmt, um ihn heute abend auf der Kommandantur abzuliefern. So war das, und nicht anders! Dieser Mann hier ist ein infamer Lügner!“

Hasard schaute sich stirnrunzelnd um. Dann zuckte er mit den Schultern.

„Es tut mir leid“, sagte er, „aber ich kann hier beim besten Willen keinen totgeschlagenen Fischer entdecken. Ich sehe nur lebendige Menschen.“

„Und ein Toter kann ja wohl kaum noch weglaufen“, ergänzte Arne von Manteuffel. „Damit steht fest, daß dieser Halunke da lügt, um die Schuld von sich abzuwälzen.“

„Das ist ganz offensichtlich“, sagte der Offizier. „Sergeant, verpassen Sie diesem Gauner zwei weitere Hiebe, weil er einen ehrbaren Mann beleidigt hat!“

Die Peitsche des bulligen Soldaten zischte sofort durch die Luft und klatschte auf den Körper des Messernarbigen. Der jaulte laut auf. Und da seine beiden Kumpane angesichts des rigorosen Durchgreifens ihres Vorgesetzten laut Zeter und Mordio schrien, bediente sie der bullige Sergeant ebenfalls ein zweites Mal. Am Ende weilten alle drei im schmerzfreien Jenseits der Besinnungslosigkeit.

„Ich hoffe“, sagte der Offizier laut, „daß dies für alle eine Lehre ist. Die Hiebe, die diese Halunken empfangen haben, waren nur eine Vorabbestrafung. Was weiter mit ihnen geschieht, wird das Gericht entscheiden.“ Er warf dabei den übrigen Soldaten warnende Blicke zu. Offenbar wußte er sehr genau, welchen Reiz das sogenannte „Gold der Ostsee“ ausstrahlte.

Der Offizier, dem der hochgewachsene Fremde mit den eisblauen Augen stark imponiert hatte, bedankte sich ein weiteres Mal und versicherte, daß die Bernsteinräuber ihrer gerechten Bestrafung nicht entgehen würden.

Hasard verabschiedete sich, und wenig später wurde die Jolle zur „Isabella“ zurückgepullt.

9.

Kaum hatten die Männer die Decksplanken der „Isabella“ betreten, konnten sie das Lachen, das sie sich bis jetzt mühsam verbissen hatten, nicht mehr zurückhalten.

„Ich muß schon sagen, Sir“, erklärte der Profos prustend, „es war wirklich großartig, wie du die Kerle aufs Kreuz gelegt hast. Du hättest ein Gaukler oder Schauspieler werden können, jawohl!“

„Da hätte nicht mehr viel gefehlt, und der Offizier hätte dir zur Belohnung noch ein Trinkgeld in die Hand gedrückt“, sagte Ferris Tucker lachend.

Hasard winkte ab.

„Hört schon auf“, sagte er lächelnd. „Mir hat das gar nicht einen so großen Spaß bereitet, wie ihr vielleicht glaubt. Den Leuten solche Geschichten aufzutischen, das liegt mir nicht. Aber in diesem Falle blieb mir gar nichts anderes übrig. Es durfte niemand erfahren, was mit Fritz Strakuweit geschehen ist, sonst wäre er seines Lebens nicht mehr sicher. Also mußte ich dieses blödsinnige Theater spielen. Und – Hand aufs Herz –, die Senge, die die drei Strolche empfangen haben, hatten sie auch verdient! Schließlich haben wir nicht die Falschen in die Pfanne gehauen.“

„Die Sache war völlig in Ordnung“, pflichtete ihm Arne bei. „Wenn man bedenkt, daß es die ursprüngliche Absicht dieser Kerle war, Strakuweit zu ermorden, dann ist an diesem Mörderpack auch nichts verloren, wenn man ihnen die Hälse langzieht.“

In der Tat hatte der Seewolf ein sehr riskantes Unternehmen erfolgreich zu Ende gebracht. Ohne sich mit der polnischen Übermacht anlegen zu müssen, hatte er erreicht, daß die drei gefährlichen Spitzbuben zur Rechenschaft gezogen wurden. Dabei hatte niemand – am allerwenigsten der Offizier – eine Ahnung gehabt, mit wem er es in Wirklichkeit zu tun hatte.

Daß Sir Philip Hasard Killigrew, der von der englischen Königin zum Ritter geschlagen worden war, in deren Geheimauftrag fuhr, war den Polen voll und ganz verborgen geblieben. Ebenso wie die Tatsache, daß es sich bei diesem imponierenden Mann nicht um einen gewöhnlichen Handelsfahrer, sondern um einen der bekanntesten Korsaren der Weltmeere handelte, der sogar einen Kaperbrief Ihrer Majestät, Elisabeth I., besaß. Und das war auch gut so, denn der Seewolf wollte auf seinem ereignisreichen Ostseetörn nicht mehr Schwierigkeiten heraufbeschwören, als unbedingt notwendig Waren.

Einige Zeit später war die Schar der Bernsteinsammler und Soldaten ein ganzes Stück weiter nordwärts gezogen. Die drei Gefangenen hatte man über drei Pferde gebunden. Wie Edwin Carberry erklärte, würden sie unterwegs mindestens die Hälfte aller ihrer Sünden abbüßen.

Als sie außer Sicht waren, sagte der Seewolf zu Ben Brighton gewandt: „Wenn der Kutscher meint, daß es vertretbar sei, könnten wir Strakuweit jetzt an Land bringen. Von den Polen droht ihm keine Gefahr mehr, von den drei Gaunern schon gar nicht.“

Ben Brighton nickte.

„Das ist ein guter Vorschlag, zumal wir ja nicht ewig hier vor Anker bleiben können. Ich glaube bestimmt, daß der Samländer zäh genug ist, in seinen nahegelegenen Heimatort zurückzukehren.“ Lächelnd fügte er hinzu: „Kaum wart ihr an Land gegangen, hat er sich abermals vom Kutscher und Mac auf die Kuhl bringen lassen, um die Vorgänge durch ein Spektiv zu beobachten. Er ist gewiß kein rachelüsterner Mensch, aber dennoch hat er mit Genuß zugesehen, wie die drei Kerle ihre Senge bezogen haben.“

Hasard lachte.

„Na, dann wird er ja wohl zufrieden sein. Aber davon abgesehen – der Mann hat unverschämtes Glück gehabt. Wie sich drüben am Strand herausgestellt hat, hatten die Gauner die Absicht, ihn totzuschlagen. Hätten sie ihn nicht für tot gehalten, dann wäre er es jetzt bestimmt.“

Der Kutscher hatte keine großen Bedenken, als Hasard mit seinem Vorschlag aufwartete.

„Der Bursche hat einen enorm harten Schädel“, sagte er. „Wir haben seine Wunden noch einmal gut versorgt und ihm ordentlich was zwischen die Zähne gegeben. Er wird es schaffen, davon ist er selber überzeugt.“

Kurz bevor man Fritz Strakuweit in die Jolle verfrachtete, kehrte Arne von Manteuffel, der zwischenzeitlich zu seinem Schiff zurückgepullt worden war, auf die „Isabella“ zurück. Er schleppte einen prall gefüllten Sack mit sich.

„Der ist für Sie“, sagte er zu Strakuweit. „Es handelt sich zwar nicht um jene Bernsteinstücke, die Sie selber dort drüben aufgesammelt haben, aber sie sind bestimmt nicht weniger wertvoll.“

Fritz Strakuweit starrte ihn verblüfft an.

„Sie meinen – Sie schenken mir diese Steine?“

„So ist es“, erwiderte Arne. „Ich kenne die Küstenorte dieser Gegend und weiß, daß ihre Bewohner kaum überleben könnten, wenn sie nicht ab und zu einige dieser Steinchen aufsammeln und verkaufen würden.“

Arne hatte den Sack aus den Beständen des Tyndallschen Bernsteins gefüllt. Weder ihm noch Hasard würde der Verlust dieses einen Sackes wehtun, für Strakuweit aber würde er sehr viel bedeuten.

In den Augen des Samländers schimmerte es feucht. Verstohlen wischte er sich mit dem Handrücken über das Gesicht.

„Ich – ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen allen danken soll“, stammelte er mit gepreßter Stimme.

„Schon gut“, sagte der Seewolf. „Sehen Sie lieber zu, daß Sie ungefährdet mit dem Zeug nach Hause gelangen. Und sollten wir jemals mit blutigem Schädel dort drüben im Sand liegen, dann dürfen Sie sich gerne revanchieren.“

„Worauf Sie sich verlassen können“, sagte Strakuweit, dann schüttelte er eine ganze Reihe von Händen.

Glücklich und dankbar verließ er die „Isabella“. Ferris, Nils, Jan, Roger und Jack pullten ihn zum Strand und halfen ihm an Land. Er kannte hier Weg und Steg, deshalb war es kein besonders großes Problem für ihn, ungesehen nach Palmnicken zurückzukehren.

Die Sonne eilte ihrem höchsten Stand entgegen, die Mittagszeit war nicht mehr fern. So manch einer der Seewölfe wurde durch seinen knurrenden Magen daran erinnert, daß er heute noch nichts Vernünftiges zwischen die Zähne gekriegt hatte.

Der Seewolf beschloß deshalb in Abstimmung mit seinem Vetter Arne, noch bis nach dem Backen und Banken vor der samländischen Küste zu bleiben. Dann würde man auf den ursprünglichen Kurs gehen.

An Bord der „Isabella“ ging jeder seiner gewohnten Arbeit nach, während der Kutscher, Mac und die Zwillinge auf Hochtouren in der Kombüse werkten, um die zahlreichen Kummen und Mucks zu füllen.

Old Donegal Daniel O’Flynn lehnte an der Nagelbank des Steuerbord-Schanzkleides und kraulte Plymmie, der jungen Wolfshündin, die ihre Vorderpfoten gegen seinen Bauch gestemmt hatte, den Kopf. Dabei sah er Ferris Tucker zu, wie er an einem armlangen Holzstück herumschnitzte, das er für eine Verbesserung seiner Abschußvorrichtung für Flaschenbomben benötigte.

Von Zeit zu Zeit hob Old O’Flynn schnuppernd die Nase und leckte sich genießerisch über die Lippen.

„Bin mal gespannt, was es heute gibt“, sagte er. „Nach Räucherheringen riecht es jedenfalls nicht. Vielleicht haben unsere Töpferschwenker mal wieder eine ordentliche Erbsensuppe mit Speck auf dem Feuer. Ha, die könnte mich echt reizen!“

„Tu nicht so verfressen, Donegal“, sagte Ferris grinsend. „Zu viele Erbsen sind auch nicht gut, du weißt schon warum.“

„Bah“, erwiderte der Alte, „wenn wir mal in eine Kalme geraten, haben wir wenigstens etwas Wind in Reserve.“ Er drehte ab. um zur Kombüse zu marschieren. Man mußte ja, wenn es was gab, nicht immer der Letzte sein, nicht wahr?

Kaum war er einige Schritte von Ferris entfernt, ließ ihn ein lauter Fluch herumfahren.

Der Schiffszimmermann steckte sich gerade den blutenden Daumen in den Mund und zog dabei ein wütendes Gesicht.

„Was ist?“ fragte Old Donegal. „Hast du ihn mit dem Schnitzmesser ein Stück verkürzt?“

Ferris zog den Daumen heraus.

„Blödsinn!“ knurrte er. „Ich habe mir einen langen Holzsplitter eingefangen.“

„Selber schuld“, sagte der alte O’Flynn, der bei dem Schiffszimmermann noch einige Rechnungen zu begleichen hatte. „Ich hab dir ja schon immer gesagt, du sollst dir nicht ständig an deinem Holzkopf herumkratzen.“ Er setzte seinen Weg zur Kombüse ungerührt fort. Die geharnischten Bemerkungen Ferris Tuckers prallten dabei völlig an ihm ab.

Doch das Backen und Banken sollte sich für einige von den Seewölfen noch etwas verzögern, denn Bill, der zusammen mit Bob Grey unten vor der Vorpiek Wache geschoben hatte, begab sich zum Kapitän.

„Vielleicht sollte der Kutscher mal nach Woyda sehen“, erklärte er. „Der Kerl jammert schon eine Weile ganz fürchterlich. Wir konnten ihn zwar nicht verstehen, aber seinem Gestöhne nach hat er zumindest ein ordentliches Bauchzwicken.“

Hasards Gesicht wirkte skeptisch.

„Bis jetzt hat Woyda ganz gesund ausgesehen. Na gut, wir sind ja keine Unmenschen.“

Edwin Carberry, der das hörte, grinste spöttisch.

„Jawohl, Sir, laß den Kutscher nur nach unten gehen. Ich gönne dem Rübenschwein von einem Generalkapitän seinen Besuch. Und sag unserem Quacksalber, er soll die stinkende schwarze Salbe mitnehmen, mit der er mich immer eingeschmiert hat. Damit soll er den Kerl von Kopf bis Fuß einkleistern. Wenn er davon nicht gesund wird, Sir, bin ich gern bereit, mich voller Hingabe um sein Wohlergehen zu kümmern.“ Der Profos rieb beinahe liebkosend seine mächtigen Pranken.

Der Seewolf lächelte.

„Vielleicht haben Bill und Bob das Stöhnen Woydas auch nur mißverstanden. Es könnte ja sein, daß er nur mal dringend zur Galion muß.“

„Auch gut“, sagte Ed. „Bei dieser Gelegenheit könnte ich ihm gleich die Haut von seinem vornehmen Affenarsch abziehen. Das ist sowieso längst überfällig.“

„Wie dem auch sei“, meinte Hasard. „Der Kutscher soll mal nachsehen.“

Augenblicke später begleiteten der Feldscher und Stenmark Bill zur Vorpiek. Stenmark sollte als Dolmetscher fungieren, da der Pole Witold Woyda die schwedische Sprache beherrschte.

Schon von weitem hörten sie den Generalkapitän jammern.

Bob Grey, der noch auf der Holzbank vor dem vordersten und dunkelsten Raum des Schiffes hockte und gelangweilt in das blakende Licht seiner Tranlampe starrte, hielt sich beide Ohren zu.

„Gib ihm was zur Beruhigung!“ rief er dem Kutscher entgegen. „Ich kann’s schon nicht mehr hören. Man meint, der Kerl hätte Wehen und wollte ein Kind zur Welt bringen!“

„Es wäre schlimm, wenn sich solche Halunken auch noch vermehren würden“, sagte der Kutscher. „Ist er noch gefesselt?“

„Seit dem letzten Gang zur Galion nicht mehr“, erwiderte Bob Grey. „Wir sind ja keine Menschenschinder, und da er aus unserer Vorpiek niemals von selber heraus kann, haben wir ihm auf Befehl des Kapitäns die Fesseln abgenommen. Er kann bestenfalls versuchen, mit dem Schädel das Schott einzurennen – sofern er daran Spaß hat.“