Kitabı oku: «Seewölfe Paket 9», sayfa 14
„Ach du meine Güte“, sagte Ed Carberry, „mit der Royal Navy hab ich nichts am Hut, also interessieren mich auch ihre Ränge nicht, Mister Drake. Oder geht das nicht in Ihren Kopf? Also, für mich sind Sie Mister Drake – klabasta!“ Er spuckte ins Hafenbecken. „Und wieso ich vor einem Dienstrang der Royal Navy Respekt haben soll, kapier ich überhaupt nicht. Ist das was besonderes, so’n Dienstrang? Noch dazu, wenn Sie ihn innehaben? Da kann doch nicht viel dran sein, oder?“ Carberry spuckte noch einmal ins Hafenbekken. Offensichtlich mußte er eine Menge Spucke loswerden – und wohl auch Zorn, den er aber äußerlich nicht zeigte. Den Blattschuß auf den sehr ehrenwerten Sir Francis hatte er jedoch noch nicht abgefeuert. Der kam jetzt.
Er sagte: „Und Admirale, die Kinder klauen wollen, aber von denen noch aufs Kreuz gelegt werden, na, vor solchen Admiralen hab ich schon gar keinen Respekt. Oder rekrutieren sich neuerdings die Admirale der Royal Navy aus der Gilde der Schnapphähne und Wegelagerer, Mister Drake?“
„Sie – Sie …“ keuchte der Admiral, rot vor Wut und unfähig, noch weiter zu sprechen, weil er an seiner Wut nahezu erstickte.
Über die Gangway schlenderte Hasard und näherte sich den beiden. Neben Carberry blieb er stehen und musterte Drake eisig.
„Was will der Kerl hier?“ fragte er Carberry. „Will er stänkern?“
Carberry grinste. „Ich bin ihm wohl auf die Zehen getreten – wortwörtlich, Sir. Er stand hinter mir, als ich zurücktrat, weil die Kiste hochgehievt wurde. Dann meinte er, ich müsse ihn mit Admiral und Sir anreden, und er bäte sich mehr Respekt aus, na, und da sagte ich ihm, daß ich vor Admiralen, die Kinder klauen und sich wie Schnapphähne und Wegelagerer benehmen, keinen Respekt hätte. Darauf kaut er jetzt herum. Offensichtlich schmeckt’s ihm nicht. Ob er stänkern wollte, weiß ich nicht. Ich hab eher den Eindruck, daß er hier herumschnüffeln wollte.“
Hasards Stimme war ätzend. „Verschwinden Sie, Drake! Sie haben in unmittelbarer Nähe der ‚Isabella‘ nichts zu suchen. Wenn Sie es trotzdem tun, muß ich nach Ihrem bisherigen Verhalten annehmen, daß Sie wieder einen Ihrer dreckigen Pläne verfolgen. Um dem begegnen zu können, würde ich mich gezwungen sehen, Ihnen Respekt beizubringen.“ Hasards Degen zischte aus der Scheide. „Hiermit!“
Die Degenspitze deutete auf Drakes Kehle. Drake zuckte zurück. Unwillkürlich fuhr seine Rechte ebenfalls zum Degen hinunter.
Hasard glitt leicht einen Schritt zurück und senkte seinen Degen etwas.
„Na los!“ sagte er scharf. „Ich bin bereit. Tragen wir es endlich aus. Einer von uns beiden scheint zuviel auf dieser Erde zu sein. Wir werden sehen, wer es ist.“
Der Admiral versteckte seine Rechte auf dem Rücken. Er war käseweiß.
„Ich duelliere mich nicht mit Ihresgleichen“, sagte er heiser.
„Sie Feigling!“
Noch einmal zuckte der Admiral zusammen. Aber auch diese Beleidigung nahm er hin, obwohl sie tödlicher nicht sein konnte. Kein von der Königin zum Ritter geschlagener Mann hätte eine solche Beleidigung auf sich sitzen lassen, ganz abgesehen davon, daß es nach dem ritterlichen Kodex selbstverständlich war, dem Vorwurf der Feigheit mit der Blankwaffe zu begegnen.
Der Admiral tat es nicht.
„Sauber, sauber“, murmelte Edwin Carberry und spuckte zum dritten Male ins Hafenbecken. „Und so ein Scheißkerl verlangt von mir, ich solle Respekt vor ihm haben – zum Kotzen!“
Hasard stieß seinen Degen in die Scheide zurück. Eisige Verachtung zeichnete sein Gesicht. Wenn er dachte, diesen Mann endgültig geschafft zu haben, dann hatte er sich getäuscht. Drakes Dickfelligkeit war nicht zu überbieten.
Kaum war die unmittelbare Gefahr der Auseinandersetzung mit den Blankwaffen vorbei, da schnarrte er: „Wie ich sehe, übernehmen Sie und dieser französische Pirat Stückgüter aus dem Arsenal der Royal Navy. Ich verlange eine Auskunft, wie das möglich ist. Laut Aussage der Arsenalverwaltung gibt es keine Lagerbestände mehr. Was geht hier vor?“
Carberry schüttelte den Kopf. „Nicht zu fassen! Erst kneift er, dann reißt er schon wieder die Luke auf.“ Er äffte dem Admiral nach: „Ich verlange eine Auskunft! Dieser spitzbärtige Wurzelzwerg verlangt eine Auskunft – verlangt! Sind wir vielleicht für dämliche Fragen zuständig, was, wie? Was wir verlangen, ist was anderes: daß du nämlich deine Schoten dichtholst und abstreichst! Oder du fliegst mit einem Tritt in den Hintern zurück zu deinem verlausten Flaggschiff. Jetzt reicht’s mir nämlich.“
„Ich werde eine Untersuchung beantragen!“ schrie der Admiral. „Das stinkt ja zum Himmel …“
Er brach ab und trat schleunigst den Rückzug an. Denn von einem Profos wollte er sich nicht verprügeln lassen. Er hätte dem auch gar nichts entgegensetzen können. Was Carberry – einmal entfesselt – für ein Orkan war, das wußte auch der sehr ehrenwerte Admiral.
„Ich versteh das nicht mehr“, sagte Carberry kopfschüttelnd. „Was ist aus diesem Mann nur geworden?“
„Ich weiß es auch nicht, Ed“, erwiderte Hasard. „Und wenn ich es wüßte, würde uns das auch nichts helfen. Der Mann ändert sich nicht mehr. Irgend etwas treibt ihn, und er findet nicht mehr zurück. Er will zerstören.“ Hasard schwieg einen Moment, und dann setzte er hinzu: „Darum wird er immer gefährlicher und unberechenbarer.“
„Der ist tollwütig“, knurrte Carberry.
„Vielleicht hast du recht“, sagte Hasard. „Um so schärfer müssen wir aufpassen.“
3.
Die dritte Unterbrechung passierte gegen Mittag und war folgenschwer. Im Mittschiffsladeraum der „Isabella“ arbeiteten Matt Davies, Luke Morgan und Blacky. Sie nahmen die von der Großrah abgefierten Ladegüter wahr und verstauten sie gleichmäßig an der Backbord- und Steuerbordseite.
Für je drei Trinkwasserfässer waren auf beiden Seiten Plätze vorgesehen. Dort auch hatten Ferris Tukker, der Schiffszimmermann, und Big Old Shane, der ehemalige Schmied und Waffenmeister der Feste Arwenack, schwere Eisenbänder an die Stützbalken gebolzt. Mit diesen Eisenbändern wurden die Fässer umfangen, so daß sie selbst bei schwerstem Seegang sicher gestaut waren. Um sie aus diesen Halterungen zu lösen, mußte die „Isabella“ schon kopfstehen. Aber wenn das passierte, brauchte auch keiner der Seewölfe mehr Trinkwasser, denn da würde sie ihre letzte Reise antreten – in die Tiefe.
Drei Fässer waren bereits auf der Backbordseite verstaut. Jetzt schwebte das vierte Faß oben über der Ladeluke. Dieses Faß wie auch die anderen hatte Ferris Tucker auf der Pier an eine Talje der ausgebaumten Großrah angeschlagen. Die Talje, mehrfach geschoren, lief unterhalb der Rahmitte durch einen kräftigen Doppelscheibenblock.
Auf der Kuhl nun fierten Gary Andrews und Pete Ballie die lose Part Hand über Hand ab. Diese lose Part lief über eine Klampe, so daß sie jederzeit belegt werden konnte – da genügte ein halber Kopf schlag.
Carberry, ebenfalls auf der Kuhl, war bereits wieder schwer in Gange und fragte die beiden an der Talje in seiner rauhbautzigen Art, ob sie gedächten, beim Abfieren des Fasses einen Mittagsschlaf zu halten.
Pete Ballie grinste nur zur Antwort. Gary Andrews sagte gar nichts, sondern verdrehte nur die Augen.
Die drei unten im Laderaum stierten nach oben, und Matt Davies rief: „He, laß kommen das Ding, willig, willig!“
„Halt’s Maul, da unten!“ röhrte Carberry dazwischen.
Da er noch ein paar Flüche hinterherschickte und im übrigen genug Lärm auf dem Kuhldeck herrschte, hörte niemand den Knall – nur Dan O’Flynn auf dem Achterdeck, aber er vernahm ihn auch nur schwach und registrierte ihn lediglich im Unterbewußtsein.
So wußte zunächst niemand, wie es hatte passieren können.
Sie bemerkten nur die Wirkung. Carberry, Gary Andrews und Pete Ballie – in unmittelbarer Nähe des Geschehens – meinten, ein Trugbild zu sehen.
Denn plötzlich zerplatzte der Taljenblock unter der Großrah. Die beiden Scheiben, über welche die Talje lief, flogen samt Bolzen davon.
Und das Trinkwasserfaß sauste abwärts.
Das geschah innerhalb von Sekundenbruchteilen, und weder Pete Ballie noch Gary Andrews hatten überhaupt den Hauch einer Chance, die lose Part in diesen Sekundenbruchteilen noch auf der Klampe zu belegen, um das Faß abzufangen. Im übrigen raste das Tau wie eine glühende Schlange durch ihre Handflächen.
Unten im Laderaum sahen Blakkie, Luke Morgan und Matt Davies das Ungetüm auf sich zustürzen. Natürlich hatten sie nach alter Seemannsregel nicht unter der Last gestanden.
Aber alle drei reagierten instinktiv und warfen sich zurück. Das Trinkwasserfaß krachte schräg auf eine Kiste, prallte dort ab, erhielt eine neue Richtung, schlug auf die Laderaumplanken – und rollte über Blakkys rechten Fuß.
Blacky schrie gellend auf und krümmte sich zusammen.
Matt Davies war mit einem Satz an dem Faß und stemmte es mit wüster Kraft von Blackys Fuß weg.
Blacky bäumte sich nach hinten und stöhnte. Sein Gesicht war innerhalb von Sekunden aschfahl und schweißüberströmt.
„Mann“, knurrte Matt Davies, „Mann …“
Mit einem Blick hatte er gesehen, was mit Blackys Fuß los war. Der war seltsam verdreht. Übel schaute das aus.
„Kutscher!“ brüllte Matt Davies nach oben. Sein Gesicht war wutverzerrt. „Welcher Idiot hat diesen Mist verzapft – den schlag ich tot, den krummen Hund.“ Und noch einmal: „Kutscher! Verdammt, Blacky ist verletzt …“
Oben erschien Carberrys zernarbtes Gesicht an der Luke. Er warf nur einen kurzen Blick auf Blacky, fuhr herum und brüllte ebenfalls: „Kutscher! Wo steckt der Bastard?“
Ein wüstes Durcheinander herrschte jetzt auf der Kuhl. Hasard fegte heran, gefolgt von Ben Brighton und Big Old Shane.
Auf dem Achterdeck hatte Dan O’Flynn völlig anders reagiert. Als der Taljenblock auseinandergeplatzt war, hatte er als einziger fast im selben Moment den Knall damit in Verbindung gebracht.
Jemand hatte geschossen! Auf den Taljenblock!
Dan war herumgewirbelt.
Hinter den Holzbohlenstapeln im Werftgelände beim Dock stieg ein Rauchwölkchen auf, wurde vom Wind erfaßt und zerfaserte. Dort befand sich der Heckenschütze!
Mit einem Fluch sprang Dan aufs achtere Schanzkleid und von dort gleich hinunter auf die Pier. Es war ein höllischer Sprung, aber Dan überstand ihn, landete, rollte ab, federte wieder hoch und jagte los.
Batuti folgte ihm auf dem gleichen Weg. Auch er hatte das Rauchwölkchen entdeckt. Außerdem war es nicht gut, den tollkühnen Dan jetzt allein zu lassen.
Smoky hatte gar nichts mitgekriegt. Er stand nur da, schüttelte den Kopf und murmelte: „Ist hier denn alles verrückt geworden?“
Dan O’Flynn und Batuti erreichten gemeinsam die Stelle hinter den Bohlenstapeln, wo der Rauch aufgestiegen war. Aber der Heckenschütze war bereits verschwunden. Nur eine Muskete lag noch da. Dan hob sie auf. Ihr Lauf war noch warm.
„Dieses Schwein“, murmelte er und blickte sich wild um.
Batuti spähte zur „Revenge“ hinüber. Die war etwa hundert Yards von ihnen entfernt. Da sie im Dock lag, konnte man nur über Leitern an Bord entern. Ein Mann enterte über eine der Leitern auf. Er hatte eine kleinere Kiste unter dem Arm. War das der Heckenschütze? Die Kiste konnte Tarnung sein.
Dan O’Flynn war Batutis Blick gefolgt.
„Ob er das war?“ fragte er.
„Möglich“, erwiderte Batuti, „aber kein Beweis. Er uns gesehen und Flucht ergriffen. Leider rechtzeitig.“
„Mistkerle“, murmelte Dan O’Flynn. „Jetzt schießen sie schon aus dem Hinterhalt auf uns.“ Er starrte auf den geschwungenen Kolben der Muskete. Dort war auf der Wangenseite ein großes „R“ eingebrannt. „Revenge“, fügte er hinzu, „Rache – der Name ist den Kerlen wie auf den Leib geschrieben. Nichts anderes haben die mehr im Kopf, diese Drecksäcke.“
„‚Revenge‘-Männer wie Admiral“, sagte Batuti, „alle untergeschnappt.“
„Übergeschnappt“, verbesserte Dan O’Flynn.
„Gut, übergeschnappt.“ Batuti blickte besorgt zur „Isabella“ zurück. „Schlimm was passiert auf ‚Isabella‘. Matt Davies nach Kutscher gebrüllt, Profos dann auch. Blacky verletzt. Trinkfaß mit Wasser abgesaust in Laderaum – hui!“
„Los, zurück“, befahl Dan. „Hier ist nichts mehr zu holen.“
Sie trabten zur „Isabella“ zurück.
Hasard kniete bei Blacky. Sie hatten ihn inzwischen nach oben auf die Kuhl bugsiert und sein Hosenbein aufgeschlitzt. Der rechte Knöchel sah wüst aus. Der Fuß war unförmig angeschwollen. Der Kutscher hatte ihn weich gebettet und nasse Tücher herumgelegt. Mehr konnte er auch nicht tun. Hasard hatte Bill bereits zu Doc Freemont gejagt.
Blacky kübelte Rum, den ihm Hasard an die Lippen hielt. Die Flasche war schon zur Hälfte leer, und Blakky schielte etwas.
Hasard sagte: „Wird schon wieder werden, mein Junge. Hauptsache, das Faß hat dich nicht erschlagen.“
Blacky grinste seinen Kapitän an, etwas schief, wie sie alle sahen.
Mit etwas schwerer Zunge sagte er: „Ihr – ihr wolltet morgen auslaufen, Sir. Muß ich – muß ich dann zurückbleiben …“
„Unsinn“, unterbrach ihn Hasard. „Ohne dich läuft keine ‚Isabella‘ aus.“
„Bestimmt nicht?“ Blackys Augen bettelten.
„Bestimmt nicht“, erwiderte Hasard. „Mein Wort darauf.“
Blacky seufzte befreit – und dann trat er weg.
„Ohnmächtig“, sagte der Kutscher sachlich.
Hasard richtete sich langsam auf. Sein Blick verhieß nichts Gutes, als er die umstehenden Männer musterte. Seine Augen hefteten sich schließlich auf Ed Carberry.
„Wer“, fragte er zähneknirschend, „hat diese verdammte Talje an der Großrah angeschlagen? Dürfte ich das vielleicht erfahren, Mister Carberry?“
Mister Carberry! Bei einer solchen Anrede – das wußten sie alle an Bord – war Gefahr im Verzug. Da konnte es sein, daß Philip Hasard Killigrew mit einer Schärfe reagierte, der sich keiner gewachsen fühlte. Da war dieser Kapitän Feuer und Wasser, Himmel und Hölle zugleich.
Der Profos wollte etwas sagen, aber Dan O’Flynn trat vor und erklärte: „Ed hat keine Schuld.“
Hasard fuhr zu ihm herum. „Und woher willst du das wissen?“
„Die Talje wurde mit dieser Muskete zerschossen!“ Dan hob die Muskete. Er drehte sich etwas und deutete mit der anderen Hand zu den Bohlenstapeln. „Dort hinten hatte sich der Schütze versteckt. Als alles passierte, hörte ich einen schwachen Knall. Dann sah ich ein Rauchwölkchen hinter den Stapeln aufsteigen und raste hinüber. Batuti kam mit. Wir fanden nur noch diese Muskete – mit warmem Lauf. Auf ihrem Kolben ist ein großes ‚R‘ eingebrannt, also eine Waffe aus den Beständen der ‚Revenge‘. Als Batuti und ich bei der Stelle anlangten, von der aus der Heckenschütze gefeuert hatte, sahen wir lediglich einen Mann, der über eine Leiter auf die ‚Revenge‘ enterte. Er könnte der Schütze gewesen sein. Leider sahen wir ihn nur von hinten. Bleibt also als einziger Beweis, daß einer der Kerle der ‚Revenge‘ der Schütze war, nur diese Muskete.“
Hasard nickte und murmelte: „Sie scheuen vor nichts mehr zurück – nicht einmal vor Mord.“
„Was dachtest du denn“, sagte Dan O’Flynn erbittert. „Wenn ihr Admiral schon Kinder zu rauben versucht, dann dreht die Besatzung noch ganz andere Bolzen. Vielleicht hat Drake den Heckenschützen sogar zu seiner Tat angestiftet. Vergiß auch nicht, daß die Kerle neulich nacht versuchten, die ‚Isabella‘ vom Wasser her anzugreifen und zu versenken. Die Bohrer, Äxte, Stemmeisen und Hämmer beweisen es. Ich bin der Meinung, daß das Maß jetzt voll ist. Entweder wir – oder die da drüben. Wir sollten für reinen Tisch sorgen. So geht’s nicht weiter, ein nächster Schuß aus dem Hinterhalt könnte für einen von uns tödlich sein.“
Zustimmendes Gemurmel erklang ringsum. Es wurde unterbrochen, als Jean Ribault über die Gangway an Bord kam. Sein Gesicht war besorgt.
Er wandte sich an Hasard. „Was ist los? Nils Larsen wahrschaute mich, bei euch sei ein Unglück passiert.“
„Unglück ist gut“, knurrte Hasard. „Jemand von der ‚Revenge‘ zerschoß mit einer Muskete den Taljenblock an der Großrah. Über der Luke hing gerade ein Trinkwasserfaß. Die Talje rauschte aus, das Faß schlug in den Laderaum und überrollte Blackys rechten Fuß. Ich fürchte, daß er einen komplizierten Knöchelbruch hat. Bill hat Doc Freemont.“
„Verdammt“, murmelte Jean Ribault und blickte auf Blacky hinunter. „Komplizierter Knöchelbruch? Hoffentlich kriegt Doc Freemont das wieder hin – ohne amputieren zu müssen.“ Das war brutal, aber Jean Ribault sprach nur aus, was alle befürchteten.
„Hör bloß auf, Mann“, sagte Hasard biestig.
„Ihr solltet ihn ins Stadtlazarett schaffen“, sagte Jean Ribault unbeeindruckt.
„Er bleibt an Bord, und Doc Freemont wird sich um ihn kümmern“, erklärte Hasard kategorisch. „Bei uns ist Blacky besser aufgehoben als zwischen Quacksalbern und Betschwestern.“
„In Ordnung. Es war ein schlechter Vorschlag.“ Jean Ribault starrte Hasard nachdenklich an. „Wir wollten morgen auslaufen, Freund. Daraus wird wohl nichts?“
„Richtig, daraus wird nichts“, erwiderte Hasard. „Blacky gehört zur Crew, ohne ihn gehen wir nicht raus. Darüber ist gar nicht zu diskutieren. Wir verlassen Plymouth mit Blacky und das auch erst, wenn ich völlig sicher weiß, daß nichts mehr wegen seines Fußes zu befürchten ist.“
„Das kann drei, vier Wochen dauern.“
„Na und?“ Dann stutzte Hasard. „Du meinst, wegen unseres gemeinsamen Auslaufens?“
Jean Ribault nickte und kaute auf seiner Unterlippe. „Wir möchten euch nicht im Stich lassen.“ Er deutete mit dem Kopf zur „Revenge“ hinüber. „Wegen dieser Verrückten dort drüben. Wer weiß, was die noch alles aushecken. Du kennst Drake.“
„Wem sagst du das, Jean.“ Aber dann schüttelte Hasard den Kopf. „Nein, ihr braucht nicht mit dem Auslaufen zu warten. Ich halte es sogar für besser, wenn ihr wie geplant morgen in See geht und Kurs auf die Schlangen-Insel nehmt. Dort treffen wir uns dann.“
„Was meinst du damit, daß es für uns besser sei, auszulaufen?“
„Eben wegen Drake“, erwiderte Hasard. „Du bist Franzose. Er kann dir leichter etwas anhängen als uns. Du hast eine französisch-englisch-dänischholländisch gemischte Besatzung. Drake bringt es glatt fertig, euch als spanische Spione zu verdächtigen, um eine Handhabe zu haben, offiziell gegen euch vorgehen zu können. Diese Gelegenheit sollten wir ihm erst gar nicht geben. Richtig ist, ihm so wenig Angriffsfläche – was seine Intrigen betrifft – zu bieten wie möglich. Aus diesem Grunde halte ich es für besser, wenn ihr morgen auslauft.“
„Dann habt ihr Drake allein am Hals“, sagte Jean Ribault, „denn der gibt nicht auf, jetzt noch weniger als früher.“
„Bisher sind wir noch immer mit ihm fertig geworden. Unter Umständen zwinge ich ihn vor ein Ehrengericht, vielleicht auch vor ein öffentliches Gericht. Sein Versuch, meine Jungen zu rauben, sowie der Anschlag mit der Muskete, bei dem Blacky gefährlich verletzt wurde – allein diese beiden Punkte dürften für eine Anklage ausreichen. Einen solchen Prozeß übersteht er nicht ungeschoren.“
„Hoffen wir’s“, murmelte Jean Ribault. Er schwieg einen Moment und fuhr dann fort: „Daß wir „Le-Vengeurs’ den Kerl zusätzlich reizen, ist mir klar. Wir kämpfen gegen die Spanier, aber nicht für ein Land, sondern für uns.“ Bitternis klang in Ribaults Stimme. „Ich wollte, ich könnte für meine Heimat Frankreich kämpfen. Aber wir sind Vogelfreie – Schnapphähne zur See, wenn auch mit Ehre. Du hast recht, Freund. Es ist besser, wir verschwinden. Wenn Drake der Einfachheit halber auf uns losgeht, ziehen wir euch unweigerlich mit hinein.“ Er atmete tief durch. „In Ordnung, wir verlassen morgen früh Plymouth.“ Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht. „Auf der Schlangen-Insel spuckt uns keiner mehr in die Suppe. Wer frei sein will, muß wohl auf Heimat verzichten. Das ist unser Preis.“
Hasard reichte ihm stumm die Hand. Es war nichts mehr zu sagen.
Eine halbe Stunde später rollte Doc Freemonts Kutsche auf die Pier und hielt bei der „Isabella“. Dieser Sir Anthony Abraham Freemont hatte ein besonderes Verhältnis zu Philip Hasard Killigrew und den Männern der „Isabella“. Da war einmal der Kutscher, der bei ihm gedient hatte, bevor ihn eine Preßgang des damaligen Kapitäns Drake – wie auch Hasard, Dan O’Flynn und Blacky – an Bord der alten „Marygold“ geschleppt hatte. Bei Doc Freemont hatte der Kutscher seine Kenntnisse als Feldscher erworben, und darum hatte ihn Hasard zu sich an Bord genommen, als ihm sein erstes selbständiges Kommando als Kapitän von Drake übertragen worden war.
Zum zweiten hatte Doc Freemont Hasard von einer schweren Schädelverletzung geheilt und in seinem Hause versteckt, als die Häscher des damaligen Friedensrichters Keymis hinter dem Seewolf hergewesen waren.
Zum dritten hatte Gwendolyn Bernice Killigrew, geborene O’Flynn, die Frau Hasards, bei ihm entbunden, als sie die Zwillinge zur Welt brachte. Und zum vierten hatte der Doc sich um die beiden Jungen gekümmert, als sie von dem schurkischen Keymis geraubt worden waren.
Ja, diesen Mann verbanden sehr enge Beziehungen mit Hasard und seinen Männern. Dabei hatte er Zivilcourage, einen hervorragenden Ruf als Arzt, war völlig integer, untadelig in seiner Lebenshaltung und selbstlos wie kaum ein Mensch.
Hasard empfing ihn am Schanzkleid und führte ihn zu Blacky. Doc Freemont begrüßte lächelnd den Kutscher, der bei Blacky kniete.
„Na, da wollen wir uns das mal anschauen“, sagte er. „Bill hat mir bereits berichtet, was passiert ist.“
„Knöchelbruch, Sir“, sagte der Kutscher und nahm die nassen Tücher weg. „Und natürlich ein schwerer Bluterguß. Ich habe den Fuß gekühlt. Mehr konnte ich nicht tun.“
„Hm.“ Der Doc kniete nieder und untersuchte den Fuß. Blacky war noch bewußtlos, aber er stöhnte, als Doc Freemont den Fuß bewegte und abtastete.
Dann schaute der Doc auf und blickte Hasard mit seinen klugen, grauen Augen an.
„Könnten wir ihn in eine Achterdeckskammer bringen?“ fragte er.
„Natürlich, Doc“, erwiderte Hasard. „Muß der Fuß …“ Er verstummte.
„Amputiert werden?“ Da war wieder dieses feine Lächeln in dem hageren, wissenden Gesicht mit dem schmalen Mund und der geraden Nase. „Aber nein, Hasard, so schnell hantiere ich nicht mit der Knochensäge. Ich verabscheue diese Methode auch, solange es anders geht und kein Wundbrand auftritt. Es ist allerdings ein Splitterbruch. Zwei haben die Haut durchstoßen, und ich werde sie entfernen müssen. Also, dann wollen wir mal. Ich bitte um heißes, abgekochtes Wasser, saubere Leinentücher – na, mein alter Kutscher weiß ja Bescheid, nicht wahr?“
„Aye, aye, Sir“, sagte der Kutscher, „wie in alten Zeiten, denke ich.“
„Genau so.“
Der Kutscher lächelte. „Für den Transport nach achtern den Fuß bandagieren?“
„Richtig.“ Doc Freemont seufzte etwas. „Du ahnst gar nicht, was ich dich damals vermißt habe. Na, das habe ich dir ja schon vorgejammert, als ihr Hasard mit seiner Schädelwunde zu mir brachtet. Möchtest du nicht wieder bei mir anfangen?“
„Nein, Sir. Entschuldigung, mein Platz ist auf der ‚Isabella‘. Ich bin kein Deserteur.“
„Leider.“ Der Doc lächelte Hasard an, und der lächelte zurück.
Mit ein paar Griffen hatte der Kutscher den Fuß Blackys bandagiert – und Blacky wachte auf.
„Kutscher“, sagte er undeutlich, „hör auf, an meinem Bein herumzufummeln. Oder soll ich dir die Klüsen dichtschlagen, du abgetakelte Kombüsenwanze?“
Der Kutscher räusperte sich und schaute zu Doc Freemont hoch, etwas verlegen.
„Entschuldigen Sie, Sir. Blacky ist natürlich ein bißchen überdreht. Ich hab ihm auch Rum zugestanden, und dann werden diese Kerle immer gleich ordinär. Aber sonst ist Blacky ein feiner Kerl, bestimmt …“
„He-he!“ Blacky richtete sich auf, hatte Schluckauf und schielte zu Doc Freemont hoch. „Du bist doch …“
„Bin ich“, sagte Doc Freemont. „Ich hab deinen Kapitän damals zusammengeflickt, und jetzt bist du dran, mein Junge. Du hast einen feinen Knöchelbruch, und damit der ganze Kram nicht schief zusammenwächst, muß ich dir den Fuß richten. Oder willst du überquer durch dein weiteres Leben laufen?“
Blacky kniff die Augen zusammen und peilte seinen rechten Fuß an, der nach innen gedreht war.
„Überquer?“ fragte er. „So über den großen Zeh, wie?“
„So ungefähr.“ Der Doc lächelte verhalten.
„’n Querläufer“, murmelte Blacky. Sein Blick suchte Smoky, den Decksältesten. „Wie findest du das, Smoky? Soll ich wie ’n Querläufer laufen?“
„Also, ich würd’s nicht tun“, sagte Smoky vorsichtig. „Stell dir mal vor, wie du gehst. Mit dem linken Fuß gehst du wie immer, klar? Aber rechts schlackerst du mit dem Fuß nach innen – so!“ Smoky marschierte los, den rechten Fuß nach innen gewinkelt. Es war gekonnt. Er latschte, als hätte er Plattfüße, Fußblasen, verwachsene Fußnägel und verkehrt eingesetzte Füße. Außerdem hinkte er wie ein Veteran mit Holzbein.
„Wie Old O’Flynn“, sagte Blacky und kicherte.
Old Donegal wollte aufbrausen, aber ein scharfer Blick Hasards stoppte ihn.
Er begriff und sagte: „Laß dir die Flunke von Doc Freemont richten, Blacky. Bei den Weibern hast du keine Chance mehr, wenn du so wie Smoky daherlatschst. Die lachen sich halbtot.“
„Meinst du?“
„Klar, Söhnchen. Als ich mein Holzbein hatte, hat mich Mistreß O’Flynn nur noch ausgelacht. Einmal im Winter, als unser Brennholz ausgegangen war, wollte sie doch glatt mein Holzbein verfeuern. Stimmt doch, nicht wahr, Dan?“ Er blinkerte seinen Sohn an.
„Und ob“, sagte Dan O’Flynn todernst. „Mann, war das ein Theater!“ Plötzlich grinste er. „Obwohl ich gar nichts dagegen gehabt hätte, wenn das verdammte Holzbein im Kamin gelandet wäre – wegen der Senge, die der Alte mir mit dem Ding zu verpassen pflegte.“
Dieses Mal räusperte sich Old O’Flynn.
„Wir kommen vom Thema ab, Dan O’Flynn“, sagte er streng, wandte sich wieder Blacky zu und erklärte: „Dein Fuß muß gerichtet werden, Sohn. Das wird bestimmt wehtun, und darum solltest du jetzt noch ordentlich mit Rum gurgeln. Und wenn’s zu schlimm wird, haut dir Ed Carberry einen Belegnagel auf den Kopf. Dann spürst du überhaupt nichts mehr.“
Das war mal ein feiner Vorschlag, vor allem das mit dem Rum. Blacky sang unanständige Lieder, als ihm Doc Freemont die beiden Splitter entfernte. Und dann wurde er wieder bewußtlos.
Doc Freemont konnte den Fuß exakt richten und schienen.
Als er von Bord ging, sagte er zu Hasard: „Es könnte sein, daß da noch Knochensplitter sind, die ich zunächst nicht festzustellen vermag. Wenn das der Fall ist, müßte sich der Fuß in zwei, drei Tagen entzünden – was ich nicht hoffe. Aber mindestens drei, vier Tage müssen wir abwarten. Ich schaue jeden Tag nach ihm. Wenn er Fieber kriegen sollte, möchte ich sofort benachrichtigt werden.“
„In Ordnung, Doc. Und herzlichen Dank.“
Doc Freemont winkte ab. „Bitte keine Vorschußlorbeeren. Wir müssen abwarten. Aber noch etwas anderes, was Drake betrifft. Selbstverständlich stehe ich als Zeuge zur Verfügung, wenn Sie mich brauchen, Hasard. Allein sein Versuch, Ihre beiden Jungen zu rauben, sollte genügen, ihm das Genick zu brechen. Der Mann ist genial, das steht außer Zweifel. Aber ich schätze, er neigt zum Größenwahn, und da wird’s gefährlich. Seien Sie vorsichtig.“
„Wir passen auf“, erwiderte Hasard.
Sie wechselten einen festen Händedruck.