Kitabı oku: «Seewölfe Paket 20», sayfa 22

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Die Frauen und die Kinder fuhren zu ihm herum und blickten ihn entsetzt an. Er schloß das Fenster, lächelte und deutete eine Verbeugung an, dann sagte er in seinem perfekten Spanisch: „Buenas diaz, einen schönen guten Tag wünsche ich. Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben, Señoras, ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Ihre Probleme können gelöst werden.“

Pablito, der sich auch gerade in dem großen Raum aufhielt, sah ihn neugierig an und fragte: „Wer bist du denn?“

„Ein Freund, mein Junge.“

„Spanier?“

„Nein. Aber das ist nicht so wichtig.“

„Mein Vater ist schwer verletzt worden“, sagte Pablito. „Aber jetzt geht es ihm wieder besser. Das Fieber hat nachgelassen, und er ist gerade zu sich gekommen. Willst du ihn sehen?“ Der Junge wartete die Antwort nicht ab, er zog Hasard an der Hand einfach hinter sich her.

Die Frauen, die Kinder und die wenigen Männer, die sich in diesem Raum aufhielten, sahen ihnen völlig entgeistert nach. Viele hatten die Augen weit aufgerissen und den Mund geöffnet. Keiner wußte, was er sagen sollte.

Pablito zerrte Hasard in die Kammer, in der Ramón Vega Venteja auf seinem Krankenlager lag. Sabina hockte auf der Kante der Kojenumrandung und hielt seine Hand. Pablito und Hasard verharrten bei ihnen, und die beiden Männer musterten sich.

Ramón verfügte nach Überzeugung des Feldschers über eine Bärennatur. Früher als erwartet hatte er den „kritischen Punkt“ überstanden und befand sich jetzt auf dem Weg zur vollen Genesung.

„Eine Schußverletzung?“ fragte der Seewolf.

„Ja, Señor. Aber ich habe Glück gehabt“, erwiderte Ramón mit noch relativ schwacher Stimme. „Weder das Herz noch die Lunge wurden verletzt. Und auch die Knochen sind heil geblieben. Aber wer sind Sie? Ich – habe Sie an Bord der ‚Almeria‘ noch nicht gesehen?“

„Vielleicht ist er von der ‚San Sebastian‘“, sagte Sabina. Aufmerksam betrachtete auch sie den Seewolf.

„Ist das die andere Galeone?“ fragte Hasard.

Pablito nickte. „Ja, und auch dort hat es eine Meuterei gegeben, wie hier.“

„So etwas habe ich mir schon gedacht“, sagte Hasard. „Ich bin zufällig vorbeigesegelt und habe die Schüsse vernommen. Da dachte ich mir, es sei richtig, nach dem Rechten zu sehen.“

Ramóns Blick war fest auf sein Gesicht gerichtet. „Señor, Sie sind kein Spanier – und bestimmt auch kein Handelsfahrer. Wer sind Sie?“

„Ein guter Freund.“

„Ein Pirat?“ fragte Ramón leise.

„Piraten bieten Hilfsbedürftigen im allgemeinen nicht ihre Unterstützung an, sondern plündern sie kaltblütig aus“, entgegnete der Seewolf. „Was Sie am dringendsten brauchen, scheint Trinkwasser zu sein, und natürlich Proviant. Kann ich mit Ihrem Kapitän darüber reden?“

„Das nehme ich an“, erwiderte Ramón.

„Wo ist er?“

„In seiner Kapitänskammer. Sein Name ist Juan Alentejo. Er ist ebenfalls verwundet.“

Hasard lächelte. „Aber wahrscheinlich ist er genauso zäh wie Sie, mein Freund. Gehören Sie zu den Offizieren?“

„Nein. Ich bin Schmiedemeister.“

„Sie sind also ein Mann der Crew?“

„Auch das nicht. Ich bin einer der Siedler, die sich auf Kuba niederlassen werden. Ich werde in den Kupferminen arbeiten, verstehen Sie?“

„Glaub schon“, erwiderte der Seewolf. „Handelt es sich bei der ‚San Sebastian‘ und der ‚Almeria‘ um Auswandererschiffe?“

„Das ist richtig.“

„Und sie haben sonst keine Ladung an Bord?“

„Die Frachträume waren vollgestopft mit Menschen“, erwiderte Ramón schwach. „Jetzt hat sich alles verlagert. Vorn hocken die Meuterer, achtern haben wir uns verschanzt. So ist die Lage auf beiden Schiffen.“ Sein Gesicht hatte die Farbe alten Talges, er war stark geschwächt. Sabina wischte ihm mit einem weißen Tuch den Schweiß von der Stirn, Pablito hatte sich zu ihr auf den Kojenrand gesetzt und drückte seine Hand.

„Schlafen Sie, Amigo“, sagte Hasard. „Ich unterhalte mich jetzt mit dem Capitán Alentejo. Es gibt eine Lösung – für alles. Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Zukunft.“

„Danke.“

Hasard strich beiden Kindern mit der Hand über den Kopf. „Alles Gute. Vielleicht sehen wir uns mal wieder.“

„Ja, hoffentlich“, sagte Pablito. „Du bist in Ordnung, Señor.“

Hasard verließ den Raum und schritt nach achtern. Hinter ihm standen Männer und Frauen im Schiffsgang und blickten ihm mit den gleichen verdutzten und ratlosen Mienen wie vorher nach. Warum unternahmen sie nichts? War denn überhaupt sicher, daß er ihnen helfen wollte? Konnte er nicht ein Verbündeter der Meuterer sein – oder irgendein Schnapphahn?

Es war die Art, wie Hasard sich bewegte – seine Selbstsicherheit. Sie entwaffnete, sie ließ keine Zweifel zu. Ein Mann, der sich so benahm, konnte kein Feind sein.

Hasard schritt ungehindert auf dem Mittelgang des Achterkastells bis zur Tür der Kapitänskammer, verharrte und klopfte an. Niemand war hinter ihm. Der Erste Offizier befand sich gerade auf dem Achterdeck, ebenso der Steuermann und die anderen Offiziere. Und die Jolle der „Pommern“, die am Heck der „Almeria“ dümpelte, hatte immer noch keiner bemerkt.

Höflich klopfte Hasard noch einmal.

„Bitte sehr“, ertönte es von innen.

Er öffnete die Tür.

Juan Alentejo glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er im Schein der Öllampe den fremden Mann in seine Kammer treten sah.

„Wer sind Sie?“ fragte er. „Was haben Sie hier zu suchen?“

„Das bin ich schon ein paarmal gefragt worden“, entgegnete der Seewolf und drückte die Tür hinter sich ins Schloß. „Aber Sie brauchen nicht zu schießen. Sie können die Pistole ruhig weglegen, Señor Alentejo.“

„Woher kennen Sie meinen Namen?“

„Ich habe eben mit Ihren Passagieren gesprochen.“

„Nochmals – wer sind Sie?“

„Señor“, sagte Hasard ernst. „Mein Name tut nichts zur Sache. Ich will Ihnen nur meine Hilfe anbieten. Ich bin zufällig vorbeigesegelt und habe die Schüsse gehört. Ich hielt es für meine Pflicht, zu Ihnen an Bord zu entern und mir ein Bild von der Lage zu verschaffen. Ich habe die Frauen und Kinder gesehen, die Durst und Hunger leiden.“

„Unsere Vorräte sind fast am Ende.“

„Das meiste befindet sich vorn – und dort sind die Meuterer, nicht wahr?“

„Ja.“

„Ich habe zwei Schiffe“, erklärte der Seewolf, „ich zwei gute Crews und genug Waffen. Ich traue mir zu, diese Bande zu erledigen. Danach können Sie auf Kuba soviel Frischwasser und Proviant fassen, wie Sie wollen.“

Alentejo atmete jetzt doch auf. Die Pistole hatte er sinken lassen. Irgendwie flößte ihm der schwarzhaarige Riese unglaublichen Respekt ein, aber auch großes Vertrauen. „Aber – wie stellen Sie sich eine solche Rettungsaktion vor, Señor?“

„Überlassen Sie das ruhig mir. Wichtig ist, daß Sie Ihre Männer informieren, damit sie nicht auf uns schießen, wenn wir mit unseren Beibooten aufkreuzen.“

„Selbstverständlich. Und ich werde auch Gomez Rascón von der ‚San Sebastian‘ ein entsprechendes Zeichen geben.“

„Ausgezeichnet. Wir schlagen zu, bevor es ganz hell wird, im Morgengrauen also.“

„Wenn Sie das für uns tun – Santa Maria, ich weiß nicht, wie ich Ihnen dafür danken soll“, sagte Alentejo mit echten Anzeichen von Verlegenheit.

„Wir verlangen keinen Dank“, sagte Hasard. „Es gibt ungeschriebene Gesetze der Menschlichkeit, die Sie genausogut kennen wie ich. Unterlassene Hilfeleistung ist ein erbärmliches Verbrechen. Reden wir nicht mehr darüber, Señor Alentejo. Für wichtig halte ich hingegen, daß Sie Ihren Leuten die Order geben, die Meuterer durch Schüsse ein bißchen abzulenken, wenn wir aufkreuzen.“

„Das läßt sich einrichten“, sagte der Spanier. „Aber Sie haben mir immer noch nicht Ihren Namen verraten, Señor.“

Hasard winkte ab. „Das ist wirklich unwichtig. Wer sich in Not befindet, braucht nicht unbedingt den Namen dessen zu erfahren, der ihm helfen will.“

Alentejo setzte sich in seiner Koje auf. Sein Schulterverband behinderte ihn nicht, aber er hatte noch große Schmerzen. Trotzdem verzog er keine Miene. Er musterte seinen merkwürdigen Besucher aufmerksam.

„Geben Sie sich keine Mühe“, sagte Hasard lächelnd. „Wir kennen uns nicht. Und das ist vielleicht auch gut so.“

„Sind Sie – Engländer?“

„Glauben Sie das?“

„Ich meine nur, einen ganz feinen englischen Akzent bei Ihnen herauszuhören“, entgegnete Alentejo lächelnd. „Aber es lohnt sich wirklich nicht, zu viele Fragen zu stellen.“ Er erhob sich und trat auf Hasard zu, dann reichte er ihm die Hand. „Was wichtiger ist: Sie scheinen mir ein Ehrenmann vom Scheitel bis zur Sohle zu sein, Señor. Ich danke Ihnen.“

„Bedanken Sie sich nicht zu früh.“ Hasard ergriff die ihm dargebotene Hand und drückte sie fest. „Sagen Sie mir lieber genau, was vorgefallen ist, damit ich meine Taktik darauf einstellen kann.“

Das tat Juan Alentejo, und der Seewolf lauschte aufmerksam seinen Worten.

Kurze Zeit darauf verließ er die Kapitänskammer, kehrte in den Passagierraum zurück und verließ das Schiff auf dem Weg, den er auch vorher gewählt hatte. Im Fenster wandte er sich noch einmal um.

„Wir hauen euch raus“, sagte er zu den Männern, Frauen und Kindern. „Verlaßt euch drauf.“

„Viva!“ rief Pablito. „Hoffentlich sehen wir uns bald wieder!“

Hasard enterte in die Jolle der „Pommern“ ab, wo Shane, Ferris, Blacky und Dan ihn ebenfalls mit ziemlich verblüfften Mienen erwarteten.

„Was ist denn los gewesen?“ fragte Dan. „Das hat ja verdammt lange gedauert.“

„Ich erzähle es euch gleich“, entgegnete der Seewolf. „Los, legt erst mal ab. Wir müssen zurück zu den Schiffen pullen und einen genauen Plan entwerfen.“

Das Boot entfernte sich nordwärts. Juan Alentejo blickte ihm von den Fenstern der Heckgalerie aus nach und fuhr sich nachdenklich mit der Hand übers Kinn. Was sind das bloß für Männer? fragte er sich im stillen. Dann aber sagte er sich auch wieder, daß es nur richtig war, nicht zuviel zu wissen.

8.

Im Morgengrauen, als noch Nebelschleier über der inzwischen ruhigen See lagen, näherten sich die Jollen der „Pommern“ und der „Caribian Queen“ mit je elf Männern besetzt den Vorschiffen der beiden spanischen Galeonen. Hasard führte die erste Jolle, bei ihm waren Shane, Ferris, Smoky, Al Conroy, Gary Andrews, Pete Ballie, Sam Roskill, Renke Eggens und weitere drei Männer der „Wappen von Kolberg“-Crew. Der andere Bootsführer war Dan O’Flynn, begleitet von Carberry, Blacky, Stenmark, dem Kutscher, Matt Davies, Luke Morgan und vier Männern von der „Wappen von Kolberg“.

Hasard steuerte auf die „San Sebastian“ zu, Dan auf die „Almeria“. Auf beiden Schiffen beobachtete man sie vom Achterdeck aus, doch kein Schuß fiel, kein Ruf wurde laut. Alentejo hatte seine Männer genau unterrichtet, und auch Rascón wußte inzwischen Bescheid. Schweigend verfolgten sie, wie sich die Jollen den Bugpartien ihrer Galeonen näherten und lautlos unter die Galions glitten.

Dann enterten die Seewölfe und ihre Kameraden, die Kolberger, wie die Katzen die Vorkastelle der Schiffe. Noch hatten die Meuterer nichts von dem Unternehmen bemerkt. Dafür gab es Gründe: Fierros und auch Marcela Buarcos’ Bande waren arg zusammengeschrumpft. Wachtposten auf der Back wurden nicht mehr aufgestellt, zumal immer wieder die Gefahr bestand, daß sie vom Achterdeck aus durch gezielte Musketenschüsse getötet wurden, – gerade jetzt, im Heraufziehen des neuen Tages.

Außerdem scharten sich die Kerle um ihre Anführer, auf der „San Sebastian“ um Fierro und Vitaliano, die eine hitzige Diskussion begonnen hatten, auf der „Almeria“ um Marcela, die gerade mit einem besonders großen Brandtopf beschäftigt war, mit dem sie das Achterdeck endgültig auszuräuchern gedachte.

„Du bist ein Versager“, sagte Vitaliano zu Fierro. Er konnte nicht länger an sich halten. „Du hast alles falsch angepackt. Die von drüben, von der ‚Almeria‘, haben versucht, sich mit uns zu verbünden, damit wir wenigstens schon mal die ‚San Sebastian‘ erobern. Und was hast du getan?“

„Nichts“, erwiderte Fierro mit finsterer Miene. „Sollte ich vielleicht ins Wasser hüpfen und Versuchen, sie rauszuziehen? Dann hätten die Haie auch mich zerrissen. Aber darauf wartest du nur, wie?“

„Du hättest die Ankertrosse kappen können.“

„Wir wären noch weiter von ihnen abgetrieben.“

„Nein!“

„Das Schiff hat nicht nur einen Bug-, sondern auch einen Heckanker!“

„Wir müssen bei der ‚Almeria‘ längsseits gehen!“ stieß Vitaliano erregt hervor. „Das ist unsere einzige Chance! Gemeinsam mit den anderen sind wir eine Macht! Allein nicht! Wir können das Achterdeck nicht aushungern!“

„Doch!“ brüllte Fierro. „Bald sind sie am Ende, die Hunde! Sie haben schon jetzt nichts mehr zu beißen und zu saufen!“

„Auch der Sturm gegen das Schott war ein Fehler! Es hat zu viele Tote gegeben!“ schrie Vitaliano.

„Zu viele Tote, jawohl“, stimmten auch zwei oder drei andere mit ein.

„Und Rosaria ist auch tot!“ brüllte Vitaliano. „Alles deine Schuld!“

„Du trauerst der Hure wohl noch nach, was?“ Fierro hatte genug. Seine Hände schossen hoch, er packte Vitaliano und zerrte ihn zu sich heran. Vitaliano riß sein Messer aus dem Gurt.

„Laß mich los!“ schrie er.

Genau in diesem Augenblick tauchte der Seewolf auf. Er hatte sich von der Galionsplattform angeschlichen, war im Gang stehengeblieben und hatte eine Weile gelauscht. Himmel, dachte er, die zerfleischen sich gegenseitig. In der Zwischenzeit waren auch Shane, Ferris, Renke Eggens, Smoky und die anderen hinter ihm eingetroffen.

Jetzt war Hasard mit einem Satz mitten unter den Meuterern und rammte Fierro die Faust gegen die Brust. Fierro taumelte zurück. Vitaliano stieß einen Fluch aus und wandte sich gegen Hasard, aber Shane wuchs wie ein Schemen hinter ihm hoch und fällte ihn mit einem gewaltigen Hieb.

„Verrat!“ brüllte Fierro.

„Säbelt sie nieder!“ schrie einer seiner Kumpane.

Aber die Seewölfe hatten das Überraschungsmoment voll ausgenutzt. Bevor die Kerle sich recht versahen, war der Raum mit Gestalten gefüllt, und es hagelte Hiebe.

„Raus!“ schrie Fierro. „Nichts wie weg hier!“

Aber es war zu spät. Fierro versuchte zwar noch, sich mit einem Schiffshauer, den er rasch an sich brachte, einen Weg zu bahnen, aber er hatte nicht mit dem Seewolf gerechnet. Hasard blockte ihn mit dem Degen ab. Zwei, drei Streiche, geschickt und mit Wucht geführt, genügten, und Fierros Säbel klirrte zu Boden.

„Wer seid ihr?“ brüllte der Kerl verzweifelt. „Was wollt ihr hier?“

„Wir klaren ein bißchen auf!“ rief Hasard – dann wirbelten seine Fäuste, und Fierro wurde erneut zurückgeworfen.

Fierros Verzweiflung schlug in unbändigen Zorn um.

Doch Hasard war auf der Hut. Reaktionsschnell trat er zur Seite, entging dem ersten Hieb seines Gegners und duckte sich, als Fierro erneut zuschlug. Die Faust prallte an seiner rechten Schulter ab. Hasard unterlief Fierros Arme, riß ihn mit sich um, und sie landeten hart auf den Planken. Hier wälzten sie sich, und jeder versuchte, dem anderen so viele Hiebe wie möglich beizubringen.

Ferris, Smoky, Al, Gary und die anderen hatten sich gleichfalls mit Feuereifer ins Gefecht begeben. Gleich dem ersten Kerl, der sich ihm entgegenstellte, trat Ferris die Axt aus der Hand. Sie polterte zu Boden. Zwei Schläge genügten, und auch dieser Kerl brach zusammen. Er blieb neben Vitaliano liegen.

Die Tatsache, daß Vitaliano bereits an Deck lag, war für die meisten Kerle ein entmutigendes Zeichen. Innerlich hatten sich die meisten bei dem Disput bereits auf Vitalianos Seite gestellt. Und jetzt dies! War Vitaliano doch nicht der geeignete Mann gewesen, schlauer und gerissener als Fierro? Fierro war noch bei vollem Bewußtsein und kämpfte wie ein Besessener mit dem großen schwarzhaarigen Mann, der der Anführer der Angreifer zu sein schien. Wäre es nicht doch ein Fehler gewesen, Fierro auszubooten, wie Vitaliano vorgehabt hatte?

Was war richtig, was falsch? Verwirrung herrschte, hinzu kam, daß die Meuterer der „San Sebastian“ nicht die geringste Ahnung hatten, mit wem sie es zu tun hatten. Wer waren diese Fremden, die so plötzlich aufgetaucht waren und wie die Teufel angriffen?

Fierro selbst hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Hasard brachte ihm einen Seitenhieb bei, der ihm den Atem raubte und ihn für einen kurzen Augenblick lähmte. Schon folgte der nächste Schlag, diesmal auf das Kinn von Fierro abgezielt. Fierro schwanden die Sinne, seine Arme sanken zur Seite, und er streckte die Beine weit von sich.

Nur noch drei, vier Kerle kämpften gegen die Überzahl der Angreifer. Alle anderen waren außer Gefecht gesetzt. Wer der Sieger war, stand bereits fest.

Kein Schuß war gefallen, nur die Hieb- und Stichwaffen waren zum Teil eingesetzt worden – und das Schreien und Fluchen der Meuterer begleitete das erbitterte Handgemenge im Logis der „San Sebastian“.

Marcela Buarcos hatte den Kopf gehoben.

„Schreit da nicht jemand?“ fragte sie. „Das scheint auf der ‚San Sebastian‘ zu sein. Seht doch mal nach, was da los ist.“

Einer der Kerle verließ den Vordecksraum, ging zum Schott, das auf die Galionsplattform führte, und öffnete es. Durch den Spalt fiel graues Morgenlicht ins Vorkastell. Jetzt waren die Laute von der „San Sebastian“ deutlicher zu vernehmen – Flüche, Gebrüll und das Klirren von Säbeln.

Mit halb verwunderter, halb mißtrauischer Miene wollte der Kerl auf die Galionsplattform treten. Doch plötzlich flog das Schott auf ihn zu und knallte gegen seine Stirn. Er stöhnte nur ganz leise, dann sank er zusammen.

Dan richtete sich hinter dem Schott auf. Er hatte genau den richtigen Moment abgewartet und den Kerl überrumpelt. Jetzt winkte er seinen Kameraden zu. Lautlos drangen sie in das Vordeck ein.

Nur Luke Morgan verharrte noch bei dem Bewußtlosen. Fast mitfühlend beugte er sich über ihn, betrachtete sein verzerrtes Gesicht und die Beule, die sich auf seiner Stirn zu bilden begann. Dann griff er ihm unter die Achseln und schleppte ihn zum Rand der Galion.

„Adios, Amigo“, murmelte er. „Ein Bad tut dir bestimmt gut, Hölle, wann hast du dich bloß das letzte Mal gewaschen?“

Marcela vernahm den Klatscher, mit dem ihr Kumpan in den Fluten verschwand.

„Da stimmt was nicht!“ zischte sie und griff unwillkürlich zum Messer.

„Doch“, brummte eine Stimme auf dem Gang. „Alles in Ordnung.“

„Na also“, sagte einer der Kerle neben Marcela. „Alles in bester Ordnung, du hörst es ja.“

Marcela wollte sich wieder dem Brandtopf widmen, der fast fertiggestellt war. Aber sie sollte ihr Werk nicht mehr vollenden. Dan – der Sprecher von eben – spazierte unverfroren und dreist in den Raum, tippte einem der hockenden Kerle auf die Schulter und knallte ihm die Faust unters Kinn, als dieser sich zu ihm umdrehte.

Der Kerl flog quer durch den Raum, prallte gegen die Wand und rutschte daran zu Boden. Die Buarcos und ihre Kumpane schrien auf, sprangen hoch und griffen zu den Waffen. Aber da waren schon Carberry, Blacky, Stenmark, der Kutscher, Matt Davies und alle anderen zur Stelle.

Ein heftiger Kampf entbrannte. Marcela stürzte sich auf Dan und versuchte, ihm das Gesicht zu zerkratzen. Fast schaffte sie es wirklich, doch dann traf sie eine schallende Ohrfeige, die sie auf Carberry zutaumeln ließ. Dan wandte sich dem nächsten Gegner zu – und der Profos durfte sich mit der kreischenden Hure befassen.

„Du Drecksack!“ schrie sie ihn an. „Du Lumpenhund! Bastard! Wer bist du? Wer schickt dich?“

„Der Teufel persönlich“, entgegnete er und packte sie.

Auch ihm wollte sie das Gesicht zerkratzen, aber er hielt sie wie in einem eisernen Zangengriff fest.

„Laß mich los!“ kreischte sie.

Carberry grinste und schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, das geht im Moment nicht.“

„Wer bist du, Satan?“

„Das ist völlig unwichtig. Nenn mich den Jonas“, brummte er. „Ich kann hinter die Kimm blicken.“ Mit diesen Worten schleifte er sie in den Gang hinaus. „Ich weiß, was die Zukunft bringt. Ein schönes, erfrischendes Bad im großen, tiefen Teich.“

„Nein!“

„Doch!“

Marcela überschüttete den Profos mit den unflätigsten, lästerlichsten und gemeinsten Beschimpfungen.

Luke Morgan schlüpfte an ihnen vorbei.

„Brauchst du Hilfe, Ed?“ fragte er.

„Ich doch nicht.“

„Und wie sieht’s hinten aus?“

„Da gibt’s vielleicht noch ein bißchen was zum Aufklaren“, erwiderte Carberry und lauschte dem Klatschen der Schläge, dem Stöhnen, Fluchen und Poltern. „Aber viel scheint es auch nicht mehr zu sein.“

Er trug die zappelnde und strampelnde Marcela in die Morgenluft hinaus und blickte – ehe er sie losließ – zur „San Sebastian“ hinüber. Dort flogen die ersten Gestalten von der Galion ins Wasser. Hasard erschien und winkte ihm zu.

„Alles in Ordnung da drüben?“ rief er.

„Klar, Sir!“ brüllte Carberry zurück. „Aber was soll ich mit dem Weib tun? Soll ich ihr die Haut in Streifen von ihrem Affenarsch ziehen?“

„Es lohnt sich nicht, Ed!“

„Aye, Sir“, brummte Carberry. „Dann also ab mit dir.“ Er warf Marcela im hohen Bogen ins Wasser. Sie kreischte und strampelte, aber es nutzte alles nichts. Mit einem lauten Platschen landete sie in den Fluten und versuchte verzweifelt, sich über Wasser zu halten, wobei sie sich an ihrem Spießgesellen festklammerte, der kurz vorher von Luke „verarztet“ worden war.

Dan, Blacky und die anderen von der „Queen“-Mannschaft tauchten jetzt ebenfalls auf der Galion auf und schleppten die teils ohnmächtigen, teils völlig benommenen Meuterer heran. Einer nach dem anderen flog außenbords, und im Wasser traf sich die ganze fluchende Bande mit denen von der „San Sebastian“, die nun auch ausnahmslos „in der Pfütze“ badete, wie Carberry das nannte.

„Das hat was für sich“, sagte Dan. „So lernen sie wenigstens das Schwimmen.“

Verzweifelt versuchten die Meuterer, sich zur Küste hin in Sicherheit zu bringen – bevor die Haie erschienen. Hasard blickte ihnen von der Galion der „San Sebastian“ nach, dann enterte er die Back.

„Sie schaffen es“, sagte er. „Und sie können uns eigentlich noch dankbar sein, daß wir sie nicht getötet haben.“

Er führte die Hand zum Gruß an die Stirn und blickte zu Kapitän Gomez Rascón, der auf dem Achterdeck der „San Sebastian“ stand – neben Solares, dem Ersten Offizier, Elcevira, dem Steuermann, und den anderen Offizieren.

„Ende gut, alles gut, Señor!“ rief Hasard zu ihm hinüber. „Ich verabschiede mich von Ihnen!“

Auch Dan war auf dem Vordeck der „Almeria“ erschienen.

„Señor Capitán!“ rief er Juan Alentejo zu. „Ich wünsche Ihnen weiterhin eine angenehme Reise!“

Damit enterten beide, Hasard und Dan, wieder zu ihren Kommandos auf die Galions der Schiffe ab. Von hier aus sprangen sie in die Jollen, legten ab, pullten zur „Pommern“ und zur „Caribian Queen“ zurück und winkten den verdutzten, staunenden Spaniern noch einmal vergnügt zu.

Alle die Fragen, die Rascón, Alentejo und den Besatzungen auf der Zunge lagen, blieben ungestellt. Nachdem die Helfer, die so völlig unvermutet aufgetaucht waren, sich gehorsamst und höflich wieder von Bord gemeldet hatten, konnten die Spanier ihnen nur noch nachblicken und fortan herumrätseln, wer ihre Retter gewesen waren.

Sie erfuhren es nicht. Nur packte sowohl Rascón als auch Alentejo ein wenig das Gruseln, als wenig später die „Pommern“ und der düstere Zweidecker an ihnen vorbeisegelten – mit Kurs auf die Windward-Passage.

„Das müssen Freibeuter gewesen sein“, sagte Rascón.

„Engländer“, murmelte Alentejo. „Vielleicht Korsaren. Aber es hat keinen Sinn, weiter darüber herumzugrübeln.“

Wichtiger ist es, an Land zu gehen und Wasser zu fassen. Das taten die Mannschaften der „San Sebastian“ und der „Almeria“, aber erst, als Rascón und Alentejo sich davon überzeugt hatten, daß die Meuterer wirklich verschwunden waren und nicht mehr auftauchten.

Fierro, die Buarcos und die letzten Kerle der Banden krochen an Land und schlugen sich ins Innere der Insel Kuba. Sie hatten die Nase gründlich voll, von allem …

ENDE

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