Kitabı oku: «Seewölfe Paket 22», sayfa 7

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„Das sind sie auch“, sagte die Rote Korsarin. „Und noch etwas. Glaubt ihr vielleicht, mich können diese Kerle einschüchtern?“

„Wir sind ganz schön dumm, wenn wir uns von den paar Lauseaffen beeindrucken lassen“, sagte der Profos. „Hölle, denen haue ich doch notfalls ganz allein die Affenärsche weich. Was ist eigentlich los mit uns?“

Sie blickten sich untereinander an. Ja – Hasards Zustand und die ganz prekäre Lage setzten ihnen erheblich zu. Sie waren nervös und ziemlich gereizt. Wie lange sie diese Situation, die keine Veränderung brachte und sich über einen großen Zeitraum ausdehnen konnte, noch hinnehmen würden, konnte keiner von ihnen sagen.

„Die Sache ist so, daß Hasard auf keinen Fall durch Lärm gestört werden darf“, sagte Ben. „Es darf keine weiteren Angriffe geben. Nur wissen unsere Gegner jetzt, wo wir ankern. Das ist schlecht für uns.“

„Sie müssen die ‚Caribian Queen‘ gestern gesehen haben“, sagte Siri-Tong. „Vielleicht haben sie uns von irgendeiner Nachbarinsel aus beobachtet. Aber das konnten wir nicht ahnen.“

„Es war reiner Zufall“, sagte Carberry.

„Und dir macht keiner einen Vorwurf“, fügte Ben zu Siri-Tong gewandt hinzu. „Es geht jetzt darum, daß wir uns gegen weitere Überfälle schützen müssen. Es darf kein einziger Schuß mehr fallen.“

Die Ungewißheit, die an ihnen nagte, war darauf zurückzuführen, daß sie die genauen Verhältnisse auf der Grand-Cay-Insel nicht kannten. Sie waren auf Vermutungen angewiesen, die sich wiederum in erster Linie aus dem ergaben, was Siri-Tong über den Zustand im feindlichen Lager zu berichten wußte.

Weder die Männer der „Isabella“ noch Siri-Tong und ihre Mannen ahnten jedoch, daß sich Kapitän Charles Stewart, der Kommandant der versenkten Kriegsgaleone „Dragon“, Sir Robert Monk, der in dieser Nacht sein verdientes Ende gefunden hatte, Joe Doherty, der persönliche Profos des verblichenen Sir Andrew Clifford, sowie die sechzehn Kerle der „Lady Anne“ mehr oder weniger gewaltsam von den anderen getrennt hatten, wobei es zu einem heftigen Handgemenge und Steinwürfen gekommen war.

Stewart und O’Leary, der Bootsmann des alten Killigrew, sowie die Meute hatten ursprünglich vorgehabt, nach der „Lady Anne“ und ihrer Goldladung zu suchen, auf die sie geradezu versessen waren.

Daß sie dabei die „Caribian Queen“ gesichtet hatten, die in der Südbucht der östlichsten Insel der Pensacola Cays einlief, war tatsächlich ein reiner Zufall. Daraufhin hatte Stewart gemeinsam mit Monk und O’Leary beschlossen, in der Nacht die „Isabella“ zu entern und sofort in die Kapitänskammer einzudringen, wo der angeschossene „Bastard“ Killigrew ihrer Meinung nach liegen mußte. Hatten sie Hasard erst in der Gewalt, so hatten sie sich das ausgemalt, war alles andere nur noch ein Kinderspiel.

Sie hatten sich gründlich verrechnet. Doch Hasards Crew und die Rote Korsarin und ihre Mannschaft konnten nur herumrätseln. Wie sollten sie sich jetzt verhalten?

„Es ist völlig gleichgültig, welche Gründe für diesen Angriff maßgebend waren“, sagte Siri-Tong schließlich. „Ich bin entschlossen, dem Spuk ein Ende zu bereiten.“

„Wie?“ fragte Ben Brighton.

„Ich werde noch einmal zu der Insel der Grand Cays zurückkehren.“

„Das kommt gar nicht in Frage“, empörte sich der Profos. „Vielleicht warten sie nur darauf, weil sie inzwischen einen entsprechenden Hinterhalt gelegt haben.“

„Merkst du nicht, daß du nur Unsinn redest?“ fuhr sie ihn an. „Es muß auf jeden Fall verhindert werden, daß die Hunde einen solchen Angriff noch einmal unternehmen.“

Carberry schob das Kinn vor und stemmte die Fäuste in die Seiten. „Paß bloß auf, daß du dir kein nasses Grab holst. Du hast schon genug unternommen, jetzt sind wir mal dran.“

Fast hätte sie freudlos aufgelacht. „Und wie stellst du dir das vor?“

„Hasard müßte auf die ‚Caribian Queen‘, dann könnten wir auslaufen“, sagte der Profos. „Mir juckt es in den Fingern.“

„Und an deinen Kapitän denkst du nicht, was?“ Der Kutscher war näher getreten. „Einen solchen Transport würde er kaum überleben, das sagt jedem vernünftigen Menschen der logische Verstand.“

Carberry schnaufte wie ein wütender Stier. „Ich bin aber kein vernünftiger Mensch, und deinen Logik-Kram kannst du dir sonstwohin stecken. Ich will mir diesen Stewart-Hurensohn und die O’Leary-Ratte vornehmen, kapiert? Und das wegen Hasard. Klar?“

„Das verstehe ich schon“, sagte Ben einlenkend. „Aber leider geht es so nicht, wie du dir das vorstellst, Ed. Siri-Tong hat meiner Ansicht nach völlig recht mit ihrem Plan, noch einmal zu der Insel zu segeln.“

„Ja“, sagte sie. „Dort hocken ja schließlich noch die Mannschaften der ‚Orion‘ und der ‚Dragon‘ am Ufer der Bucht, und sie haben immerhin noch einige Jollen, mit denen sie weiteres Unheil stiften können, solange die ‚Isabella‘ hier in der Bucht festgenagelt ist. Deine Einsatzbereitschaft in Ehren, Ed, aber es muß auch dir in den Kopf gehen, daß wir handeln müssen, nicht ihr.“

„Meinetwegen“, brummte Carberry. „Hölle, ich kapier’s ja auch, aber es ist großer Mist, daß uns so die Hände gebunden sind.“

„Hasard braucht Ruhe, Ruhe und noch einmal Ruhe“, erklärte der Kutscher erneut. „Daran wird sich auch in den nächsten Stunden nichts ändern. Wir sind zur Tatenlosigkeit verdammt und können nichts unternehmen.“

Die Augenbrauen von Siri-Tong hatten sich ärgerlich zusammengezogen. „Eigentlich habe ich selbst schuld, daß die Stewart-Bande uns hier aufgespürt hat. Ich habe den Männern der ‚Orion‘ und der ‚Dragon‘ ja den Rat gegeben, sich nach einer größeren Insel umzuschauen – mit Hilfe der Jollen. Das war ein Fehler von mir.“

„Nein“, sagte Ben. „Es war ein faires Angebot, denn du hättest die Jollen auch in Trümmer schießen können. Aber wenn sie jetzt statt dessen meinen, sich mit uns anlegen zu können, müssen sie auch mit den Konsequenzen rechnen, die sich daraus ergeben.“

„Eben“, sagte die Rote Korsarin grimmig. „Das können sie haben.“

Auch die anderen Männer pflichteten ihr bei. Es wurden nur noch wenige Worte gewechselt, dann verließ Siri-Tong die „Isabella“ wieder und kehrte mit der Jolle zur „Caribian Queen“ zurück.

Gegen vier Uhr morgens verließ die „Caribian Queen“ die Südbucht der Insel und ging auf der Atlantikseite der Inseln auf Nordwestkurs Richtung Grand Cays. Schon bald waren ihre Umrisse in der Dunkelheit verschwunden.

Ben Brighton ließ von jetzt an verschärft Ausguck gehen. Die „Isabella“ blieb gefechtsbereit. Der Kutscher war wieder in den Krankenraum zurückgekehrt, sein Aufenthalt an Deck war nur von kurzer Dauer gewesen. Schweigend setzte er sich zu Mac Pellew und den Zwillingen, die nach wie vor am Lager des Seewolfs Wache hielten.

Hasard lag in einem unruhigen Fieberschlaf. Der Kutscher blickte Mac Pellew an und nickte ihm zu. Es war richtig, daß sie ihn angeschnallt hatten, sehr leicht hätte er sonst von seiner Koje fallen können. Sein Zustand war unverändert bedenklich, eine Besserung zeichnete sich nicht ab. Der Kutscher und Mac Pellew bewachten ihn aufmerksam. Noch verspürten sie keine Müdigkeit. Philip junior jedoch fielen im Morgengrauen die Augen zu, er schlief im Sitzen ein.

Sein Bruder wollte ihn wachrütteln, aber der Kutscher schüttelte den Kopf, stand auf und bettete den Jungen vorsichtig auf der Bank.

„Zwei Mann genügen für die Wache“, flüsterte er Hasard junior zu. „Warum legst du dich nicht auch ein bißchen hin?“

Hasard junior preßte die Lippen zu einem Strich zusammen und gab keine Antwort. Sein Blick war auf seinen Vater gerichtet. Bei der Schlacht um die Schlangen-Insel hatten sie bereits einmal geglaubt, ihn verloren zu haben, doch dann war er – völlig unerwartet – wieder aufgetaucht und hatte in das Gefecht eingegriffen. Dieses Mal aber sah es weitaus übler aus – mehr als das, was vorgenommen worden war, konnten sie für ihn nicht tun.

2.

Kapitän Charles Stewart saß mit finsterer, brütender Miene auf den beiden Goldkisten, die der Jolle zusätzliches Gewicht und mehr Tiefgang verliehen. Das Erwachen des jungen Tages, der sich im Osten mit grauen und rötlichen Schleiern ankündigte, nahm er kaum wahr. Auch der Sonnenaufgang fand nicht seine Beachtung. Er starrte nur vor sich hin und grübelte über die jüngsten Geschehnisse nach.

Welcher Teufel hatte ihn überhaupt geritten, den Zweidecker des „Satansweibes“ zu verfolgen und mit dem verwegenen Plan, den Seewolf als Geisel festzunehmen, in die Ankerbucht der beiden Schiffe einzudringen?

Hatte er tatsächlich geglaubt, der Handstreich würde ihm gelingen? Ja, das hatte er getan. Schließlich hätte das Bubenstück auch gut ausgehen können, denn es war durchaus möglich gewesen, daß die „verfluchten Hunde“ ihre volle Aufmerksamkeit dem angeschossenen „Bastard“ widmeten.

Aber es hatte wohl nicht klappen sollen. Es war so gut wie alles schiefgegangen, und wieder mal hatte er sich davonstehlen müssen, um nicht selbst verletzt oder gar getötet zu werden. Eine zweite negative Erfahrung – wie im Fall des Entermanövers, mit dem er auf Anraten von Monk hin die „Orion“ hatte entern wollen. Auch das war fehlgeschlagen, denn Corbett und seine Crew waren höllisch auf der Hut gewesen. Energisch hatten sie den Angriff zurückgeschlagen – mit Drehbassen und Musketen, Handspaken und Koffeynägeln.

Überhaupt, dieser Monk! Gut so, daß er tot war. Mit seinen idiotischen Einfällen hatte er ihn, Stewart, zu waghalsigen Unternehmungen verleitet. Und Doherty war so dumm gewesen, dabei mitzumachen, doch der Kerl hatte sowieso keine eigene Meinung gehabt, dazu war er viel zu einfältig gewesen. Gut, daß auch er verreckt war, ihm weinte sowieso keiner eine Träne nach.

Kein Wort wurde an Bord der Jolle gesprochen, auch O’Leary und die fünfzehn Kerle der „Lady Anne“ hockten mit verkniffenen, bösen Gesichtern da. Es wurde heller, die Sonne stieg als roter Ball aus der See, einige Möwen schwebten über dem Boot. Keiner schaute zu ihnen auf. O’Leary spuckte hin und wieder ins Wasser.

Nein, dachte Stewart, es war doch nicht verkehrt, es zu versuchen. Gut, wir sind nicht ausreichend bewaffnet, aber der Mut ersetzt die fehlenden Mittel. Es hätte auch alles klappen können. Außerdem hätten wir noch viel mehr Pech haben können. Nur Monk und Doherty sind über den Jordan gegangen, das ist ein geringer Verlust. Wir anderen können froh sein, daß es uns nicht erwischt hat.

Thomas Lionel, der Jüngste und dümmste Killigrew-Sproß, hatte allerdings einen Kopfstreifschuß erhalten. Zuerst hatte er gezetert und gejammert, dann aber hatte ihn O’Leary mit der Drohung, er werde ihn über Bord werfen, zum Verstummen gebracht. Später hatte Simon Llewellyn seinem Brüderchen einen improvisierten Kopfverband verpaßt. Seitdem beklagte sich Thomas Lionel nicht mehr über seine „gräßlichen Schmerzen“. Er war sogar eingeschlafen und gab abgehackte Schnarchtöne von sich.

Jawohl, es hätte alles noch viel schlimmer kommen können. Alle Mann hätten sie sterben können, dann wäre es ganz aus gewesen mit dem Gold und allen Plänen. Jetzt mußte man wieder Hoffnung schöpfen.

Deswegen, so fand Stewart, war es auch richtig, daß er angeordnet hatte, zu den Grand Cays zurückzukehren. Dort würde man erst mal weitersehen.

Es wurde acht Uhr morgens und noch ein bißchen später. O’Leary murmelte etwas Unverständliches, richtete sich auf und schirmte die Augen mit der Hand ab.

„Verdammter Mist“, sagte er. „Ich sehe die Insel nirgends. Vielleicht segeln wir auf falschem Kurs.“

Stewart hielt ebenfalls Ausschau. „Bald müßte sie in Sicht sein.“

„Das sage ich ja.“

„Noch eine halbe Stunde, dann haben wir sie vor uns“, sagte Stewart.

„Eigentlich wäre es besser, sie doch nicht wiederzufinden“, sagte O’Leary und sah ihn an.

„Wie? Du meinst, die Kerle sind abgehauen?“

O’Leary spuckte wieder ins Wasser, dann erwiderte er: „Es ist mir so ziemlich scheißegal, ob sie sich verholt haben, in der Nase bohren oder den Sand fressen, der auf dem verfluchten Strand der Bucht rumliegt.“

Nach menschlichem Ermessen mußten sie sich allerdings nach wie vor auf der östlichen Insel der Grand Cays befinden: die Männer der „Orion“ und der „Dragon“ sowie noch zwölf Kerle der „Lady Anne“ und sieben Gentlemen aus der erlauchten, sehr ehrenwerten und hochwohlgeborenen Sir-Henry-Clique. Sie hatten Hütten gebaut und wollten aller Wahrscheinlichkeit nach das Eiland vorerst gar nicht verlassen. Von dieser Annahme ging Stewart bei seinem Kalkül, das er aufgestellt hatte, aus.

„Mir ist es nicht egal“, sagte Stewart und verengte die Augen. „Ich finde es sogar verdammt wichtig.“

„Du bildest dir also nach wie vor ein, du könntest diesen Narren Tottenham zu irgendwas überreden?“

„Ja. Er soll mit uns zusammen die Schiffe überfallen. Wenn wir das schaffen, haben wir keine Probleme mehr und sind wieder beweglich, gleichgültig, ob wir in der Karibik bleiben oder nach England zurückkehren.“

„Das hast du mir vorhin schon mal erzählt.“

„Und du hast immer noch Bedenken?“

„Ich bin skeptisch wegen der Marineaffen“, entgegnete O’Leary.

„Tottenham wird es einsehen, ich habe ja neue, überzeugende Argumente“, sagte Stewart, wobei er fand, daß er auch die Wahl seiner Worte richtig getroffen hatte. Hölle, wußte ein Kerl wie O’Leary denn überhaupt, was Argumente waren?

„Also gut“, sagte O’Leary. „Wir wissen jetzt wieder, wo die Schiffe von Hasard Killigrew und der Chinesenhure stecken. Tottenham und seine Offiziere werden sich’s wohl anhören – und dann?“

„Dann rüsten wir zum Auslaufen. Waffen und Boote in ausreichender Zahl sind vorhanden. Tottenham hat auch allen Grund, einen vernichtenden Schlag gegen die Schwarzhaarige und den Killigrew-Bastard zu führen. Hast du vergessen, daß dieses Weib die ‚Orion‘ und die ‚Dragon‘ versenkt hat?“

„Natürlich nicht. Aber Tottenham ist entschlußlos und hat keine Lust, seine Haut zu Markte zu tragen.“

„Corbett schon.“

„Corbett kannst du vergessen“, sagte O’Leary schroff. „Der ist viel zu ehrlich und geradlinig, der setzt das Leben der Männer nicht leichtfertig aufs Spiel. Mit Musketen und Pistolen gegen Schiffskanonen – darauf läßt der sich nicht ein.“

„Und die restlichen Männer deiner Crew?“

„Mit denen kann ich rechnen. Aber das sind zu wenige.“ O’Leary grinste plötzlich höhnisch. „Die Hosenscheißer wie Sandwich und Konsorten scheiden sowieso aus.“

„Mit anderen Worten, du willst nicht mit Tottenham reden?“ fragte Stewart ziemlich aufgebracht.

„Ich habe keinen Grund dazu.“

„Der Gegner liegt in der Südbucht der Insel, und wir lassen ihn ungeschoren?“

„Aber sicher doch“, erwiderte O’Leary mit dreistem Lächeln. „Was schert mich der Killigrew-Bastard? Der krepiert sowieso. Und die Chinesenhure? Soll sie doch selig werden. Und die anderen Spinner? Irgendwann knallen die Spanier sie ab. Sobald ihr Kapitän tot ist, werden sie ohnehin kopfscheu.“

„Das siehst du falsch“, sagte Stewart nur mühsam beherrscht. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte O’Leary die Faust mitten ins Gesicht geschlagen. Doch die Kerle der „Lady Anne“ schienen einmütig auf der Seite des Bootsmannes zu stehen, sie hörten auch auf sein Kommando. Einige von ihnen hatten wie O’Leary zu grinsen begonnen und stießen sich untereinander an. Thomas Lionel war aufgewacht und schaute sich verständnislos um, Simon Llewellyn beugte sich zu ihm und tuschelte ihm etwas ins Ohr.

„Hör mal genau zu“, sagte Stewart. „Mit dem Besitz der beiden Schiffe, der Galeone und des Zweideckers, wäre das Problem unseres eigenen Schiffbruchs gelöst, das muß dir doch einleuchten.“

„Na und?“ sagte O’Leary und lachte.

„Unsere beiden Mannschaften brauchen sich nicht auf ein fragwürdiges Inseldasein einzurichten.“

„Es sind drei Mannschaften.“

„Tottenham kehrt mit seiner ‚Orion‘-Crew sicherlich nach England zurück. Dann bleiben nur noch wir, du und ich, mit unseren beiden Crews.“

„Und was hast du vor?“

„Ich würde meine Crew dazu zwingen, mir zu folgen“, erwiderte Stewart.

„Die ist ja auch sehr gehorsam, wie?“

„Zwingen, habe ich gesagt.“

„Mit was denn, wenn man fragen darf?“ erkundigte sich der Bootsmann in geradezu aufreizend spöttischem Tonfall.

„Mit der Waffe natürlich“, entgegnete Stewart, der sich jetzt kaum noch zügeln konnte.

„Da spielen die nicht mit“, sagte O’Leary. „Die doch nicht.“

„Vor allen Dingen dieser Gretton nicht“, fügte Simon Llewellyn hinzu.

„Wer ist denn das?“ fragte Thomas Lionel.

„Haltet ihr euer Maul!“ fuhr O’Leary sie barsch an. „Ihr habt sowieso von nichts eine Ahnung.“

„So kannst du mit mir nicht reden!“ begehrte Simon Llewellyn auf.

„Und mit einem Schwerverletzten wie mir erst recht nicht!“ stieß Thomas Lionel schrill hervor.

„Hört auf“, sagte einer der Kerle, der in ihrer Nähe saß. „Fangt nicht wieder an zu streiten. Davon haben wir die Nase voll. Klar?“

„Ganz klar“, antwortete Thomas Lionel kleinlaut. „Aber um was geht’s eigentlich.“

„Um Gretton“, sagte sein Bruder. „Und um die Crew der ‚Dragon‘, die …“

„Ruhe!“ schnitt O’Leary ihm das Wort ab. „Jetzt rede ich. Gretton ist drauf und dran, den Scheißkerl Corbett nachzueifern. Folglich können wir auch ihn vergessen. Und die Crew? Und die Seesoldaten? Die sind auch dafür, den Arsch einzuziehen.“

„Nein!“ schrie Stewart. „Das stimmt nicht! Wenn sie wissen, daß es eine Chance gibt, das ganze Gold einzusacken, sind sie sofort mit Feuer und Flamme dabei!“

„Quatsch, die sind nur müde!“ rief O’Leary. „Die haben keine Lust mehr, sich für eine fixe Idee blutige Köpfe zu holen.“

„Für die was? Das ist keine fixe Idee!“

„Mann, du kannst die Jagd nach der ‚Lady Anne‘ und ihrer Goldladung aufgeben!“

„Das tue ich aber nicht“, sagte Stewart scharf. „Ich will das Gold.“

„Du bist nicht mehr ganz richtig im Kopf, Stewart, das ist es“, sagte O’Leary verächtlich.

Stewart sah ihn mit haßerfüllten Augen an. Noch stürzte er sich nicht auf ihn, aber die Situation trieb unweigerlich ihrem Höhepunkt entgegen, der nur in einem Handgemenge enden konnte. Aber wer würde den ersten Schlag führen? Er oder O’Leary? Das war hier die Frage.

O’Leary, der Bootsmann der „Lady Anne“ war, alles in allem gesehen, ein genauso übler Kerl wie Kapitän Stewart. Aber in diesem Fall dachte er realistischer. Sie hatten keine Chance, die Männer der „Orion“ und „Dragon“ zu einem Abenteuer zu überreden. Die würden kalt ablehnen und höchstwahrscheinlich auch wieder mit Steinen nach ihnen werfen.

Außerdem war O’Leary der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach. Der Spatz in der Hand – das waren die beiden Goldkisten unter der Achterducht der Jolle. Stewart saß buchstäblich mit seinem Hintern darauf, als habe er die Absicht, noch mehr Goldbarren auszubrüten.

Das nüchterne Denken des grobschlächtigen O’Leary bezog sich auf die Tatsache, daß sie sich von den Männern auf der Grand-Cay-Insel nicht in aller Freundschaft, sondern im Krach getrennt hatten – vor allem von den zwölf eigenen Kumpanen von der „Lady Anne“. Die würden wahrscheinlich doch nicht mehr hinter O’Leary stehen, wie er behauptet hatte, und auch das war ein wichtiger Grund, die Insel nicht anzulaufen.

Schließlich hatten diese zwölf der Jolle ja einen wüsten Hagel von Steinen nachgesandt, als sie aus der Bucht gesegelt war. Die zwölf Galgenstricke hatten also wohl oder übel zurückbleiben müssen, weil die Jolle sonst überladen gewesen wäre. Und ebenso auch die sieben vornehmen Affen des pinseligen Sir Henry – die wären nun wirklich überflüssiger Ballast gewesen.

Haß würde also der Jollencrew am Strand der Bucht entgegenschlagen, nichts als blanker Haß. Im übrigen wollte O’Leary auch nichts mit der Marine Ihrer Majestät zu tun haben, von der sich seiner Meinung nach ja auch der alte Sir John Killigrew mit Recht getrennt hatte, um sein eigenes Süppchen zu kochen.

Alle diese Gründe hatte sich O’Leary während der letzten Stunden durch den Kopf gehen lassen und war zu dem Schluß gelangt: Ich bin doch nicht blöd, meinen Kopf noch einmal in die Schlinge zu stecken! Denn die ganze Sir-John-Crew war ja auch bereits auf der „Orion“ hinter Schloß und Riegel gebracht worden, eben wegen der Geschichte mit der Goldladung der „Santa Cruz“ und der damit verbundenen Entführung des Sir Andrew Clifford.

O’Leary hatte es wenig genutzt, sich mit Lügen herausreden zu wollen – man hatte ihm nicht geglaubt. Sie waren ausgepeitscht und in die Vorpiek der „Orion“ geworfen worden. Was hatten sie also von diesen Marineaffen zu erwarten? Nichts Gutes.

„Da ist die Insel!“ stieß plötzlich einer der Kerle hervor. „Backbord voraus!“

„Sehr gut“, sagte Stewart bissig. „Wir laufen sie also an.“

„Sie ist noch zwanzig Meilen entfernt“, sagte Thomas Lionel.

„Quatsch“, sagte sein Bruder. „Höchstens zehn.“

„Drei bis vier“, sagte einer der Kerle, und die anderen lachten grölend.

„Zur Sache“, sagte O’Leary kaltschnäuzig. „Ich habe keine Lust, mit diesem Idioten Tottenham zu reden. Überhaupt, ich habe auch nicht die Absicht, die nördliche Bucht anzusteuern und dort zu landen. Ist das klar?“

„Du bist ein Narr, O’Leary“, sagte Stewart.

„Das trifft für dich erst recht zu. Es wäre nämlich auch schade wegen der beiden Goldkisten, denn die werden garantiert von den Marineaffen beschlagnahmt.“

„Das lasse ich nicht zu!“

„Hast du wirklich schon mal richtig darüber nachgedacht?“ fragte O’Leary mit höhnischem Grinsen.

„Ja!“

„Den Eindruck habe ich nicht.“

„Deine Eindrücke scheren mich einen Dreck!“ brüllte Stewart.

„Bilde dir bloß nicht ein, daß du über mich und die Crew dieser Jolle so einfach bestimmen kannst“, sagte O’Leary, ohne jetzt die Stimme zu heben. Er sprach in eisigem Tonfall und ließ Stewart dabei nicht aus den Augen. „Unser Kapitän ist immer noch John Killigrew, obwohl der im Augenblick leider nicht unter uns weilt – aber kein Mister Stewart.“

„Kapitän Stewart, wenn ich bitten darf“, zischte Stewart.

„Mister Stewart, du bist ganz schön hirnverbrannt.“ Der Anflug eines Grinsens huschte über O’Learys Züge, erstarb aber gleich wieder. „Für mich gibt’s nur einen Kapitän. John Killigrew. Klar?“

„Für uns auch“, brummten die Kerle.

Simon Llewellyn wollte etwas hinzufügen, aber O’Leary warf ihm einen derart scharfen Blick zu, daß er es vorzog, den Mund zu halten.

Stewart richtete den Zeigefinger auf O’Leary. „Aber diese Jolle hier, die gehört der ‚Dragon‘ und untersteht daher mir als dem Kommandanten der ‚Dragon‘.“

„Das kratzt mich überhaupt nicht.“

„Es ist meine Jolle, verdammt noch mal!“

„Na, dann sagen wir mal, ich beschlagnahme sie“, erklärte O’Leary und grinste jetzt wieder dreist und herausfordernd.

Seine Kerle grinsten ebenfalls und stießen sich untereinander mit den Ellenbogen an. Die Söhne des alten Killigrew sahen sich an, und Thomas Lionel kicherte. Sonst waren sie ziemlich aufsässig und renitent, dieses Mal aber waren sie mit dem Kurs, den O’Leary einschlug, voll einverstanden. Längst hatten auch sie aufgehorcht, und sogar Thomas Lionel war inzwischen aufgegangen, wie das Spiel zu laufen hatte.

Die Crew der „Lady Anne“ war eine wilde Schar von Raufbolden und Schlagetots, die vor so gut wie nichts zurückschreckten. Aber auch ihnen war es nicht geheuer gewesen, zu der Insel der Grand Cays zurückzukehren. Daß O’Leary auf die beiden Goldkisten spitzte, war ganz nach ihrem Geschmack.

Somit schwand die trübe Stimmung, in der sie sich nach ihrer Niederlage befunden hatten. Mit breitem Grinsen starrten sie Charles Stewart an. Plötzlich spielten einige von ihnen in eindeutiger Weise mit ihren Messern.

Stewart hatte bereits begriffen, was sich zusammenbraute. Meuterei – das hatte ihm zu seinem Pech noch gefehlt. Er biß die Zähne zusammen und unterdrückte einen Fluch. Was sollte er tun?

Er begriff natürlich auch, daß er diesen wüsten Kerlen des alten Killigrew nicht damit imponieren konnte, Kapitän der Marine Ihrer Majestät zu sein, dem sie wie Kriegsschiffbesatzungen zu gehorchen hatten. Die Hunde würden sich darüber eher totlachen.

Darum beschloß er, seine bisherige Taktik zu ändern. Es hatte keinen Zweck, sich auf Teufel komm raus mit diesem Bastard O’Leary anzulegen. Er mußte einen Köder auswerfen. Er wußte auch schon, wie er es anpacken mußte, damit sie sich darin verbissen und ihm sozusagen auf den Leim gingen, so daß er sie auf seine Seite ziehen und erneut für seine Zwecke gewinnen konnte.

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