Kitabı oku: «Seewölfe Paket 19», sayfa 7

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11.

Das mörderische Gefecht tobte hin und her. Eine Höllenflasche der „Isabella“ landete zischend auf dem Hauptdeck der „Caribian Queen“, Brand- und Pulverpfeile, von Shane und Batuti abgeschossen, stachen in die Takelage und setzten die Segel in Brand. Die Black Queen setzte sich mit allen Mitteln zur Wehr, aber sie mußte einen Teil ihrer Crew dazu abkommandieren, die hier und da aufflackernden Feuer zu löschen.

Die Explosion der Flaschenbombe riß ein Loch in die Planken, und zwei Piraten wälzten sich verletzt neben dem Großmast und stießen entsetzliche Laute aus. Pausenlos gellten die Befehle der Black Queen über die Schiffsdecks, aber sie konnte die entstehende Wuhling kaum noch verhindern.

Caligula griff sich eine neunschwänzige Katze und hieb damit wutentbrannt auf die Kerle ein. Er war außer sich vor Zorn und Haß. Aber sein Fluchen nutzte ihm nichts, es änderte nichts an der prekären Lage, in der sich die „Caribian Queen“ plötzlich befand.

Um sich vor neuen Höllenflaschen und Brandpfeilen zu schützend entfernte sich die Queen vorsichtshalber etwas aus dem unmittelbaren Schußbereich der „Isabella“. Der dichte Rauch schützte sie und entzog sie für kurze Zeit den Blicken des Gegners.

Jean Ribault und Siri-Tong trotzten unterdessen den Angriffen der „Buena Estrella“, die ihnen zwar der Armierung nach überlegen war, aber nicht so schnell manövrieren konnte. Folglich nutzte die Crew der „Le Vengeur III.“ ihre Wendigkeit aus. Mal brachte sie dem Gegner Schaden bei, mal fügte dieser ihr Treffer zu. Keiner gewann die Oberhand, die Lage schien verhext zu sein.

Auch der erbitterte Kampf zwischen der „Vascongadas“, der „Aguila“ und dem Schwarzen Segler wurde mit hohem Einsatz an Munition geführt, brachte aber keine Entscheidung. Jaime Cerrana, der sich am mutigsten auf das Schiff der Wikinger stürzte, war bereit, an Zauberei zu glauben: Auch die schlimmsten Treffer verwüsteten den düsteren Viermaster nicht, er schien aus Eisen gebaut zu sein. Nie hatte er, Cerrana, einen unheimlicheren Gegner vor sich gehabt.

Zwei Brandsätze, die von „Eiliger Drache“ herüberzischten und die Segel der „Vascongadas“ in Brand setzten, brachten Unruhe und Panik in die Piratenmannschaften. So zog sich die „Vascongadas“ vorläufig aus dem Gefecht zurück.

Die Siedler von El Triunfo waren zutiefst erschüttert – etwas Ähnliches hatten sie trotz vieler Überfälle auf spanische Galeonen noch nicht erlebt. Wer waren die behelmten Kerle auf dem Achterdeck des düsteren Schiffes, welcher grauen Vorzeit waren sie entstiegen? Keiner wußte eine Antwort darauf.

Doch auch Thorfin Njal gelang es nicht, den Gegner so zu packen, daß er ihn versenken oder entern konnte. Geschickt wich die „Aguila“ jedem Annäherungsversuch aus. Sie ließ sich auch nicht rammen. Cerrana, das mußte ihm der Neid lassen, verstand etwas vom seemännischen Handwerk.

So gewann keine Seite die eindeutige Überlegenheit im Gefecht. Immer noch donnerten die Kanonen, aber ihre Böller waren nicht mehr so dicht und rasch aufeinanderfolgend wie zuvor. Bei der Queen ließen der Kampfeifer und die Energie nach, Feuer mußten erstickt und Verwundete versorgt werden. Eine neue Taktik setzte sich durch: Man umschlich sich gegenseitig, ohne mit frischem Elan neue Attacken zu starten.

Aus Willem Tomdijks Sicht mutete der Status quo weitaus dramatischer an, als er in Wirklichkeit war. Er sah einen Toten an sich vorbeitreiben, sah Feuer, Rauch und Trümmer, und es war ihm, als müsse eine Galeone der Queen sinken. Welche es war, vermochte er nicht festzustellen. Er hörte das Schreien der Verwundeten, und wieder packte ihn alles Elend der Welt, so daß er unterging und einen tüchtigen Schwall Wasser schluckte.

Der Selbsterhaltungstrieb überwog. Wieder tauchte Willem auf und schlug mit den Händen um sich.

„Hilfe!“ schrie er. Er hätte sich besser treiben lassen – Fett schwimmt oben. Doch seine Panik raubte ihm den Verstand.

Dann sah er einen Kerl mit wüst verzerrtem Gesicht auf sich zuschwimmen. Einer der Kerle aus der Crew der Queen – hatte Caligula ihn geschickt?

„Hilfe!“ brüllte Willem. „Er will mich töten!“

„Halt die Luft an, Fettsack!“ stieß Pitcairn hervor. „Ich soll dich retten!“

Fast grotesk mutete das an, was sich nun im Wasser abspielte. Pitcairn versuchte, dem Dicken unter die Achseln zu greifen, um ihn abzuschleppen. Aber das war bei weitem nicht so einfach, wie er sich das vorgestellt hatte. Willem setzte sich zur Wehr. Er zappelte und kreischte und entzog sich immer wieder dem Griff des Piraten.

Pitcairn mußte selbst um sein Leben kämpfen, Willem drohte ihn unterzutauchen, seine Hände schlossen sich um Pitcairns Hals. Da sah der Pirat nur noch eine Möglichkeit. Er ließ sich mit Willem an die Wasseroberfläche treiben, schnappte nach Luft und hieb ihm die Faust unters Kinn.

Willem versank in tiefer Ohnmacht. Pitcairn schleppte ihn unter erheblichen Schwierigkeiten zur „Caribian Queen“, wo inzwischen ein Tau abgefiert worden war, an dem er sich festklammern konnte. Immer wieder drohte der Dicke seinem Griff zu entgleiten.

Die Black Queen ließ den Bootsmannsstuhl abfieren. Mit größter Mühe verfrachtete Pitcairn Willem in die Sitzgelegenheit und zurrte ihn fest, dann wurde der Dicke an Bord gehievt. Keuchend enterte auch Pitcairn auf und ließ sich keuchend auf die Planken sinken.

„Dieser Hurensohn!“ fluchte er. „Den ziehe ich nicht noch mal aus dem Teich!“

„Wir hätten ihn besser ersaufen lassen“, zischte Caligula, aber er hütete sich, es laut auszusprechen. Er wollte nicht schon wieder Ärger mit der Queen, sie war ohnehin außer sich vor Wut.

Willem erlangte wenig später das Bewußtsein und sah das Gesicht der Black Queen über sich.

„Ich habe dich gerettet, Willem Tomdijk“, sagte sie. „Aber laß so was nicht noch mal passieren. Das nächstemal überlasse ich dich den Haien. Ab mit dir in die Kammer, wir können dich hier nicht brauchen.“

Willem schlich davon wie ein geprügelter Hund. Er verkroch sich in dem Salon des Achterdecks und trank mit gierigen Schlucken einen ganzen Humpen Bier leer.

Nein, dachte er, das passiert mir auch nicht wieder. Ich spiele bei diesem ganzen Wahnsinn nicht mehr mit. Der Teufel soll die Queen, Caligula und ihre Bande von Teufeln holen.

Hätte er geahnt, was ihn erwartete, hätte er der Umsiedlung von El Triunfo nach Tortuga und Hispaniola niemals zugestimmt. So aber mußte er mit den Wölfen heulen und sich zwangsläufig den Gelegenheiten fügen.

Auch Emile Boussac, der sich in der Kombüse in Deckung geworfen hatte, hatte keine andere Wahl. Er richtete sich zwischen den Kesseln auf, die sich aus ihren Halterungen gelöst hatten und durcheinanderrumpelten, und dachte: Ich will verflucht sein, wenn ich mich jemals wieder auf solch ein Mordunternehmen einlasse. Dann kroch er zu dem Koch, der durch eine heruntergefallene Pfanne am Kopf verletzt worden war, und begann, ihn zu verarzten.

Caligula trat auf dem Achterdeck zur Black Queen.

„Die Feuer sind gelöscht“, sagte er.

„Wie viele Tote haben wir?“

„Drei.“

„Verletzte?“

„Sechs Mann. Sie werden versorgt.“

„Werft die Toten in die See“, sagte die Queen. „Ladet die Geschütze nach. Wir warten ab, was die Bastarde als nächstes unternehmen. Wenn sie nicht angreifen, unternehmen wir auch nichts.“

„Warum versuchen wir nicht, das Schiff des Seewolfs zu entern?“ fragte er wutbebend.

„Ich will nicht zu viel riskieren“, erwiderte sie. „Das Kräfteverhältnis ist gleich, es gelingt uns nicht, die Hundesöhne zu überrumpeln.“

„Und die ‚Le Vengeur‘?“

„Du kannst zu ihr schwimmen und sie entern, wenn du willst“, sagte die Queen kalt.

Caligula glaubte, den Verstand verlieren zu müssen. Er hatte sich das Gefecht einfacher vorgestellt und auf das Duell gegen Ribault oder Siri-Tong gewartet. Jetzt war alles ganz anders, kein Sieg, kein Entermanöver, kein Blankwaffenkampf an Bord der „Le Vengeur“ oder der „Isabella“ – es war alles wie verhext. Wutschnaubend mußte auch er einsehen, daß es vorläufig in dieser Schlacht keine Ansatzpunkte mehr gab.

In der Endphase des Gefechts hatte sich also eine Art Patt-Situation ergeben. Es fiel kein Kanonenschuß mehr. Der Rauch verzog sich allmählich, die Konturen der Schiffe schälten sich aus den Schwaden hervor. Beigedreht und mit aufgegeiten Segeln lagen die vier Galeonen der Black Queen vor der Nordküste von Gran Cayman, und nur anderthalb Meilen entfernt verholten die „Isabella“, die „Le Vengeur“ und der Schwarze Segler in dichtem Verband, um sich gegen neue Ausfälle des Feindes zu schützen.

Thorfin Njal fluchte Mord und Bein, seine Stimme dröhnte zur „Isabella“ und zur „Le Vengeur“ hinüber. „Bei Geri und Freki, Odins Raben, bei allen Teufeln der Hölle! Zerspringen sollen diese Bastarde, die Pest soll sie zerfressen!“

„Was ist los, Thorfin?“ schrie Hasard.

„Sie haben mich mit einem Treffer am Ruder erwischt!“

„Seid ihr manövrierunfähig?“

„Fast!“ erwiderte der Wikinger. „Das schlägt dem Faß den Boden aus! Ich habe es erst jetzt festgestellt! Beim Donner, das zahle ich ihnen heim!“

„Jean!“ rief der Seewolf. „Wie sieht es bei dir aus?“

„Sie haben uns den Bugspriet und den Fockmast weggeschossen“, entgegnete der Franzose. „Damit sind wir noch bedingt gefechtstauglich. Aber wir können trotzdem noch von Glück reden. Wir haben keine Toten und nur ein paar Leichtverletzte!“

„Bei uns auch nur ein paar Kratzer!“ brüllte Thorfin Njal. „Aber wie ist bei dir die Lage, Hasard?“

„Geringe Gefechtsschäden“, erwiderte der Seewolf. „Keine Toten, keine Verwundeten, nur ein paar Beulen und Abschürfungen. Wir sind noch voll einsatzbereit.“

„Deck!“ schrie Dan O’Flynn, der zu Big Old Shane in den Großmars der „Isabella“ aufgeentert war. Sofort hatte er mit dem Kieker Umschau gehalten, um sich von dem Zustand des Feindes ein Bild zu verschaffen. „Die Schiffe der Queen sind beschädigt, alle vier! Aber sie scheinen noch manövrierfähig zu sein! Am schlimmsten sieht es auf der ‚Caribian Queen‘ aus!“

„Ja“, sagte Ben Brighton. „Wir haben ihnen ganz schön eingeheizt. Ich frage mich aber, ob es überhaupt etwas genutzt hat.“

„Die Katze läßt das Mausen nicht“, sagte Old Donegal Daniel O’Flynn mit Leichenbittermiene. „Und der Schlagetot läßt das Töten nicht. Wenn sie Luft geschnappt hat, holt sie zu ihrem nächsten Schlag aus. Achtung, Männer, der Tanz ist noch nicht vorbei.“

Diesmal sollte er sich irren. Gut eine Stunde verstrich, ohne daß auf beiden Seiten nennenswerte Aktivitäten ergriffen wurden. Pausenlos beobachteten die Parteien sich gegenseitig, jeder war auf einen Ausfall des anderen vorbereitet. Die Kanonen waren wieder feuerbereit, die Männer hockten auf ihren Gefechtsstationen.

Dennoch geschah nichts. Die Wut der Black Queen hatte sich vorerst gelegt. Sie wägte alle Gesichtspunkte der Lage ab und entschied sich für einen Kompromiß. Sie verzichtete auf eine Entscheidung. Sie wußte, daß der Seewolf ihr nicht folgen würde, da er den Kampf mit der „Isabella“ allein nicht aufnehmen konnte. Andererseits lohnte es sich auch nicht, ihn erneut anzugreifen, denn die „Isabella“, die „Le Vengeur“ und das schwarze Schiff bildeten eine kampffähige Einheit, die nicht zu brechen war.

Deshalb hielt die Queen es für richtig, Gran Cayman zu verlassen. Das Proviant- und Wasserfassen mußte auf sich warten lassen, sie war gezwungen, sich ihre Vorräte anderswo zu suchen.

Wichtig war jetzt für sie, Kurs auf Tortuga zu nehmen. Die Siedler von El Triunfo mußten in Sicherheit gebracht werden. Diese Männer hatten für ihre Zukunftspläne eine größere Bedeutung als ein sinnloses Gefecht mit einem ebenbürtigen Gegner.

Ratlos und einigermaßen verwirrt beobachteten die Männer der „Isabella“ und ihre Gefährten von der „Le Vengeur“ und „Eiliger Drache“, wie an Bord der „Caribian Queen“, der „Aguila“, der „Vascongadas“ und der „Buena Estrella“ jetzt wieder die Segel gesetzt wurden. Der Wind wehte nach wie vor aus Osten und briste jetzt etwas auf. Die „Caribian Queen“ setzte sich an die Spitze ihres Verbandes, die drei anderen Galeonen schlossen sich ihr in Dwarslinie an, leicht ramponiert, aber – wie Dan richtig erkannt hatte – noch voll seetüchtig und manövrierfähig.

„Sir“, sagte Shane, der inzwischen aus dem Großmars abgeentert war. „Ist das dein Ernst? Du läßt die Queen wirklich ziehen?“

„Überlege mal, Shane. Haben wir noch eine Chance gegen sie?“

„Mit den Pulverpfeilen und den Höllenflaschen schon. Wir könnten ihr auch ein paar Brandsätze aus Thorfins Depot zwischen die Kiemen feuern.“

„Das hat keinen Wert“, sagte Ferris Tucker. „Nur die ‚Isabella‘ reicht nicht aus. Die Hunde würden uns zusammenschießen. Betrachte die Dinge mal ein bißchen sachlicher.“

„Wir haben keine andere Wahl“, sagte der Seewolf. „Wir müssen den Verband abziehen lassen.“

„Schon gut, ich sehe es ein“, sagte der graubärtige Riese.

„Aber das war kein Kampf nach unserem Geschmack“, sagte Roger Brighton. „Ihm fehlte die Würze.“

„Nur die Ruhe“, sagte sein Bruder ironisch. „Die Würze kriegst du noch zu schmecken, mein Junge, und das nicht zu knapp, wenn mich nicht alles täuscht.“

„Richtig“, sagte der Seewolf. „Wir sind gezwungen, hierzubleiben, unsere Verwundeten zu versorgen und die Schäden an der ‚Le Vengeur‘ und dem Schwarzen Segler zu beheben. Dann sehen wir weiter.“

„Daß das letzte Wort in dieser Geschichte noch nicht gesprochen ist, steht schon jetzt fest“, fügte Old O’Flynn hinzu. „Und ich schätze, wir sehen die Queen früher wieder, als uns lieb ist.“

„Der Teufel soll sie holen“, sagte der Seewolf. „Wir haben in diesen Breiten nicht eher Ruhe, bis wir sie besiegt haben.“

ENDE


Frank Moorfield

Die Galeone der Frauen

1.

Auf Tortuga bahnte sich an jenem Novembertag im Jahre des Herrn 1593, an dem die Sonne wie ein alles versengender Feuerball am tiefblauen Himmel stand, ziemlicher Ärger an.

Doch davon ahnte Diego, der dicke Wirt der Felsenkneipe „Zur Schildkröte“, vorerst nichts. Er war noch voll damit beschäftigt, einem betrunkenen Kerl zu beweisen, daß er sein Handwerk in jeder Beziehung verstand. Dieser verluderte Bursche hatte doch tatsächlich gewagt, ihm die Faust vor die Brust zu donnern, weil er sich geweigert hatte, ihm noch mehr Wein auf Pump zu kredenzen.

Der kleine, etwas bullige Mann geiferte vor Wut.

„Dir werde ich’s zeigen, du verdammter Geizkragen!“ schrie er. „Erst haue ich dich in Stücke, dann nehme ich mir dieses stinkende Rattenloch vor! Du wirst noch darum winseln, mir einen Humpen Wein spendieren zu dürfen!“

Diegos Schweinsäuglein verengten sich.

„Eins sage ich dir, du mickrige Saufeule: Diegos Kneipe mag – gemessen an ihren Gästen – eine Räuberhöhle sein. Aber sie ist kein stinkendes Rattenloch, das solltest du dir merken!“

Bevor der Betrunkene den Kopf senken konnte, um ihn dem Wirt in den mächtigen Bauch zu rammen, riß dieser die Arme hoch und trieb ihn mit raschen und wuchtigen Hieben vor sich her. Schließlich packte er ihn am Kragen seines dreckigen Hemdes und verpaßte ihm einen gewaltigen Fausthieb unter das Kinn.

Der Radaubruder ächzte wie ein vom Sturm gebeuteltes Schiff, taumelte zurück und stieß gegen den Tisch, an dem er noch vor wenigen Minuten gesessen hatte. Das grobgezimmerte Möbelstück stürzte um, und der wütende Zecher ging mit ihm zu Boden. Die wenigen Schlucke Rotwein, die sich noch in seinem Humpen befunden hatten, flossen über den kühlen Steinboden.

Diegos feistes Gesicht verzog sich zu einem schadenfrohen Grinsen.

„Gleich wirst du sehen, wo Schnorrer und Ratten hingehören“, versprach er. „Und wenn du dich noch mal hier blicken läßt, stopfe ich dich kopfüber in ein Essigfaß. Da kannst du umsonst saufen, soviel du willst.“

Der Wirt der „Schildkröte“, wußte, wie man eine Kneipe so richtig „ausmistete“, schließlich gehörte das zu seiner täglichen Arbeit. Außerdem mochte er es nicht, wenn man seine inniggeliebte Goldgrube als „stinkendes Rattenloch“ bezeichnete, auch wenn es sich nur um eine tief in den Felsen reichende Höhle handelte, in der es zahlreiche Räume, Gänge und Nischen gab.

Unter dem lauten Gegröle der anderen Zecher stapfte er auf den Kerl zu, der benommen am Boden lag, packte ihn kurzerhand am Gürtel und schleifte ihn zur Tür hinaus. Dort warf er ihn schwungvoll in die Gosse.

Nachdem Diego die Hände an seiner speckigen Schürze abgewischt hatte, wollte er in die „Schildkröte“ zurückkehren. Doch da fielen seine Blicke hinunter zur Hafenbucht. Was er dort sah, ließ das Grinsen in seinem Gesicht augenblicklich verschwinden.

„Por Dios!“ entfuhr es ihm, dann schlug er hastig das Kreuzzeichen.

Ähnlich erging es vielen anderen Bewohnern Tortugas, die teils fluchend, teils mit kalten Schauern auf dem Rücken zu den vier Schiffen starrten, die in die Hafenbucht einliefen.

Drei davon waren ihnen zwar unbekannt, aber das andere genügte, um reichlich gemischte Gefühle hervorzurufen – jener düster wirkende Zweidecker nämlich, der den anderen vorausgesegelt war und gerade vor Anker ging.

„Die Black Queen ist wieder da!“ Diese Nachricht verbreitete sich in Windeseile über die Insel. Und jeder, der sie hörte, wußte, was sie zu bedeuten hatte.

In der Karibik war seit Wochen der Teufel los, und zwar in Gestalt einer Frau, deren Haut so schwarz war wie ihre Augen und ihr dichtes Kraushaar. Seit sie mit ihrem rahgetakelten Zweidecker See und Küsten verunsicherte, gab es ständig neuen Ärger. Davon hatte man auf Tortuga ohnehin schon genug.

Die Insel, die Hispaniola im Norden vorgelagert ist, galt bereits seit Jahrzehnten als berüchtigtes Piratennest, in dem sich lichtscheues Gesindel aller Rassen und Sprachen herumtrieb. Obwohl von zahlreichen Machtkämpfen heimgesucht, hatte es doch keiner geschafft, das „Schildkröteneiland“ auf Dauer zu beherrschen. Nach blutigen Gefechten waren immer wieder Zeiten der Ruhe eingekehrt.

Doch seit die Black Queen mit ihrem Zweidecker namens „Caribian Queen“ vor Tortuga aufzukreuzen pflegte, konnte selbst der friedlichste Schnapphahn nicht mehr in Frieden leben.

Wo immer die herrschsüchtige Negerin vor Anker ging, da krachten bald die Kanonen – nicht zuletzt deshalb, weil das Teufelsweib, das sich mit Vorliebe Black Queen nennen ließ, dem „Bund der Korsaren“ den Krieg erklärt hatte.

Die unermeßlichen Schätze, die auf der geheimnisvollen Schlangen-Insel lagern sollten, gingen der Piratin seit Wochen nicht mehr aus dem Kopf. Und so blieb es nicht aus, daß sie immer wieder heftig mit Jean Ribault, der Roten Korsarin, dem behelmten Wikinger und zuletzt auch mit den Seewölfen aneinandergeriet. Die Kämpfe zwischen den Schiffen von der Schlangen-Insel und der Black Queen hatten Tortuga schon bis in die Grundfesten erschüttert.

Diego kratzte sich ausgiebig am Hinterkopf.

„O heiliger Santiago!“ seufzte er und wölbte den Bauch vor, daß die Schürze zu zerreißen drohte. „Was hat das nun wieder zu bedeuten?“

Der plötzliche Aufmarsch eines ganzen Verbandes gab ihm zu denken, denn ohne Zweifel gehörten die drei sehr spanisch aussehenden Galeonen zum Gefolge der Black Queen, auch wenn er sie noch nie im Hafen von Tortuga gesehen hatte.

Ihre Namen konnte er bald entziffern. Es handelte sich um die „Aguila“, die „Vascongadas“ und die „Buena Estrella“. Die Galeonen sahen demnach nicht nur spanisch aus, sondern hatten auch spanische Namen. Außerdem befanden sich, wie er deutlich sehen konnte, jede Menge Leute an Bord. Was hatte die Black Queen diesmal vor? Er wurde das verdammte Gefühl nicht los, daß es mit dieser Flotte eine besondere Bewandtnis haben mußte.

Diego verharrte noch einen Moment auf seinem Platz, denn in der Kneipe würden sich schon die Schankknechte darum kümmern, daß die Humpen rechtzeitig nachgefüllt wurden und das Geld dafür den Besitzer wechselte.

Doch plötzlich fiel dem dicken Diego ein, daß er ja der einzige Wirt auf Tortuga war. Sein ausgeprägter Geschäftssinn erwachte blitzartig und ließ ihn rasch das böse Omen, das die Anwesenheit der Black Queen für die Insel darstellte, vergessen. Vier Schiffe – dem Herrn sei Dank! –, das bedeutete, daß seine Felsenkneipe in kurzer Zeit von durstigen Männern überschwemmt sein würde.

Das feiste Gesicht des Wirts verzog sich zu einem zufriedenen Grinsen. Viele Zecher – das brachte Zuwachs für seine Lederbeutel, die er an einem sicheren Ort tief in der Grotte auf bewahrte, die würden von Stunde zu Stunde praller werden.

Diego rieb sich die Hände. Geld stank ja bekanntlich nicht, auch nicht, wenn es von der Black Queen und ihren Schnapphähnen stammte. Außerdem – was konnte ihm schon passieren? Er war ein neutraler und friedfertiger Mensch, der es bisher immer verstanden hatte, sich aus brenzligen Situationen herauszuhalten. Er schlängelte sich gewissermaßen in der Mitte hindurch und verstand es, auf allen Schultern zu tragen. Nur so konnte man auf Tortuga überleben, das hatte er schnell herausgekriegt.

Diego hatte es jetzt sehr eilig. So schnell ihn die Beine trugen, eilte er in die „Schildkröte“ zurück. Dort trat er noch einem Betrunkenen, der auf allen vieren am Boden herumkroch, in den Hintern und verscheuchte eine allzu aufdringliche Hafenhure. Dann verzog er sich hinter seinen Schanktisch.

Nachdem er seine Gehilfen mit zahlreichen Kruken in den Weinkeller geschickt hatte, ließ er jene Tische räumen, an denen Betrunkene ihren Rausch ausschliefen. Gleich wurde jede Menge Platz gebraucht, und den verschaffte sich Diego, ohne dabei zimperlich zu sein. Schließlich mußte die „Schildkröte“ auf den großen Ansturm vorbereitet sein.

Der Hafen von Tortuga, in dem meist ein buntes Leben und Treiben herrschte, wirkte innerhalb kurzer Zeit wie ausgestorben.

Die Piers und Stege, auf denen sonst Faulenzer, Neugierige und Abstauber herumlungerten, waren plötzlich wie leergefegt. Die Schnapphähne und Händler, die in der Nähe Beutegut verhökerten, packten ihren Kram zusammen und verschwanden. Einige Fischer versuchten hastig, ihre Boote zu einem abgelegeneren Teil der Hafenbucht zu bringen – für den Fall, daß es hier wieder einmal Kleinholz geben sollte.

Die Black Queen ging zusammen mit Caligula, Jaime Cerrana, Willem Tomdijk und Emile Boussac an Land. Sie bemerkte sehr wohl die überstürzten Sicherheitsvorkehrungen, aber sie bedachte das Ganze nur mit einem zynischen Lächeln. Schließlich zeigte diese Verhaltensweise, daß man einen höllischen Respekt vor ihr hatte. Das konnte ihr bei all ihren Zukunftsplänen nur recht sein.

Vorsichtshalber hatte die schwarze Piratin nur einem Drittel aller Männer Landgang gewährt, damit die Gefechtsbereitschaft aller vier Schiffe gewährleistet blieb. Sie hatte auf Tortuga bereits ihre Erfahrungen gesammelt, und die Niederlagen, die ihr der Franzose Jean Ribault und der Wikinger mit seinem schwarzen Schiff bereitet hatten, wollte sie auf keinen Fall noch einmal erleben.

Ja, sie bot ein beeindruckendes Bild, die Black Queen, wie sie da im Gefolge übler Halunken und Halsabschneider auf die „Schildkröte“ zuhielt.

Normalerweise hätte das Gesindel, das sonst den Hafen bevölkerte, Stielaugen gekriegt und gierig mit der Zunge geschnalzt, wenn sich eine Frau wie die Black Queen gezeigt hätte – halbnackt, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, der von einem handbreiten Ledergürtel festgehalten wurde.

So aber hielt man sich zurück und ging dieser selbsternannten Königin mit dem geradezu athletischen Körperbau tunlichst aus dem Weg, denn sie war nicht nur mit weiblichen Reizen, goldenen Ohrringen und einer kostbaren, ineinander verschlungenen Halskette ausgestattet, sondern auch mit Waffen, die an ihren eigentlichen Charakter erinnerten. In ihrem Gürtel trug sie eine wertvolle doppelläufige Pistole und ein ungewöhnlich geformtes Entermesser.

Ihr Begleiter, Partner und Liebhaber namens Caligula, Sohn des berüchtigten Oberschnapphahns Caligu, der in der Windward-Passage sein Leben ausgehaucht hatte, war nicht weniger beeindruckend. Auch er war pechschwarz und von muskulöser Gestalt. Im Gürtel, der seine weiße Pumphose festhielt, trug er die gleichen Waffen wie die Black Queen, und was Skrupellosigkeit, Verschlagenheit, Brutalität und Intelligenz betraf, stand er ihr ebenfalls in nichts nach.

Caligula war es, der sein Gesicht zu einem spöttischen Grinsen verzog.

„Das Gelichter hier scheint uns aus dem Weg zu gehen“, bemerkte er. „Das sind gute Vorzeichen für die Zukunft, denn wir werden den Bewohnern von Tortuga künftig einigen Respekt abverlangen, nicht wahr?“

Die Queen lächelte.

„Laß die Köter nur kuschen, Caligula. Was sie bereits können, brauchen wir ihnen nicht beizubringen.“

Jaime Cerrana, der neue Anführer und Kapitän der Meuterer auf der „Aguila“, lachte dröhnend.

„Das ist ein wahres Wort, Queen“, sagte er. „Eines Tages wird die ganze Karibik vor uns kuschen, einschließlich der verdammten Kerle von der Schlangen-Insel.“

Das Gesicht der Queen wurde ernst und verbissen.

„Erinnere mich nicht an diese Bastarde, Jaime! Wenn ich nur an sie denke, könnte ich rasend werden. Das wird sich erst ändern, wenn mir diese Hunde winselnd aus der Hand fressen. Und das wird bald der Fall sein, das schwöre ich euch.“

Niemand sagte etwas darauf, selbst der geschwätzige Emile Boussac nicht. Sie wußten alle, was es für Folgen haben konnte, wenn die Black Queen innerlich kochte. Da genügte mitunter ein verkehrtes Wort oder ein schräger Blick, und sie riß ihr Entermesser aus dem Gürtel und stieß zu. Das aber wollte keiner riskieren, denn die Aussicht, halbtot oder tot über die berüchtigte Totenrutsche von Tortuga ins Wasser zu gleiten, wo eine Schar gefräßiger Haie ständig auf Nachschub lauerte, war alles andere als verlockend.

Bald war die Felsenkneipe „Zur Schildkröte“ erreicht. In der Grotte herrschte buchstäblich dicke Luft, es roch nach Bier, Wein, Rum und Schweiß. An den Tischen im Schankraum und in den zahlreichen Felsnischen verstummten sofort alle Gespräche, als die Black Queen mit ihrem Gefolge eintrat und sich mit prüfenden Blicken umsah. Es fiel den Zechern sehr wohl auf, daß sie dabei stets die Hand am Griff ihrer silberbeschlagenen Pistole hatte.

Lediglich Diego glaubte es dem Ruf seiner Kneipe schuldig zu sein – und wohl auch ein bißchen dem eigenen Hals –, die neuen „Gäste“ überschwenglich zu begrüßen. Er ahnte zwar instinktiv, daß es irgendwann Ärger geben würde, aber Geschäft war eben Geschäft.

„Welch eine Überraschung, dich in meiner bescheidenen Schenke zu sehen, Black Queen“, sagte er dienernd. „Wo möchtest du dich mit deinen Leuten niederlassen? Wenn euch der Trubel stört, lasse ich natürlich einige Trunkenbolde rauswerfen.“

Diego deutete eine leichte Verbeugung an, nicht ohne einen flüchtigen Blick auf die festen, nackten Brüste der Piratin zu werfen.

„Nicht nötig“, erwiderte die Queen. „Wenn mir eine Visage nicht paßt, werfe ich den dazugehörigen Kerl schon selber raus. Doch vielleicht hast du eine ruhige Ecke für uns, von der aus man die Grotte überblicken kann.“

„Natürlich!“

Diego eilte dienstbeflissen zu einer Felsennische, um einen hageren Kerl, der dort mit glasigem Blick hockte und wie hypnotisiert auf die halbnackte Black Queen starrte, zu verscheuchen.

„Verschwinde, Pedro!“ sagte er mit gedämpfter Stimme. „Dieser Platz wird gebraucht.“

Doch der hagere Mann, dem man den Schnapphahn auf den ersten Blick ansah, zeigte keine Anstalten, sich zu erheben. Seine gierigen Blicke hatten sich an der Negerin, die mit ihren Begleitern langsam auf die Nische zuging, festgesaugt.

„Du sollst verschwinden, Pedro!“ drängte Diego und packte den Hageren an der Schulter.

Doch der schüttelte die Hand des dicken Wirts ab.

„Ich – ich denke nicht daran!“ stieß er mit schwerer Zunge hervor. „We-wegen einer hergelaufenen Hafenhure stehe ich nicht auf. Bring mir noch einen Humpen Bier, Diego!“ Auf dem zernarbten Gesicht des Mannes erschien ein anzügliches Grinsen. Er schien nicht zu begreifen, mit wem er es zu tun hatte. Lallend fuhr er fort: „Die geht aber ran, he? Ist schon fast nackt. Teufel, was für ein Weib! We-wenn sie Platz braucht, soll sie sich doch zu mir setzen! Meine Knie sind noch frei.“

Diego erbleichte, und plötzlich war es in der Grotte so still, als befände man sich auf einem Friedhof.

Die Black Queen verhielt ihre Schritte, ihre pechschwarzen Augen funkelten böse.

„Du scheinst mich mit jemandem zu verwechseln, du Mistkerl“, sagte sie mit gefährlich leiser Stimme. „Deshalb wird es Zeit, daß du mich kennenlernst. Ich mag es nämlich nicht, wenn mich ein stinkender Ziegenbock als Hafenhure bezeichnet.“

Wie durch Zauberei lag plötzlich die doppelläufige Pistole in ihrer Hand. Ein Schuß krachte, und aus einem der beiden Läufe stach eine grelle Mündungsflamme hervor. Ohne noch einen Laut von sich zu geben, kippte der hagere Kerl von der Holzbank. Auf seiner Stirn klaffte ein Loch.

Die Queen drehte sich mit steinernem Gesicht um, immer noch die Pistole in der Hand haltend.

„Möchte noch jemand ein anzügliches Kompliment loswerden?“ fragte sie, und ihre Stimme klang unsagbar kalt und böse. „Ich habe noch eine Kugel im zweiten Lauf, und die Haie, die unter der Totenrutsche warten, vertragen bestimmt noch einen zweiten Happen.“

Es herrschte noch immer Totenstille. Niemand rührte sich. Selbst diejenigen, die nach ihren Humpen gegriffen hatten, führten sie nicht zum Mund.

Die Black Queen selber löste die allgemeine Verkrampfung.

„Laß den Toten wegschaffen, Diego“, sagte sie und schob die Pistole in den Gürtel zurück.

Noch während der Wirt dafür sorgte, daß die Schankknechte die Leiche hinaustrugen, ließ sich die schwarze Piratin, als sei nicht das geringste vorgefallen, mit Caligula, Willem Tomdijk, Jaime Cerrana und Emile Boussac in der „frei gewordenen“ Nische nieder.