Kitabı oku: «Seewölfe Paket 9», sayfa 5

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Der Seewolf war aufgestanden. „Solange warten wir aber nicht. Dan und Bill, ihr habt gute Arbeit geleistet. Männer, rafft euch trotz eurer vollen Bäuche auf und bereitet euch auf einen Besuch bei Bingham vor. Ich lasse es nicht zu, daß dieser Bastard hilflose, halbverhungerte Spanier foltert. Wir gehen jetzt zu Jean Ribault hinüber und unterrichten ihn über das, was Dan und Bill gesehen haben. Danach marschieren wir mit einem starken Trupp geradewegs zur Stadtkommandantur.“

7.

Dort hatte sich inzwischen einiges ereignet. Vega de la Torre und seine sechs Kameraden waren in die finsteren Kerkerzellen im Kellergewölbe des Gebäudes gesperrt worden, je zwei Mann in eine vergitterte Zelle, de la Torre in Einzelhaft. Gardisten hielten vor den Türen Wache. Dann erschienen eiligen Ganges Sir Richard Bingham, der hagere Harris und ein Koloß von Kerl mit einem etwas kleineren Gehilfen – der Foltermeister und sein Knecht. Doc Wheeler war auf Binghams Anordnung nach Hause zurückgekehrt, ein betroffener, unruhiger Mann, der von schwersten Gewissensbissen geplagt wurde.

Bingham richtete über Harris noch einen Apell an die sieben Gefangenen: „Redet! Ihr befindet euch in der Gewalt des englischen Gouverneurs von Westport und habt die Pflicht, mir alles zu verraten. Wo ist euer Schiff? Wer ist euer Kapitän? Was habt ihr geladen? Was wolltet ihr am Ufer der Clew Bay auskundschaften?“

De la Torre trat an die Tür seiner Zelle und schloß die Finger um die dicken, rostigen Eisenstäbe. „Unser Schiff ist gesunken. Wir sind die einzigen Überlebenden“, erwiderte er. „Was sollen wir sonst noch berichten? Ich weiß es nicht. Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Gouverneur.“

Harris übersetzte seine Worte, und Bingham ließ eine Reihe lästerlicher Verwünschungen vom Stapel.

„Du Hund lügst!“ schrie er den spanischen Offizier an. „Aber das wirst du noch bereuen! Hinkle, nimm dir diesen frechen Hurensohn als ersten vor!“

Hinkle, der Foltermeister, trat mit seinem Gesellen auf de la Torres Zelle zu. Ein Gardist öffnete mit umständlichen Gesten die Verriegelung.

„Etwas schneller, wenn ich bitten darf“, fuhr Bingham den Mann an. „Harris, sag den spanischen Hunden, daß sie zum letztenmal Gelegenheit haben, es sich zu überlegen. Danach kenne ich keine Gnade mehr.“

Harris tat seine Pflicht, aber die Spanier schwiegen.

Hinkle und sein Gehilfe wollten sich Vega de la Torre greifen, der mit unbewegtem Gesicht in der jetzt offenen Zellentür stand, da geschah etwas Unerwartetes.

Juan Flores klammerte sich an den Gitterstäben seines Verlieses fest und rief: „Nein, nicht, aufhören! Ich rede! Ich sage alles, was ich weiß!“

Harris übersetzte auch dies. Bingham stoppte seine Schergen durch eine herrische Gebärde, blickte zu Juan, überlegte kurz und befahl dann: „Den Kerl ’rauslassen. Wenn er schwindelt – was ich garantiert sehr schnell herausfinde –, lasse ich ihn standrechtlich erschießen.“

Francisco Sampedro, der in derselben Zelle untergebracht war wie Juan Flores, versuchte den Moses zurückzuhalten. „Bist du wahnsinnig geworden?“ zischte er.

„Ruhe!“ brüllte Bingham. „Schlagt diesen Hund zusammen, wenn er noch ein Wort sagt!“

Harris übersetzte auch dies, er war ein pedantischer, diensteifriger Untertan. Sampedro fuhr zurück, als zwei Stadtgardisten in drohender Haltung auf ihn zurückten. Er und die anderen mußten tatenlos zusehen, wie Juan Flores aus seiner kurzen Haft geholt und zu Bingham geführt wurde. Der hatte die Arme vor der fetten Brust verschränkt und sah den jungen Mann erwartungsvoll an.

Nein, Juan hatte nicht einmal mit Sampedro besprochen, was er plante. Er wußte, daß der Koch der „Gran Grin“ ihn daran gehindert hätte.

Aber Juan hatte sich in den Kopf gesetzt, seine Kameraden vor dem peinlichen Verhör zu bewahren – und nicht nur das. Er hatte auch eine List ersonnen, mit der er Bingham und dessen Schergen gründlich hereinlegen konnte. Er, Juan, würde wahrscheinlich dabei vor die Hunde gehen, aber das war ihm völlig egal, denn er dachte an seinen Schwur.

Juan sah den dicken Stadtgouverneur aus geröteten, brennenden Augen an. „Senor“, sagte er leise. „Wenn Sie mir und meinen Kameraden zu essen und zu trinken geben und uns verschonen, dann verrate ich wirklich alles – nicht nur, wo unser Schiff liegt, sondern noch viel mehr.“

Bingham lauschte Harris’ Übersetzung, dann erwiderte er: „Ich lasse mich von diesem ausgemergelten Kastanienfresser doch nicht erpressen. Er muß so oder so ausspucken, was er weiß. Sag ihm das, Harris.“

„Sir“, mischte sich Hinkle ein. „Ich an Ihrer Stelle würde ihm genehmigen, was er verlangt. Was kostet es Sie denn schon? Wir sparen eine Menge Arbeit und Zeit – wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.“

Bingham wollte Hinkle zunächst barsch zurechtweisen, dann aber gab er dem Foltermeister recht und ließ Juan Flores zurück ins Erdgeschoß führen, wo er ihm in einem karg ausgestatteten Raum Brot, Wurst, Käse und Wasser auftischen ließ.

Das gleiche ließ er auch de la Torre, Sampedro und den übrigen vier Gefangenen bringen. Die Spanier waren versucht, das Essen gegen die Kerkerwände zu schleudern und das Wasser zu verschütten, aber dann siegten doch Hunger und Durst, der Selbsterhaltungstrieb und die Gewißheit, daß sie gestärkt viel besser einen Ausbruchversuch unternehmen konnten, über die Wut, die sie wegen Juan Flores’ „Verrat“ empfanden.

In dem kahlen Raum des Erdgeschosses schlang Juan alles in sich hinein, was ein Bediensteter des Gouverneurs herzlos vor ihn hingeknallt hatte. Bingham saß auf einem Stuhl und verfolgte voll Abscheu, wie der junge Mann aß und trank.

„Ein Tier, dachte Harris, der ergeben neben ihm stand, das wärst auch du Fettsack, wenn du gehungert und gedurstet hättest wie der Junge dort.

Harris hütete sich aber, es offen auszusprechen. Er hing am Leben und wollte nicht, daß er es wegen einer unüberlegten Äußerung jäh verlor.

Juan Flores war am Ende seiner Mahlzeit angelangt. Seine Geschichte hatte er sich zurechtgelegt, und er blickte in gespielter Dankbarkeit zu Bingham hinüber, der ihm aufmunternd zunickte.

„So, und nun leg mal schön los“, forderte Bingham ihn auf. „Deine Freunde sind auch versorgt worden. Der Foltermeister und sein Knecht haben keine Hand an sie gelegt. Ich habe also mein Wort gehalten. Pack aus, Junge.“

Und Juan Flores legte los. Harris brauchte ihn nicht zweimal aufzufordern. Juan schluckte den letzten Bissen Brot gierig herunter und begann dann regelrecht zu schwadronieren.

„‚Gran Grin‘, so heißt unser Schiff, und es ist nicht gesunken, sondern liegt vor dem Ufer einer Insel, die dieser Bucht vorgelagert ist. Die ‚Gran Grin‘ ist das Vize-Flaggschiff des Biskaya-Geschwaders, Senor, jawohl, sie müßten mal sehen, was für ein schmuckes großes Schiff: 1160 Tonnen schwer. Sehr zugesetzt haben uns die Engländer bei Calais, dann sind wir auf unserer Reise rund um England und Irland in diesen Sturm geraten, der uns den Rest gegeben hat – und jetzt auch noch der Überfall der Inselbewohner – o Gott, es war das Allerschrecklichste, was ich je erlebt habe.“

Harris kam mit dem Übersetzen kaum nach. Als er an dem Punkt anlangte, der die halbwilden Inselbewohner betraf, hob Sir Richard Bingham unversehens die Hand.

„Moment mal“, sagte er. „Das kann nur Dubhdara O’Malla mit seiner Bande gewesen sein. Hölle, wenn der auch auf das Schiff scharf ist, müssen wir uns beeilen. Dieser irische Hurensohn darf uns den dicken Brocken nicht wegschnappen, auf gar keinen Fall. Hölle und Teufel, ich habe schon immer gesagt, man müßte mit genügend Schiffen und Männern auf die Insel Clare übersetzen und es diesen Strandräubern gründlich besorgen. Hol’s der Henker.“

„Sie sind sicher, daß es sich um die Insel Clare handelt, Sir?“ fragte Harris vorsichtig.

„Kein Zweifel. Es kann keine andere sein. Nur auf Clare haust ein so tückisches Gesindel wie das, das unser Freund hier soeben beschrieben hat.“ Er musterte Juan Flores prüfend. Bisher hatte er nicht den Eindruck gehabt, daß der Bursche log. Die Angst vor der Folter schien ihm, dem Jüngsten der sieben, ja tief genug in den Knochen zu stecken.

„Er soll jetzt schildern, was an möglichen Reichtümern auf der ‚Gran Grin‘ liegt“, sagte Bingham.

Auf Harris’ Übersetzung hin haspelte Juan das, was er sich beim Essen ausgedacht hatte, herunter. „Keine zweihundert Mann Besatzung haben wir mehr an Bord, und die meisten sind völlig entkräftet und krank. Oh, es sieht furchtbar aus auf unserem Schiff, aber wenigstens die Kriegskasse des Geschwaders hat unser Kapitän durch alle Kämpfe, Stürme und Entbehrungen retten können: die Kriegskasse mit fünfzigtausend Goldmünzen und fünfzigtausend Silbermünzen darin, Dublonen, Dukaten, Piaster, Reales und Escudos, so wahr ich hier sitze und Juan Flores heiße. In der Kammer des Zahlmeisters Luis de Bobadilla steht die wertvolle Truhe, ich habe es von unserem zweiten Offizier vernommen, der jetzt nicht mehr lebt. Viele sind gestorben, keiner hat gezählt, wie viele Leichen wir der See übergeben haben, aber die ‚hohen Herren‘ sind noch am Leben, wie es ja meistens so ist.“

Binghams Gesicht hatte einen verklärten Ausdruck angenommen, jetzt, da er von den insgesamt hunderttausend Münzen der Kriegskasse vernommen hatte. Er lauschte den Erläuterungen seines Dolmetschers hingebungsvoll, unterbrach dann aber wieder.

„Hohe Herren? Was für hohe Herren meint der Bursche?“

„Prinz Ascoli“, antwortete Juan auf Harris’ Frage hin wie aus der Pistole geschossen. „Das ist einer von ihnen. Ein Bastardsohn des spanischen Königs, ja, ja, ein Sproß von Philipp II. das können Sie mir glauben. Es wurde streng geheimgehalten, wer er ist, aber wir Decksleute haben es schließlich doch erfahren.“

Tatsächlich gab es einen Prinzen von Ascoli, und er war auch der „Bastardsohn“ Philipps II. – und dieser Mann hatte die Armada auch wirklich bei der Überfahrt von Spanien nach England begleitet. Nur war er bereits nach dem englischen Branderangriff vor Calais mehr oder weniger zufällig zu dem Herzog von Parma gestoßen und hatte an dem weiteren Kampfgeschehen und der langen Fahrt um die Inseln herum keinen Anteil mehr.

Was Juan Flores nicht einmal ahnte, was seine an den Haaren herbeigezogene Geschichte aber unverhofft zu bestätigen schien: Seit einiger Zeit hielt sich bei den Engländern in Irland hartnäckig das Gerücht, an Bord eines der spanischen Schiffe, die die Flucht um die Inseln herum angetreten hatten, segelte der Prinz von Ascoli mit.

Juan trug noch dicker auf: „Und der zweite hohe Herr ist Medina Sidonia – der Herzog! Der General-Kapitän der Armada! In der Nordsee ist er extra deswegen auf unsere ‚Gran Grin“ umgestiegen, weil er persönlich auf das Wohlergehen des Prinzen achten wollte, denn unser König, Senor, Seine Allerkatholischste Majestät Philipp II., hat dies dem Herzog besonders ans Herz gelegt.“

Bingham wurde es abwechselnd heiß und kalt. Das war ja geradezu ungeheuerlich. Die Kriegskasse, Ascoli, Medina Sidonia – einfach phänomenal! Er, Bingham, konnte nicht nur die Schatztruhe an sich reißen, er konnte auch die beiden Adligen gefangennehmen und für ihre Freilassung von den Spanieren ein dickes Lösegeld erpressen!

Nur war da als Gegenspieler dieser verdammte O’Malla. Man mußte ihm zuvorkommen.

Bingham wollte neue Fragen an Juan stellen, aber in diesem Moment wurde an die Tür des Raumes geklopft.

Auf Binghams unfreundliche Aufforderung hin trat der Lieutenant der Stadtgarde ein.

„Sir“, sagte er. „Wir haben einen neuen Erkundungsritt unternommen, wie Sie es uns befohlen haben. Wir haben dabei zwar kein spanisches Schiff gesichtet, aber wir haben …“

„Unwichtig. Ich weiß schon, wo das Schiff liegt“, fiel der Dicke ihm ins Wort.

„Sir, wir haben aber eine männliche Leiche geborgen, die Sie sich unbedingt einmal anschauen sollten“, fuhr der Lieutenant fort. „Ich bitte Sie darum. Es handelt sich um einen Spanier, dessen Kleidung erstaunlich schwer ist. Er muß wie ein Stein gesunken sein, und es ist schon ein kleines Wunder, daß er nicht auf dem Grund der Bucht liegengeblieben ist, sondern nördlich der Stadt angeschwemmt wurde.“

Bingham horchte auf. Er erhob sich schwerfällig, winkte seinen Gardisten zu und erteilte auch Harris und Juan Flores die Order, ihn zu begleiten.

Auf dem Hof war die Leiche behelfsmäig aufgebahrt worden. Juan Flores brauchte nicht zweimal hinzusehen, um sie zu identifizieren.

„Das ist Luis de Bobadilla, unser Zahlmeister“, erklärte er. „Er hat in der Nacht heimlich das Schiff verlassen und wollte sich wohl an Land retten, aber es ist ihm mißlungen.“

„Zahlmeister“, wiederholte Bingham murmelnd auf Harris’ Übersetzung hin. „Und er ist ihnen von der Fahne gegangen. Los, Lieutenant, rasch ein Messer her.“

Mit dem scharfen Messer des Lieutenants schlitzte Sir Richard Bingham die Kleidung des toten Mannes auf – und siehe da, Gold- und Silbermünzen fielen klirrend auf das Pflaster des Hofes.

Das war der Beweis – Juan Flores hatte nicht gelogen, es gab diese Kriegskasse, de Babadilla hatte selbst kräftig hineingelangt, um dann zu türmen. Auch der Rest der Erzählung dieses Burschen stimmt, folgerte Bingham daraus – und er taumelte fast, als er an die Pfründe dachte, die da winkten, an all den künftigen Reichtum.

„Die Münzen aufsammeln“, ordnete er an. „Daß mir ja keiner was in die eigenen Taschen steckt. Lieutenant, Sie sind mir für die Vollständigkeit dieses bescheidenen kleinen Schatzes verantwortlich.“

„Ja, Sir. Zu Befehl, Sir.“

„Senor“, sagte Juan Flores. „Ich kann Sie zu unserem Schiff führen, ich habe mir die Stelle, an der es liegt, genau gemerkt.“ Harris übersetzte es sofort, und Juan wartete gespannt auf die Reaktion des Dicken. Alles hing davon ab, denn Juan wollte, wenn er als Lotse im Schiff des Gouverneurs fungierte, mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, dafür sorgen, daß dieses Schiff in der Bucht sank, daß keiner der Insassen jemals die „Gran Grin“ erreichte.

Aber Bingham schüttelte den Kopf.

„Nicht nötig“, sagte er. „Ich weiß ja, daß die Dons vor der Insel Clare vor Anker gegangen sind, und sie werden wohl die Leeküste gewählt haben – bei dem Sturm, der in der Nacht aus Südwest heranfegte. Nein, wir brauchen keinen Führer. Ich halte es außerdem für ein Risiko, den Burschen mitzunehmen. Er könnte seine Kameraden doch noch warnen.“ Er winkte zwei Gardisten zu. „Führt ihn ab. Steckt ihn zu den anderen in den Kerker. Wir brauchen ihn nicht mehr. Ich überlege mir noch, was ich mit den sieben Hunden anfange. Jetzt habe ich weitaus Wichtigeres zu tun.“

8.

Sir Richard Bingham suchte seine Amtsstube im vorderen Gebäudeteil auf, gefolgt vom Lieutenant, von Harris und vier Männern der Stadtgarde. Er wollte dem Lieutenant gerade die Anweisung geben, Killigrew und Ribault zu, sich zu rufen, da sah er durch die Bleiglasfenster, wie der Seewolf und der Franzose an der Spitze einer starken Delegation auf die Kommandantur zumarschierten.

„Was wollen die denn?“ fragte er sich verblüfft. „Na, ist ja egal. Es trifft sich sogar gut, daß sie schon da sind. Wir sparen Zeit.“

Er ließ sie eintreten und breitete, wie von einer wunderbaren Erscheinung überwältigt, die Arme aus, als Hasard und Jean dicht vor seinem abgewetzten Eichenpult standen.

„Meine lieben Freunde“, sagte der ehrenwerte Sir Richard. „Ihre Stunde ist gekommen. Ich wünsche, daß Sie sich jetzt an Ihren Part unserer Vereinbarungen halten, verstehen Sie?“

Hasard fixierte Bingham und fragte sich, ob nicht die Stunde gekommen war, der ganzen Farce ein Ende zu bereiten. Jean Ribault lächelte mal wieder, aber der Rest der Männer von der „Isabella“ und der „Vengeur“ zeigte eisige Mienen. Carberry, der sich gerade den zeternden Sir John in den Wamsausschnitt stopfte, hätte furchtbar gern drei lange Schritte bis zu Binghams Pult getan, um dem unausstehlichen Kerl die Haut in Streifen abzuziehen.

Hasard dachte an die sieben spanischen Gefangenen, aber auch an die Stadtgarde. Wenn er jetzt versuchte, bis zu den Spaniern vorzudringen, um sich ein Bild von ihrem Zustand zu verschaffen – oder gar, um sie herauszuhauen, dann hatte er die Garde gegen sich, und es würde zweifellos ein Blutbad geben.

Der Wind blies wieder heftiger über die Bucht und den Hafen. Er ließ die Bleiglasfenster in der Kommandantur leise klirren und warf die Tür zu, die Smoky, der als letzter eingetreten war, offengelassen hatte.

„Der Wind ist plötzlich auf West umgesprungen“, sagte Smoky.

„Mann, wie der in die Bucht pfeift“, meinte Karl von Hutten nach einem Blick durch eins der Fenster.

„Das gibt neuen Zunder“, murmelte Old O’Flynn. „Dicke Wolken ballen sich zusammen, es reißt nicht mehr auf – na, vielleicht ist das ja auch ganz gut so.“

Sir Richard Bingham kümmerte sich nicht um die Wetterverschlechterung. Er stützte die kurzen, dicken Finger auf das Pult.

„Ich habe erfahren, daß bei Clare Island eine große spanische Galeone liegt“, sagte er. Mit zwei Kriegsschiffen Ihrer Königlichen Majestät dürfte es ja wohl eine Kleinigkeit sein, dieses Schiff, die ‚Gran Grin‘, zu entern und nach Westport einzubringen.“

„Aber sicher doch“, entgegnete Hasard seelenruhig. „Bloß sollten Sie jetzt mal einen Blick nach draußen werfen, werter Freund.“ Er wies mit dem Daumen über die Schulter. „Bei diesem Wind ist es völlig ausgeschlossen, aus der Bucht zu kreuzen und die Insel anzusteuern, geschweige denn, die spanische Galeone zu entern. Tut mir leid. So gern ich mein Versprechen erfüllen würde – im Moment geht das wirklich nicht. Lieber Richard, das müssen Sie doch einsehen.“

Der „liebe Richard“ mußte ihm recht geben.

„So ein Pech“, sagte er zähneknirschend. „Na schön, dann warten wir eben. Aber sobald das Wetter besser wird, laufen Sie zum sofortigen Angriff aus, nicht wahr?“

„Darauf können Sie sich verlassen“, versicherte Hasard ihm – nur lautete seine Auslegung dieses Unternehmens ganz anders, als Bingham annahm.

Die Gefangenen des Gouverneurs stammten von der „Gran Grin“, soviel stand fest. In der kurzen Zeit seit ihrem Eintreffen konnten sie noch nicht gefoltert worden sein, zumindest hoffte der Seewolf es. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten sie aus freien Stücken Auskunft über ihr Schiff gegeben.

Bingham dachte an O’Malla und hoffte inständig, daß dieser irische Rebellenführer und Galgenstrick ebenfalls keine Gelegenheit dazu fand, bei dem neu lospeitschenden Sturm die spanische Viermast-Galeone zu entern.

Dubhdara Rua O’Malla hielt die „Gran Grin“ von der Insel Clare aus fortwährend unter Beobachtung, aber er traf keine Anstalten, überzusetzen und die letzten Männer an Bord des Schiffes niederzumetzeln.

Das geschah nicht aus plötzlich aufkeimender Menschlichkeit, sondern aus einer sehr nüchternen Überlegung. O’Malla kannte den Gouverneur von Westport zur Genüge, und er konnte sich lebhaft vorstellen, daß Bingham erstens in Erfahrung gebracht hatte, daß die Galeone vor Clare Island vertäut hatte – und daß er zweitens vorhatte, den Segler wie ein schlachtreifes Huhn auszunehmen.

O’Malla indes legte keinen großen Wert darauf, die Galeone zu erobern. Er wollte zwar keine Eindringlinge auf seiner Insel und war bereit, jeden auch noch so starken Landetrupp aus dem Hinterhalt zu überfallen und auszuplündern. So war er mit den Spanieren verfahren, die sich erdreistet hatten, in den Felsen herumzusteigen, aber ein Überfall auf die Galeone erschien ihm zu riskant wegen der vielen Kanonen, die er auf dem Oberdeck des Schiffes gezählt hatte, es würde zu große Verluste geben.

Kurzum, O’Malla genügte es, wenn er seine Ruhe hatte. Den „dicken spanischen Brocken“ warf er dem englischen Besatzer Bingham gern zum Fraß vor.

Und genau dazu bot sich der Weststurm an, der bis zum Nachmittag andauerte und auch zum Abend hin nicht nachließ.

Ein prasselnder Regenguß ging auf die Insel und die Galeone nieder. O’Malla und vier seiner in Teerjakken gehüllten Kerle prischten sich zu der Stelle, an dem die eine Jolle der „Gran Grin“ herrenlos liegengeblieben war.

Es gelang ihnen, die Landtrossen zu kappen, ohne von Bord des Schiffes aus gesehen zu werden.

„Das genügt“, sagte O’Malla grimmig, während der Regen von seiner Mütze aus gefettetem Leder in seinen Jackenkragen lief. „Der Rest erledigt sich von selbst. Fahrt zur Hölle, Spanier!“

Er sollte recht behalten. Der Notanker hielt noch knapp eine Stunde, dann brach ihn das schwere Schiff aus dem Grund. Langsam setzte sich die „Gran Grin“ in Bewegung und trieb vor dem Weststurm hilflos in die Clew Bay hinein. Es sollte ihre letzte Fahrt sein.

Südlich der Newport Bay, einer kleineren Bucht im nordöstlichen Bereich der Clew Bay, erstreckten sich gut achtzig bis hundert Inseln und Inselchen dem Festland vorgelagert bis hinunter nach Westport.

Es nutzte Kapitän Pedro de Mendoza nichts, daß er in höchster Not selbst nach dem Kolderstock griff. Bei der Heftigkeit des Sturmes war das schwere Schiff manövrierunfähig. Es wurde zwischen Inselklippen gepreßt, ohne daß sich das Unheil noch hinauszögern ließ.

Ein einziger Schrei des Entsetzens gellte durch das Schiff. Es krachte und donnerte bis in die äußersten Verbände, knirschend brachen Planken der Außenhaut, rauschend drang das Wasser durch die sich vergrößernden Lecks ein.

Die „Gran Grin“ blieb in ihrer Falle hängen. Die schweren anbrandenden Brecher setzten ihr Zerstörungswerk fort. Das Chaos an Bord war vollkommen, und jeder Versuch, die Lecks wenigstens notdürftig abzudichten, war völlig sinnlos.

Kapitän de Mendoza riß es fast vom Achterdeck, nur im letzten Augenblick konnte er sich noch an einer Nagelbank festklammern. Unvollständig, teilweise zerfetzt waren die Manntaue, die über Deck gespannt worden waren, und es kam letztlich auf die Geistesgegenwart des einzelnen an, ob er sich noch auf dem Oberdeck des Viermasters hielt oder nicht.

Achterdeck, Kuhl und Back hatten sich in eine abschüssige, glitschige, von brüllenden Wassermassen überspülte Rutschbahn verwandelt. De Mendoza sah einige seiner Männer außenbords fliegen, unter ihnen war auch Alvarez, der Proviantmeister.

De Mendoza schrie seine Verzweiflung in die einsetzende Dunkelheit hinaus. Er arbeitete sich vom Achterdeck auf die Kuhl hinunter, kroch durch ein kaputtes Schott ins Achterkastell, stieg tiefer in sein Schiff hinunter und watete schließlich durch das Wasser, das knietief in den Frachträumen schwappte. So gelangte er bis ins Vorschiff, klomm auf den Stufen der Niedergänge ins Mannschaftslogis hinauf – und sah zu seinem Entsetzen, daß das Wasser auch hier durch mehrere Lecks rann.

De Mendoza ging dem Feldscher zur Hand, der verbissen seine Arbeit an den Lagern der Sterbenskranken fortsetzte.

„Es wird aufhören“, sagte de Mendoza.

„Irgendwann muß es aufhören“, erwiderte der Feldscher.

„Vielleicht haben de la Torre und die anderen Hilfe gefunden …“

„Ja, vielleicht holen sie Hilfe.“

Sie führten die ganze Nacht hindurch die stumpfsinnigsten Reden, nur um sich selbst zu beweisen, daß das Leben noch eine letzte Barriere gegen den Tod bildete, der im Schiff nistete.

Der Sturm und die Brecher sägten an der „Gran Grin“ herum, füllten sie mehr und mehr mit Wasser, zermürbten ihren Rumpf.

Als Kapitän de Mendoza im Morgengrauen eine Zählung vornahm, befanden sich noch dreißig Männer an Bord des erbärmlichen Wracks – mehr nicht. Der andere Teil der Besatzung war entweder über Bord gerissen worden oder freiwillig gesprungen. Ja, de Mendozas vagen Berechnungen zufolge mußten sie sich in der Nähe des Festlandes befinden. Sie hatten am Vortag beim kurzen Aufklaren des Wetters ja die Ausmaße der Bucht gesehen. Viele seiner Männer mußten sich an die Möglichkeit geklammert haben, schwimmend ans Ufer der Clew Bay zu gelangen.

Die Lage auf dem Schiff war hoffnungslos. Wie lange der Rumpf noch hielt, war fraglich. Rundum kochte die See, und der Versuch, an Planken oder anderen Trümmern festgekrallt das Festland zu erreichen, war nach de Mendozas Meinung glatter Selbstmord.

Erst im Laufe des Vormittags beruhigte sich der Sturm allmählich.

Apathisch hockten die letzten Männer der „Gran Grin“ auf dem zerborstenen Oberdeck. Fiebriger Glanz war in ihren Augen. Sie spähten müde zum Ufer, das sie im Osten ahnen konnten. Ein zerschlagener Haufen, unfähig zur Aktion, selbst Pedro de Mendoza war am Ende seiner Energien angelangt.

„Wir könnten es jetzt wagen“, sagte er mit brüchiger Stimme zum Feldscher.

„Wir könnten was wagen?“

„Uns an Rettungsmittel zu klammern.“

„Um uns zum Land treiben zu lassen?“

„Ja.“

„Ich fühle mich zu schwach dazu, Senor Capitán.“

„Wir verlassen das Schiff. Das ist ein Befehl“, sagte de Mendoza.

„Senor“, erwiderte einer, der auf der untersten Stufe des Backbordniedergangs zum Vorkastell hockte. „Ich sterbe lieber hier.“

De Mendoza schaffte es nicht, die Leute aus ihrer Lethargie hochzureißen, jeder Versuch war sinnlos. Sie wollten in den letzten, langen Schlaf hinüberdämmern. Alles war ihnen gleichgültig. Die Grenzen ihres Leistungsvermögens waren schon seit einiger Zeit überschritten.

Die Räume unter Deck standen jetzt fast bis zu den Deckenbalken voll Wasser. Die Proviantlast war abgesoffen, die letzten Trinkwasserfässer mit halb fauligem Naß zerschlagen.

Es war das Ende.

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