Kitabı oku: «Seewölfe Paket 28», sayfa 17

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Die Prozedur nahm erneut ihren Anfang, bis der Kessel leer war.

Aber da hatte der Koch schon einen Bauch wie eine riesige Trommel. Er konnte sich nicht mehr erheben, und er rührte sich auch nicht mehr.

„Was ist mit ihm?“ fragte Ali.

„Er hat sich überfressen“, antwortete der Tonnenmann. „Die Suppe hat ihm wohl das Herz abgedrückt.“

„Ist er tot?“

Zwei Männer nickten nur.

„Dann werft ihn über Bord. Was soll ich mit einem toten Koch an Bord? Der Lebende hat ja schon nichts getaugt.“

Für Ahmed war das alles neu, schrecklich und grausam. Solche Dinge hatte er noch nie erlebt, und so fürchtete er sich noch mehr, daß es eines Tages auch ihm so ergehen könne.

Und diesen Ali Ben Chufru wollte er, Ahmed, umbringen? Er wollte es, aber er wußte nicht, wie er das bewerkstelligen sollte, denn der Pirat war einfach übermächtig und unangreifbar, jedenfalls für einen vierzehnjährigen schmächtigen Jungen.

Schaudernd mußte er mit ansehen, wie sie den Koch einfach über Bord kippten, als sei er ein toter Hund. Seine Abscheu und Ekel vor diesen Halunken wuchs. Sie sprangen mit einem Menschen um wie mit einer Kakerlake, und sie brachen auch noch in rohes Gelächter aus, als der Koch mit seinem gewaltigen Leib in der See trieb.

So begann Ahmeds erster Tag auf der Schwarzen Piratensambuke. In der ersten Nacht fand er keinen Schlaf. Die fürchterliche Angst ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.

7.

Ali Ben Chufru scheute sich nicht, auch größere Schiffe anzugreifen, aber hauptsächlich überfiel er die Perlenfischer, jene armen Leute, die von der Hand in den Mund lebten. Meist verkauften sie ihre spärlichen Funde an Händler, von denen sie kräftig übers Ohr gehauen wurden und die vom Verkauf der Perlen nach Bagdad reich wurden.

Die Fischer erhielten nur ein paar Münzen.

Am zweiten Tag – die See hatte sich längst wieder beruhigt – erlebte Ahmed den Überfall auf einen Perlenfischer mit. Der Ausguck hatte das kleine Boot gesichtet, und die Sambuke nahm Kurs darauf.

Auf dem Boot waren zwei Männer. Einer hockte darin, der andere hatte gerade einen Korb voller Muscheln nach oben gebracht.

Als die schwarze Sambuke den Kurs änderte, blickten die beiden Perlentaucher erschreckt hoch. Ahmed konnte sie noch nicht genau erkennen, aber er wußte trotzdem um ihre wilde und panische Angst. Die schwarze Sambuke war ein Begriff an der Küste, ein tödlicher Begriff.

Die beiden Perlenfischer kappten ihre Ankertrosse und ließen sie sausen. Sie nahmen sich nicht mehr die Zeit, den Steinanker aufzuhieven, weil das nur Zeit kostete. Dann setzten sie das kleine Segel und pullten zusätzlich in Richtung Küste.

Ali Ben Chufru grinste hinterhältig.

„Aha, sie haben anscheinend ein paar Perlen gefunden, sonst würden sie nicht so schnell verschwinden. Sind die Drehbassen klar?“

Der Tonnenmann mit den fürchterlichen Elefantenbeinen und dem quadratischen Schädel nickte ausdruckslos. Der Rudergänger steuerte inzwischen dem kleinen Boot der Perlenfischer hinterher.

Die schwarze Sambuke war unheimlich wendig, schnell und hatte nur einen geringen Tiefgang, der sie befähigte, bis dicht an den Strand zu segeln.

Aber da pullten und segelten zwei Perlenfischer um ihr Leben, denen die Angst zusätzliche Kräfte verlieh. Daher flog das Boot auch nur so über das Wasser.

Ahmed sah im Geist wieder sich und seinen Vater. Auch sie hatten fürchterliche Angst vor den Kerlen gehabt und waren ihnen doch hilflos ausgeliefert, genau wie jene beiden, die jetzt flüchteten.

Der Junge sah sich hilflos nach allen Seiten um. Er wußte nicht, was er unternehmen sollte. Er konnte nicht helfen und mußte tatenlos mit ansehen, wie die grinsenden Piraten an den schnell in die Halterungen geschobenen Drehbassen hantierten.

Ein paar Tränen liefen ihm über das Gesicht, er schniefte leise.

Ali Ben Chufru brüllte den Fischern mit seiner Donnerstimme zu, daß sie sofort das Segel streichen sollten, dann würde ihnen auch nichts geschehen.

Die beiden dachten nicht daran. Sie verdoppelten ihre Anstrengungen und pullten wie besessen. Entweder kannten sie den alten Schnapphahn persönlich, oder sie hatten von anderen gehört, daß ein Ali Ben Chufru grundsätzlich nicht sein Wort hielt.

Als der Pirat sah, daß er das Boot mit der Sambuke nicht einholen konnte und die Fischer seine gebrüllte Aufforderung ignorierten, lief er im Gesicht blaurot an. Um seine Lippen zuckte es. Die Augen erinnerten Ahmed an glühende Kohlen.

Ali regte sich mächtig auf, daß man seinen Befehlen nicht gehorchte. Diesen Zustand an dem Piraten bemerkte Ahmed auch später. Immer wenn der Kerl sich aufregte, stand er fast vor einem Zusammenbruch, lief blaurot an und begann am ganzen Körper zu zittern.

„Feuer!“ brüllte er schließlich unter großer Anstrengung.

Die Kerle gehorchten sofort. Der Tonnenmann hob zusätzlich noch den fürchterlich dicken Daumen.

Drei Drehbassen krachten gleichzeitig und spien einen Hagel aus grobgehacktem Blei über das Wasser. Lange Blitze rasten aus den Schlünden, drei dicke Rauchwolken quollen auf, und eine übelriechende Wolke nahm Ahmed vorübergehend den Atem.

Zwei der Schüsse lagen zu kurz. Das Wasser erhob sich in unzähligen kleinen Fontänen wie ein schaumiger Vorhang, der anschließend rauschend zusammenfiel.

Der dritte Schuß traf das Boot vorn am Bug, als es sich zur Seite drehte.

Voller Entsetzen sah Ahmed, wie der Bug auseinandergerissen wurde und zersplitterte und einer der Perlenfischer aufschreiend die Arme hochwarf und ins Meer geschleudert wurde. Der andere Mann fiel auf die Ducht zurück und verkrampfte beide Arme um seinen Brustkorb.

Das Segel existierte ebenfalls nicht mehr. Es hingen nur noch ein paar traurige Fetzen von dem kleinen Mast herunter.

Die Sambuke näherte sich jetzt rascher, ging hoch an den Wind und hielt sich so, daß sie das angeschossene Boot leicht rammte. Mit langen Haken wurde es festgehalten.

Eine ähnliche Situation hatte Ahmed damals erlebt, und diesmal wurde ihm noch schlechter, als er den schwerverletzten Mann auf der Ducht sah, der mit Blut beschmiert war.

„Warum habt ihr Hurensöhne nicht gestoppt, als ich euch dazu aufforderte?“ schrie Ali wild.

Der Fischer gab keine Antwort. Von dem anderen war nichts mehr zu sehen. Das Meer hatte ihn verschlungen.

Ali ließ einen seiner Kerle das Boot durchsuchen, und der fand tatsächlich zwei zartrosa schimmernde kleine Perlen, die er unterwürfig an Ali weitergab. Er nahm auch noch den Korb mit den Muscheln und schleuderte ihn auf die Sambuke.

Für Ali Ben Chufru war damit alles erledigt.

Die Kerle stießen hohnlachend das Boot ab und sahen ungerührt zu, wie es immer mehr wegsackte. Der Mann auf der Ducht neigte sich langsam nach vorn. Auch er würde mit untergehen, daran gab es keinen Zweifel, er war zu schwer verletzt.

„Ihr müßt ihm helfen, Herr“, wimmerte Ahmed. „Er wird ertrinken, er kann sich nicht mehr selbst helfen. Bitte, Herr, helft ihm, tut vor Allahs Augen ein gutes Werk.“

Während Ali nach achtern ging, drehte er sich plötzlich um. In seiner rechten Hand hielt er ein Messer. Er holte aus und warf es mit aller Kraft.

Ahmed sah einen Blitz in der Luft, dann spürte er, wie er mit unwiderstehlicher Gewalt an den Mast gedrückt wurde. Das Messer hatte sein linkes Hosenbein durchbohrt und ihn an den Mast genagelt.

„Du solltest mit Allahs Namen vorsichtiger umgehen, du kleiner Bastard“, sagte Ali drohend. „Das nächste Mal wird dich das Messer da treffen, wo es ganz gräßlich weh tut.“

Der Tonnenmann kam mit völlig ausdruckslosem Gesicht auf ihn zu und zog das Messer aus dem Holz. Dabei schlitzte er sein Hosenbein noch weiter auf.

„Ich habe gleich gesagt, daß man dich Wurm wieder über Bord werfen soll“, knurrte er heiser. Dann holte er aus und gab dem Jungen eine kräftige Ohrfeige, die ihn auf die Planken warf.

Ahmed war von dem harten Schlag so benommen, daß er eine Weile auf den Planken liegenblieb. In seinem Schädel dröhnte es, und auf dem rechten Ohr konnte er kaum noch etwas hören, so hart hatte der Kerl zugeschlagen.

So verlief der zweite Tag auf der Sambuke für Ahmed. Auch in dieser Nacht fand er nur wenig Schlaf und dachte darüber nach, wie er von der schwarzen Sambuke fliehen konnte. Er sah jedoch vorerst noch keinen Ausweg.

Am dritten Tag wagte Ali Ben Chufru einen Raid, der selbst für ihn ein paar Nummern zu groß war. Er übernahm sich einfach, denn an der langgestreckten Küste von Abu Dhabi gab es noch einen üblen Schnapphahn, und der hatte Ali längst im Visier, weil der in „seinem“ Revier wilderte.

Dieser Schnapphahn hieß Moshu El Kekir und war auf einem Auge blind. Das Auge hatte er durch einen Messerwurf verloren, und dieses Messer hatte kein anderer als Ali Ben Chufru geschleudert.

Seitdem herrschte zwischen beiden erbitterte Feindschaft. Moshu hatte geschworen – vor versammelter Mannschaft –, „diesen oberräudigen, triefäugigen Sohn einer Kameltreiberhure“ so lange zu hetzen, bis er ihn erwischte. Was dann mit Ali zu geschehen hatte, ließ selbst die abgebrühten Schnapphähne vor Scham erröten und erschauern.

Das mindeste, was Ali passieren würde, war der Verlust seiner Männlichkeit. Danach sollte er in Stücke geschnitten, geröstet und verbrannt werden. Diese Drohungen wechselten allerdings fast täglich, denn Moshu El Kekir war ein Mann mit Phantasie, und ihm fiel ständig etwas Neues für Ali ein.

Kekir hatte eine große Baggala gesichtet, ein unauffälliges Schiff, dessen Ladung es allerdings in sich hatte. Das dhauähnliche Schiff hatte Silber, Gold und Perlen an Bord und war auf dem Weg nach Basra.

Kekir hatte allerdings vor dem Entern einen Ruderschaden erlitten, und so war die Baggala entwischt. Als der Ruderschaden behoben war, wurde die Verfolgung wieder aufgenommen.

Ausgerechnet Ali Ben Chufru entdeckte an diesem Morgen die Baggala, Sie war nur ganz schwach bewaffnet und wirkte unauffällig. Gerade deshalb war sie zum Transport ausgewählt worden.

In der Nacht zuvor hatten die Schnapphähne an Bord noch einmal kräftig gefeiert. Einige sahen recht verkatert aus, gähnten laut und waren von übler Laune erfüllt.

Ahmed sah das alles mit Schrecken, als einige begannen, ihre Wut an ihm auszulassen.

Der Ausguck meldete das Schiff erst dann, als es schon von Deck aus deutlich zu erkennen war. Auch Ahmed hatte es gesehen, hütete sich jedoch, auch nur ein Wort darüber verlauten zu lassen.

„Eine Baggala“, sagte Ali, nachdem er einen Blick durch das Spektiv geworfen hatte. „Eine Baggala soll auch unterwegs nach Basra sein, wie ich erfahren habe. Sie hat eine prachtvolle Ladung an Bord.“ Er rieb sich die Hände und lachte dröhnend. „Mir ist da was von Gold, Silber und Perlen zu Ohren gekommen. Vielleicht haben wir Glück. Du Hundesohn hättest das Schiff viel früher melden sollen“, brüllte er den Ausguck an.

Die Baggala war noch weit entfernt. Die Besatzung schien auch keinen Verdacht zu schöpfen.

Ali überlegte einen Augenblick, dann entschied er sich für eine Landzunge, hinter der sie sich auf die Lauer legen wollten, und tat so, als wollte er Kurs auf die Küste nehmen.

Unauffällig ging die schwarze Sambuke auf einen anderen Kurs – ganz unmerklich nur, wie sie es schon erfolgreich geprobt hatten. Darauf waren schon etliche Kapitäne hereingefallen.

Als sie hinter der Landzunge verschwand, ließ Ali in aller Eile die Drehbassen montieren und laden. Für eine Viertelstunde herrschte großer Eifer auf der Sambuke. Die Kerle wurden alle bis an die Zähne bewaffnet. Die Sambuke glich jetzt einer kleinen schwimmenden Festung.

Ahmed verkroch sich in seiner Angst in der Segellast, um das Furchtbare und Schreckliche nicht mit ansehen zu müssen.

Zwischen Dornengestrüpp und Palmen lag die schwarze Sambuke geschützt und fast unsichtbar hinter der Landzunge. Die Baggala wurde mit zwei Spektiven belauert.

Nach einer Weile erreichte sie die Landzunge. Die Besatzung war völlig ahnungslos und überrascht, als die schwarze Sambuke unter vollem Preß auf sie zusegelte.

Lange Blitze schossen aus den Drehbassen. Brüllender Donner war zu hören, und grobgehacktes Blei raste mit vernichtender Gewalt in die Baggala. Die ersten Schüsse mähten einen Teil der überraschten Besatzung augenblicklich nieder. Segel zerfetzten, der Mast wurde getroffen und krachte splitternd an Deck.

Innerhalb weniger Augenblicke tat sich die Hölle auf, eine Hölle aus flammenden Blitzen, dröhnendem Donner und heißem Blei. Getöse erfüllte die Luft.

Auf der Baggala schlug es pausenlos ein. Kreischendes Holz fetzte aus dem Rumpf, in dem immer wieder neue Löcher entstanden.

„Klar zum Entern!“ brüllte Ali.

Die Sambuke rammte die stark beschädigte Baggala hart und drängte sie ab. Dann flogen Enterhaken hinüber, die sich hinter dem Schanzkleid im Holz verkrallten.

Auf dem Deck sah es wüst aus. Tote und Verletzte lagen herum. Das Schreien von sterbenden Männern war zu hören.

Alis Horde setzte über, Messer zwischen den Zähnen. Enterbeile, Säbel, Degen oder Pistolen in den Fäusten. Etliche Kerle ließen sich an langen Tauen hinüberschwingen und sprangen an Deck.

Ein Teil der Besatzung hatte sich nach unten geflüchtet. Es gab kaum Gegenwehr. Die Angst saß den Kaufleuten in den Knochen. Außerdem waren sie keine mutigen Kämpfer.

Ali stürmte an der Spitze seiner Schnapphähne vor. Er schoß seine Pistolen leer und griff dann zum Krummschwert, mit dem er brüllend nach allen Seiten um sich hieb.

Unter seinen wilden Streichen sanken zwei Männer auf die Planken. Drei weitere sprangen voller Angst ins Meer, ohne sich zu wehren.

Ahmed, der von dem wilden Kampfgetümmel eingeschüchtert und verängstigt war, öffnete das Schott einen winzigen Spalt. Dann warf er einen scheuen Blick hinaus und zuckte zusammen.

Überall lagen Tote herum. Männer schrien ihr Entsetzen hinaus, als die Piraten unter ihnen wüteten. Ein Mann kippte getroffen aus dem Want, in das er sich geflüchtet hatte. Er fiel mit einem dumpfen Klang auf die Planken und rührte sich nicht mehr.

Ahmed sah, daß ein großes Messer in seiner Brust steckte.

In diesem Augenblick dachte er an Flucht. In dem Kampfgetümmel würde sich niemand um ihn kümmern. Das Land war auch nicht weit entfernt. Es würde überhaupt nicht auffallen.

Zitternd öffnete er das Schott noch etwas weiter und fuhr zurück, denn direkt vor seinen Augen und ganz dicht vor dem Schott kämpften zwei Männer. Einer gehörte zu Alis Bande, der andere war ein dunkelhaariger Mann von der Baggala. Er schien sich nicht zu fürchten und brachte den Piraten in arge Bedrängnis.

Alle beide donnerten an das Schott, das sich wieder einen Spaltbreit schloß.

Ahmed fuhr hastig zurück. Gleich darauf hörte er einen gellenden Schrei, wie ihn nur ein Sterbender ausstoßen konnte. Das höhnische Gelächter des Piraten bewies, daß der Mann von der Baggala sein Leben ausgehaucht hatte.

Als der Kampflärm nach und nach abebbte, versuchte Ahmed wieder, das Schott zu öffnen. Es ging nicht. Genau davor lag der Tote mit ausgebreiteten Armen. Das Schott ließ sich nicht weiter bewegen. Ahmed mußte sich zähneknirschend mit dem Zuhören beschränken, eine Flucht war jetzt so gut wie aussichtslos.

Auf der Baggala war immer noch der Teufel los. Von der Besatzung lebten nur noch ein paar Männer, aber die waren so schwer verletzt, daß sie nicht mehr kämpfen konnten.

Die Schnapphähne begannen damit, voller Gier das Schiff zu durchsuchen und zu plündern.

Sie wurden auch gleich fündig. Ein unbeschreibliches Geheul brandete auf. Gelächter erklang, Schreie des Triumphes. Die Kerle benahmen sich so ausgelassen wie seit langem nicht mehr. Eine unwahrscheinlich große Beute war ihnen in die Hände gefallen.

Ali stierte fassungslos auf eine Truhe mit indischem Silberschmuck, Kästchen voller Perlen, Goldbarren und Münzen. Auch ein paar archäologische Kostbarkeiten waren dabei, die aus irgendwelchen Gräbern stammen mochten.

„Ha, ist das eine Beute?“ schrie er begeistert. „Aber jetzt ganz schnell rüber damit. Seid ihr mit der Durchsuchung fertig?“

Ein paar Kerle nickten eifrig. Sie hatten nicht mehr viel gefunden. Das meiste war in der Kapitänskammer versteckt gewesen.

Ali hörte das Wasser gurgeln. Aus etlichen Löchern ergoß es sich in den Bauch des Schiffes. Nicht mehr lange, und die Baggala würde untergehen. Sie hatte ein paar Treffer nahe der Wasserlinie erhalten.

Noch einmal stöberte er in aller Eile die prunkvoll eingerichtete Kammer durch, fuhr mit dem Säbel zwischen das Holz, fetzte es heraus und suchte nach weiteren geheimen Verstecken. Er fand keine mehr.

Das Rauschen und Gurgeln verstärkte sich. Auch ein feines Zischen war jetzt zu hören.

Gerade als Ali die langsam sinkende Baggala verließ, sprang Tarsa mit einem Satz herüber. Das aufgedunsene Gesicht des Tonnenmannes war verzerrt und unnatürlich bleich.

„Die Sambuke von Moshu“, stieß er hervor. „Sie steht noch an der Kimm, aber ich habe die roten Segel erkannt. Wir sollten schleunigst verschwinden. Du weißt, Sidi, wie viele Kanonen er an Bord hat, und du weißt auch das andere.“

Ali fuhr fassungslos herum. Vor Moshu el Kekir hatte er einen Heidenrespekt. Den fürchtete er noch mehr als den Scheitan.

„Verdammt! Diese Ratte war hinter der Baggala her“, ächzte er. „Der hat doch einen Riecher dafür.“

Das rote Segel war jetzt schon mit bloßen Augen zu erkennen. Den Schnapphähnen wurde es mulmig zumute. Unbehaglich starrten einige zum Horizont, wo das Segel schnell größer wurde.

„Nichts wie weg!“ stieß einer hervor.

Ali hatte es jetzt ebenfalls furchtbar eilig, weil er genau wußte, was ihm blühte, wenn der Hurensohn von Moshu ihn erwischte. Wenn er dann noch die riesige Beute fand, war alles aus. Ali hatte ihm diese Beute vor der Nase weggeschnappt, und das würde ihm Moshu el Kekir nie verzeihen. Das war eine Schmach, die nur mit Blut abgewaschen werden konnte.

Der Tonnenmann warf zwei Tote auf die Baggala hinüber und löste die Enterhaken, die beide Schiffe miteinander verbanden.

Als die Toten zur Baggala hinübergeworfen wurden, öffnete sich das Schott und Ahmed kam bleich an Deck. Am Schanzkleid mußte er sich erst einmal übergeben. Niemand kümmerte sich um ihn, und er selbst war im Augenblick zu schwach, um noch an Flucht denken zu können. Ahmed kriegte aber mit, daß die Kerle fürchterliche Angst hatten und ständig von einem roten Segel faselten, das jetzt deutlich im Sonnenlicht zu erkennen war.

Aus den Augenwinkeln sah er die Truhen an Deck stehen. Sie waren so schwer, daß selbst drei Männer Mühe hatten, sie zu tragen.

Die Segel wurden gesetzt, und dann begann eine überstürzte Flucht.

8.

Zu Alis Entsetzen und zum Schrecken der anderen Schnapphähne und Totschläger wurde das rote Segel schnell größer. An Bord herrschten Angst und Verwirrung, weil Moshu das Revier für sich beanspruchte und Ali darin ungeniert plünderte. Das war das eine.

Das andere war die unversöhnliche Feindschaft zwischen den beiden. Das dritte Übel war die Tatsache, daß Moshu mindestens doppelt so viele Kanonen und Drehbassen an Bord seiner Sambuke hatte. Und trotzdem war seine Sambuke noch schneller und wendiger.

„Wenn er uns stellt, sind wir erledigt“, sagte Ali besorgt zu dem Tonnenmann. „Wenn er aber noch die Truhen an Bord findet, dann sind wir noch erledigter. Was können wir tun, beim Scheitan?“

Tarsa starrte zu dem Inselgewirr, das prächtige Verstecke bot. Moshu kannte sich zwar auch hervorragend in dieser Ecke aus, aber vielleicht hatten sie noch eine Chance.

„Wir werfen die Truhen über Bord“, sagte er dumpf.

„Bist du verrückt geworden?“ fuhr Ali ihn an.

„Ich meine natürlich, wir versenken das Zeug an einer Stelle, wo wir es später leicht wiederfinden. Drüben, bei Qok im seichten Wasser der kleinen Insel. Die Drehbassen werfen wir auch über Bord, dann sind wir schneller und können dem Bastard entwischen. Später, wenn er weg ist, holen wir uns das Zeug zurück.“

Ahmed hörte mit zu und sog jedes Wort gierig in sich auf. Niemand beachtete ihn. Alle waren mit diesem Moshu el Kekir beschäftigt und seiner Sambuke, von der sie gejagt wurden.

„So schlecht ist die Idee nicht“, sagte Ali nach einer Weile. „Zunächst müssen wir unseren Hals retten, denn ohne Hals nutzt uns die ganze Beute nichts.“

Er blickte sich gehetzt um. Die Sambuke hatte weiter aufgeholt. In spätestens einer Stunde würde sie auf gleicher Höhe sein. Dann ging es hart zur Sache. Aber diesen zweifellos letzten Gang wollte Ali unbedingt vermeiden.

„Gut, über Bord mit den Drehbassen, aber jetzt noch nicht. Wir versenken sie hinter der Insel. Und die Kisten werfen wir an einer anderen Stelle über Bord.“

Sie steuerten die Insel an. Dahinter gab es noch ein paar kleine Eilande, zwischen deren Gewässern sie sich gut auskannten.

Als sie hinter der Insel waren, geriet die Sambuke vorübergehend aus ihrem Blickfeld.

In wilder Hektik wurden die schweren Drehbassen über Bord geworfen. Auch sie wollte man später wiederholen, wenn sie Moshu entwischt waren. Eine nach der anderen klatschte ins Wasser und versank.

Ali ließ eine schmale Bucht ansteuern, wo nicht einmal die Fischer hinkamen. Hier wohnte weit und breit kein Mensch.

„Los, jetzt, über Bord mit den Truhen. Merkt euch genau diese Stelle. Das Wasser ist nicht sehr tief.“

Am Land standen drei mickrige Palmen, die Ali zusätzlich als Markierungspunkt dienten.

Sie stemmten die Truhen hoch und warfen sie ebenfalls über Bord. Das bedauerten alle zwar sehr lebhaft, aber das kostbare Zeug war ja nicht verloren. Doch jetzt ging es um das eigene Leben.

Sie kurvten zwischen den Inseln herum und erreichten bald darauf wieder offene See. Hier wehte der Wind kräftig, und die Sambuke bewegte sich wesentlich schneller, über das Wasser als vorher.

Inzwischen war Ahmed nach achtern gegangen und hatte sich dicht vor dem Heck versteckt. Immer noch kümmerte sich keiner um den Jungen. Als er einen Blick achteraus warf, erkannte er an der Kimm feine Masten, die offenbar zu einem größeren Schiff gehörten. Aber das war noch sehr weit entfernt.

Jetzt konnte er den Halunken eins auswischen. Vielleicht gelang es ihm, das fremde Schiff zu erreichen und die Männer für den Schatz zu begeistern. Dann hatten Ali und seine Kerle das Nachsehen. Wenn er den Kerl schon nicht umbringen konnte, dann wollte er ihm wenigstens noch einen großen Schaden zufügen.

Er drehte sich um und sah gerade noch, wie auch der Tonnenmann den Kopf wandte und ihn verblüfft anstarrte.

Dann sprang Ahmed mit einem wilden Satz achtern über Bord und verschwand im blasenwerfenden und schaumigen Kielwasser. Unglaublich rasch trieb er achteraus.

„Weiß der Teufel, was in dieser Ecke los ist“, sagte Hasard. Sie hatten „Gewittergrollen“ gehört, aber das war schon vor einer Weile gewesen, und es rührte zweifellos von Drehbassen her. „Hier jagt einer den anderen.

Durch das Spektiv sahen sie undeutlich eine Sambuke mit rötlichen Segeln, die Westkurs lief und dann abdrehte. Sie jagte hinter einer anderen her.

„Es könnte fast die schwarze Sambuke sein“, meinte Don Juan. „Aber die Entfernung ist noch zu groß, um das genauer bestimmen zu können. Außerdem geht es uns nichts an. Sollen sich die Kerle doch beharken, wie sie wollen.“

„Ganz meine Ansicht, Juan“, erwiderte Hasard. „Dieser Küstenverlauf scheint von Piraten nur so zu wimmeln. Ich bin nicht wild darauf, mich mit ihnen anzulegen. Schließlich haben wir etwas anderes vor.“

Durch das Spektiv sah Dan O’Flynn, daß die beiden Sambuken immer noch dahinjagten. Sie waren wesentlich schneller als die „Santa Barbara“. Etwas später verschwand die eine Sambuke im Inselgewirr, die zweite folgte ihr, und dann waren beide für mehr als eine halbe Stunde verschwunden.

Erst viel später tauchten sie als feine Striche wieder auf. Danach sah auch Dan O’Flynn sie mit seinen scharfen Augen nicht mehr.

Dafür sah er etwas anderes, noch bevor der Ausguck es bemerkte.

„Steuerbord voraus treiben Gegenstände in der See, Sir. Möglicherweise ist das auf den Donner zurückzuführen. Meiner Meinung nach hat da ein Kampf stattgefunden.“

Der Ausguck meldete die Trümmer ebenfalls gleich darauf.

Der Seewolf entschied sich nach kurzem Zögern.

„Wir sehen einmal nach, Stenmark“, sagte er zu dem Schweden, der am Ruder stand. „Kurs auf das, was da in der See treibt.“

Der Kurs wurde nach Steuerbord geändert. Als er anlag, waren voraus noch mehr treibende Gegenstände zu erkennen.

„Ein Bugteil, Planken, zwei Kisten und anderer Kleinkram“, zählte Ben Brighton auf. „Das sieht tatsächlich ganz danach aus, als sei da ein Schiff untergegangen.“

Mit langsamer Fahrt näherten sie sich den Wrackteilen. Die Segel hingen lose an den Rahen, Brassen und Schoten waren gefiert worden.

Die Arwenacks blickten aufmerksam ins Wasser. Hasard hatte ihnen eingeschärft, nach eventuellen Überlebenden Ausschau zu halten.

Gleich darauf wurden sie fündig. Smoky, der seine Glatze jetzt mit einer Art Turban nach Landessitte verziert hatte, deutete nach vorn.

„Da treibt einer im Wasser.“

„Der ist tot“, sagte Carberry zum Kutscher, „denn er treibt mit dem Gesicht nach unten.“

„Höchstwahrscheinlich“, gab er Kutscher zu. „Dennoch geschehen immer mal wieder Wunder. Wir sollten ihn uns ansehen.“

Als sie langsam näher herantrieben, sahen sie den Mann deutlich. Er trug nur eine mehrfach geflickte Leinenhose und hatte ein rotes Tuch um den Kopf geschlungen.

Mit dem Bootshaken drehte Carberry den Mann an der Hose im Wasser herum.

Ein entsetzlich verzogenes unrasiertes und brutales Gesicht starrte sie an. Der Galgenvogel hatte Mund und Augen unnatürlich weit geöffnet und starrte sie an, als wollte er jeden Moment laut losbrüllen. Aber noch etwas anderes wurde sichtbar: In der Brust des Toten steckte ein langes Messer mit breiter Klinge.

„Wenn das kein Pirat ist, bin ich Sankt Elmo“, sagte Carberry. „Den hat es aber ganz übel erwischt.“

Er ließ den Haken los. Der tote Pirat rollte zur Seite und schwamm mit dem Gesicht nach unten weiter. Nach ein paar Minuten ging er langsam unter.

Ein weiterer Mann wurde in der See entdeckt. Daß er nicht zu den Piraten gehörte, zeigte schon seine gepflegte Kleidung. Er konnte ein arabischer Kaufmann sein, denn er trug noch das Kaffje und eine lange Djelaba. In seinem Gürtel steckte ein Dolch mit breiter und funkelnder Klinge. Diesen Dolch hatte er aber nicht mehr ziehen können, denn ein furchtbarer Hieb mit einem Schiffshauer hatte ihm den Brustkorb zerschmettert.

„Piraten, überfallen Kaufleute“, sagte Hasard nachdenklich. „Das Schiff haben sie versenkt, die Beute haben sie offenbar übernommen. Aber hier muß sich noch etwas anderes abgespielt haben. Aber was nur?“

„Vielleicht haben zwei Piraten das Schiff gestellt und ausgeplündert“, meinte Don Juan. „Andererseits werden sie sich dann nicht gegenseitig jagen, wie es den Anschein hatte.“

„Ja, das finde ich auch reichlich merkwürdig.“

Hasard hielt noch einmal nach den beiden fremden Schiffen Ausschau, doch er konnte sie nirgends entdecken. Vermutlich hatten sie sich wieder in das Labyrinth der vielen Inseln verzogen.

Sie suchten noch ein wenig die See ab, doch außer ein paar zerfetzten und fast undefinierbaren Holzstücken fand sich nur noch ein zerschlagenes Faß. Alles andere war untergegangen und ruhte jetzt auf dem Grund der See.

„Wir segeln weiter und gehen auf den alten Kurs zurück“, entschied Hasard, als sich nichts mehr fand.

Die Segel wurden getrimmt. Die „Santa Barbara“ ging auf ihren alten Kurs zurück, allerdings blieb sie da nicht lange, denn nach einer guten Stunde meldete Batuti aus dem Ausguck einen treibenden Gegenstand. Diesmal befand er sich zur Abwechslung Backbord voraus, wie Hasard ironisch bemerkte. Da käme dann auch keine Langeweile auf.

Nicht lange, und es stellte sich heraus, daß es ein Mensch war. Dieser Mensch lebte noch, denn er schwamm ziemlich ruhig, ohne sonderlich Kräfte zu verbrauchen, der Galeone entgegen.

„Also doch noch ein Überlebender“, stellte Hasard fest. Er wußte noch nicht, daß er sich damit im Irrtum befand, aber die Verhältnisse ließen diesen Schluß ohne weiteres zu.

„Ein verdammt junges Bürschchen“, sagte Jung Hasard nach einem intensiven Blick durch den Kieker. „Ein Araberjunge. Der ist aber sehr weit von der Untergangsstelle entfernt.“

Dieser Umstand erstaunte auch die anderen. Das schmächtige Kerlchen, das da sehr sparsam durchs Wasser schwamm, um seine Kräfte zu schonen, mußte schon stundenlang unterwegs sein.

Hasard wunderte sich, daß das Kerlchen nicht zum wesentlich näheren Land geschwommen war. Statt dessen hielt es unbeirrbar auf die Galeone zu. Ab und zu hob es den Kopf aus dem Wasser, um einen besseren Überblick zu haben. Dann wieder legte sich der Junge kurze Zeit auf den Rücken und ließ sich treiben. Er schien mit seinen Kräften ziemlich am Ende zu sein.

Carberry stieg schon auf die Rüste, um den Jungen aus dem Wasser zu fischen. Hasard ließ kurz vorher anluven, um die Fahrt aus dem Schiff zu nehmen. Am Schanzkleid standen Ferris Tucker, Shane, Gary Andrews und weitere Arwenacks bereit, um dem Profos das Bürschchen abzunehmen.

Der Kleine grinste schwach, doch als er den ebenfalls freundlich grinsenden Profos dann aus der Nähe sah, verging ihm das Grinsen. Er sah ein narbiges Gesicht mit einem wüsten großen Kinn, eine Visage, die ihm auf den ersten Blick Angst und Schrecken einflößte. Und wie das narbige Ungeheuer auch noch grinste!

In seiner Angst wollte Ahmed wegtauchen, doch dann entdeckte er in dem Narbengesicht etwas, das ihn stutzig werden ließ. In den Augen las er Mitleid, aber auch Hilfsbereitschaft, und da ahnte er, daß dieser wüste Kerl ein gutes Herz hatte.

Er konnte auch gar nicht mehr wegtauchen, denn eine mächtige behaarte Pranke von solcher Größe, wie sie höchstens der Tonnenmann hatte, langte ins Wasser wie eine riesige Schaufel und schaufelte ihn einfach heraus. Einfach so, ruckzuck, und schon hing er wie ein Lappen in einem gewaltigen Wasserrad. Das triefende Wasserrad reichte ihn wie spielerisch nach oben.