Kitabı oku: «Seewölfe Paket 20», sayfa 27
Hier hatte es nur ein paar saftige Maulschellen gegeben. Kein einziger Schuß war gefallen, und alle lebten noch.
Endlich traute er sich doch, dem Narbenmann eine Frage zu stellen.
„Wird man uns nach getaner Arbeit umbringen?“
„Wenn ich nein sage“, brummte Ed, „dann glaubst du das ja doch nicht. Aber ich sage trotzdem nein. Wenn ihr alle schön folgsam seid, könnt ihr bald Seiner Allerkatholischsten Majestät wieder am Bart zupfen, wenn der das zuläßt. Für uns gibt es keinen Grund, euch zu töten. Und jetzt scher dich an deine Arbeit.“
Pablo Allonso war unendlich erleichtert. Zwar wußte er immer noch nicht, was ihnen später bevorstand, aber er glaubte diesem narbigen Kerl seltsamerweise. Kopfschüttelnd ging er an die Arbeit.
Sie mußten sich ganz schön abschinden, bis wenigstens ein Teil der Ladung umgestaut war.
Hasard sah sich unterdessen in den achteren Räumen um und fand eine Menge erstaunlicher Sachen. In einer Schublade unter der Koje entdeckte er ein in Schweinsleder gebundenes Buch, das Roteiros enthielt, die geheimen Seekarten der Spanier, die sie ängstlich hüteten.
Weiter fanden sich in der Kapitänskammer erlesene spanische Weine, dann drei Ledersäckchen mit Gold- und Silbermünzen sowie handschriftliche Aufzeichnungen des Kapitäns. Er hieß Angelo Corbera, wie aus den Papieren hervorging. Hasard fand auch ein Ölporträt, auf dem hinten noch mal sein Name stand.
Sehr freundlich sieht dieser Capitán nicht gerade aus, fand Hasard und drehte das Bild wieder um. Er hatte dünne, messerscharfe Lippen, die verächtlich nach unten gebogen waren. Seine Nase war etwas gekrümmt, der Blick seiner dunklen Augen stechend. Ein Herrentyp, ein Kerl, mit dem nicht gut Kirschen essen war.
Ja, mein lieber Señor, dachte Hasard belustigt. Der Blick deiner Augen wird noch stechender werden, und deine Lippen werden sich noch weiter nach unten ziehen, wenn du merkst, daß deine Galeone verschwunden ist!
Er lachte leise und legte das Bild wieder zurück. Für den Capitán sah die Zukunft recht trübe aus, denn gewiß würde man höheren Ortes nicht schweigend darüber hinwegsehen, daß er kein Schiff mehr hatte. Sie würden diesem Señor Corbera recht unangenehme Fragen stellen.
Nach der Inspektion verließ er die Kammer wieder und kehrte an Deck zurück.
Dort wurde unermüdlich umgestaut, und eine Kanone nach der anderen wechselte den Besitzer.
6.
Im Hafen von Santiago de Cuba lag an der Pier vertäut die Schaluppe von Miguel Bassio. Ihm war die „ehrenvolle“ Aufgabe zugefallen, die Herren von der Schiffsführung hin und her zu fahren, sooft sie das verlangten.
Bassio freute das keineswegs, denn er hatte für die meist adligen und herrisch auftretenden Schiffsoffiziere nichts übrig. Aber den Befehl konnte er nicht ignorieren, denn der Hafenkommandant hatte ihn angeschnauzt und seine ständige Verfügung befohlen.
Miguel Bassio war ein sturer Büffel, der den Hafen als sein Reich betrachtete und sich von anderen nicht gern kommandieren ließ.
Was ihn am meisten ärgerte, war die Behandlung durch die hochnäsigen Señores, die alle möglichen und unmöglichen Wünsche hatten, ihn schikanierten und von oben herab ansahen. Einer dieser Kerle, ein Capitán von der auf Reede liegenden Galeone „Nuestra Señora Maria“ hatte ihn viermal hin und her fahren lassen, weil er immer wieder angeblich etwas vergessen hatte.
Am Abend hatte er die Schiffsführung der Galeone „Carmencita“ an Land abgesetzt und sich von dem Capitán anhören müssen, daß er viel zu lahmarschig über die Reede segele und sich gefälligst beeilen solle, damit Capitán Corbera nicht das Fest des Hafenkommandanten verpasse.
Das Fest!
Das war ein höfliches Umschreiben für einen Saufabend, der es in sich hatte. Die Schiffsführungen ließen sich stolz, hochnäsig und unnahbar an Land fahren und erweckten ganz den Eindruck arroganter Höflinge, die sich für den Nabel der Welt hielten.
Kehrten sie aber wieder zurück, dann war die Herrlichkeit vorbei. Sie waren stockbesoffen und benahmen sich genauso ordinär wie der letzte Pöbel.
Widerlich war es, sich vor diesen Kerlen auch noch verbeugen und von ihnen idiotische Befehle entgegennehmen zu müssen.
Viermal hatten ihn diese Hunde jetzt geweckt, um von Bord etwas zu holen, womit sie dem Hafenkommandanten imponieren konnten.
Jetzt war es fast vier Uhr morgens, und seit ein paar Stunden hatte sich keiner mehr blicken lassen. Wann es den ehrenwerten Señores wieder einfiel, an Bord zu gehen, hing jeweils von deren körperlicher Verfassung ab und wieviel sie vertragen konnten. Aber da sie im Kastell auch ein paar Frauenzimmer dabei hatten, würde es wohl erfahrungsgemäß etwas länger dauern.
Über dem Hafen lag etwas Nebel, und so waren die auf Reede ankernden Galeonen nur verwaschen und undeutlich zu sehen.
Miguel Bassio fror ein wenig und rieb seine klammen Hände. Während seine beiden Hands an Bord schliefen, mußte er wach bleiben, um die Ankunft der Kapitäne und Offiziere nicht zu verpassen.
Wenn sie ihn schlafend erwischten, setzte es Vorwürfe, Beleidigungen und harte Worte, die sie glaubten, sich herausnehmen zu dürfen.
Er schrak hoch, als er vom Kastell her lautes Grölen vernahm. Die Schiffsführung der „Nuestra Señora Maria“ geruhte, an Bord zu gehen.
Gehen war stark übertrieben, denn die Kerle torkelten, gaben sich leutselig und hatten sich untergehakt.
Der Schaluppenführer purrte mißmutig seine Hands hoch, die genauso mürrisch und verdrossen an Deck erschienen.
Vier Mann waren es, Kapitän und drei Offiziere, die lautstark das Lied vom andalusischen Mädchen grölten, das achtzehn liebeskranken Seeleuten in die Hände fällt. Das trauten sich nicht mal die einfachsten Hands in den übelsten Hafenkneipen zu singen.
Mürrisch sah Bassio den Krakeelern entgegen und wünschte sie zum Teufel.
„He, du da!“ brüllte einer der Offiziere. „Mach mal deinen Mistkahn klar, verstanden? Du darfst es dir als Ehre anrechnen, uns – hicks – zu kutschieren.“
„Wieder gepennt, der faule Baskenarsch, was?“ brüllte ein anderer. „Ha, die Kerle haben ein Leben! Hocken in ihrem Boot und glotzen den Mond an! Hoch mit dir, Kerl!“
So oder ähnlich klangen die Sprüche der hohen Herren, wenn sie von einer Feier kamen. Manchmal schlugen sie ihm auch auf die Schultern und boten ihm das Du an. Und am nächsten Tag beschuldigten sie ihn, er hätte sie beklaut.
Er kochte schon jetzt vor Wut, ließ sich aber nichts anmerken. Ein paar der feinen Herren suchten mitunter auch Streit, wenn sie zuviel gebechert hatten und griffen dann zum Degen.
Wankend und schwankend gingen sie an Bord, hilfreich von den Hands geleitet, was sie sich jedoch energisch verbaten. Flog aber einer der besoffenen Kerle mal ins Wasser, dann war erst recht der Teufel los, weil ihn angeblich keiner gestützt hatte.
Vom Kastell her setzte sich die nächste Horde von betrunkenen Grölern in Bewegung.
„Ablegen!“ befahl der Capitán.
„Aber die anderen Señores“, wandte Bassio ein, „sie sind jeden Augenblick da.“
„Ablegen, habe ich gesagt, und zwar sofort, du Strolch!“
So oder so würde er sich jetzt Ärger einhandeln, denn wenn er ablegte, pöbelten ihn die nächsten an, weil er nicht gewartet hatte.
„Ablegen, verdammt!“ schrie der Capitán.
Miguel Bassio blieb stur wie ein Büffel. Er fummelte so lange an Segel und Tauwerk herum, bis die nächsten Señores das Schiff erreichten. Der Capitán beruhigte sich wieder, betonte aber, daß er ihn zur Meldung bringen würde, weil er einem Befehl nicht augenblicklich Folge geleistet hätte. Aber das juckte Bassio nicht.
Es ärgerte ihn nur mächtig, daß sie blöde Witze über ihn rissen und sich einer der ehrenwerten Señores breitbeinig hinstellte und ihm das Deck vollkotzte. Der Kerl hielt es nicht mal für nötig, das nach außenbords zu tun. Rülpsend stand er da und würgte so lange, bis sie endlich die Reede erreichten.
Bassio bekreuzigte sich, als er die erste Fuhre endlich an Bord gebracht hatte. Seine beiden Hands wuschen das Deck wieder sauber.
So ging das noch ein paarmal hin und her. Während der nächsten Fahrt zur Reede kotzte wieder einer auf die Planken. Die Kerle waren so betrunken, daß sie nichts mehr wahrnahmen.
Zum Schluß folgte die Schiffsführung der „Carmencita“, und jetzt ging das Theater erst richtig los, und der neue Tag begann mit einem heillosen Durcheinander.
Angelo Corbera war derart betrunken, daß er nur noch mühsam lallen konnte. Seine drei Offiziere standen ihm in nichts nach. Einer wäre fast über Bord gekippt. Zwei andere legten sich ungeniert mit ihren Uniformen auf die Planken und begannen zu schnarchen.
Corbera wirkte in seinem betrunkenen Zustand lächerlich. Er kicherte albern, griff mal hierhin, mal dorthin und grölte herum, was er mit den Señoritas getrieben hätte. Er sah auch reichlich abgeschlafft aus, denn er hatte ein bißchen zu ausgiebig der Liebe und dem Suff gefrönt.
Seine Lippen waren verkniffen, seine Augen konnte er kaum noch offenhalten, in seinen Mundwinkeln stand Schaum, und er rülpste ständig.
„Schneller!“ lallte er. „Du segelst viel zu langsam, Kerl!“
„Noch segeln wir gar nicht“, sagte Bassio patzig, „weil wir noch an der Pier liegen.“
„Trotzdem muß schneller gesegelt werden, das geht alles viel zu langsam, geht das.“
Die Segel wurden gesetzt, die Schaluppe nahm Kurs auf die Reede. Die Offiziere lagen betrunken und schnarchend an Deck, und Corbera faselte irgendeinen Unsinn daher, über den er sich halbtot lachte. Immer wieder schwankte er und mußte gestützt werden.
Miguel Bassio umkurvte die Galeonen und wunderte sich. Da mußten doch sechs auf Reede liegen, verdammt. Jetzt aber waren es nur fünf, wenn er noch richtig zählen konnte. Und er war stocknüchtern.
„Wo, zum Teufel, ist die ‚Carmencita‘?“ fragte er die beiden Hands irritiert.
Die beteuerten energisch, daß sie bei der letzten Fahrt noch hier auf Reede gelegen hätte, aber jetzt sei sie plötzlich fort.
„Das gibt es nicht“, sagte Bassio verwirrt. „Die kann nicht von einem Augenblick zum anderen verschwinden.“
Ratlos zählte er die Schiffe. Es waren und blieben fünf. Er kratzte sich das Kinn und schüttelte den Kopf. Dann wandte er sich an den spanischen Capitán, der kaum noch stehen konnte.
„Wo liegt Ihr Schiff, Señor?“
„Im – im Wasser“, lallte Corbera, „mitten im Wasser, du Blödmann. Hier vorn liegt es.“
Er zeigte schwankend in die Runde und wollte unbedingt zu dem am nächsten liegenden Schiff.
„Das ist die ‚Nuestra Señora Maria‘!“ schrie Bassio, dem jetzt langsam der Gaul durchging. „Steht doch klar und deutlich dran!“
„Dann ist es nicht die ‚Carmencita‘“, sagte Corbera scharfsinnig. „Dann isses die da drüben.“
„Die isses auch nicht!“ schrie Bassio im gleichen Tonfall zurück. „Und die anderen sind es ebenfalls nicht, verfluchter Mist! Das Schiff liegt nicht hier auf der Reede.“
„Das liegt hier“, behauptete der Capitán mit der Hartnäckigkeit des Betrunkenen. „Das liegt immer noch hier.“
„Sie ist weg, begreifen Sie das endlich, Señor. Weiß der Teufel warum, aber sie ist nicht mehr da.“
Corbera drohte mit dem Zeigefinger.
„Bist du sicher, ganz sicher?“ fragte er läppisch.
„Ganz sicher.“
„Dann hat – hat sie sich versteckt, haha! Sie hat sich einfach versteckt, verstehst du? Manchmal verstecken sich Schiffe. Das ist doch ein guter Witz, was? Sie hat sich hier versteckt – versteckt – versteckt!“ begann er laut zu grölen.
Es ging nicht mehr in seinen Schädel hinein, daß seine Galeone nicht vorhanden war. Er faßte das als einen Witz auf und begann schallend zu lachen.
„Versteck dich ruhig!“ brüllte er über den Hafen. „Wir finden dich schon. Und jetzt will ich endlich an Bord, verdammt!“
Die Hands grinsten sich eins, als Corbera immer mehr abschlaffte und fast schon im Stehen einschlief.
„Gute Nacht, Kommandant“, lallte er, „war ein netter Abend. Mein Schiff hat sich versteckt, ich geh jetzt in die Koje.“
Er wankte, fiel über seinen Ersten Offizier und streckte sich der Länge nach aus. Von einem Augenblick zum anderen schlief er ein.
Miguel Bassio war sauer. Ein schöner Sauhaufen lag da an Deck herum. Was sollte er jetzt mit den Kerlen tun? Er konnte sie schließlich nicht auf ein Schiff bringen, das nicht existierte.
Verbiestert griff er dem Zweiten Offizier ins Genick und wollte ihn hochziehen. Doch der war steif wie ein Ladestock und kapierte überhaupt nichts mehr. Der Dritte gab nur ein unwilliges Knurren von sich, und der Erste einschließlich des Capitáns war ebenfalls nicht ansprechbar.
Die Hands grinsten immer noch und sahen auf die vier Kerle, die kreuz und quer auf den Planken lagen.
„Und diese besoffenen Idioten muß ich kutschieren“, fluchte Bassio, „vielleicht hatten die gar kein Schiff und sind von Spanien aus einfach geschwommen! Oder bin ich bescheuert! Hat der Kahn nur in meiner Einbildung existiert? Wo stammen die Kerle her?“
„Was tun wir jetzt mit denen?“ fragte einer der Männer zurück.
„Mir können sämtliche Kapitäne und Offiziere den Buckel runterrutschen“, sagte Bassio verärgert. „Wir segeln zum Hafen zurück und lassen die Kerle schnarchen, bis sie wieder nüchtern sind. Und dann soll mich ja keiner anstänkern. Ich bin Schaluppenführer und nicht deren Galeonen-Aufpasser. Wenn der Kahn weg ist, dann ist er eben weg, was interessiert mich das! Ich habe die Verantwortung für die besoffenen Passagiere, aber nicht für deren Galeonen.“
„Das wird ein schönes Donnerwetter geben, Miguel.“
„Na und? Ist das vielleicht meine Schuld? Los, zurück zum Hafen. Wir legen uns wieder an die Pier.“
Die Schaluppe segelte mit ihren schnarchenden Passagieren wieder in den Hafen. Keiner der Señores war wach zu kriegen, und Bassio hatte auch keine Lust mehr, sich mit den besoffenen Kerlen auseinanderzusetzen. Er ließ sie auf den Planken einfach weiterschnarchen. Wenn die Señores erwachten, würde es noch Stunk genug geben.
Gegen zehn Uhr erwachte Capitán Angelo Corbera. Als er die Augen aufschlug, war sein Gesicht dick und verquollen, die Augen knallrot und seine Stimme ein heiseres Krächzen.
Zuerst einmal griff er sich mit beiden Händen an den Schädel und stöhnte leise.
Mit fast boshafter Gehässigkeit genoß Bassio dieses Schauspiel. Der ehrenwerte Señor hatte einen schweren Kater. Der würde jetzt besonders ungnädig sein.
Dem Señor schmerzte außerdem jeder Knochen im Leib, denn die nächtliche Bettstatt war keineswegs mit Daunen gepolstert. Er erhob sich schwankend und spie angeekelt über Bord. Aus rötlichen Augen starrte er Miguel Bassio an.
Dann wanderte sein Blick weiter und fiel auf die Offiziere, die immer noch kreuz und quer durcheinander auf den Planken lagen und sich nicht rührten.
Bisher war das mysteriöse Verschwinden der Galeone von den anderen Schiffsführungen immer noch nicht bemerkt worden. Sie befanden sich aber vermutlich in einem ähnlichen Zustand wie Corbera und schliefen ihren Rausch aus.
„Bringen Sie mich zu meiner Galeone“, herrschte er Bassio an, „aber ein bißchen plötzlich. Ich muß wohl eingeschlafen sein.“
Bassio grinste hinterhältig mit abgewandtem Gesicht. An den heutigen Morgen schien sich der Capitán nicht mehr zu erinnern. Aber das war auch kein Wunder.
„Sehr wohl, Señor“, sagte Bassio tückisch. „Und wo, bitte sehr, liegt Ihr Schiff?“
„Natürlich auf der Reede, wo denn sonst“, herrschte Corbera ihn hochnäsig an.
„Natürlich, Señor. Wir segeln sofort.“
Du wirst noch die Klüsen aufreißen, mein Freund, dachte Bassio. Du hast offenbar alles vergessen.
Seine beiden Hands setzten die Segel. Auch sie grinsten heimlich und amüsierten sich, denn gleich würde der ehrenwerte Señor sehr dümmlich aus dem Rüschenhemd linsen. Bassio genoß diese Situation wieder. Am liebsten hätte er sich die Hände gerieben.
Sie segelten auf die Reede hinaus. Bassio hatte wieder den tückischen Blick drauf.
„Welches Schiff, Señor?“ fragte er beflissen.
„Äh – da drüben, nein, nein, das ist es nicht!“
Corbera rieb sich die Augen, zählte fünf Galeonen, rieb sich die Augen wieder und wunderte sich, daß die sechste fehlte. Ausgerechnet sein Schiff war nicht mehr da.
„Welches soll’s denn nun sein?“ fragte Bassio hinterhältig.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie Corbera bleich wurde und hart und trocken schluckte. Dann verkniff sich sein Gesicht, auf seiner Stirn erschien eine Zornesfalte.
Er griff nach dem Ersten Offizier und purrte ihn wütend hoch. Den Zweiten packte er ebenfalls am Kragen. Nur der Dritte blieb wie ein Brett liegen und verbat sich mit greinender Stimme jede weitere Belästigung. Corbera verpaßte ihm einen Tritt in den Hintern.
Die Señores Offiziere blickten noch nicht richtig durch und brauchten eine geraume Weile, um die Ungeheuerlichkeit zu begreifen.
„Die ‚Carmencita‘ fehlt!“ schrie Corbera. „Sie ist nicht mehr auf der Reede. Ich verlange augenblicklich eine Erklärung.“
Die verschreckten Offiziere hätten ihm ja gern eine gegeben, aber sie wußten es auch nicht. Sie standen nur da und stierten sich die rotunterlaufenen Augen aus, doch das Stieren brachte die Galeone auch nicht zurück.
„Vielleicht ist sie untergegangen oder entführt worden“, meinte der Dritte, der immer noch wacklig auf den Beinen stand.
„Noch so eine dämliche Bemerkung, und Sie fahren wieder als Decksmann“, sagte Corbera voller Wut. „Hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu. Ein Schiff kann nicht einfach verschwinden und sich in Luft auflösen. Suchen Sie gefälligst die Galeone!“ brüllte er Bassio an. „Und stehen Sie nicht so faul und tatenlos herum!“
Genau das hatte dem Schaluppenführer noch gefehlt. Erst soffen sich diese Idioten den Hals bis Oberkante Unterlippe voll, dann kümmerten sie sich einen Scheiß um ihr Schiff, und jetzt schnauzten sie ihn an, als ob ihn der verlauste Kahn etwas anginge. Er wurde auch sofort biestig.
„Wo, bitte, soll ich Ihre verdammte Galeone suchen, Señor?“ blaffte er höhnisch zurück. „Darf’s vielleicht in der Karibik sein, oder soll ich auf Jamaika suchen? Oder hätten Sie es lieber weiter draußen im Atlantik?“
„Wie wagen Sie denn, mit mir zu sprechen?“ brüllte Corbera. „Sie haben einen Capitán der spanischen Krone vor sich.“
„Und Sie haben einen Schaluppenführer vor sich“, brüllte Bassio, „der es nicht gewohnt ist, auf seinem Schiff angeschnauzt zu werden, vor allem, wenn er mit der Sache nichts zu tun hat! Habe ich vielleicht Ihre Galeone in der Hosentasche? Suchen Sie Ihren Kahn doch selber, ich bin hier nicht als Galeonen-Spürhund eingesetzt worden.“
„Sie haben meinen Befehlen augenblicklich zu gehorchen!“ schrie Corbera mit puterrotem Schädel. „Suchen Sie das Schiff, aber dalli! Sie müssen es die ganze Zeit über im Auge gehabt haben! Und jetzt ist es verschwunden, kaum daß ich für ein paar Minuten eingeschlafen bin.“
„Eingeschlafen?“ höhnte Bassio. „Sie waren derart besoffen, daß Sie überhaupt nichts mehr wahrnahmen. Ihre Offiziere nicht minder, die können ja jetzt noch nicht gerade stehen. Und auf die Planken haben Sie mir auch gekotzt!“ schrie er.
Jetzt brüllten auch die Offiziere los, denn das ging an ihre Ehre, und das wollten sie auf keinen Fall wahrhaben.
„Ich verbitte mir diese Unterstellungen!“ tobte der Erste. „Solche Behauptungen können Sie Ihren Hals kosten, Mann!“
„Meine Galeone ist es jedenfalls nicht“, sagte Bassio in stoischer Ruhe, „und ich habe sie auch nicht weggezaubert. Das müssen Sie der Admiralität schon selbst erzählen. Falls man mich ebenfalls anhören sollte, werde ich berichten, was ich von einem Kapitän und seinen Offizieren halte, die nicht mal wissen, wo ihr Schiff vor Anker liegt.“
Das hatte gesessen. Zufrieden sah Bassio, wie der Capitán zusammenzuckte, wie der Erste ganz blaß wurde und die beiden anderen ebenfalls die Farbe wechselten.
Dennoch brüllten sie weiter und verbaten sich jegliche „Einmischung“ in ihre Angelegenheiten. Der Schaluppenführer grinste höhnisch.
„Ich habe schon einmal erklärt, daß ich keinerlei Verantwortung für Ihre Galeone habe“, sagte er patzig. „Schon gar nicht bin ich für verschwundene Schiffe von besoffenen Kapitänen zuständig. Darf ich die Señores nun wieder zurückfahren? Oder halten wir hier bis zum Sankt Nimmerleinstag weiterhin Ausschau nach Galeonen, die nicht existieren?“
Sie gaben ihm keine Antwort, sondern diskutierten erregt diesen unglaublichen Vorfall.
„Das wird ein Nachspiel haben!“ tobte Corbera voller Zorn.
„Für mich wohl kaum, ich segele jetzt zurück.“
Er ließ die Señores toben, griff zur Ruderpinne und nahm wieder Kurs auf den Hafen. Dabei grinste er so impertinent, daß die Kerle vor Wut noch mehr kochten.
Die Schaluppe lag noch nicht richtig an der Pier, als die Offiziere mit ihrem Capitán auch schon wie die wilden Stiere losstürmten. Ihr Ziel war das Haus des Hafenkommandanten, in dem sie verschwanden. Bassio hörte sie sogar durch die dicken Steinmauern brüllen.
„Mal sehen, was der Kommandant jetzt unternimmt“, sagte er zu seinen Männern. „Was glaubt ihr, was er tut?“
„Er läßt die Galeone suchen.“
„Er ist ein Esel“, sagte Bassio grinsend, „der überzeugt sich erst selbst, ob sich die Señores nicht verzählt haben. Der läßt sich auf die Reede karren und sieht selbst nach.“
Die beiden anderen wollten das nicht glauben, und so wetteten sie um ein paar Münzen. So dämlich konnte doch keiner sein.
Es waren nur ein paar Minuten vergangen, da begann Bassio niederträchtig zu feixen. Der Hafenkommandant erschien, puterrot im verquollenen Gesicht, sich ganz seiner Persönlichkeit bewußt und sehr wichtigtuerisch. Er rannte, gefolgt von den debattierenden Señores, erregt auf die Schaluppe zu.
„Unerhört!“ brüllte er. „Wie kann da ein Schiff verschwinden?“
„Ich war nicht an Bord“, sagte Bassio, „daher weiß ich es natürlich auch nicht, Kommandant.“
„Unerhört!“ schnaubte der Kommandant wieder. „Wir segeln sofort zur Reede hinaus. Ich muß mich an Ort und Stelle überzeugen.“
„Meinetwegen“, sagte Bassio, „aber das wird nichts daran ändern, denn das Schiff ist wirklich nicht da.“
„Unerhört!“ schrie der Kommandant jetzt zum dritten Male.
„Verloren“, sagte Bassio zu seinen beiden Männern.
Der Kommandant fuhr herum.
„Wer hat was verloren?“ blaffte er.
„Die Señores ihr Schiff“, erwiderte Bassio todernst.
„Unerhört!“
Die abgeschlafften Señores wurden wieder eingeladen, und Bassio segelte erneut zur Reede hinaus. Die Hands waren am Grinsen, obwohl sie ihre Wette verloren hatten.
„Haben Sie einen Kieker an Bord?“ schnauzte der Kommandant. Daß ihm ein Schiff auf der Reede fehlte, konnte er überhaupt nicht begreifen. Unerhört war das.
„Her damit!“ Der Kommandant blickte durch das Spektiv und zählte mit bebenden Lippen die Schiffe auf Reede. Er zählte bis fünf, dann mußte er mangels Masse aufhören, und weil das nicht in seinen bestußten Schädel ging, begann er wieder von vorn zu zählen. Trotzdem blieben es immer nur fünf.
Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, mitten in den Pulk zu segeln, um die Galeonen eine nach der anderen äußerst mißtrauisch zu beäugen. Er notierte sich sogar die Namen und gelangte dann zu der folgenschweren Erkenntnis, daß die „Carmencita“ nicht da war.
Unerhört war das!
Die Señores zählten immer wieder ungläubig mit. Vielleicht nahmen sie an, ihre Galeone hätte sich schamhaft hinter einer anderen verborgen, denn sie verlangten, daß jedes Schiff einmal umrundet wurde.
Dem Schaluppenführer bereitete das sichtlich Spaß, er war ständig am Grinsen. Aber das war reine Schadenfreude.
Der Hafenkommandant zog erkenntnisreich und sehr logisch Bilanz.
„Damit muß angenommen werden, daß die Galeone verschwunden ist“, sagte er gedankenschwer, als hätte er darüber wochenlang nachgedacht.
Die Señores hatten diese Erkenntnis schon lange, aber sie pflichteten ihm bei, weil er ein Bürokrat war – und sie im Grunde genommen auch, und weil Bürokraten immer recht hatten.
„Jetzt müssen natürlich die Umstände geklärt werden, warum sie verschwunden ist“, sagte der Hafenkommandant. „Zuerst werden wir die Mannschaften oder Schiffsführungen befragen.“
Von den Schiffsführungen war nur ein traniger und sehr müder Señor zu sehen, der sich gründlich wunderte, daß eine Galeone verschwunden sein sollte. Auf die Befragung konnte er allerdings auch keine Antwort geben, denn er hatte ja mit dem Hafenkommandant und den anderen die ganze Nacht durchgezecht.
Die Mannschaften waren auch nicht ergiebig. Niemand hatte etwas gesehen oder gehört.
„Dann muß sie untergegangen sein“, folgerte der Kommandant. „Segeln Sie noch einmal zu dem Liegeplatz hin.“
Das Wasser war sehr klar, der Wind blies jetzt aus Nordost, und es war auch nicht sehr tief an der Stelle, wo vormals die Galeone gelegen hatte.
„Hier lag sie“, sagte Corbera, „etwa hier.“
„Aha“, knurrte der Kommandant und besah sich ausgiebig die „Untergangsstelle“, an der es absolut nichts zu sehen gab. Er starrte in das Wasser und sagte: „Aha, hm – hm – hm.“
Man konnte fast bis auf den Grund sehen. Der war etwas felsig, doch die Felsen waren so klein, daß sich da unmöglich eine Galeone verklemmt haben konnte. Der von Smoky gekappte Anker lag versteckt unter Seetang.
Dann harkten sie mit der Schaluppe mehrmals die Stelle ab, wobei der Kommandant und die Señores ausgiebig ins Wasser auf den Grund der Reede stierten.
„Nein, untergegangen ist sie nicht“, erklärte der Kommandant tiefsinnig, „sonst hätten wir sie sehen müssen. Sie ist verschwunden, aber nicht untergegangen.“
Es wurde wieder debattiert. Die Herren wechselten harte Worte, bis der Hafenkommandant einen Einfall hatte.
„Der Wind hat aus Nordost geweht“, sagte er, „auf der Galeone brach die Ankertrosse, oder der Anker brach aus dem Grund. Der Wind hat sie logischerweise nach Südwesten abgetrieben. Folglich befindet sich das Schiff irgendwo im Südwesten.“
„Das ist nicht ausgeschlossen“, sagte Corbera. „Die Ankerwachen haben geschlafen und nichts bemerkt. Nun, die werden ihre helle Freude an mir haben!“
Himmel, sind das ein paar bestußte Kerle, dachte Bassio. In deren hirnrissigen Schädeln muß noch der Rotwein gluckern. Er wollte etwas sagen, ließ es dann aber. Sollten sie ihre verdammte Galeone suchen, wo sie wollten, er dachte gar nicht daran, ihnen zu helfen.
Der Wind hatte heute nacht nämlich aus Ost geweht und erst gegen Morgen auf Nordost gedreht. Aber das hatten die Kerle in ihrem Suff natürlich nicht bemerkt, und so gingen sie von falschen Überlegungen aus.
Das hätte er ihnen sagen können, doch dann hätten sie wieder verächtlich gegrinst oder ihn angebrüllt. Sie mußten ihre Galeone also im Westen suchen und nicht im Südwesten, wenn wirklich der Anker aus dem Grund gebrochen oder die Trosse entzwei war.
„Damit ist alles klar“, sagte der Kommandant und spielte sich mächtig auf, als hätte er das Schiff längst gefunden. „Zurück zum Hafen!“ schnarrte er. „Wir werden ein Protokoll aufsetzen und alles Punkt für Punkt festhalten. Dann warten wir ab, denn es besteht die Möglichkeit, daß die ‚Carmencita‘ von allein zurückkehrt. Schließlich wird man auf dem Schiff ja merken, daß man nicht mehr auf Reede liegt.“
Die Señores waren von dem Vorschlag, vorerst abzuwarten, überhaupt nicht begeistert, doch der Hafenkommandant bestand auf seinem Protokoll. Alles andere hatte vorerst Zeit. Schließlich war er ja fündig geworden und hatte durch logisches Denken die Galeone wiedergefunden. Daß sie noch nicht da war, störte ihn nicht weiter.
Miguel Bassio hätte am liebsten laut gelacht. Doch das schickte sich nicht, und so verzog er nur grinsend das Gesicht, wenn die Kerle mal nicht hersahen. Soviel Dummheit auf einem Haufen hatte er schon lange nicht mehr erlebt.
Die Schaluppe kehrte zum Hafen zurück, legte an der Pier an, und die Kerle verließen grußlos und wütend das Schiff. Der Kommandant stürmte mit riesigen weitausgreifenden Schritten wichtigtuerisch auf das Gebäude zu und verschwand darin. Die Señores mußten sich anstrengen, mit ihm Schritt zu halten. Sie hätten fast noch die Tür an den Schädel gekriegt, so war der Kommandant in Braßfahrt.
Als sie verschwunden waren, hieb sich Bassio auf die Schenkel, sah seine beiden Hands an und begann dröhnend zu lachen.
„Ein toller Spaß war das! Einer der Kerle ist immer noch blöder als der andere, obwohl man das kaum für möglich halten sollte. Ich wette, es wird später Nachmittag, bis sich dieser Hornochse entschließt, nach dem Schiff suchen zu lassen. Hat einer Lust zum Wetten?“
Die Hands hatten keine mehr, denn Miguel Bassio schien den Hafenkommandanten gut zu kennen.
Er behielt auch diesmal wieder recht, denn bis das Protokoll aufgenommen war, vergingen mehr als zwei Stunden.
Dann wurde das Löschen auf der Reede unterbrochen und der Kommandant orderte vier Schaluppen in den Hafen.
Bis die alle da waren und ihre Kapitäne sich versammelt hatten, war es längst Nachmittag. Weitschweifig erklärte ihnen der Hafenkommandant, wo genau sie zu suchen hätten, um das verschwundene Schiff zu finden. Sie sollten in einem breiten Streifen weit im Südwesten die See abharken.
Etwas später liefen die vier Schaluppen aus.
„Die finden nichts“, erklärte Miguel, der dem Schauspiel gelassen zusah. „Die kehren ohne Ergebnis wieder zurück.“
Er schlug erst gar keine Wette mehr vor, denn er war sich seiner Sache absolut sicher.
Gegen Abend kehrten die vier Schaluppen zurück. Sie waren allein und hatten das Schiff nicht gefunden. Weit und breit war von der Galeone nichts zu sehen gewesen.
Das große Rätselraten ging weiter.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.