Kitabı oku: «Gewalt durch Gruppen», sayfa 2

Yazı tipi:

1.1.2Polizeiliche Bearbeitung im Rahmen der EG Neujahr

Im Zuge der Vorfälle der ersten Kölner Silvesternacht kam es nach Stand Dezember 2016 im Bereich Hauptbahnhof und Bahnhofsvorplatz zu 1.624 erfassten Straftaten. In über 500 Fällen war ein Sexualstraftatbestand angezeigt worden, davon in 193 Fällen im Zusammenhang mit Eigentumsdelikten.

Um diese erhebliche Straftatenanzahl sachgerecht aufarbeiten zu können, wurde unter Leitung des damaligen Kriminalinspektionsleiters 4 eine Ermittlungsgruppe „EG Neujahr“ eingerichtet. Deren Erkenntnisse wurden in einer 2017 in der Zeitschrift „Der Kriminalist“ beginnenden Aufsatzserie3 präsentiert und diskutiert, auf die hier ausdrücklich als Quelle Bezug genommen wird.

Diese bis zu 100 Beamte große Ermittlungsgruppe hatte von Anfang an mit erheblichen Ermittlungshemmnissen zu kämpfen. Zum einen war es in der Silvesternacht zu keinen Personalienfeststellungen oder Festnahmen gekommen, sodass es sich um unbekannte Täter handelte. Zudem konnten die Opfer nur in wenigen Fällen sagen, wer aus der Gruppe welche Tathandlung vollzogen hatte. Selbst bei Vorlage von Lichtbildmaterial kam es nur in den seltensten Fällen zu einem Wiedererkennen. Andere klassische Ermittlungsmethoden konnten nicht angewendet werden, beispielsweise war kein Spurenmaterial vorhanden. Die Ermittlungen konzentrierten sich also auf die Auswertung von Videomaterial, von Telekommunikationsdaten und von sozialen Medien.

Als erfolgreich erwies sich die Zusammenarbeit mit sogenannten „Super Recognizern“ von Scotland Yard, die durch ihre hervorragenden Identifizierungsfähigkeiten Opfer, die auf Videomaterial erkannt wurden, bis zur Tat zurückverfolgen konnten. Dies führte in der Folge zu insgesamt 44 erfolgreichen Täteridentifizierungen.

Insgesamt konnte die EG Neujahr trotz schlechter Voraussetzungen 334 Personen als Tatverdächtige identifizieren. Hauptsächlich handelte es sich um Personen aus Algerien (93), Marokko (88), dem Irak (35), Syrien (28) und Tunesien (10).

Eine organisierte Tatbegehung konnte nicht festgestellt werden.

1.1.3Aufarbeitung im Rahmen des Untersuchungsausschusses

Im Nachgang zu den Silvesterereignissen setzte der Landtag NRW einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein, welcher sich am 18.2.2016 bereits konstituierte. In der 61. Sitzung am 23.3.2017 wurde der Abschlussbericht verabschiedet. Im Verfahren wurden 174 Zeugen vernommen.

Als wesentliche Ergebnisse lassen sich zusammenfassen4:

•Im Vorfeld zu Silvester hatte es keinerlei Hinweise auf die beschriebenen neuen Tatbegehungsweisen gegeben, die bei der Einsatzplanung hätten berücksichtigt werden müssen.

•Der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Landtages NRW kommt, in Übereinstimmung mit dem BKA, zu der Auffassung, dass die Straftaten der Silvesternacht keine geplanten Massendelikte waren.

•Der Polizei wurden im Vorfeld zu wenige Kräfte aus dem übrigen Land NRW zugewiesen.

•Bei ausreichender Kräftelage hätte die Polizei die Taten durch rechtzeitiges und konsequentes Einschreiten verhindern können.

•Insbesondere das im Abschlussbericht aufgeführte Gutachten des Psychologen Prof. Dr. Rudolf Egg (Kriminologische Zentralstelle Wiesbaden) hat ergeben, dass sozialpsychologische Effekte zu den Taten geführt haben, wobei die hohe Anonymität bei der Tatbegehung und eine nicht zu erwartende Strafverfolgung die Hemmschwelle haben sinken lassen. Auch strafrechtlich bisher unauffällige Personen können in einer solchen Umgebung egoistisches, antisoziales und auch kriminelles Verhalten zeigen.

1.1.4Folgerungen für Polizei, Kommune und Politik

Infolge der wachsenden Kritik aus Medien, Gesellschaft und Politik an der Einsatzbewältigung und der nachfolgenden Pressearbeit der Kölner Polizei zu den Silvesterereignissen erfolgte auf Veranlassung des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen ein Wechsel an der Führungsspitze des Polizeipräsidiums Köln. Der neue Polizeipräsident richtete von Anfang an alle seine Maßnahmen darauf aus, das verloren gegangene Vertrauen der Bevölkerung wieder zurückzuerlangen. Innerhalb der Behörde wurden alle Kräfte zusammengezogen, um eine stark erhöhte Präsenz der Kölner Polizei insbesondere im Innenstadtbereich zeigen zu können. Hinzu kamen zahlreiche Präsenzeinsätze durch die Bereitschaftspolizei und eine sehr offene – aber auch offensive – Öffentlichkeitsarbeit sowie eine deutliche operative Verstärkung der kriminalpolizeilichen Bearbeitung in Ermittlungsgruppen. Hier wurde insbesondere das kurzfristig durch die Landesregierung in der Folge von Silvester eingestellte Personal eingesetzt. Es handelte sich hierbei um Angestellte, welche die Funktionen von Polizisten, die nicht in operativen Aufgaben eingesetzt waren, übernahmen, sodass diese Kräfte für den operativen Einsatz verfügbar wurden.

Seitdem sinken sowohl die Gesamtkriminalität als auch die Kriminalität in der Innenstadt sowie die Anzahl der Gewaltdelikte im sogenannten Aktionsraum Straße.


Abbildung 1 und 2: Polizeiliche Kriminalstatistik 2017, Daten der Gesamtkriminalität, eigene Auswertung des PP Köln

Der Polizeipräsident nutzte aber nicht nur polizeiliche Möglichkeiten, sondern bezog auch die anderen Akteure, insbesondere die Stadt Köln, mit ein. Unter anderem werden nun die Probleme in sogenannten Sicherheitskonferenzen diskutiert, in denen die Stadtspitze, die Leitung der Bundespolizeidirektion, die Leitungen von Staatsanwaltschaften und Gerichten und die Kölner Polizei regelmäßig zusammenkommen. Alle in Köln stattfindenden Großereignisse, wie Karneval oder die Kölner Lichter, wurden durch ein deutlich größeres Polizeiaufgebot begleitet. Grund hierfür waren aber nicht nur die Silvesterereignisse, sondern auch die Anschläge in Paris, Brüssel und Nizza, die gezeigt hatten, dass Großveranstaltungen im terroristischen Fokus lagen. Dies zeigte sich auch tragisch an der Berliner Gedächtniskirche Weihnachten 2016.

Für den Jahreswechsel plante die Kölner Polizei einen entsprechend großen Kräfteansatz vor. Insbesondere sollte durch hohe Präsenz und konsequentes Einschreiten die Entstehung eines rechtsfreien Raums verhindert werden.

Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit begleitete die Vorbereitungen auf die im Fokus der Medien stehende Sicherheitslage der Silvesternacht. Die Pressekonferenz der Stadt Köln und der Kölner Polizei, in der die gemeinsame Einsatzkonzeption im Vorfeld vorgestellt wurde, fand internationales Interesse.

Die Polizei ging daher davon aus, dass für solche jungen Männer aus dem nahöstlichen und nordafrikanischen Raum, die Straftaten planten, kein Anreiz mehr bestand, nach Köln zu reisen. Es musste allgemein bekannt sein, dass hier die Polizei keine Ausschreitungen zulässt. Letztlich wurde erwartet, dass für die vielen Kräfte wenig zu tun sein würde. Die Rheinische Post schrieb noch wenige Tage vor dem Ereignis, dass der Einsatz einer 1.500 Kräfte starken „Silvester-Armee“ von Innenminister Jäger in Köln unnötige Symbolpolitik sei.5 Der Einsatz wurde in der Nacht sowohl durch den Polizeipräsidenten Mathies als auch durch den Innenminister Jäger in Köln beobachtet.

1.2Die Kölner Silvesternacht 2016/2017
1.2.1Ereignisse in der Nacht

Sehr schnell stellte sich in der Silvesternacht 2016/2017 die Erkenntnis ein, dass der Einsatz gut geplant und die Kräftezahl angemessen war. Es strömte erneut eine erhebliche Anzahl an jungen männlichen Migranten mit nordafrikanischem oder nahöstlichem Aussehen nach Köln. Viele waren stark alkoholisiert und sehr aggressiv. In Absprache mit der Bundespolizei hatte sich die Kölner Polizei darauf verständigt, dass schon bei der Anreise im Hauptbahnhof eine Auswahl von Gruppen stattfand, welche ohne eine polizeiliche Kontrolle in die Innenstadt gelangten und welche auf dem Bahnhofsplatz einer genaueren polizeilichen Kontrolle, insbesondere Identitätsfeststellungen, unterzogen werden sollten. Das Auswahlkriterium für die Zuweisung zu polizeilichen Kontrollen basierte auf Erkenntnissen aus der EG Neujahr und war dann erfüllt, wenn eine Gruppe aus jungen Männern mit nordafrikanischem und nahöstlichem Aussehen bestand. Auf dem Bahnhofsvorplatz zeigte sich folgendes Bild:


Abbildung 3: Bildmaterial der Kölner Polizei aus dem Abschlussbericht der AG Silvester


Abbildung 4: Screenshot aus Facebook

Daraufhin entschied sich der Polizeiführer, die Gruppen junger alkoholisierter Männer mit dem entsprechenden Aussehen, die also das Täterprofil der EG Neujahr erfüllt hatten, auf dem Bahnhofsvorplatz intensiv zu kontrollieren. Der Polizeipräsident selbst, der den Einsatz vor Ort beobachtete, sagte gegen Mitternacht der Presse, dass er große Sorge habe, dass der Einsatz noch „kippt“6. Nur durch die intensiven Kontrollen, welche die Männergruppen längerfristig an den Bahnhofsvorplatz gebunden hatten, konnte nach Einschätzung vor Ort eine Eskalation wie im Vorjahr verhindert werden. Es kam zu keinen nennenswerten Taten, insbesondere zu keinen Sexualdelikten im Einsatzraum.

In der Nacht gab es jedoch eine Fehlkommunikation: den „NAFRI-Tweed“, den die Pressestelle der Kölner Polizei absetzte.

Die Kontrollen, die unter den Vorgaben der Erkenntnisse der EG Neujahr an Gruppen junger Männer mit nordafrikanischem und nahöstlichem Aussehen durchgeführt wurden, in Verbindung mit der Abkürzung NAFRI, welche für ein Auswerteprojekt „Nordafrikanischer Intensivtäter“ bei der Kölner Polizei steht, führte in den Folgetagen zu einer intensiven öffentlichen Debatte um den Vorwurf des „Racial Profilings“ bei der Kölner Polizei.

Auch wenn sich der Kölner Polizeipräsident für den „NAFRI-Tweed“ am folgenden Morgen öffentlich entschuldigte, war die Diskussion sowohl im Internet in den sozialen Medien als auch in der Presse kontrovers. Hier stellte sich daher die Frage, ob der Vorwurf gerechtfertigt war, aber auch die Frage, warum entgegen aller Vorhersagen wieder so viele junge Männer nach Köln gekommen waren.

1.2.2Polizeiliche Bearbeitung im Rahmen der AG Silvester 7

Durch die Lageentwicklung ergaben sich insbesondere mit Blick auf zukünftige Großveranstaltungen wie Karneval und Silvester 2017 Fragestellungen, zu deren Bearbeitung der Behördenleiter die Arbeitsgruppe „Silvester 2016“ einrichtete. Darüber hinaus galt es, die Öffentlichkeit bzw. die Medien zu informieren.

1.2.2.1Ziele der Arbeitsgruppe

Durch den Auftraggeber wurden zunächst folgende Ziele formuliert:

•Hinweise auf Motivationslage und Absichten der angereisten Gruppen junger Männer mit z. T. nordafrikanischer Herkunft sowie darauf, ob Verbindungen bzw. Absprachen zwischen den Gruppen bestanden, erlangen.

•Ansätze für weitere Ermittlungen gegen Beschuldigte, deren gegen sie gerichtete Strafverfahren im Rahmen der EG Neujahr die StA Köln gem. § 154f StPO vorläufig eingestellt hat, prüfen.

•Die erlangten Daten hinsichtlich Staatsangehörigkeit und kriminalpolizeilicher Erkenntnisse aufbereiten und auswerten.

•Daten für die Öffentlichkeitsarbeit des PP Köln zur Verfügung stellen.

•Bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes auf ausländerrechtliche Verstöße sind Ermittlungsverfahren einzuleiten.

1.2.2.2Wesentliche Ergebnisse und deren Bewertung

Die AG Silvester hatte Daten von Personen ausgewertet, die im Rahmen des Silvestereinsatzes 2016 (31.12.2016, 18:00 Uhr bis 1.1.2017, 06:00 Uhr) Adressaten polizeilicher Maßnahmen waren. Daneben wurden Daten von Personen berücksichtigt, bei denen Kontrolleure der DB AG ein erhöhtes Beförderungsentgelt erhoben haben, weil sie ohne gültigen Fahrausweis Züge der DB AG von und nach Köln genutzt hatten.

Wie die Personendaten, die der AG Silvester nach Abschluss der Einsatzmaßnahmen zugeleitet wurden, erhoben worden waren, ist nicht in allen Fällen nachzuvollziehen. Das ist damit zu erklären, dass die Einsatzkräfte nicht durchgängig dokumentiert haben, ob und welche Ausweisdokumente vorgelegt wurden, insbesondere wenn eine durchgeführte Identitätsfeststellung zur Gefahrenabwehr gem. § 12 PolG NRW und anschließende Fahndungsabfrage keinen Anlass für weitergehende Maßnahmen ergaben. Bei Strafanzeigen oder freiheitsentziehenden Maßnahmen hingegen ist die Dokumentation vorgelegter Ausweisdokumente die Regel. Erfahrungsgemäß ist darüber hinaus davon auszugehen, dass einige Personendaten auf mündlichen Angaben oder nicht amtlichen Dokumenten beruhen, insbesondere weil in Deutschland keine Verpflichtung besteht, einen Pass, Passersatzpapiere, Aufenthaltstitel oder entsprechende Bescheinigungen mitzuführen. Insoweit waren die Personendaten dahin gehend zu bewerten, ob sie für eine weitere Bearbeitung durch die AG Silvester mit Blick auf deren Zielsetzung geeignet waren.

Ohne dass hier jede Möglichkeit zur Ermittlung von Personendaten berücksichtigt wird, lassen sich die Hauptquellen der erhobenen Personendaten wie folgt eingrenzen:

•Polizeiliche Datenanwendungen, die in der Silvesternacht zu unterschiedlichen Zwecken genutzt wurden

•Noch vorhandene kurzfristige Aufzeichnungen eingesetzter Beamter, welche diese zur Überprüfung nutzten

•Daten der Bundespolizei

•Daten aus in der Silvesternacht aufgenommenen Strafverfahren

•Daten der DB AG

•Hinweise aus der Bevölkerung

Die hiernach vorliegenden 711 Datensätze hat die AG Silvester um offensichtliche Doppelerfassungen bereinigt. Diese sind entstanden, weil einzelne Personen in der Silvesternacht mehrfach kontrolliert und daher auch in verschiedenen Listen erfasst wurden. Weiterhin mussten die Daten, die von der BPOL und der Deutschen Bahn stammen, um für weitere Überprüfungen ungeeignete Datensätze bereinigt werden. Insgesamt verblieben 640 Datensätze, die für weitere Recherchen geeignet waren.

Durch Aufbereitung der Daten konnten bei den überprüften bzw. identifizierten Personen folgende Staatsangehörigkeiten festgestellt werden:


Staatsangehörigkeit Anzahl
Irak 125
Syrien 123
Deutschland 112
Afghanistan 74
Iran 32
Guinea 28
Marokko 21
Pakistan 17
Eritrea 14
Algerien 11
Indien 10
staatenlos 8
Italien 4
Tunesien 4
Türkei 4
Russ. Föderation 4
Gambia 3
Rumänien 3
Somalia 3
Äthiopien 3
Libanon 3


Staatsangehörigkeit Anzahl
Bangladesch 2
Tadschikistan 2
Frankreich 2
Luxemburg 2
Polen 2
Mali 2
Serbien 2
Bulgarien 2
Jemen 2
Mazedonien 2
Niederlande 2
Saudi-Arabien 2
Kasachstan 1
Elfenbeinküste 1
Aserbaidschan 1
Israel 1
Kamerun 1
Albanien 1
Ukraine 1
Sudan 1
VAE 1
Senegal 1

Die Reihenfolge der am meisten vertretenen Staaten hat sich gegenüber der Auswertung mit Stand 11.1.2017 nicht wesentlich verändert. Demnach wurden in der Silvesternacht 2016 vor allem Iraker, Syrer, Deutsche und Afghanen kontrolliert.

Zu der Bewertung der Nationalitäten ist anzumerken, dass eine Vielzahl der Personen offensichtlich ohne Vorlage eines Ausweisdokuments nach Deutschland eingereist ist. Die AG Silvester hat festgestellt, dass bei 289 der insgesamt 394 Asylantragsteller unter den 640 Personen, zu denen weitere Recherchen erfolgten, im AZR-Datensatz kein Ausweisdokument hinterlegt ist. Das entspricht 73 % der Asylantragsteller.

Weiterhin haben Ermittlungen ergeben, dass von den 394 festgestellten Asylantragstellern 221, also mehr als die Hälfte, nicht aus Köln und dem angrenzenden Einzugsgebiet (Hürth, Bergheim, Bergisch Gladbach, Euskirchen, Frechen, Leverkusen, Langenfeld, Rösrath, Siegburg, Bonn, Bornheim, St. Augustin, Wesseling, Brühl, Rheinbach, Pulheim), sondern aus dem gesamten restlichen Bundesgebiet angereist waren.

Als besondere Herausforderung im Rahmen der Analyse hat sich die vielfältige Erfassung von Alias-Personalien erwiesen.

Zu 217 Personen waren im polizeilichen Datenbestand Alias-Personalien erfasst. Personendaten werden als Führungspersonalien im polizeilichen Datensystem bei der ersten Erfassung einer Person generiert. Diese werden nur dann geändert, wenn rechtmäßige Ausweisdokumente vorgelegt werden. Alle anderen abweichenden Daten werden als Alias-Personalien gespeichert.

Auf Grundlage von Erfahrungswerten und polizeilichen Erkenntnissen sind für die kriminalfachliche Bewertung von Alias-Personalien folgende Unterscheidungen und Hinweise zu beachten:

•In 59 Fällen wichen die Alias-Personalien erheblich (z. B. anderer Name, deutlich abweichende Schreibweise oder andere Staatsangehörigkeit) von der Führungspersonalie ab. In diesen Fällen ist erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass die tatsächliche Identität verschleiert werden soll, um z. B. bestehende Suchvermerke und Fahndungsausschreibungen zu unterlaufen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu verhindern oder mehrfach Sozialleistungen zu beziehen. 14 dieser 59 Personen waren bereits vor Silvester wegen anderer Straftaten (keine aufenthaltsrechtlichen Verstöße) erkennungsdienstlich behandelt worden, zu 25 Personen lag bereits eine Kriminalakte vor.

•In acht Fällen lagen Alias-Personalien mit einem Geburtsdatum vor, gemäß dem die Personen jünger als 18 Jahre waren. In diesen Fällen ist erfahrungsgemäß in Erwägung zu ziehen, dass die Behandlung als unbegleiteter Minderjähriger angestrebt wird. Diese unterliegen nicht dem allgemeinen Verteilerschlüssel nach dem AufenthaltsG, sondern verbleiben in der Kommune, in der sie einen entsprechenden Asylantrag stellen. Im Falle strafrechtlicher Beurteilung findet das Jugendstrafrecht Anwendung. Zudem bietet der Rechtsstatus der Minderjährigkeit einen hohen Schutz vor Abschiebung.

•In 150 Fällen wiesen Alias-Personalien nur geringfügige Abweichungen von den rechtmäßigen Personalien auf. In diesen Fällen ist es einerseits möglich, dass bei unterschiedlichen Behördenkontakten in verschiedenen IT-Anwendungen oder Dokumenten aufgrund von Verständigungs-, Übertragungs- oder Tippfehlern fehlerhafte Personalien erfasst wurden, andererseits kann die falsche Angabe auch bewusst erfolgt sein. Um die unterschiedlichen Personalien zu einer Person zusammenzuführen, werden die Alias-Personalien der jeweiligen Führungspersonalie in den polizeilichen Systemen zugeordnet.

Des Weiteren wurden erkennungsdienstliche Behandlungen und Kriminalakten ausgewertet.

Von den 641 überprüften Personen wurden 515 vor Silvester 2016 bereits erkennungsdienstlich behandelt, davon:

•im Rahmen des Asylverfahrens (AsylG): 394 Personen,

•wg. Verstoß gegen das AufenthG: 140 Personen,

•wg. anderer Straftaten: 87 Personen.

Asylantragsteller sind aufgrund einschlägiger Bestimmungen erkennungsdienstlich zu behandeln. Die AG Silvester hat festgestellt, dass 394 der 641 Personen im Rahmen des Asylverfahrens erkennungsdienstlich behandelt wurden.

Ausländer, die keinen Asylantrag gestellt haben, unterliegen dem AufenthaltsG. Wenn keine den Aufenthalt legitimierenden Dokumente vorgelegt werden können, besteht der Verdacht des illegalen Aufenthalts/der illegalen Einreise und eine erkennungsdienstliche Behandlung erfolgt wegen des Verstoßes gegen das AufenthaltsG. Dies ist bei 140 Personen der Fall gewesen. Wenn Ausländer danach einen Asylantrag stellen, werden diese „Ursprungsverfahren“ in der Regel eingestellt.

Unter den 87 Personen, die wegen anderer Straftaten erkennungsdienstlich behandelt wurden, befanden sich 42 Deutsche und drei EU-Ausländer. Die 87 Personen wurden insgesamt 129 Mal wegen anderer Straftaten auf Grundlage des § 81b StPO erkennungsdienstlich behandelt. Im Einzelnen waren die Gründe:

•Diebstahlsdelikte 45

•Körperverletzungsdelikte 19

•Raubdelikte 18

•Sexualdelikte 10

•BTM-Delikte 8

•Betrugs-, Urkundenfälschungsdelikte 8

•Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 7

•Sonstige Delikte 14

Von Interesse war auch die Frage, ob es Wiederholungstäter aus dem letzten Silvestereinsatz gab. Die Staatsanwaltschaft Köln hat hinsichtlich der Verwendung der Daten der überprüften Personen in Strafverfahren vorgegeben, dass ein Abgleich auf die Daten der Beschuldigten der EG Neujahr zu begrenzen ist, gegen die ein Ermittlungsverfahren gemäß § 154f StPO wegen Abwesenheit oder eines anderen in ihrer Person liegenden Hindernisses vorläufig eingestellt wurde. Ein entsprechender Abgleich der AG Silvester ergab keinen Treffer. Insoweit ergaben sich keine neuen Ermittlungsansätze für die EG Neujahr.

Um Hinweise auf die Motivationslage und Absichten der angereisten Gruppen junger Männer mit z. T. nordafrikanischer Herkunft sowie auf etwaige Verbindungen bzw. Absprachen zwischen den Gruppen zu erlangen, wertete die AG Silvester verschiedene Quellen aus und bat Polizeibehörden im In- und Ausland um Erkenntnismitteilung. Die Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt:

Zu den heutigen Standardmaßnahmen gehört auch eine Recherche in sozialen Netzwerken.

Die Recherchen im Rahmen der BAO Silvester ergaben keine Erkenntnisse in Bezug auf genutzte Messenger-Dienste oder Internet-Accounts. In sozialen Medien konnten keine öffentlichen Einladungen in Chat-Gruppen (Facebook o. Ä.) festgestellt werden.

Recherchen bei Facebook und Twitter ergaben auch nach dem 31.12.2016 keine Hinweise auf gezielte Verabredungen in sozialen Netzwerken in der Zielgruppe. In Facebook-Gruppen wurde rege über die allgemeine Polizeiarbeit am Silvesterabend und den Begriff „NAFRI“ diskutiert. Jedoch war laut den Einträgen keiner der Gruppenmitglieder am Silvesterabend persönlich in Köln im Bereich Dom/HBF anwesend, sodass sich hier keine Rückschlüsse auf das Verhalten der Zielgruppe und die Anzahl der reisenden Personen ziehen ließen.

In einem Forum der Website www.maroczone.de, das hauptsächlich von Deutschen mit marokkanischem Migrationshintergrund genutzt wird, sind in der Nachbetrachtung der Silvesterereignisse zwei Gruppen mit Silvesterbezug festgestellt worden:

•NAFRIS vs. NAZIS

•„Es geht um den Ruf unseres Landes“ – Marokkaner über die Silvesternacht

Somit konnten insgesamt Hinweise zu gezielten öffentlichen Verabredungen in sozialen Netzwerken hinsichtlich der Ereignisse an Silvester 2016 nicht festgestellt werden.

In die BAO Silvester waren Mitarbeiter der Landesinitiative „klarkommen!“ als Sprach- und Kulturmittler eingebunden. Diese stellten im Rahmen einer Nachbesprechung am 5.1.2017 ihre Eindrücke dar. So schilderte ein Streetworker, dass er im Rahmen der Kontrollmaßnahmen am HBF Köln Kräfte der Bereitschaftspolizei unterstützt habe und Gespräche mit Syrern, Irakern, Afghanen und Nordafrikanern übersetzt und z. B. Platzverweisungen erklärt habe. In seiner Wahrnehmung seien darunter Gruppierungen gewesen, die sehr stark alkoholisiert waren bzw. unter dem Einfluss von Medikamenten/Drogen gestanden hätten.

Insgesamt wurde von den Sprach- und Kulturmittlern zum einen die hohe Aggressivität, die von den Gruppen ausging, geschildert. Zum anderen gaben diese an, dass es sich nach ihrer sprachlichen Einschätzung insbesondere um Menschen aus dem nordafrikanischen Raum gehandelt habe. Die Erfassung der Nationalität im Asylverfahren bei nicht mehr vorhandenen Ausweisdokumenten könnte zu der Differenz in Bezug auf die oben dargestellten erfassten Nationalitäten geführt haben.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
18+
Hacim:
231 s. 19 illüstrasyon
ISBN:
9783801108281
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Serideki 24 kitap "Lehr- und Studienbriefe Kriminalistik / Kriminologie"
Serinin tüm kitapları
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre