Kitabı oku: «Catra Corbett: Wiedergeburt», sayfa 2
Wie falsch ich damit lag.
Zwei Jahre später hasste ich mein Leben. Wenn du drogenabhängig bist, dann geben dir die Drogen nicht mehr diese Wahnsinnsenergie. Sie saugen dir die Energie ab. Der einzige Grund, warum du sie überhaupt noch nimmst, ist, dass du dich noch viel schlimmer fühlst, wenn du sie nicht nimmst.
Zwar schaffte ich es, meinen Job im Frisiersalon zu behalten, doch ich mied meine Familie. Ich hatte immer eine enge Beziehung zu meinen Eltern gehabt, doch als ich süchtig wurde, sah ich meine Mutter vielleicht einmal im Monat. Ich schämte mich für das, was aus mir geworden war. Peggy hatte unsere Mutter bereits so viele Male enttäuscht.
Und nun ich. Immer wieder fasste ich in guter Absicht den Plan, meine Mutter zu besuchen, oder verabredete mich mit ihr, doch dann kreuzte ich einfach nicht auf.
Nach einer Weile, als mir die Drogen nicht mehr die Energie gaben, nach der ich mich so sehnte, färbte das Meth meine Welt grau. Alles war dumpf, leblos und hoffnungslos.
In den seltenen nüchternen Momenten öffnete sich dann der Vorhang, und die Welt kam wieder zurück, und ich sah aus meinem Zugfenster und war ganz erstaunt, wie bunt sie war und wie hell und lebendig alles um mich herum war.
Mein Leben war scheiße. Die Droge war alles, was ich hatte.
Ich konnte nicht mehr in den Clubs abtanzen oder mit meinen Freunden rumhängen oder eine gute Tochter oder Schwester sein. Ich wollte nicht mehr die Person sein, zu der ich geworden war, doch ich wusste nicht, wie ich mein Leben ändern sollte. Und dann standen auf einmal die Cops in der Wohnung.
XXX
Ich blickte auf die kleine Koffeinpille in meiner Hand. Nun wusste ich bereits, dass es auch zwei entscheidende Momente im Leben einer Süchtigen geben konnte: den Punkt, an dem du süchtig wirst, und, wenn du Glück und den Willen hast, den Punkt, an dem du dich entscheidest, aufzuhören. Die Nacht im Gefängnis, nachdem die Polizei in meine Wohnung gekommen war, hatte mich so verängstigt, dass ich erkannte, dass ich mit den Drogen aufhören musste.
Bis zu diesem Moment hatte ich mich erfolgreich vor einem Rückfall in die Sucht gewehrt – ich war weggezogen, hatte meine Freunde aufgegeben, und ich zog nicht mehr durch die Clubs und hatte sogar dem Alkohol Lebewohl gesagt.
Ich befolgte die mir im Diversionsverfahren auferlegten Maßnahmen und besuchte täglich meine Narcotics-Anonymous-Treffen. Ich fand eine Anstellung in einem Bagel-Shop, doch es war trotzdem eine harte Zeit für mich. Ich vermisste meine Freunde, die ohrenbetäubende Musik der Clubs und den Kick nach einer Dosis Speed, speziell jetzt, da noch die letzten 20 Meilen vor mir lagen.
Ich wollte nichts nehmen, was Drogen nur im Entferntesten ähnlich war. Schließlich lief ich hier, um sie zu vergessen. Ich hoffte, dass Ultrarunning genau das war, was mir helfen würde, die Drogen zu vergessen. Für mich sollte Ultrarunning diese eine Sache sein, die Peggy leider niemals gefunden hatte. Aus diesem Grund machte mich nach meiner Abhängigkeit alles, was mich an Drogen erinnerte, nervös. Ich nahm nicht einmal mehr Schmerztabletten, obwohl dir gerade solche Mittel bei einem 100-Meilen-Lauf wirklich helfen können.
Ich drehte die kleine Koffeintablette in meiner Hand herum. Sie ähnelte dem Speed, das mich in der Vergangenheit stundenlang wachgehalten hatte. Diese Tablette würde mir ähnlich viel Energie geben. Egal, wie nötig ich diesen Koffeinschub hatte, ich hatte furchtbare Angst davor, die Tablette zu nehmen.
„Das ist genauso wie Kaffee“, erklärte Kim, die mein Zögern bemerkt hatte. „Da ist genauso viel Koffein drinnen.“
Sie konnte sehen, dass ich noch immer Zweifel hatte.
„Dann nimm einfach nur eine halbe“, schlug sie vor.
Ich nahm die Pille in den Mund, biss sie entzwei und steckte die andere Hälfte weg. Nur 15 Minuten später war ich hellwach.
Die anderen Läufer schienen nur da draußen zu sein, um mich anzufeuern. Das war diese Art von Unterstützung, die einfach süchtig macht. Ich kam wieder in die Gänge und folgte Kim, bis ich sie aus den Augen verlor. Jetzt, wo ich wusste, dass sie und ihr lächelnder, mit rotem Lippenstift geschminkter Mund hier draußen mit mir auf der Strecke waren, fühlte ich mich besser.
Als ich auf die letzten 20 Meilen ging, flehten meine Füße mich an, aufzuhören. Ich ging und lief durch das Brennen meiner wundgescheuerten Zehen und die Kälte meiner zerfetzten Fersen. Ein Schleier der Erschöpfung umgab mich, und einzig der Rausch des Koffeins hielt mich auf noch den Beinen. Es war wie in einem Traum. Einem Albtraum. Nur meine Tränen und die stechenden Schmerzen erinnerten mich daran, dass ich noch auf der Strecke war und versuchte, eine Ultraläuferin zu sein.
Die Geräusche der Nacht, die surrenden Insekten und das Flüstern der anderen Läufer verstummten allmählich, als die ersten Lichtstrahlen versuchten, sich ihren Weg durch die Baumkronen zu bahnen. Doch das zarte Morgenlicht war noch immer zu schwach, um gegen das dichte Geäst anzukommen. In diesem gedämpften Zwielicht erschien alles um mich herum bizarr. Büsche und Bäume sahen aus wie Menschen. Die Baumwurzeln am Boden verwandelten sich plötzlich in Schlangen, die aus dem Sumpf gekrochen kamen. Mehrere Male erschreckte ich mich vor imaginären Fangzähnen und sprang in die Luft, nur um mit einem schmerzverzerrten Ächzen wieder hart auf meinen wunden Füßen zu landen.
Ich war von Schmerzen gepeinigt und fühlte mich miserabel. Aber ich gab nicht auf, obwohl mir meine Zweifel dicht auf den Fersen waren, während die Schmerzen mir weiter die Geschwindigkeit vorgaben.
Das NoDoz hörte langsam auf zu wirken, und ich begann erneut zu gähnen. Inzwischen war auch das Zirpen der Grillen verstummt, und ich konnte die Vögel zwitschern hören. Nun sah ich auch, wie der Himmel immer heller wurde, und packte meine Taschenlampe weg.
Als ich aus dem Wald kam, brach das morgendliche Sonnenlicht wie eine Welle über mich herein. Es war warm und hell, und ich konnte die frische Energie durch meinen Körper fließen spüren. Das Vogelgezwitscher wurde immer lauter. Immer mehr Zuseher standen an der Strecke. Das Ziel kam näher.
Während ich die letzten Meilen vor mich hin stolperte, musste ich unentwegt an meinen Vater denken. Voller Stolz sprach ich zu ihm in meinem Kopf. Sieh doch, was ich hier tue, Paps, sagte ich zu ihm und taumelte heulend Richtung Ziel.
Du musst nur ankommen, dachte ich. Es sind nur noch ein paar Meilen. Nur ins Ziel kommen.
Das entfernte Jubeln, das ich schon die letzten paar Meilen hören konnte, wurde nun langsam immer lauter, und ich begann, etwas schneller zu laufen.
Meine Füße schmerzten, und meine Beine brachten mich beinahe um, doch sie funktionierten noch. Ich musste an meinen Vater denken, an Peggy, an all die Drogenabhängigen, die ich hinter mir gelassen hatte, an die Läufer, deren Körper zu kaputt waren, um jemals wieder zu laufen. Ich lief für all jene, die selbst nicht laufen konnten.
Ich bog um eine Ecke, an der ich bereits viermal vorbeikommen war. Der Jubel wurde immer lauter. Nun war mir bewusst, dass nur noch weniger als eine Meile vor mir lag, und dann sah ich das Ziel.
Als ich nach diesem letzten Energieanfall endlich die Ziellinie überquerte, dachte ich, mich hätte der Blitz getroffen, um es etwas pathetisch zu sagen. Doch es war weit weniger dramatisch. Ich überquerte die Ziellinie, schlüpfte aus den Schuhen – das Klebeband hing noch an meinen wunden Füßen – und fiel lächelnd zu Boden.
Das ganze Rennen über war ich keinem einzigen Alligator begegnet.
XXX
Im Hotel nahm ich ein heißes Bad, musste aber danach noch einmal kurz zurück zum Ziel, da ich vergessen hatte, den Preis, den man für die 100 Meilen bekommt, mitzunehmen. Zurück im Hotelzimmer rief ich dann Jim Boyd an.
Jim, oder Jimbo, wie ich ihn nannte, war einer dieser älteren Herren, die mich an meinen Vater erinnerten. Ich hatte ihn bei einem Trailmarathon getroffen. Es war für uns beide der erste gewesen. Wir hatten uns verlaufen und fanden zusammen den Weg zurück auf die Strecke. Er war das erste Beispiel für die Freundlichkeit und die Kameraderie, das mir in der Ultrarunning-Community untergekommen war.
Wir hätten den Rocky Raccoon zusammen laufen sollen, doch er hatte sich kurz davor verletzt.
„Ich hab’s geschafft“, rief ich enthusiastisch ins Telefon.
„Fantastisch! Toll gemacht, Catra!“, antwortete er, und seine warmherzige Stimme erfüllte mich voll Stolz. „Wie sieht es jetzt mit dem 24-Stunden-Lauf aus, von dem ich gesprochen habe?“
Jim hatte mir eine Woche zuvor von diesem Rennen erzählt. Die Idee dahinter war, innerhalb von 24 Stunden eine möglichst weite Strecke zurückzulegen. Auf einer Laufbahn und mit Schuhen, die eine halbe Nummer größer waren, könnte ich vielleicht 100 Meilen in 24 Stunden schaffen.
Dann blickte ich auf meine wundgescheuerten, blutigen Füße. Mein Körper tat mir mehr weh als jemals zuvor. Ganz ehrlich, ich wusste nicht einmal, wie lange es dauern würde, überhaupt wieder normal gehen zu können. Alles, was ich jetzt wollte, war schlafen, doch der Gedanke daran, wie ich die Ziellinie überquert hatte, hielt mich wach.
Ich lächelte. Warum nicht?
Wenn du versuchst, von Dingen wie Drogen, die dich eisern im Griff haben, loszukommen, dann musst du etwas finden, das du mit großer Leidenschaft betreiben kannst. Du musst etwas finden, das dir dabei hilft, dich gut zu fühlen. Die Süchtigen bei den NA-Treffen leisteten oft ehrenamtliche Arbeit, halfen anderen oder fanden einen guten Job. Ich hatte während jener Zeit nichts gefunden, was mir helfen konnte, aufzuhören.
Doch nun hatte ich endlich das gefunden, was mich von Drogen fernhalten würde. Zugegeben, es war eine recht schmerzhafte Leidenschaft, doch der Drogenentzug war auch schmerzvoll.
Nun war ich eine Ultraläuferin.
KAPITEL 2
EINE NACHT IM GEFÄNGNIS HINTERLÄSST IHRE SPUREN
Bevor ich zum Ultralauf kam, war ich drogenabhängig. Ich arbeitete als Haarstylistin und an den Wochenenden als Go-go-Tänzerin, war Tochter, Partnerin und Freundin, aber vor allem war ich drogenabhängig. Und damit meine ich, dass alles, was ich tat, dazu diente, high zu werden.
Damals arbeitete ich in einem Friseursalon. Es war ein großartiger Job, und ich verdiente wirklich gut. Zwölf Stunden durcharbeiten war kein Problem für mich, denn in den kurzen Pausen verschwand ich einfach aufs Klo und schnupfte etwas Meth.
Mir gefiel es, als Friseurin zu arbeiten. Der Beruf war kreativ und passte wunderbar zu meinem Faible für Kleider und ausgefallene Frisuren. Und ich konnte high sein. Ich war immer high.
Das Meth gab mir die Energie, auch andere Dinge zu tun.
An den Wochenenden ging ich unheimlich gerne tanzen. Tanzen war auch der einzige Sport, den ich damals machte, denn zu jener Zeit hasste ich es, zu laufen, und machte einen großen Bogen um jedes Fitnesscenter. Somit war Tanzen auch ein Weg, um fit zu bleiben. Ich liebte es, in Nachtclubs zu gehen und dort abzutanzen, und so verband ich das Angenehme mit dem Nützlichen und verdiente mir an den Wochenenden etwas als Go-go-Tänzerin dazu. Zwar trug ich bei diesem Job nur BH und G-String, doch das war mir egal, denn ich war sowieso high. Ich habe nie verstanden, was das Tolle für die Typen daran war, die einfach nur dastanden und mich und die anderen Tänzerinnen anstarrten und uns Geld dafür gaben. Ganz ehrlich, es war schon irgendwie ein unheimlicher, ja beinahe ekelhafter Ort, um Geld zu verdienen. Doch ich verdiente gut, und eigentlich war es mir egal. Schließlich war ich ja high.
Der Grund, warum ich das tat, war, einen Haufen Kohle zu machen, mit dem wir dann mehr Drogen kauften, um wiederum mehr verkaufen zu können, nur damit wir selbst wieder mehr Drogen nehmen konnten. Jason, mein damaliger Freund, verkaufte das Zeug, und ich half ihm dabei, noch mehr davon zu verkaufen.
Also arbeitete ich und tanzte. Ich konnte den ganzen Tag lang arbeiten und die ganze Nacht tanzen. So viel Energie hatte ich. Ich fühlte mich großartig. Euphorisch. High. Wenn ich auf Drogen war, konnte ich alles tun.
Bis die Wirkung nachließ.
Wenn du auf Drogen bist, dann lebst du unter einem Schleier, in einer Art Blase, und nimmst eigentlich nur mehr dich selbst und ein paar wenige Leute um dich herum wahr. Es gab einen stetigen Nachschub an Drogen, denn Jason und ich waren Kleindealer, also war immer etwas da. Doch wenn mir das Meth doch einmal ausging und die Wirkung nachzulassen begann, dann war da kein Schleier mehr. Dann war alles verschwommen, und ich war ein Wrack.
Das war der Punkt, an dem mich mein Leben einholte. Jene Dinge, die mich müde machten, wie etwa drei Tage am Stück aufzubleiben, zwölf Stunden pro Tag zu arbeiten oder die Nacht durchzutanzen, laugten mich plötzlich vollkommen aus. Dieses großartige, intensive Gefühl wich einem dünnen grauen Nebel. Das Wunder des Lebens war wie weggeblasen.
Wenn ich keine Drogen hatte, schlief ich oft zwei Tage durch.
Ich hasste dieses Gefühl.
Also kam es auch nur selten vor, dass ich nicht auf Drogen war.
Die meiste Zeit fühlte ich mich großartig, da ich high war.
Doch die Drogen begannen mich langsam, aber sicher aufzufressen.
Zu jener Zeit lebte ich zusammen mit Jason im Haus seiner Eltern. Es war schön, in einer Familiengemeinschaft zu leben. Seine Eltern waren wirklich nett und kümmerten sich um mich.
Doch wie in vielen Familien lief nicht alles so glatt, wie es den Anschein hatte. So kam Jasons Bruder beinahe jeden Abend betrunken nach Hause, und am Wochenende saßen seine Eltern auf der Couch, betranken sich und begannen zu streiten.
Damals sah ich meine eigene Familie nur selten. Einmal im Monat machte ich Mutters Haare, und sie schlug dann immer vor, gemeinsam essen zu gehen. Ich sagte meist zu, doch dann vergaß ich es oder, was öfters vorkam, ging einfach nicht hin. Ich wollte nicht, dass sie mir Fragen zu meinem Leben stellte. Ich wollte nicht, dass sie irgendetwas über mich erfuhr, darüber, wer ich geworden war. Ich schämte mich für das, was ich war, auch wenn ich Spaß dabei hatte.
Wie die meisten Drogenabhängigen verlor ich einfach Dinge, wenn ich high war. So wurde mein Auto eingezogen. Nicht weil ich kein Geld hatte, nein, ich vergaß einfach, die Rechnungen zu zahlen. Ich begann, immer mehr Dinge zu vergessen, Dinge, die man in einer normalen, funktionierenden Gesellschaft einfach tun muss. Meine Freunde und ich hatten unsere eigene Gesellschaft. Wir nahmen Drogen, um high zu werden, und tanzten.
Wir hatten zwar Geld, doch abgesehen davon, dass wir damit Drogen kauften, um den Schmerz zu lindern, wenn sie aufhörten zu wirken, konnten wir uns an dem hart verdienten Geld nicht erfreuen. Wir hatten eigentlich kein Leben. Wir hatten keine eigene Wohnung, fuhren abgewrackte Autos ohne Heizung – und auch die Nächte in Kalifornien können verdammt kalt sein. Ich war immer recht spärlich bekleidet, wenn ich in den Club fuhr und musste mich in Decken einwickeln. Nun nahm ich das Zeug auch schon mehrere Male am Tag und erreichte den Punkt, an dem ich nicht einmal mehr mitbekam, wie viel Meth ich überhaupt nahm. Ich war außer Kontrolle.
Ich begann, Dinge zu verlieren.
Ich begann, Freunde und Familie zu verlieren.
Ich begann, mich selbst zu verlieren. Es war richtig schlimm.
Dieser letzte Satz war in zweifacher Hinsicht wahr, denn ich aß auch kaum etwas, und wenn ich einmal aß, dann schienen die Drogen mein Gewicht dahinschmelzen zu lassen. Ich war schon immer schlank gewesen, doch meine Freundinnen und ich waren fasziniert davon, wie viel Gewicht wir verloren. Wir wogen uns manchmal mehrere Male pro Tag und waren überrascht, wenn wir das Resultat sahen: „Wow! Sieh doch! 45 Kilo!“
Ich war wie besessen. Die Folge dieses Verhaltens war eine Essstörung, die mich noch jahrelang verfolgen sollte, sogar noch, als ich mit Ultrarunning anfing.
Doch ich verlor aufgrund der Suchtmittel nicht nur an Gewicht. Auch meine geistige Gesundheit litt immer mehr darunter. Mit der Zeit wurde ich langsam paranoid. Wenn Jason nachts wegging und ich zu Hause blieb, blickte ich unentwegt aus dem Fenster und bildete mir ein, dass da Leute auf der gegenüberliegenden Straßenseite standen, die mich aus grünen Augen anstarrten. Ich begann, Stimmen zu hören. Ich war davon überzeugt, dass Jasons Katze mich umbringen wollte.
Meine Freunde nahmen genauso viele Drogen, und auch sie wurden von den Drogen langsam aufgefressen. Einer meiner Freunde schloss sich in der Wohnung ein, da er Angst vor der Welt draußen hatte. (Erinnerungen an ihn kamen hoch, als ich Ultramarathons lief und andere Läufer sich nach etwa 75 gelaufenen Meilen in der Nacht erschreckten, da sie glaubten, einen Dämon vor sich am Weg gesehen zu haben. Dann begannen sie zu schreien oder schneller zu laufen, oder sie hielten sich gar die Augen zu. Ich musste dann immer lachen, denn ich wusste, dass sie halluzinierten.)
Also nahm ich mehr Drogen, um damit die Stimmen in meinem Kopf zum Verstummen zu bringen und die starrenden Menschen und Halluzinationen verschwinden zu lassen. Ich konnte so gut wie kein normales Leben führen.
XXX
Eines Tages fand ich Injektionsnadeln und fand kurz darauf heraus, dass Jason sich das Meth spritzte. Ich konnte bereits sehen, wie schlimm es um ihn stand, und Freunde erzählten mir das Gleiche. Als ich ihn jedoch darauf ansprach, log er mich an und sagte, dass die Nadeln einem seiner Freunde gehörten. Ich ließ es darauf beruhen, denn ich wollte mich nicht mit ihm streiten. Schließlich war ich selbst ja auch süchtig, und ehrlich gesagt, war es mir auch egal. Ich kümmerte mich um meine eigene Sucht. Nur das Highsein zählte, alles andere war mir egal. Ich schnupfte und arbeitete und schnupfte und tanzte und half Jason dabei, Drogen zu verkaufen, und schnupfte. Die Lage war sehr ernst. Drogen zu spritzen ist meist der letzte Schritt, bevor man als Süchtiger verhaftet wird, stirbt oder so abhängig wird, dass man auf der Straße landet und ein Leben als obdachloser Süchtiger führt.
Eines Tages blickte ich in den Spiegel. Ich fühlte mich furchtbar und brauchte wieder Meth, und da traf es mich wie der sprichwörtliche Blitz: Ich erkannte, dass dies nun mein Leben war, meine Realität. Alles, was ich tat, tat ich nur, um Drogen zu bekommen. Ich tat es nicht aus Liebe oder für meine Eltern oder für mich selbst. Nein, ich tat es nur für das Meth.
Doch ich sah keinen Ausweg. Ich wusste, dass das echt ätzend war, doch andererseits wusste ich auch, dass ich eben genau so war. Es war meine Zukunft. Ich wusste nicht, wie ich das ändern sollte. Und dann nahm ich wieder etwas, um high zu werden.
An jenem Tag, oder vielleicht war es auch der Tag danach, rief mich ein Freund an. Ich ging ans Telefon und verabredete mich mit ihm, um ihm ein paar Drogen zu verkaufen.
Später fand ich heraus, dass er am Vortag verhaftet worden war und die Polizei Speed bei ihm gefunden hatte. Sie hatten ihn nach seinen regelmäßigen Dealern gefragt, denn sie waren hinter den „großen Fischen“ her. Also sagte er ihnen, dass er die Drogen von uns bekommen hätte.
Doch unser guter Freund hatte sie damals weder von mir noch von Jason bekommen, auch wenn wir ihn gelegentlich mit ein wenig Meth versorgten. In jenem Fall hatte er sie allerdings von einem anderen Dealer gekauft, einem Typen, der in der Kette weit über uns stand. Doch den wollte er nicht an die Polizei ausliefern, denn wer weiß, was ihm dann vielleicht zugestoßen wäre. Vielleicht hätte der Typ unseren Freund und uns einfach kaltgemacht.
Als unser Freund mich anrief, hörten die Cops am anderen Ende der Leitung mit und instruierten ihn, was er mir sagen sollte. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass das wirklich so funktioniert. Allerdings war ich davor auch noch nie verhaftet worden.
Zwei Tage später, ich stand gerade mit jemandem von Jasons Familie in der Küche und wärmte etwas zu essen auf, hörte ich lautes Klopfen an der Eingangstür.
„Polizei! Aufmachen!”
Verdammter Mist.
„Wer von euch ist Catra? Wer ist Jason?“, riefen die Polizisten, als sie sich ihren Weg ins Haus bahnten.
Alle mussten sich auf den Boden legen. Jasons Eltern, sein Bruder und dessen Freundin blickten zu mir.
Ich sagte, ich sei Catra.
Dann durchsuchte die Polizei das Haus. Sie fragten uns, ob wir irgendwelche Waffen hätten und wo unsere Drogen wären.
Während die Polizei durch das Haus stürmte, fragten Jasons Eltern, was hier eigentlich los sei.
Als die Cops schließlich bemerkten, dass wir doch nicht die Großdealer waren, wie sie vermutet hatten, beruhigte sich die Lage etwas. Wir kooperierten und zeigten ihnen, wo wir unser Meth aufbewahrten und dass wir keine illegalen Waffen besaßen. Als sie dann auch mitbekamen, dass Jasons Eltern nichts mit der ganzen Sache zu tun hatten, brachen sie die Durchsuchung kurz darauf ab.
Dann setzte mich einer der Polizisten auf einen Stuhl und erklärte, dass Jason und ich ins Gefängnis wandern würden.
Der Polizist, der mich zum Wagen brachte, war sehr nett. Er sah, dass ich Angst hatte, denn ich war ganz hektisch, weinte und zitterte am ganzen Leib. Er setzte mich auf die Rückbank des Einsatzwagens und begann, mit mir zu reden.
„Wieso bist du überhaupt mit diesem Typen zusammen?“, fragte er.
Ich konnte keine Antwort darauf finden.
„Du siehst nicht gerade so aus, als wärst du ein schlechter Mensch. Du warst auch noch nie in gröberen Schwierigkeiten. Warum also?“
Wieder fand ich keine Antwort. Doch ich wusste, es war, weil ich mein High brauchte.
Der Polizist sagte, dass alles in Ordnung kommen würde und ich wahrscheinlich gleich am nächsten Tag auf Bewährung wieder freikäme und er sich darum kümmern würde, dass ich meine eigene Zelle bekäme. Aber er sagte auch, dass ich ins Gefängnis müsse.
Wir fuhren los und kamen schließlich in Downtown San José an, wo wir in Handschellen in ein Vernehmungszimmer gebracht wurden.
Auf der Polizeistation übernahm Jason die Verantwortung für alles, und man trennte uns. Er blieb dort, und ich wurde in ein Frauengefängnis überstellt.
Der erste Ort, an den man mich brachte, erinnerte mich an ein Wartezimmer oder einen Flughafenterminal. Überall lagen Hochglanzmagazine herum, und es gab sogar einen kleinen Fernseher. Doch ich hatte furchtbare Angst. Der einzige Grund, warum ich noch durchhielt, war die Gewissheit, dass ich wahrscheinlich schnell wieder hier rauskommen würde und dass ich, wenn ich für ein paar Stunden in Haft bleiben sollte, eine Zelle für mich allein hätte.
In dem Warteraum befanden sich auch noch andere Frauen, und wir begannen, uns zu unterhalten. Ein paar davon sahen so aus, als gehörten sie hierher, doch die meisten taten dies nicht. Eine Frau fiel mir besonders auf. Sie war schon älter und sah aus, als wäre sie bereits Großmutter. Die arme Frau hatte nur einen Streit mit ihrem Mann gehabt, doch als die Polizisten auftauchten, bemerkten sie Kratzspuren an ihm und verhafteten die Frau wegen häuslicher Gewalt.
Es dauerte nicht lange, dann wurde ich von den Vollzugsbeamtinnen in ein Hinterzimmer gebracht, wo sie eine komplette Leibesvisitation an mir vornahmen und mir dann einen Overall gaben, in dem ich wie eine übergroße orange Karotte aussah.
Ich war damals so dünn und zart, dass mir die Kleider wortwörtlich vom Körper fielen.
Dann erklärte mir eine der Beamtinnen, dass ich die Nacht hier verbringen würde.
„Moment“, sagte ich. „Einer eurer Kollegen hat mir gesagt, dass ich gar nicht hier sein sollte. Ich sollte gar nicht hier sein. Ich gehöre hier nicht her!“
Die Wachebeamtinnen lachten, und dann brachten sie mich in den Haupttrakt des Gefängnisses.
„Leute, ich gehöre hier wirklich nicht her.“
Ich wiederholte diesen Satz vielleicht 20-mal, doch als sie mich zusammen mit all den anderen Frauen in die Zelle brachten, kam es mir in den Sinn, dass ich vielleicht doch hierhergehörte. Langsam erkannte ich, dass das hier alles real war, und nun fürchtete ich mich wirklich.
Ich gehe ins Gefängnis, und ich werde die ganze Nacht unter diesen Kriminellen verbringen. Dabei bin ich gar keine Kriminelle, dachte ich zumindest.
Natürlich war ich kriminell. Selbst wenn ich glaubte, dass ich niemanden anderen verletzt hatte, mit dem, was ich tat, so war es dennoch eine strafbare Handlung. Abgesehen davon hatte ich andere Menschen verletzt. Ich hatte sogar jene Leute verletzt, die mir am nächsten standen, doch ich bekam es nicht mit, da ich nur mit meiner Sucht beschäftigt war.
Man händigte mir eine Zahnbürste, einen Kamm und eine Wolldecke aus. Ich hasste es, wie sich die Decke anfühlte. Sie kratzte, und dann war da noch etwas. Irgendwie fühlte sie sich ekelig an und gebraucht und sehr, sehr verstörend. Später, immer wenn ich nach einem langen Rennen ins Ziel kam und vor Kälte oder Unterkühlung zitterte und man mir eine dieser Wolldecken um die Schultern legte, schrie ich die Person an, sie wegzutun.
In der Zelle hing ein Spiegel aus rostfreiem Stahl, und ich konnte mich darin zusammen mit dieser furchtbaren Decke und dem orangen Overall sehen. Da fragte ich mich, was mich der Polizist zuvor schon gefragt hatte.
Was tue ich hier?
Das bin nicht ich, dachte ich. Ich war kein schlechter Mensch, das hatte auch der Polizist gemeint. Und ich wollte nicht länger hier sein. Etwas musste sich ändern.
Am nächsten Morgen, nach einer schlaflosen, angsterfüllten Nacht zusammen mit all den anderen Kriminellen, saß ich nun mit diesen Frauen beim Frühstück, stocherte an einem ekeligen Sandwich und etwas Obst und Orangensaft herum. Eine der Frauen fragte mich, ob sie mein Sandwich haben könnte, und ich gab es ihr. Dann sagte ich ihnen, dass ich heute sowieso wieder rauskommen würde.
„Oh, nein, du kommst hier nicht raus“, sagte eine von ihnen. „Sie entlassen nie jemanden am Samstag. Vor Montag bekommst du keine Anhörung.“
Das war niederschmetternd, und ich wurde noch ängstlicher. Ich begann wieder zu weinen. Ich war verzweifelt. Ich wollte nicht hier im Gefängnis sein, unter diesen Kriminellen, und ich konnte auch meine eigene Gesellschaft nicht mehr ertragen. Ich fühlte mich wie eine Kriminelle. Es war ein Gefühl, das ich nicht ausstehen konnte.
Plötzlich hörte ich, wie mein Name aufgerufen wurde.
Ich würde entlassen werden.
Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Und obwohl ich es zu dieser Zeit noch nicht wusste, hatte ich gerade meinen ersten Schritt heraus aus meiner Drogensucht gemacht.
XXX
Als meine Anhörung begann, plädierte mein Anwalt darauf, dass ich nicht ins Gefängnis gehen sollte. Er erklärte dem Richter, dass ich einen Job hatte und ein ambulantes Rehabilitationsprogramm absolvieren würde. Der Richter erklärte sich einverstanden und ermöglichte eine Diversion. Dafür musste ich mich zu einem Entwöhnungsprogramm verpflichten. Das hieß, wenn ich das Programm absolvieren würde und alle wöchentlich durchgeführten Drogentests negativ wären, würden sie alle Anklagepunkte gegen mich fallen lassen.
Als ich damit begann, die mir auferlegten Treffen zu besuchen, war ich schon etwas darüber erstaunt, wie viele dieser Menschen noch immer Drogen nahmen. Ich ging zu den Treffen, und in den Pausen fragten mich die anderen Teilnehmer, welchen Trick ich anwendete, um die Urintests zu bestehen. Es gibt alle möglichen Tricks, um deine Urinprobe zu verfälschen, und sie verglichen ihre Methoden.
Ich sagte, ich würde einfach keine Drogen mehr nehmen. Das überraschte sie anscheinend. Als wir dann in den Meetings saßen, erkannte ich mit der Zeit, dass alle dort ihre eigene Geschichte hatten. Sie alle hatten schon eine Menge verrücktes Zeug gesehen und durchgemacht. Sie hatten Menschen sterben gesehen, sogar enge Freunde oder Familienmitglieder. Einige von ihnen, darunter auch Frauen, waren Mitglieder von Straßengangs. Sie hatten schon Zeit im Gefängnis verbracht.
Ich lehnte mich zurück und hörte den anderen zu. Sie mochten es nicht, dass ich so ruhig war. Also forderten sie mich auf, mehr beizutragen, doch ich hatte einfach noch nicht so viele Erfahrungen in meinem Leben gemacht wie sie. Ich erklärte ihnen, dass ihre Geschichten viel interessanter seien als die meinigen. Im Gegensatz zu mir hatten sie so viel mehr zu sagen.
Nach sechs Monaten bei den Narcotics Anonymous war ich nicht mehr verpflichtet, die Meetings zu besuchen, doch ich ging trotzdem weiter hin. Genauer gesagt, besuchte ich die Treffen für weitere sechs Monate, doch ich bekam bald das Gefühl, dass diese Meetings nichts für mich waren. Alles, was die Teilnehmer dort taten, war, über die Vergangenheit zu sprechen. Ich wollte aber nach vorne blicken und mich auf die Zukunft konzentrieren. Ich hatte kein Bedürfnis, die Vergangenheit wieder und wieder aufzuwärmen.
Nach unserer Festnahme war die Beziehung zwischen Jason und mir nicht mehr dieselbe, doch ich lebte weiterhin bei ihm und seinen Eltern.
Ich versuchte, weiter meine alten Freunde in den Nachtclubs zu treffen und mit ihnen auszugehen, doch alle rauchten und tranken Alkohol. Die Nachtclubs fühlten sich nicht mehr so an wie früher. Sie hatten nicht mehr denselben Reiz. Selbst die Musik klang nun anders. Ich verspürte keine Freude mehr dabei. Davor wollte ich immer tanzen und Spaß haben, wenn ich Musik hörte, aber nun hörte sich die gleiche Musik leblos an.
Ich trauerte irgendwie um die anderen. Es fühlte sich so an, als würden sie den Alkohol und die Drogen nur nehmen, um etwas zu verdrängen. Dabei verloren sie immer mehr von ihrer eigenen Persönlichkeit.
Ich fühlte mich nicht besser als sie. Tatsächlich war ich nicht einmal annähernd so glücklich wie sie. Ich war deprimiert und fühlte mich fehl am Platz, so als würde ich nicht wirklich wissen, wer ich war oder was ich hier tat. Gleichzeitig spürte ich aber auch, dass ich dabei war, mich selbst zu finden.