Kitabı oku: «'I'-Gene», sayfa 3

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Leipzig, 2053 n. Chr.: Einsitzer von Andromeda oder Hera streitet mit Athene

Andromeda hatte eine eigene Internet-Suchmaschine programmiert, die mit Schwerpunkt im Bio-Umfeld, für sie relevante Informationen im Netz aufspürte. Alle relevanten Daten wurden automatisch in ihre Datenbank integriert. Informationen aus anderen Wissenschaften wurden nach einem Zufallsprinzip berücksichtigt und mussten von ihr erst manuell ausgewertet und für 'brauchbar' oder 'nicht brauchbar' bewertet werden. Die Informationsflut war so groß, dass sie keine andere Möglichkeit sah, diese vernünftig zu bewältigen. Natürlich hatte sie auch eine Suche nach ‚Keywords‘ bzw. ‚Selektoren‘ ständig am Laufen. Darunter waren auch ‚Bioinformatik‘ in Zusammenhang mit ‚Leipzig‘. Es schmeichelte ihrem Ego, wenn sie dabei entsprechendes Feedback für ihre Arbeit las. Sie hatte inzwischen gelernt, dass die Archäologie dabei immer gut für Daten waren, die Thor gebrauchen konnte. Wie wunderte sie sich allerdings, dass ein Peter O., ein Astronom, in seinem Blog zwar wenige, aber lobende Worte über ihre Arbeit verlor. Was in aller Welt hatte die Astronomie mit Ihrer Arbeit zu tun? Sie stöberte weiter und lernte, dass dieser Peter sich mit Asteroiden beschäftigte. Sie wusste nicht einmal den Unterschied zwischen Meteorit, Asteroid oder Komet und googelte diese Begriffe, weil es ihre Art war, den Dingen gründlich auf den Grund zu gehen. Sie las, dass 'Meteorit' die Bezeichnung für Gesteinsbrocken waren, die aus dem Weltall kamen, durch die Atmosphäre rasten und schließlich auf dem Erdboden aufschlugen; dass ein Asteroid ein Kleinplanet ist, der am Rand des Sonnensystems, in einem sogenannten Asteroiden-Gürtel, in einer weiten, meist elliptischen, Bahn um die Sonne kreist und inzwischen sogar die meisten mit Namen versehen wurden, dass ein Komet, kurz gesagt, eine Art Asteroid ist, der ständig Material verliert, das er leuchtend hinter sich herzieht, aber auch außerhalb des Sonnensystems kommen kann.

Das reichte ihr und sie schüttelte den Kopf über eine Wissenschaft, die für sie so nicht-konkret und diffus über die Jahrtausende schwebte und eine ungeheure, nicht vorstellbare Entfernung von 9 Billiarden Kilometern mit der lyrischen Bezeichnung 'ein Lichtjahr‘ versah.

Sie riss sich aus den Tagträumen und erkannte, dass sie sich längst auf den Weg machen musste, um rechtzeitig zu Carol und Thors Abendeinladung zu kommen, bestieg ihren Flitzer und bretterte los.

Mit ihren langen schlanken Beinen hatte sie Mühe, in das kleine Auto zu steigen und hatte sich deswegen den Fahrersitz als Sonderanfertigung weiter nach hinten versetzen lassen. Die Rückbank musste dafür entfernt werden, den Beifahrersitz hatte sie auch entfernt, so dass sie eigentlich nur einen Einsitzer fuhr. Sie hasste es, mit Menschen auf engsten Raum zusammen zu sein, und ihr Auto war mehr als sehr eng.

Mit ihren 1,75 m war sie mittelgroß, aber als Frau mit einer schlanken Figur fiel sie dennoch immer auf und überragte durch ihre gerade Haltung ihre Mitmenschen. Sie trug gerne existentialistenschwarz, einen dünnen, eng anliegenden Pullover, ohne Ausschnitt vorne, aber mit einem Hautfenster hinten. Dazu trug sie meistens eine knallenge Hose, natürlich in schwarz, manchmal auch aus feinem Leder und hochhackige Schuhe, so dass ihr Apfelpo sich hervorragend in Szene setzte. Ihre kleinen, kugeligen Brüste wurden durch die Pullover plastisch hervorgehoben.

Ihr schwarzer, gebrushter Lidstrich war vom Typ 'Kleopatra', d. h. wie Elisabeth Taylor, in dem gleichnamigen Film am Ende des 20. Jahrhunderts. Thor nannte diese Hautgrafik immer 'Aida-Lidstrich'. Vielleicht hatte er die Oper in der Arena von Verona mit einer entsprechend geschminkten Hauptdarstellerin einmal gesehen und kannte den Film nicht? Jedenfalls ist ein, in Richtung Ohr auslaufender Schwung, damit gemeint.

Das rabenschwarze Haar, mit einem Stich ins Tiefblau heute, war eine Perücke, die sie gerne trug, lang und glatt. Gerne hatte sie es auch zu einem Zopf geflochten, der lustig um ihren Hals baumelte. Diese Frisur gab ihr ein sehr dominantes Aussehen. Dies stand in krassem Gegensatz zu ihrer gesamt Erscheinung, die zuweilen der Kindfrau vom Typ 'Audrey Hepburn' entsprach und einem Rehkitz ähnelte. Ihre natürliche Haarfarbe mochte sie nicht.

Man sah ihr durchaus an, dass sie zweimal in der Woche zum Body-Shaping-Training ins Fitnessstudio ging. Ihre unauf-fälligen Muskeln betonten wiederum das Rehhafte an ihr.

Sie kam an und alle waren schon da, sie war die Letzte. Alle Blicke vereinigten sich auf ihr. Die Gespräche rissen ab.

Ein Gastgeschenk hatte sie schon mit einer Drohne einfliegen lassen: Blumen für Carol und einen wirklich guten Rotwein für Thor.

Neben den bekannten Kollegen, wie Björn und Szophia, die sich heute ganz besonders in Schale geworfen hatte. Dann war da noch ein Nico, den sie nicht kannte, der sich aber gerne reden hörte. Andromeda hörte nur mit halben Ohr hin und hörte, dass er sich mit Thor über eine 'Artenbarriere‘ unterhielt. Das war wohl eine biologische Bezeichnung dafür, dass sich nicht alle Arten untereinander paaren konnten. Nico erläuterte gerade, dass er der Überzeugung war, dass diese Artenbarriere sicher durch ein bestimmtes Gen oder mehreren Genen bewirkt wurde. „Wenn jetzt schon Gene für Homosexualität gefunden wurden, würde es mich nicht wundern, wenn auch diese Artenbarriere genetisch gesteuert wird“, Nico sagte das im Brustton der Überzeugung. „Willst du mich auf den Arm nehmen?“, Thor prostete ihm zu und lachte herzlich.

Carol hatte auch zwei Freundinnen eingeladen: Marlies und Annette. Erstere kannte Carol wohl schon sehr lange und sie hatten in ihrer Jugend zusammen musiziert. Tatsächlich spielten die beiden noch kurz vor dem Essen ein Stück für Altflöte und Klavier, von einem Anonymus, einem Kompo-nisten oder einer Komponistin, der bzw. die sich nicht outen wollte. Es klang sehr schön und Andromeda ärgerte sich, dass sie das Klavierspielen, das sie in ihrer Kindheit gelernt hatte, so einfach aufgegeben hatte. Dann war ihr schlagartig klar, dass beim gemeinsamen Musik machen viel zu viel Nähe für sie entstehen würde. Sie stand auf und ging auf die Terrasse. Dort fand sie Björn, der wie immer beim Rauchen war! „Hast du das gewusst mit den identifizierten Genen für die Homosexualität?“, fragte sie. „Ja, habe ich in einem Journal gelesen. Ich habe sogar heimlich eine Sequenzierung von meinem Genom gemacht. Es stimmt! Ich trage die beschriebenen Sequenzen!“, sagte er stolz und zog kräftig an seiner Zigarette. „Ob es auch ein Gen für das 'Alleinsein' gibt?“, fragte sie sich im Stillen, sagte aber nichts und nahm einen großen Schluck Rotwein: „von diesen hätte ich sicher viele Sequenzen…“

Carol rief alle zu Tisch, sie hatte vom Inder ein riesiges Menü mit verschiedenen Fisch-, Fleisch- und Geflügelgerichten, jeweils mit Gemüsen und teilweise scharfen Saucen, dazu Reis und Fladenbrot. Carol hatte Jasmin-Tee gekocht, Andromeda schlug sich allerdings auf die Seite der Rotweinfraktion der Herren, allen voran Thor und Nico. Björn und Szophia bevorzugten den Tee.

Nach dem Essen mussten sich alle Frauen, außer Andromeda, schnell verabschieden, da sie alle noch weitere Verabredungen hatten. Jetzt war auch klar, warum Szophia so schick war: sie hatte noch etwas vor!

Carol räumte das schmutzige Geschirr in die Küche und Andromeda bot sich an, ihr beim Abwasch zu helfen. Die beiden Frauen räumten zunächst den Geschirrspüler aus, um ausreichend Platz zu haben. Carol begann mit dem Einstellen der Teller. „Schau, das wird so nicht sauber“, korrigierte Andromeda und platzierte das Porzellan um. „Man muss immer sehen, dass der Rotor unten alles voll anspritzen kann.“ „Danke für die Belehrung!“, bemerkte Carol spitz, überließ Andromeda die restlichen Teller und räumt das Besteck ein. „Das musst du auf dem oberen Tablar ausbreiten, da es sonst ganz fleckig wird!“ Andromeda nahm es wieder aus dem Korb und breitete es oben aus. Carol war jetzt stinksauer! Was bildet sich diese Schnepfe ein! Sie versorgte schließlich schon Jahre ihren Haushalt. Jetzt bekam sie auch noch Nachhilfestunden im Geschirrspüler-einräumen. Sie ließ Andromeda stehen und ging zu Thor. „Gib mir einen großen Wodka!“, fuhr sie ihren armen Mann an, der nicht bemerkt hatte, was geschah. Er schenkte ihr an der Bar ihren Wunsch ein. Gerade kam Andromeda wieder ins Wohnzimmer zu den anderen, als Carol einen Toast aufbrachte: „Trinken wir auf Andromeda, der Weltmeisterin im Geschirrspülereinräumen!“ „Was habe ich dir nur getan? Ich wollte doch nur alles optimieren!“ „Optimieren und beleidigen! Thor noch einen Wodka!“ Carols Augen blitzten. Andromeda war auf einmal ganz erschrocken und merkte, dass ihr redlicher Versuch der Optimierung nach hinten losgegangen war. Sie fühlte sich nicht mehr wohl in der Runde und wollte lieber alleine sein. „Thor, ich werde dann auch gehen!“, sagte sie etwas geknickt. „Ist auch besser so!“, hörte sie aus dem Off der Wohnung von Carol. Wütend flitzte sie mit ihrer herzigen Knutschkugel wieder nach Hause. „Carol, diese blöde Kuh! Was Thor nur an ihr findet!“

Leipzig, 2053 n.Chr.: Wird Andromeda wieder einmal fündig?

Eines Tages stöberte Andromeda wieder einmal bei eBay nach gespeicherten alten Daten. Inzwischen war das eine große Leidenschaft von ihr und sie bot auch schon einmal auf Offerten, die sie nicht für ihren Job, sondern privat interessierte. Inzwischen hatte sie in ihrer Wohnung schon kleine Häufchen mit Datenträgern verteilt. Das Prinzip ihrer Ordnung war dabei ihr Geheimnis. Da fiel ihr ein besonders günstiges Einstiegsangebot auf, das gleich eine ganze Kiste voll mit Datenträgern vom Ende des zwanzigsten Jahrhunderts versprach. Folgender Text beschrieb das angebotene Produkt:

‚Ich habe auf meinem alten Speicher zwei Schuhschachteln von „Salamander“ und „Rieker“ mit Disketten und gold-silbrig schimmernden CDs gefunden. Aus der Beschriftung geht hervor, sie stammen aus der Zeit ca. 1970 – 1990. Ich verkaufe die Ware als 'defekt', da ich nicht weiß, wie gut die Datenträger zu lesen sind und ob sie die heute gängige Formate enhalten. ‘

„Wie konnte das sein? Computer oder PC gab es doch erst in den 1980er Jahren oder?“ Sie wurde jetzt besonders neugierig und konnte sich nicht zurückhalten. Da niemand anderer darauf mithielt, erhielt sie den Zuschlag für kleines Geld.

Schon fragte sie sich: „Was habe ich da schon wieder gemacht? Was soll ich eigentlich damit? Das gibt ja sicher wieder unzählige neue Häufchen in meiner Wohnung!“, dachte sie vor sich hin und schaltete frustriert den PC aus. Dann hatte sie alles schnell verdrängt. Erst als sie nach einigen Tagen eine patzige Mahnung bei ihren E-Mails sah, bezahlte sie und nahm sich vor, am besten alles sofort zu entsorgen.

Wieder ein paar Tage später kam das Paket mit einer Post-Drohne. Liebevoll waren die beiden Schuhkartons verpackt, deren alte Etiketten ‚Kinderschuhe mit Fußbettchen‘ anpriesen: Einmal Winterstiefel und einmal Sandalen. Es war ein Zettel beigelegt: ‚Viel Spaß mit ihrem ersteigerten Produkt! ‘

Andromeda begann sogleich mit der Sortierung. Es gab große Disketten, mit 5 ¼ Zoll, kleine Disketten, im 3 ½ Zoll Format, mit 750 kB oder 1,44 MB, CDs mit 720 MB und einige wenige DVDs, mit 4,7 GB. „Also fünf Stapel insgesamt!“, dachte sie für sich.

Ihr Notepad hatte nur USB-Schnittstellen und keine Laufwerke mehr. Sie erinnerte sich allerdings, dass im Magazin ihres Instituts noch externe Laufwerke zu finden sein sollten, die diese uralten Formate vielleicht lesen könnten und die sich über USB an ihr Notepad anschließen ließen. Sie wollte in den nächsten Tagen diese Geräte ausleihen und für ihre einsamen Abende mit nach Hause nehmen. Es waren wirklich viele Daten und sie wurde neugierig. „Welche Art von Daten wurden hier konserviert? Wer hat sie erzeugt?“, überlegte sie.

Tage später schloss sie die Peripheriegeräte an und mit viel Mühe gelang es ihr dann, die alten Formate zu knacken.

Sie fand Textfiles und zu ihrer Überraschung auch Dokumente aus einer Zeit vor den PCs. Dies waren wohl die ältesten und interessantesten Daten. Sie stammten wohl aus den sechziger Jahren. Es waren Blätter, die mit einer alten Schreibmaschine mit einer Schrift der 1920er Jahren geschrieben waren. Sie wurden wohl später gescannt und sorgfältig als Grafikfiles elektronisch konserviert.

„Aha, das ist des Rätsels Lösung! Gescannte Dokumente aus den 1960ern, geschrieben auf einer Maschine der 1920er!“ Andromeda dachte jetzt überhaupt nicht mehr daran, die Daten zu entsorgen. Teilweise fand sie auch Kohlepapierkopien-Scans von Briefen, deren Originale in die Welt hinaus gingen und sicher dort verschollen sind.

Ganz anders war es mit den großen 5 ¼ Zoll-Disketten. Sie konnte den Inhalt nur mit einem speziellen Laufwerk lesen, aber das dann zum Vorschein kommende Datenformat war ihr völlig unbekannt. Auf dem Außenetikett der Diskette stand: 'Start mit dem Befehl: 'brun.teditor''. War das ein Format weit vor der Microsoft-Windows-Ära? Andromeda recherchierte im Netz und fand, dass hier Files vorlagen, die mit einem Apple IIe erzeugt wurden. Nur mit großem Aufwand konnte sie diese entziffern. Aber immerhin waren die Datenträger alle noch lesbar!

Nach der Aneinanderreihung der Files hatte Andromeda das unbestimmte Gefühl, eine Beschreibung einer seltsamen Freundschaft auf ihrem Bildschirm zu sehen.

Beim flüchtigen Drüberschauen fielen Andromeda immer wieder Namen auf: „Felix, Al, Walt und Geraldine. Es scheint, dass die Personen oft ineinander übergehen. Welche Personen stehen hinter diesen Namen? Wer waren Sie? Was war ihr Geheimnis?“

Mit zunehmender Beschäftigung damit fühlte sie, einen Teil der Geschichte zu werden. Ja, sie wurde geradezu in das Beziehungsgeflecht hineingezogen. „Ich will das gar nicht! Welche geheimnisvolle Macht schubst mich immer wieder hinein?“, fragte sie sich. Ab einem bestimmten Zeitpunkt sprang die Geschichte in ihre Gegenwart und wurde ein Teil von ihr.

Andromeda las den ersten entzifferten File auf ihrem Notepad und fand sich in einer unbekannten Vergangenheit mit diesem alten Dokument wieder:

Geraldine

Wir befinden uns in einer frühen Phase und es wird Zeit, eine Frau vorzustellen, die ich Geraldine nenne. Sie war klein. Diese einfache Tatsache – eigentlich völlig harmlos – wurde ihr oft zum Spott. Sogar ihr Freund litt anfangs mit ihr unter ihrem ‚Kleinsein‘, doch dann wurde ihm die Erotik des Kleinseins klar, so dass er von nun an nur mit einer kleinen Frau zusammenleben wollte. Überhöhte sie in ihrer Kleinheit sein eigenes Selbst und brauchte er dies? Ihr Haar trug sie sehr oft anders. Wer ahnte damals, dass sie hiermit ihr Problem mit ihrer Weiblichkeit offen legte. Langes Haar gab ihr ein melancholisches, verspieltes Aussehen, besonders, da ihr Haar dann in langen Locken lag. In Verbindung mit ihren rehbraunen Augen hatten diese rotblonden Locken etwas Engelhaftes. Ihr Haar, wie ein Theatervorhang, lichtete sich ab und zu, um romantisch vertiefte Blicke ihrer Augen freizugeben. War das ihre weibliche Seite? Sonja Kirchberger spielte diese Rolle in dem Film 'Die Venusfalle' , von R. Ackern, sehr viel später. Aber es gab auch die männliche Frau in Geraldine, mit extrem kurzem Haar, was ihrem Typ einen sehr kessen Anstrich gab, aber auch einen harten. Auch dieser Typus Frau wird bei Ackeren in besagtem Film als Kontrast gezeigt, dargestellt von einer dann schnell in der Versenkung verschwindende Schauspielerin, mit Namen Myriam Roussel. In dieser Metamorphose erschien sie ihm immer etwas älter. Das Rotblond ihrer Haare wurde dann auch brünett, zuweilen im Winter auch braun. War dies ein Hinweis, dass sie doch lieber mit Frauen den männlichen Part leben sollte? Konnte sie sich das eingestehen?

Auch ihre Ohren waren klein und meist von Haar bedeckt. Ihren Augen konnte kein Mann widerstehen. Weder Felix noch Walt. Selbst ich war oft in Gefahr von ihnen verführt zu werden. Manchmal waren ihre Augen 'comme la biche', wie es ein Chorlied von Debussy am besten beschreibt. Die deutsche Übersetzung: 'wie eine Hirschkuh' klingt blöd! Nur das Französische gibt die geheimnisvolle Stimmung im Wald wieder, voll Angst und Umsicht, die Bäume widerspiegelnd. Wenn sie ganz glücklich war, schlossen sich ihre Augen, um alles für sich zu behalten. Ihre Augen hätten sie sonst zu sehr verraten.

Ihre Nase war eigenartig: Ihr Nasenrücken war kantig und bildete in der Mitte eine kleine fast waagrechte Plattform, verengte sich, um dann am Ende wieder auseinander zu gehen. Ihr Mund war von der Seite wie ein rotes Löwenmäulchen mit elfenbeinernen Staubblättern. Sie liebte sie sehr, seine innigen Küsse auf ihren Hals und ihren hervorstehenden Schlüsselbeinen. Ihr Rücken war stets dankbar für alle Arten von streichelnden Liebkosungen.

Ihre Haut war ein süßes Geheimnis. Wenn er sie berührte, verfiel er in einen romantischen Traum: In einem lichten Waldhain, in den die Sonnenstrahlen mild durch die Blätter rieseln und so alles in zartes Grün hüllen, lockten ihn tausend kleine nackte Nixen mit holden Stimmen zu einem ganz bestimmten Ort, auf den sie mit ihren zierlichen Händen deuten. Ihre kleinen, weißen Brüste erschienen unter dem Blattwerkfilter wie von einem verführerischen grünen Schleier umwoben. Mit zarten Stimmen riefen sie: "Komm, süßer Knabe, komm, folge uns. Wir führen dich zum Glück!" Parsifal... Ein prickelndes Gefühl von Abenteuer, Begierde, Leidenschaft und Lust überfiel ihn dann und ließ ihn folgen. Der Wald wurde dichter, es ging bergan. Plötzlich eröffnete eine mächtige Buche, die durch ein Unwetter besiegt, zerbrochen am Boden lag, ein gleißendes Lichtloch, durch das das grelle Tageslicht in den dämmrigen Waldschatten fiel. Er blickte hindurch und entdeckte eine zauberhafte Landschaft mit tropischen, üppig wuchernden Pflanzen und Blüten. Daraus erhoben sich zwei kleine, kreideweiße Hügel, die grell in der Sonne standen und von Nymphen umtanzt wurden. Auf ihrem Gipfel blühen fleischfarbene Rosen. Felix, wie ich sehr viel später erfuhr, war von diesem Bild so angetan, dass er die Nixen um sich völlig vergaß und gar nicht merkte, wie sie ihn am Ärmel zupften. Er mochte sich am liebsten bücken, um eine Rose zu pflücken. Er konnte sich gar nicht von dem Anblick trennen. Er ging dann immer tiefer in den Wald hinein. Zauberblumen standen am Wege und erglühen in den prächtigsten Farben. Üppig laden sich ihre Blütenblätter aus. Die Nixen bahnen seinen Weg durch all diese Ranken. Plötzlich war er vor einem geheimnisvollen Höhleneingang. Die Begleiterinnen bogen den rankenden Efeu von der Öffnung und ließen ihn eintreten. Am Ende der dunklen Höhle sah er ein Licht. Er hielt darauf zu und erkannte einen lieblichen Quell. Er trank von dem Wasser und fühlte sich erleichtert, berauscht, glücklich, abgeklärt und unsagbar müde. Felix erwachte und sah nur, dass er seine Hand auf ihre Haut gelegt hatte. Ihre Haut, die ein Geheimnis war. Das Geheimnis des rotblonden Quell.

Andromeda war fasziniert und konnte nicht aufhören zu lesen. „Was waren das für Namen?“ fragte sie sich in Gedanken. Irgendwie fühlte sie sich stark angesprochen. War nicht sie selbst diese Geraldine? Wie konnte das sein?

Leipzig, 2053 n.Chr.: Das ‚Hucanoidea-Genom'

Es fiel sogar schon Thor auf, dass sich Andromeda völlig zurückgezogen hatte. Er dachte natürlich, dass es mit der Auseinandersetzung in der Küche mit Carol bei der Hausparty zusammenhing.

Sie versuchte, ihre Arbeitstage so kurz wie möglich zu gestalten, um dann am Abend in ihre Daten eintauchen zu dürfen. Dort fand sie folgendes:

Selbständige politische Einheit Berlin-West:

Sex und Bruckner am Leopoldplatz

Gaby, meine blonde Vermieterin aus dem West-Berliner Wedding, gehörte zu den Frauen, die erst mit einem Mann schlafen und ihn danach küssen. Sie war knabenhaft klein, hatte aber alles andere als Chinesinnen-Brüstlein und ihre Brustwarzen zeigten immer zur Sonne. Wie ich es schon geahnt hatte, war Gaby eine Expertin in Sachen Sex. Mit der richtigen Anzahl an Lebensjahren hatte sie schon einige Mieterwechsel für die Studentenbude hinter sich, die sie zu vermieten pflegte. Wusste sie von ihren literarischen Vorbildern, etwa der Demoiselle Vischer aus Stuttgart, die einst an einen gewissen Schiller vermietete und ihm neben einer Bude noch etwas darüber hinaus gab?

Hatte ich doch Gabys 'magic numbers' nie von ihr erfahren, nämlich ihr Alter und die Anzahl von Untermieter vor mir.

Ich hörte sie sehr kompetent reden über juristische Staatsexamina, versicherungsmathematische Statistik-Übungen, literarische Seminararbeiten, medizinische Multiple-Choice-Fragen über Nerven, Knochen, Muskeln und schloss daraus, dass zumindest ein Jurist, ein Mathematiker, ein Germanist und ein Mediziner zuvor in meinem Zimmer gewohnt haben musste.

Sie, die selbst als Laborantin in einer kleinen Weltfirma in Tempelhof arbeitete, hatte ein phänomenales Gedächtnis für den Wissensstoff ihrer Untermieter. Sehr gerne redete sie auch über Bruckner, ja reden ist kein Ausdruck, sie dozierte geradezu. Zählte etwa auch ein hoch semestriger Musikwissenschaftler zu ihren Verflossenen? Ich konnte es nur aus verschiedenen Andeutungen ableiten, war mir aber nach einiger Zeit sicher, dass dessen Thema ganz im Stile der Zeit der Post-68er „Das bivalente Verhältnis von Sex und Bruckner unter spezieller Berücksichtigung seiner eruptiven Musik und unglücklichen Frauenbekanntschaften“ gelautet haben muss oder zumindest so ähnlich. Hatte der Student doch erreicht, dass die Musik Bruckners Einzug in Gabys Schlafzimmer hielt, wo sie, für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich, eine veritable HIFI-Stereoanlage, mit mächtigen Lautsprechern, stehen hatte. Immer wenn die Sterne im zweiten langsamen Satz der 7. Sinfonie aufgehen, wusste ich, dass es eine günstige Zeit, ja mehr, regelrecht eine Aufforderung für mich war, sachte an ihr Schlafzimmer anzuklopfen.

„Was war das für ein Text?“, fragte sich Andromeda in Gedanken. „Ein erotisches Tagebuch? Wer war dieses 'Ich'. Ein Student? Offensichtlich! Warum schreibt er diese Zeilen? Der Stil gefällt mir, der Text macht mich an und rührt mich! Ich bin froh, dass ich das Dokument gesteigert habe!“ Damit stand ihr erstes Urteil fest und sie las weiter:

Ich kannte diese Musik bisher nur von einem Besuch im Deutschen Museum in München, wo sie im Planetarium dann gespielt wurde, wenn theatralisch im Westen am blutroten Horizont die Sonne unterging und man nach langsamem Verdunkeln die Sterne leuchten sah. Einen zweiten Satz als Vorspiel für ein spezielles Duett zwischen Frau und Mann zu missbrauchen war neu für mich. Allerdings gewöhnte ich mich schnell an dieses Ritual, zumal wie im Planetarium in ihrem Schlafzimmer immer ein rot-dämmriges Licht brannte, wenn ich zu bekannten Tubenchorälen eintrat. Noch war es für mich zu früh, einen Zusammenhang zu sehen von ihrem/ meinem Leben und der Widmung dieses Werkes von Bruckner, die Gaby immer nach einem besonders intensiven Orgasmus zitierte: „Seiner Majestät, dem König Ludwig II. von Bayern, in tiefster Ehrfurcht gewidmet“, pflegte sie dann schnurrend zu hauchen. Hatte Bruckner seiner E-Dur-Symphonie tatsächlich diese Widmung gegeben? Sollte ich in meinem späteren Leben tatsächlich Bezüge zum Bayerischen bekommen?

„Wow, nicht schlecht, Frau Specht!“, rief Andromeda aus und las begierig in diesem West-Berliner Tagebuch eines jungen Studenten weiter:

Unvergessen sind auch Weddinger Nächte mit Gaby und dem Scherzo-Satz dieser Symphonie. Sie, die Frau, die dominant genug war, die Frau-oben-Stellung zu beherrschen und sich dabei weiblich genug zeigte, um ihren Körper so geschmeidig nach hinten zu beugen, um gleichzeitig zum Hüpfen im Rhythmus der Musik meine Hoden kräftig zu bearbeiten. Diese Behandlung, die eine perfekte Körperbeherrschung voraussetzte – nie kam Gaby aus dem Gleichgewicht – zusammen mit den hopsenden Trompetenstößen, in reinem C- Dur, feuerten meine Männlichkeit ungeheuer an. Das gefiel ihr und dankbar ließ sie es sich zurückgeben. Nie wieder sollte ich den Kontakt in einer Frau so intensiv empfinden.

Andromeda konnte sich an dieser Stelle nicht mehr halten. Sie lud sich diese Symphonie von Anton Bruckner in einer altehrwürdigen Interpretation mit den Bamberger Symphonikern, unter ihrem damaligen Dirigenten Eugen Jochum, von You Tube herunter. Kaum hörte sie die ersten Takte des langsamen Satzes spürte sie ein Ziehen zwischen ihren Beinen, stand vom Computerschreibtisch auf und ging in ihr Schlafzimmer. Sie zog ihre Hose, mit Slip zusammen, aus und legte sich bäuchlings auf ihr Bett. Dann fuhr sie mit ihrer Hand zwischen ihre rotblonden Schamhaare und streichelte sanft ihr haariges „Y“. Andromeda hielt nichts von all den Rasur-Künsten und beließ ihre ‚Bärin‘ in Wildwuchs. Durch den Druck, den sie durch die Bauchlage auf ihren Kitzler ausüben konnte, kam sie wie eine Rakete und stöhnte laut. Kaum steigerte sich die Musik wieder zu einem nächsten Höhepunkt, schaffte sie es wieder. Nach diesem „Twin-Peak“, wie sie das Erlebte für sich bezeichnete, schlief sie erschöpft ein.

Auf ihrem Bildschirm war immer noch der restliche Text zu lesen:

Wie schlimm war es für mich, zu erfahren, dass diese Weddinger Nächte von dem Zeitpunkt an nicht mehr wiederholbar waren, als ich der blonden Gaby leichtsinnigerweise etwas von einer braunhaarigen Freia in der Kurpfalz, Kurpfalz-BRD, erzählte. Ich machte den typischen Fehler eines jeden Jungmannes und beachtete nicht den wichtigen Grundsatz: Wenn schon betrügen, dann richtig und im Geheimen, so dass der Betrug ein echter ist! Seitensprünge wie ein Weichei durch Offenheit legitimieren zu wollen, ist eine Todsünde in der Liebe! Warum hatte ich solch klare Worte bisher in keiner literarischen Lebensvorlage gefunden?

Also merkt Euch all ihr Männer, die ihr das hier lest: Anders geht es nicht! Wenn betrügen, dann richtig und mit schlechtem Gewissen, aber ohne Offenheit!

Alle Spielregeln diktierte Gaby dann plötzlich: „Du packst sofort Deine Koffer in der Kurpfalz-BRD und kommst für immer zu mir, nach der selbständigen politischen Einheit Berlin-West, oder ich lasse dich fallen, wie eine heiße Kartoffel!“, befahl sie ihm barsch. Ich verkannte hingegen die Situation, wollte da nicht mitspielen und versuchte mit ihr weiter mein Spiel zu treiben: Freia, nicht exklusiv, aber ab und zu sehr intensiv in der Kurpfalz-BRD und Gaby als Sahnehäubchen in Wedding, selbständige politische Einheit Berlin-West! Für mich war das perfekt!

Aber es ging schief! Ich hörte keine Sternenmusik mehr im Schlafzimmer meiner Wirtin und musste mir eine andere Bude suchen. Frustriert zog ich mich nicht nur vom Leopoldplatz sondern gleich ganz von Berlin-West zurück und wechselte nach Tübingen, wo ich in mehreren Selbsterfahrungsgruppen gesehen wurde, die langsam in Mode kamen, damals.

Plötzlich meldete sich Andromedas Smartphone. Sie wurde aus dem Schlaf gerissen und brauchte einige Zeit, um in der Gegenwart anzukommen.

„Hey, Andromeda, bist du da? Was machst du gerade? Sitzt du gut?“, Thor überfiel sie gnadenlos. Sie hasste das! „Ich war gerade etwas weggetreten. Was gibt es denn? Ich sitze übrigens an meinem Rechner“, berichtete sie abwesend. „Wir haben die Ergebnisse der Sequenzierungen aus dem Material des kleinen Hundeknochens. Du hattest uns auf die richtige Spur gesetzt, es ist eine verblüffende Mischung von Gensequenzen aus human und canoidea, also hundeartigen Wesen.“ Thor war schnell dabei, einen neuen Terminus zu kreieren und benutzte das Wort ‚hucaniodea‘ eine Zusammensetzung auf ‚human‘ also menschlich und ‚canoidea‘ also hundeartig.

„Diese Publikation wird eine Sensation!“, fuhr er begeistert fort, „Du lagst mit Deinem Verdacht aus dem Bericht des Dieners goldrichtig. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn wir dich mit auf das Paper nehmen! Allerdings…“ „Also, wo ist der Haken?“, fragte sie kalt. Sie kannte Thor mit seinem Überschwang sehr gut! „Ja, da ist noch ein dunkler Fleck. Es gibt noch einen längeren Teil des Genoms, der weder ‚Mensch‘ noch ‚Hund‘ ist. Außerdem ist die Übereinstimmung mit dem humanen Genom nicht so ganz eindeutig. Wir fanden Raten um die 40 – 60 % Übereinstimmung. Kannst du dir dies noch einmal mit deiner Biosoftware genauer anschauen?“

„Machen wir, schick mit die Daten, ich schaue es mir an!“, war alles, was sie dazu hervorbrachte.

„Hast du noch einen Tipp, woher dieses Hundeknöchelchen stammen könnte?“, bohrte Thor weiter. „Nö, ich kann Dir doch nicht die ganze Arbeit abnehmen!“, frotzelte sie und legte auf. „Ein Hybrid-Wesen aus Hund und Mensch. Na so was! Wie hieß doch der ägyptische Gott?“ Sie war hundemüde, bemühte allerdings dennoch ihre Suchmaschine und fand den Namen der Gottheit, die sie suchte: 'Anubis', der Gott mit der Gestalt eines Menschen und dem Kopf eines Hundes.

Dann fiel ihr Blick wieder auf den Text des Bildschirms. Was war das für eine Zeit, mit so viel 'BRD' und was hatte es mit diesem Begriff 'selbständige politische Einheit Berlin-West' auf sich? Sie merkte plötzlich, dass die unmittelbar zurückliegende Vergangenheit ihr überhaupt nicht geläufig war.

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