Kitabı oku: «Seewölfe Paket 18», sayfa 11
6.
Caligula hatte das alles von seinem Boot aus beobachtet. Zwar keine Einzelheiten, aber immerhin hatte er erkennen können, daß die Schlangenkriegerinnen an Bord des Viermasters geentert waren. Danach war er so rasch wie möglich davongesegelt. Er stieß manchen erbitterten Fluch aus, während er, so schnell es der Wind erlaubte, wieder Kurs auf jene Insel nahm, auf der die Black Queen auf ihn wartete.
Er segelte einen anderen Kurs als zuvor, dazu zwang ihn der Wind, denn sein Auslegerboot lief zwar vor dem Wind hervorragend, aber das Mattensegel war keineswegs dazu geeignet, mit dem Boot hoch an den Wind zu gehen.
Caligula war aber ein ausgezeichneter Seemann, und er wurde mit diesem Problem fertig, indem er den sich mit Sonnenaufgang langsam drehenden Wind benutzte, um dann einige Stunden später, weit vom Roten Segler entfernt, wieder geradewegs auf die Caicos-Insel zuzusegeln, in deren Bucht schon bald der Teufel los sein würde.
Wieder verfinsterten sich Caligulas Züge – denn diesen verfluchten Viermaster, den hatte er erkannt, obwohl er diesem Schiff in seinem Leben noch nie begegnet war. Der gehörte Siri-Tong, der Roten Korsarin. Jedermann in der Karibik wußte das, und jedermann hatte höllischen Respekt vor ihr und dieser Galeone mit den blutroten Segeln. Bei Caligula kam auch noch hinzu, daß sie es gewesen war, die seinen Vater während der Schlacht in der Windward Passage getötet hatte, im Kampf Mann gegen Mann …
Mann gegen Mann! Caligula lachte bitter auf. Das war es ja eben! Er begriff nach all den Jahren noch nicht, wieso es dieser Frau gelungen sein konnte, seinen Vater zu überwinden. Denn Caligu, der Pirat und Herrscher über Tortuga und die gesamte Karibik, war ein Kämpfer gewesen, wie er keinen zweiten kannte. Und doch hatten ihn der Seewolf, der Wikinger und diese Rote Korsarin gejagt und geschlagen.
Geschlagen? Nein, vernichtet hatten sie Caligu. Seine ganze Flotte in dieser einen, entsetzlichen Schlacht vernichtet und in alle Winde verstreut. In jener Schlacht, über die man auch heute noch immer wieder an den Lagerfeuern der Karibik sprach. Und dann dieser verrückte Wikinger mit seinem Helm, seinen Fellen, seinem unheimlichen Schwarzen Segler! Er war vor aller Augen mit seinem ganzen damaligen Schiff, einer riesigen Galeone, in die Luft geflogen, während jener Schlacht. Wieso lebte dieser Kerl denn noch, wieso war er wieder da?
Fragen über Fragen – und Caligula wußte sie sich nicht zu beantworten. Aber er verspürte plötzlich so ein Gefühl in der Magengrube, das ihn warnte, sich mit diesen Gegnern anzulegen. Denn indem nun auch noch die Rote Korsarin eingriff, stand für Caligula fest, daß auch diese rätselhaften Araukaner zu den Bewohnern dieser geheimnisvollen Insel gehörten. Die Piraten erzählten auf Tortuga, daß dieser dreimal verfluchte Seewolf, der noch schlimmer sein sollte als alle übrigen zusammengenommen, die Insel nur durch einen Pakt mit dem Teufel bekommen habe. Das sei auch der Grund, warum ihn niemand je hatte besiegen können. Caligu nicht, die Spanier nicht, Don Bosco nicht, der ihn schon in Ketten gelegt hatte und bis ins Innere der Insel vorgedrungen sein sollte. Auch sonst keinem von all denen, die es versucht hatten, war das geglückt.
Wieder fluchte Caligula vor sich hin, aber dann begann er nachzudenken. Dabei kam er zu einem Ergebnis, das sich für die Rote Korsarin und alle, die sich an Bord ihres Schiffes befanden, noch höchst bedrohlich auswirken sollte.
Ja – so würde es klappen! Diesmal sollte die Rote Korsarin dran glauben und dann die Schlangeninsel. Hatte man sie erst erledigt, war man schon mal einen verdammt gefährlichen Feind los. Vom Seewolf aber wußte man in der Karibik, daß er sie verlassen hatte, und es war ungewiß, wann er wieder zurückkehren werde. Die Zeit bis dahin jedoch – die mußte man nutzen.
Caligula grinste plötzlich, dann feuerte er seine Männer an. Trotz des Segels griffen sie zu den Paddeln und beschleunigten die Fahrt des Auslegerbootes noch, dem seine pechschwarze Farbe hervorragende Dienste erwiesen hatte. Denn es war von Bord des Viermasters der Roten Korsarin so wenig bemerkt worden, wie es Tatona und ihre Schlangenkriegerinnen bemerkt hatten.
Caligula erreichte die Bucht, in der die Black Queen schon unruhig auf ihn wartete, gegen Mittag. Er verlor keine Zeit, sondern eilte sofort zu ihr.
Auch sie stieß erbitterte Verwünschungen aus, als sie hörte, wer sich da im Anmarsch auf die Insel befand. Nicht, daß sie sich vor der Roten Korsarin fürchtete, aber sie war eine gerissene und äußerst gefährliche Gegnerin, das war der Queen sofort klar. Nein, leichtes Spiel würden sie mit dieser Siri-Tong nicht haben. Und wehe ihr, wenn sie gar unterlag …
Die Black Queen dachte diesen Gedanken gar nicht erst zu Ende. Außerdem ließ ihr Caligula auch gar keine Zeit dazu.
„Wir locken sie in eine Falle. Ist ihr Viermaster erst zum Teufel, dann haben wir sie. Und er wird zum Teufel segeln, mit vollem Press, das verspreche ich dir!“
„Wie willst du das anstellen, Caligula? Gut, meine Galeone ist nicht schwächer als die von dieser gelbhäutigen Schlange. Aber hast du denn nie davon gehört, daß sie Feuer vom Himmel regnen lassen kann, das niemand zu löschen vermag?“
Caligula nickte.
„Doch, das habe ich vernommen, Queen. Aber auch wenn, ich nicht recht daran glauben mag, wir müssen uns auf so etwas einstellen. Und deshalb werden wir gar nicht erst von Schiff zu Schiff mit ihr kämpfen, sondern sie ganz anders vernichten. Auf eine Art, bei der wir händereibend zuschauen können, bevor wir dann über sie und über die, die danach noch leben, herfallen!“
Die Queen sah ihren Unterführer an.
„Was führst du im Schilde, Caligula? Wenn du so sprichst, dann weißt du auch schon, wie du’s anstellen willst! Raus damit, und wenn wir diese Rote Korsarin in unsere Gewalt bringen, dann verspreche ich dir eine Nacht, wie du sie noch nie in deinem Leben erlebt hast. Mein Wort darauf!“
Caligula grinste. Seine großen Hände fuhren über die Brüste der Black Queen, aber sie bremste ihn.
„Wenn wir die Rote Korsarin haben, sagte ich“, wehrte sie ihn ab, aber ihr Gesicht strafte sie Lügen.
Doch Caligula ging auf ihr Spiel ein.
„Gut, unser Handel gilt. Und nun hör mir gut zu, Queen!“
Er beugte sich vor und begann zu sprechen.
„Diese Arkana, diese Hohepriesterin der Araukaner, verbringen wir auf dein Schiff. Mit ihr eine Anzahl ihrer Kriegerinnen. Der Rest bleibt hier. Sie werden gut sichtbar für jedermann an die Palmen gebunden. Sie werden aussehen, als hätten wir sie umgebracht. Ich werde das arrangieren. Sie werden die Lockvögel sein, dem diese verfluchte Rote Korsarin auf den Leim geht. Denn sie wird die Kriegerinnen sehen. Sie wird vor lauter Zorn irgendwo dort vorne, in der Nähe des Wracks, ankern, denn auch das wird sie sehen. Ich werde dafür sorgen, daß es sie interessiert, trotzdem sie weiß, was geschehen ist.“
Die Queen rückte näher an ihn heran.
„Und wie willst du das anstellen, Caligula?“ fragte sie.
„Sie wird denken, wir hätten einige der Schlangenkriegerinnen dort an den Rahen hochgezogen, so jedenfalls wird das aussehen. Es wirklich zu tun, das rate ich dir allerdings nicht“, fügte er hinzu nach einem scheuen Blick auf Arkana, die weiter oben immer noch gefesselt am Stamm ihrer Palme hing.
Die Black Queen gab ihm recht.
„Und weiter, was weiter, Caligula?“
„Du kennst diese Wildkatze nicht so gut wie ich, Queen. Ich habe mich mit ihr beschäftigt, denn sie hat meinen Vater zur Hölle geschickt. Mich hat immer interessiert, wie sie das nur fertigkriegen konnte.“
Caligulas Züge hatten sich verdüstert.
„Also“, fuhr er fort, „sie wird nicht so dumm sein, in die Bucht einzusegeln, bevor sie nicht das Gelände erkundet hat. Wahrscheinlich wird sie selbst diesen Spähtrupp führen oder aber einen ihrer besten Männer dafür auswählen. Wenn die Luft rein ist, wird man ihr das signalisieren, und deshalb, um von uns nicht zu früh bemerkt zu werden, wird sie auch erst im Laufe der Nacht eintreffen. Schon deshalb, weil wir dann alle bereits besoffen am Feuer liegen, denn wir können trotz der Flucht der Schlangenkriegerinnen mit einer derartigen Überraschung ja gar nicht rechnen.“
„Weiter, Caligula, weiter!“
Aber Caligula ließ sich nicht bitten, er war jetzt gerade richtig in Fahrt.
„Du, Queen, verschwindest mit deinem Dreimaster aus der Bucht. Du legst dich hinter der Insel auf die Lauer. Dadurch, daß diese Wildkatze die Schlangenkriegerinnen als Führer und Lotsen an Bord hat, wird sie auch nicht erst um die Insel herumsegeln, um sie abzusuchen. Sie wird nicht auf dich stoßen. Außerdem kannst du auch auf See draußen warten, bis es soweit ist. Aber leg dich so, daß du günstigen Wind in den Segeln hast und rasch hier sein kannst.“
„Gemacht, Caligula. Aber du, was ist mit dir?“
„Ich werde hierbleiben, mit dem schwarzen Auslegerboot und ein paar zuverlässigen Männern. Diese Siri-Tong wird nicht einmal ahnen, daß wir hier sind. Sie wird annehmen, wir seien längst abgesegelt. Aber sie mußt sich um die Schlangenkriegerinnen kümmern. Sie muß, ehe sie uns wut- und racheschnaubend nach Tortuga folgt, um uns dort zu erwischen. Denn sie wird vermuten, daß wir dorthin gesegelt sind. Tollkühn genug ist sie dazu. Nur – sie wird das gar nicht mehr können. Ohne Schiff ist Tortuga wohl doch ein bißchen zu weit entfernt. Ich kann mir nicht denken, daß sie auch noch eine so gute und ausdauernde Schwimmerin ist, von den Haien mal ganz abgesehen, die sich einen solchen Leckerbissen, ein so appetitliches Weibstück gewiß nicht entgehen lassen werden …“
Caligula lachte leise in sich hinein, und wahrhaftig, er rieb sich im Vorgeschmack dessen, was sich in dieser Bucht ereignen würde, schon die Hände.
„Und nun hör zu, Queen, denn jetzt kommt das, was uns die Rote Korsarin ans Messer liefern wird. Sie wird diese Falle weder ahnen noch ihr ausweichen können …“
Caligula beugte sich ganz dicht zur Black Queen hinüber und begann zu flüstern.
Erst stutzte die Queen, dann aber sprang sie plötzlich auf. Lange sah sie ihren Unterführer an. Dann sagte sie:
„Ich möchte dich nicht zum Feind haben, Caligula. Bei allen Teufeln der Hölle, du bist gefährlicher als alle, die ich kenne! Man sollte vor dir auf der Hut sein, Caligula!“
Wieder lachte Caligula leise in sich hinein.
„Du wirst mich nie zum Feind haben, Queen. Nie – wir beide, du und ich, wir werden die Herrscher der Karibik sein. Und diese Schlangeninsel unsere Festung …“
Die Black Queen starrte ihn noch immer an. Ihre Augen glitzerten, und es war nicht der Schein der flackernden Feuer, der sie glitzern ließ.
„Auf diesen teuflischen Plan wäre nicht einmal ich verfallen“, sagte sie dann. Dann trat sie auf Caligula zu. Langsam, Schritt für Schritt Dicht vor ihm blieb sie stehen und küßte ihn. Lange und leidenschaftlich.
„Ich glaube, du wirst jene Nacht, die ich dir vorhin versprach, kriegen. Komm, auch heute werde ich dich umarmen, aber das wird nur ein Vorgeschmack dessen sein, was dich erwartet, wenn du uns diese Rote Korsarin ans Messer lieferst!“
Sie zog Caligula mit sich fort. Gemeinsam schwammen sie zur in der Bucht ankernden Galeone hinüber.
Später, als die Sonne schon im Westen stand, begann Caligula mit seinen Vorbereitungen: Wieder lachte er in sich hinein, denn er hatte recht behalten: Von der Roten Korsarin und ihrem Viermaster mit dem gewaltigen Drachen auf dem Großsegel war weit und breit nichts zu sehen. Und doch mußte sie ganz in der Nähe sein, und sie würde dort irgendwo auf die hereinbrechende Dunkelheit lauern. Aber sie sollte eine Überraschung erleben, und diesmal würde es auch für sie kein Entkommen mehr geben …
Caligula behielt recht. Siri-Tong verhielt sich fast so, wie er es vorausgesagt hatte. Mit ihrem Viermaster hatte sie eine Bucht auf North Caicos angelaufen. Dort ließ sie den Anker werfen, und dann ging sie mit Barba und einer weiteren Gruppe von Männern daran, die Vorbereitungen für die Nacht zu treffen.
Aber es hatte durchaus Probleme gegeben. Das Boot, das den Spähtrupp an Land setzen sollte, mußte vor „Roter Drache“ auf jener Insel landen, die noch von den Piraten der Black Queen beherrscht wurde. Trotzdem durfte der Viermaster nicht viel später zur Stelle sein.
Siri-Tong beschloß daher, das Boot erst in der Nähe der Insel auszusetzen und „Roter Drache“ dann durch Lichtsignale von der Insel zu verständigen, daß er in die Bucht einlaufen konnte, daß die Luft rein sei.
Das Wetter kam der Roten Korsarin am späten Nachmittag entgegen. Der Himmel bezog sich, Wolken kamen auf. Das war eines der Hauptprobleme gewesen, denn bei hellem Mondschein war ein Schiff von der Größe ihres Viermasters meilenweit auszumachen. Weiter draußen durfte ihr Schiff jedoch auch nicht bleiben, denn sonst würde es zu unsicher sein, ob die Lichtsignale von der Insel auch wirklich gesehen werden konnten. Sie zu beantworten, schloß sich von selber aus, denn die Schiffslaterne, mit der sie von der Insel gegeben wurden, mußte an ihrer Rückseite sowieso geschwärzt sein, sollte sie nicht von vornherein zum Verräter werden. Denn daß auch die Piraten der Black Queen Wachen ausgestellt haben würden, war völlig klar.
So verging der Nachmittag, und die Abenddämmerung fiel ein. Die Arbeiten waren abgeschlossen. Jedermann an Bord wartete nur noch voller Ungeduld darauf, daß Siri-Tong den Anker lichten und die Segel wieder setzen ließ.
In den Männern, in den fünf Schlangenkriegerinnen, in Araua und auch in Siri-Tong brodelte der Zorn über diesen dreisten Überfall der Black Queen, der sich gegen Schiffbrüchige gerichtet hatte, die ohnehin nur knapp dem Tode entronnen waren. Die Rote Korsarin hatte sich geschworen, der Black Queen diese Gemeinheit heimzuzahlen, und zwar gründlich.
Einmal hatte sie allerdings das Gefühl, daß die grünen Augen des Schlangengottes sie anstarrten. Das war, als sie sich für ein paar Stunden in ihre Kammer zurückgezogen hatte, um noch ein wenig zu ruhen, denn die Nacht würde ihr alle Kräfte abverlangen. Sie vernahm im Unterbewußtsein nochmal seine Warnung vor der Falle, die auf sie alle lauerte – aber dann versanken die warnenden Bilder wieder in der Tiefe ihres Schlafes.
Beim Erwachen dachte Siri-Tong noch einmal an diese Warnung. Sie blieb auf dem Achterdeck stehen.
„Wir werden vorsichtig sein, alles ist besprochen. Wir werden nicht blind in eine Falle tappen – es ist ja nicht das erstemal, daß ich gegen Gesindel wie diese Black Queen zu kämpfen habe. Sei also ohne Sorge, Schlangengott …“, murmelte sie.
Der Wind stand günstig für den Viermaster. Am Firmament waren die Sterne erloschen, auch der Mond verbarg sich hinter dichten Wolken. Es regnete jedoch nicht.
„Anker auf, setzt Segel!“ kommandierte die Rote Korsarin, und alle an Bord atmeten auf. Die Stunde der Entscheidung war angebrochen, dieses verfluchte Warten endlich vorüber.
Der Viermaster verließ die Bucht. Der Wind füllte seine blutroten Segel, die aber in der Nacht nur wie riesige, dunkle Schwingen durch die Nacht glitten. Auch der mächtige Drache auf dem Großsegel schien noch faul zu schlafen. Nur einmal, als der Wind plötzlich schralte, bewegte er sich träge.
Barba blieb an Deck stehen. Er starrte zu dem Drachen empor.
„O Lord“, murmelte er. „Huan Chan ist übler Laune. Ein böses Omen für uns alle …“ Aber er behielt seine Weisheit für sich, denn er wußte nur zu gut, wie die Rote Korsarin darauf reagiert hätte.
Der Mond hatte den Zenit noch nicht überschritten, er verbarg sich nach wie vor hinter dicken Wolken und hatte nur ein paarmal durch Wolkenlöcher auf den Viermaster herabgeblinzelt, da erreichte der Viermaster die von Siri-Tong festgelegte Position. Sofort enterten die Männer auf und bargen den größten Teil der Segel. Langsam würde der Viermaster sich der Insel nähern, denn die Meeresströmung lief im Bogen an ihrer südlichsten Spitze vorbei. Das war günstiger, als die Rote Korsarin erwarten konnte, und sie nahm das als gutes Omen.
„Boot abfieren!“ befahl sie verhalten. Dann trat sie auf Mister Boyd, ihren Ersten Offizier zu. „Sie warten auf jeden Fall unser Lichtzeichen ab. Lassen sie alle Marse doppelt besetzen, Mister Boyd. Sollte etwas Unvorgesehenes geschehen, oder wenn Sie von Land Schüsse hören sollten, dann handeln Sie wie besprochen. Ohne Rücksicht auf mich oder irgend jemand anderen. Ist das klar, Mister Boyd?“
„Aye, Madam“, erwiderte der drahtige Engländer. „Sie können sich auf uns alle verlassen.“
„Danke, Mister Boyd.“
Siri-Tong zog Araua nochmal an sich heran.
„Du weißt, welche Aufgabe ich dir zugeteilt habe, Araua. Ich hoffe, du wirst Glück genug haben, um sie zu lösen.“
Gleich darauf enterte die Rote Korsarin ab. Es gab nichts mehr zu sagen. Außer Barba begleiteten sie acht Mann ihrer Besatzung. Alle bestens für den bevorstehenden Einsatz ausgerüstet. Musketen und ähnliche Waffen verboten sich von selbst. Wurde gekämpft, dann mußte es lautlos geschehen. Außerdem enterten auch noch die fünf Schlangenkriegerinnen ins Boot ab. Sie würden die Führung des kleinen Trupps auf der Insel übernehmen, denn sie kannten sich dort aus.
Das Boot stieß ab. Die Männer legten sich in die umwickelten Riemen, die Ray Chiswell, der Schiffszimmermann außerdem noch sorgfältig gefettet hatte. Auf diese Weise verursachten sie nicht das geringste Geräusch.
7.
Barba hatte sich im Bug des Bootes postiert. Mit Argusaugen suchte er die See vor dem Boot ab. Dann, als sich die dunkle Silhouette der Insel aus der Dunkelheit hervorzuheben begann, aber so schwach, daß gerade er es sehen konnte, wandte er sich um.
„Wir sollten jetzt mehr Backbord halten, Madam. Und langsam, langsam Männer, damit unser Boot keine Spur in der See zieht. Wenn man auf einem Berg steht und die See beobachtet, sieht man sehr viel, Männer, denkt daran.“
Die im Takt hin und her schwingenden Oberkörper der Männer an den Riemen verlangsamten ihr Tempo. Daß sie dennoch den wachsamen Augen Caligulas nicht entgingen, ahnten sie nicht. Denn Caligula hatte genau das getan, wovor Barba die Männer eben gewarnt hatte. Er hockte auf einem der Felsen und beobachtete unablässig die See. Er erspähte das sich langsam nähernde Boot, als die Wolkendecke für einen einzigen Augenblick aufriß und das Mondlicht über die unablässig heranrollenden Wogen der See huschte.
„Achtung – sie sind da!“ flüsterte er, obwohl ihn niemand weit und breit hätte hören können außer den Männern, die hinter ihm auf dem Felsen kauerten. „Verhaltet euch ruhig, und bleibt wo ihr seid. Du, Juan, läufst jetzt runter zum Strand und entzündest das Feuer am Strand. Achte aber darauf, daß es die Schlangenkriegerinnen gut beleuchtet. Dann gehst du zu den Kriegerinnen hinauf. Falls eine bei Bewußtsein ist, gibst du ihr eins über den Schädel. Aber töte sie nicht, wir brauchen sie noch, alle. Und wenn du Hund auch nur eine von ihnen anfaßt, dann bringe ich dich um. Ich habe keine Lust, mir diese Arkana auf den Hals zu hetzen. Sie nicht, und ihren verdammten Schlangengott auch nicht. Kapiert? Oder, beim Satan in der Hölle, ich schlitze dich auf, merk dir das!“
Juan nickte, und die nackte Angst stand in seinen Augen. Er war von allen Männern der Queen derjenige, der am stärksten unter seiner Furcht vor Geistern und Meermännern und anderen Ungeheuern zu leiden hatte. Aber gerade deswegen hatte Caligula ihn dafür ausgesucht. Er wußte, daß Juan nichts riskieren würde.
Der Mulatte verschwand. Caligula verhielt sich wieder still. Er beobachtete, wie das Boot näher und näher an die Insel heranglitt. Als Schatten war es gerade noch zu erkennen. Aber noch einmal war der Mond sein Bundesgenosse, denn wieder schickte er seine bleichen Strahlen durch ein Loch in der Wolkendecke. Unglücklicherweise trafen sie die Rote Korsarin und ihre Mannen voll, so daß Caligula sie für einen Moment alle deutlich sehen und auch zählen konnte.
Er grinste befriedigt.
„Wir könnten sie doch gleich jetzt erledigen, Caligula“, hörte er einen seiner Männer sagen. Gedankenschnell fuhr Caligula herum und packte den Mann.
„Du hast genau das zu tun, was wir besprochen haben. Wir wollen sie alle samt diesem verdammten Viermaster. Oder glaubst du Rindvieh, ich habe den ganzen Nachmittag wie ein Wilder geschuftet, daß mir so ein Dummkopf wie du jetzt alles verdirbt?“
Caligula ließ den Mann los, der sofort in sich zusammenkroch. Er kannte Caligula genau, und er wußte auch, wie gewalttätig der werden konnte, wenn man nicht genau tat, was er befahl.
„Ja, ist in Ordnung, Caligula. Ich meinte ja nur …“
„Beim Satan, halt jetzt dein verdammtes Maul, oder ich stopfe es dir“, erwiderte Caligula. Danach rührte sich eine ganze Weile auf dem Felsen gar nichts mehr. Die Männer Caligulas verschmolzen mit ihrer Umgebung wie er selbst.
Unterdessen hatte die Rote Korsarin das Boot unter der dichten Ufervegetation verborgen. Zwei Mann ließ sie als Wache zurück, schärfte ihnen aber ein, keinen Laut von sich zu geben und sich nicht von der Stelle zu rühren.
Dann verschwand sie mit den restlichen sechs Rudergasten, mit Barba und den fünf Schlangenkriegerinnen. Aber so einfach, wie sie sich das erhofft hatte, wurde die Sache nicht. Sie hatten eine Reihe von Felsen zu überwinden, ehe sie einen Blick auf die Bucht werfen konnten. Und als ob der Satan seine Hand im Spiel hatte, riß in diesem Moment die Wolkendecke auf, und der Mond warf sein fahles Licht über die Bucht.
Siri-Tong und ihre Begleiterinnen blieben wie angewurzelt stehen – denn unten am Strand erblickten sie ein noch loderndes, aber doch schon weit heruntergebranntes Feuer, das sein Licht auf eine Reihe von Schlangenkriegerinnen warf, die allesamt in merkwürdig schlaffer oder auch verrenkter Haltung an den Stämmen von Palmen hingen. Der Sand zu ihren Füßen war dunkel von ihrem Blut, jedenfalls sah das für die Rote Korsarin so aus.
Tatona, die neben ihr stand, knirschte hörbar mit den Zähnen.
„Sie haben sie ermordet, bevor sie die Bucht verließen!“ stieß sie hervor. „Aber das sind nicht alle, Siri-Tong. Arkana fehlt. Auch andere fehlen! Rasch, wir müssen …“
„Warte, Tatona, warte!“ Siri Tong hielt die Unterführerin Arkanas mit hartem Griff zurück. „Wenn sie tot sind, hilft keine Eile mehr, Tatona. Wir müssen erst sicher wissen, ob die Piraten wirklich die Bucht verlassen haben, oder ob das eine Falle ist. Vielleicht versuchen sie uns zu täuschen!“
Tatona bezwang sich mühsam, aber die Rote Korsarin hatte recht. Sie hielt auch die anderen vier Schlangenkriegerinnen davon ab, loszustürmen.
„Barba – siehst du irgendwo ihre Galeone?“ fragte Siri-Tong ihren hünenhaften Ersten Steuermann.
Es dauerte eine Weile, ehe er antwortete.
„Nein, Madam, in der Bucht ist sie nicht. Das ist sicher. Aber das allein würde nichts bedeuten, denn man kann leicht vortäuschen, abgesegelt zu sein, und in Wirklichkeit lauert man irgendwo. Nein, das würde mich nicht so sicher machen. Diese Black Queen ist nach allem, was wir inzwischen von ihr wissen, eine gefährliche Gegnerin, der jeder Trick zuzutrauen ist. Aber da ist doch dieses Feuer, Madam. Die Äste – sie liegen schon lange im Feuer, und auch die Spuren um das Feuer zeigen deutlich, daß es schon vor Stunden verlassen worden sein muß. Kurz nachdem man die Kriegerinnen Arkanas getötet hat.“
Siri-Tong überlegte einen Moment. Was sie zu tun beabsichtigte, war gefährlich. Aber eine andere Möglichkeit und einen besseren Schutz für sie alle gab es nicht. Außerdem führte ihr Viermaster für den Notfall auch noch jene Brandsätze an Bord mit sich, gegen deren Feuer nichts, aber auch gar nichts mehr half, wenn die Brandsätze ein Schiff getroffen hatten.
„Barba, gib ‚Roter Drache‘ das verabredete Zeichen. Wir werden hier auf dich warten …“ Sie packte Tatona wieder energisch am Arm, als diese aufbegehren wollte, und wieder fügte sich die Unterführerin der Roten Korsarin.
Barba verschwand. Er nahm die präparierte Schiffslaterne mit sich. Auf einer Felsenkuppe, von der aus er die See übersehen konnte, entzündete er die Laterne, dann gab er das vereinbarte Signal. Er wiederholte es zur Vorsicht dreimal.
Er konnte nicht ahnen, daß Caligula und seine Männer ihn von ihrer Felsenkuppe dabei beobachten konnten.
„Wie ich es mir gedacht habe. Es wird nicht lange dauern, dann wird dieser dreimal verdammte Viermaster der Roten Korsarin in die Bucht einlaufen. Dann ist unsere Stunde gekommen. Wir warten, bis dieser Kerl dort verschwunden ist, dann rasch zur Bucht hinunter!“
Caligula flüsterte nur, und seine Männer verhielten sich so still, als gäbe es sie gar nicht.
Barba kehrte zu Siri-Tong zurück und nickte ihr zu.
„Zum Strand hinab!“ befahl die Rote Korsarin gleich darauf, und der kleine Trupp von Männern und Frauen setzte sich in Bewegung.
Auf „Roter Drache“ hatte man das Signal gesehen. Araua war in den Großtopp geentert. Sie erblickte die hin und her schwingende Lampe, die außerdem noch in kurzen Intervallen mit der Hand immer wieder abgedeckt wurde, zuerst.
Wie der Blitz sauste sie wieder aufs Hauptdeck hinab, und gleich darauf waren die Männer dabei, die Segel zu setzen.
„Roter Drache“ nahm Kurs auf die Insel. Der immer noch kräftig wehende Wind trieb ihn rasch auf die Insel zu.
Unterdessen ereigneten sich mehrere Dinge zugleich.
Siri-Tong erreichte den Strand mit ihrem Trupp. Aus der Nähe sahen die an den Stämmen hängenden Schlangenkriegerinnen noch fürchterlicher aus als von den Felsen. Die fünf Schlangenkriegerinnen ließen alle Vorsicht außer acht – sie rannten auf ihre Gefährtinnen zu, so schnell sie ihre Füße trugen.
Siri-Tong und die anderen folgten ihnen.
„Barba, mehr Holz in das Feuer, wir brauchen mehr Licht!“ rief sie dem Hünen zu, der nicht von ihrer Seite gewichen war. Barba nickte nur, dann bog er zum Strand hinunter ab. Er fand genügend Holz, und er warf soviel davon hinein, daß die Flammen hoch aufloderten. Dabei sah er aus den Augenwinkeln, wie Tatona plötzlich mitten in ihrer Bewegung erstarrte – und den anderen Schlangenkriegerinnen erging es ebenso.
Irgend etwas stimmte dort nicht – das spürte er sofort.
Unterdessen hatte Caligula den Strand ebenfalls erreicht.
„Los, Chico“, sagte er. „Zum Wrack. Nimm dir zwei Männer mit, zieht sie hoch. Und dann runter vom Wrack, oder euch holt der Teufel. Alle anderen zum Boot, aber laßt euch nicht sehen. Wer mir jetzt den Spaß noch vermasselt, den bringe ich um!“
Der mit Chico Angeredete, ein braunhäutiger, kleiner und wieselflinker Bursche, schnappte sich zwei seiner Spießgesellen, dann flitzte er los. Caligula hockte sich unterdessen hinter einen der Felsen, von dem aus er das Wrack der „Mocha II.“ gut im Auge hatte, und legte einen großen Bogen mit einem Köcher voller Pfeile neben sich. Ein Bogen, wie ihn Batuti oder Big Old Shane von der „Isabella IX.“ benutzten. Dann wartete er.
Als die Flammen des Feuers hoch aufloderten, grinste er nur. Alles lief genau nach Plan. Jetzt fehlte nur noch dieser verdammte Viermaster der Roten Korsarin.
Er hatte das kaum zu Ende gedacht, da schob sich auch schon die Silhouette der großen Galeone durch die Einfahrt der Bucht.
Caligula hielt den Atem an. Er warf einen Blick zum Wrack der Araukaner-Galeone hinüber, und wieder grinste er. Denn dort hingen jetzt fein säuberlich nebeneinander an der Gaffelrute des Besans die leicht im nächtlichen Wind hin und her pendelnden Körper von vier Schlangenkriegerinnen. Im Schein des riesigen Feuers, das Barba am Strand entfacht hatte und dessen Flammen er durch immer neues Holz noch höher schürte, erkannte man sie auf Anhieb. Es war ein makabrer, ein geradezu unheimlicher Anblick, der seine Wirkung ganz gewiß nicht verfehlen würde. Daß es sich bei den Gehenkten um Puppen handelte, die Caligula täuschend echt angefertigt hatte, das konnte man bei dem herrschenden Licht nicht erkennen. Weder das Feuer noch der Mond reichten dazu aus.
Caligula mußte ein dröhnendes Gelächter gewaltsam unterdrücken, als er jetzt die Reaktion Siri-Tongs und ihrer Gefährten weiter unten am Strand bemerkte. Die Verwirrung, die dort herrschte, war offenbar gar nicht mehr zu überbieten.
Der Viermaster glitt heran. Caligula hörte das schwache Rauschen seiner Bugwelle – und dann änderte das große Schiff plötzlich seinen Kurs und lief auf das Wrack der „Mocha“ zu.
Noch immer wartete Caligula. Er war jetzt eiskalt. Dann, als er den schweren Anker ins Wasser klatschen hörte, war es soweit. Caligula griff in den Köcher und entnahm ihm einige der Pfeile. Rasch und geübt schlug er mit seinem Flintstein Funken und setzte den schon bereitliegenden Zunder in Brand. Dann hielt er einen der Pfeile über die Flammen, und die mit Pech präparierte Spitze, die zudem noch in Schießpulver gewälzt worden war, entzündete sich mit leisem Puffen. Gleich darauf beschrieb der Pfeil seine feurige Bahn durch die Nacht. Ihm folgte ein zweiter und ein dritter – und dann tauchte Caligula schleunigst in die Deckung der dicken Felsen, zwischen denen er hockte …
Mr. Boyd und Araua befanden sich auf dem Achterdeck von „Roter Drache“, als der Viermaster in die Bucht einlief. Araua war unruhig. Sie spürte, daß von irgendwoher Gefahr drohte. Doch so sehr sie ihre Sinne auch anspannte, sie vermochte nicht zu erfassen, wo die Gefahr auf sie lauerte. Sie dachte an die Warnung des Schlangengottes – aber Siri-Tong hatte signalisieren lassen, also mußten sie in die Bucht einlaufen.
„Roter Drache“ umrundete die Felsnase, die in die Einfahrt der Bucht hineinragte, und dann erblickten sie das Feuer am Strand. Sie sahen auch Siri-Tong und Barba, der Holz in das Feuer warf, so daß die Flammen hoch in die Nacht aufstiegen und ein dichter Regen von Funken emporstieg, wenn eines der dicken Holzstücke krachend in der Hitze der Flammen platzte.