Kitabı oku: «Im Zentrum der Spirale», sayfa 2

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3

Thomas warf die kleinen Holzstücke entnervt in die Müllkiste im hinteren Bereich des Schuppens. Er war verschwitzt und müde. Eine Dusche hatte er jetzt dringend nötig, oder vielleicht eins von den entspannenden, heißen Bädern.

In den letzten Tagen hatte er Mr. M geholfen ein Vogelhäuschen zu bauen. Warum der dabei Hilfe brauchte, war unübersehbar. Weder Mr. M, noch Thomas hatten auch nur die geringste Ahnung davon, wie man ein bescheuertes Vogelhäuschen baute. Was am Ende dabei herausgekommen war, sah aus, als ob ein Betrunkener und ein Vollidiot ein paar Bretter zusammengenagelt hätten. Kein Vogel würde freiwillig auch nur einen Fuß in diesen Müllhaufen setzen. Trotzdem war Mr. M sehr zufrieden. Er hatte Thomas mehrfach erzählt, wie brauchbar dieses Vogelhäuschen sei und wie gut es aussehen würde, wenn es in den Zweigen der alten Eiche neben der Veranda hing. Thomas konnte sich noch immer nicht vorstellen, wozu die Vögel ein Haus brauchten. Er hatte, seit er hier war, keinen einzigen Vogel gesehen oder gehört.

›Häng das in den Baum und deine Nachbarn rufen die Kerle mit der weißen Jacke‹, dachte er und schnaubte verächtlich. Husten musste Thomas auch noch.

›Scheiß Staub.‹ Seine Nase lief und sein Hals fühlte sich kratzig an. Zudem lauerte auch noch eine Kopfschmerzattacke in seinen Schläfen und blies zum Angriff. Mr. M befahl Thomas aufzuräumen und den Schuppen auszufegen und ging dann wieder ins Haus. Er sagte ständig entweder seiner Frau oder Thomas, was sie zu tun hatten und verschwand einfach. Es fing an, Thomas gewaltig auf die Nerven zu gehen. Er schlenderte langsam zurück zum Haus und rieb sich seinen schmerzenden Kopf. Mrs. M hatte wieder ein wunderbares Abendessen gezaubert. Sie kochte stets riesige Portionen und drängte Thomas zu essen. Er hatte es aufgegeben, dagegen zu protestieren.

Am zweiten Tag hatte sie ihn gewogen und entsetzt ausgerufen: »Oh mein Gott, Sie sind ja viel zu dünn!« Sie hatte sein Gewicht auf eine Seite ihres Einkaufsblocks geschrieben und den an die Tür des gigantischen Kühlschranks geheftet. Danach wog sie ihn jeden Tag und krauste die Stirn, wenn er nicht wenigstens ein paar Gramm zugelegt hatte. Thomas war gerührt. Niemand hatte sich je so sehr um ihn gekümmert. Er war jetzt seit über einer Woche hier und musste zugeben, dass er eigentlich nicht wieder weg wollte. Aber bleiben konnte er ja auch nicht. Er hatte immer wieder zu Mrs. M gesagt, dass er aufbrechen musste, dass seine Schwester auf ihn wartete. Sie schien ihm nicht zuzuhören. Aber er würde gehen, heimlich und spät in der Nacht, wenn es nicht anders ging. Bleiben stand außer Frage.

Tom erklomm die Treppe und nahm eine Dusche. Mrs. M hatte ihm neue Kleidung gekauft und sein Geld nicht annehmen wollen, als er ihr die Ausgaben ersetzen wollte. Thomas hatte sein Bargeld inzwischen in der Hülle von Petes »Star Wars«-Kassette versteckt. Dass es dort besser aufgehoben war, wusste er seit dem Tag, als er Mrs. M die Taschen seiner Jeans durchsuchen sah. In zwei Tagen, schwor er sich, würde er das Geld zusammenklauben und abhauen.

Er hustete noch einmal und nahm einen Schluck von Mrs. M`s hausgemachter Limonade. An die hatte er sich erstmal gewöhnen müssen, aber jetzt mochte er sie recht gerne. Beim ersten Probieren hatte Thomas eine Grimasse gezogen und gestöhnt. Mrs. M tat so viel Zucker in ihre Limonade, dass seine Zähne anfingen zu schmerzen. »Gut, hm?«, hatte sie gefragt, und Thomas hatte mit geschlossenem Mund gegrinst und genickt, während seine Zähne pochten. Jetzt hustete er wieder und befühlte seinen schmerzenden Hals.

Er hatte keinen Appetit, als Mrs. M ihm eine halbe Stunde später zwei Koteletts mit Kartoffelpüree und Gemüse auf den Teller schaufelte. Sie war nicht enttäuscht, sie kochte vor Zorn, und Thomas rutschte das Herz in die Hose.

»Meine Frau hat den ganzen Nachmittag vorm Herd gestanden, um Ihnen dieses leckere Essen zu kochen. Also essen Sie es auch«, schnauzte Mr. M ihn an.

»Warte mal, George«, unterbrach seine Frau ihn und fühlte Toms Stirn. »Oh, er ist krank! Sie gehören ins Bett, Tommy. Sie müssen sich im Regen erkältet haben. Ich hatte schon befürchtet, dass das passieren würde.« Sie schien jetzt sehr besorgt zu sein, und ihr Zorn war verraucht. Thomas widersprach nicht, als sie ihn mit einer dicken Schicht Wick Vaporub auf seiner Brust und einem feuchten Waschlappen auf der Stirn ins Bett steckte. Er fühlte sich ziemlich elend.

Das Fieber stieg und stieg in dieser Nacht. Die Hitze kam stoßweise, und zwischendurch schlotterte Thomas vor Kälte. Er hustete sich die Seele aus dem Leib, konnte nicht durch die Nase atmen und wünschte sich eigentlich nur noch einen schnellen, gnädigen Tod. Mrs. M war die ganze Zeit in seiner Nähe. Sie wurde sehr ängstlich, als das Thermometer über vierzig Grad anzeigte. Ungläubig schüttelte sie es und wollte es ihm wieder zwischen die Lippen schieben.

»Rufen Sie einen Krankenwagen«, krächzte Thomas als er anfing, Halluzinationen zu haben. Kelly stand auf einmal mitten im Raum, einen vorwurfsvollen Ausdruck in den Augen, und ihr Kittel war voller Blut.

»Machen Sie sich keine Sorgen, mein Lieber«, zwitscherte Mrs. M und legte einen frischen Waschlappen auf seine Stirn. »Wir bekommen dieses Fieber ganz schnell weg. Ich habe George in die Apotheke geschickt, damit er Hustensaft und ein paar andere gute Dinge besorgt. Sie werden bald wieder völlig gesund sein.«

›Hustensaft‹, dachte Tom perplex. ›Sie versucht tatsächlich, eine Lungenentzündung mit Hustensaft zu kurieren.‹

Er schlief schließlich ein und hatte höllische Fieberträume. Er sah seine Eltern streiten und hörte seine Mutter weinen, damals in der Nacht, in der Daddy sie verließ. Thomas war weggeholt worden, ohne dass ihm jemand sagte, was passiert war. Ein paar Jahre später hatte man es ihm dann doch erzählt. Seine Mutter hatte sich in dieser Nacht umgebracht. Während ihr Sohn im Nebenzimmer schlief, hatte sie sich an der Stange des Duschvorhangs im Bad aufgehängt. Jetzt sah er sie dort baumeln und weinte im Schlaf.

»Mami«, schluchzte er halb wach.

»Sch… ganz ruhig mein Schatz, ich bin hier … alles wird wieder gut …«

Ihre sanfte Stimme flüsterte es liebevoll in sein Ohr. Er sank zurück in seinen Fieberschlaf und fühlte ihre kühlen, zärtlichen Hände auf seiner Stirn. Nach einer Weile öffnete Thomas seine Augen ein wenig und sah Mr. und Mrs. M am Fußende des Bettes stehen. Sie sahen auf ihn herab. Das Lächeln war aus ihren Gesichtern verschwunden. Seine Augenlider wurden ihm zu schwer, und er schloss sie wieder.

»Er ist immer noch viel zu dünn«, hörte Thomas Mr. M leise bemängeln. Seine Stimme klang wie das Knarzen eines toten Baumes. Mrs. M seufzte.

»Er ist ein guter Junge, George, meinst du nicht wir sollten es mit ihm versuchen?«

Mr. M grunzte. Er war nicht überzeugt. »Die anderen schienen zuerst auch ganz in Ordnung zu sein, Hazel. Sie waren eine Enttäuschung, jeder einzelne von ihnen. Und er ist ein Außenseiter, nicht mal ein Verabscheuter!«

»Das wird er werden, sobald er ganz wiederhergestellt ist. Bitte, George. Ich wette fünfzig Dollar, dass er derjenige ist, nach dem wir suchen. Er könnte unser Fahrschein nach Sharpurbie sein!«

»Na gut, wir können es ja versuchen«, brummte Mr. M. Er sah auf Thomas mit einem scharfen, drohenden Blick herab. Thomas fühlte sich wie im Inneren eines Vulkans. Oder als ob er in der Hölle schmorte. Er war bewusstlos als die M`s ihn zu der mit Eiswürfeln gefüllten Badewanne trugen.

4

Er sollte nie erfahren, dass er in dieser Nacht beinahe gestorben wäre. Seine Temperatur sank langsam. Mrs. M gab ihm Hustensaft und eine Menge anderer Sachen aus der Apotheke. Tabletten, um das Fieber weiter zu senken, Vitamin C und Mineralstoffe, sie schmierte mehr Wick Vaporub auf seine Brust und seinen Rücken, und sie gab ihm noch mehr Pillen, von denen er noch nie in seinem Leben gehört hatte. Er musste von nun an Bralocolin schlucken, was immer das auch sein mochte. Eine Tablette pro Tag, die einen widerlich bitteren Geschmack hinterließ, wenn sie in seinem Mund zerschmolz. Aber er erholte sich. Er brauchte allerdings über einen Monat dafür.

»Du hattest die Grippe«, sagte Mrs. M. Sie waren wohl zum vertraulichen »Du« übergegangen, ohne dass Thomas sich daran erinnern konnte.

»Warum haben Sie … hast du keinen Arzt gerufen?«, fragte er verwirrt. Eine alte Dame einfach zu duzen war nicht die Art, wie man ihn erzogen hatte.

»Einen Arzt? Für eine kleine Grippe?« Mrs. M brach in ein fröhliches, aber unnatürlich klingendes Lachen aus. »Als George und ich jung waren, hat man nicht gleich einen Arzt gerufen, wenn man eine Erkältung hatte.«

»Eben haben Sie … hast du noch gesagt, ich hätte eine Grippe gehabt. Jetzt ist es auf einmal eine Erkältung. Ich hatte schon mehrere Erkältungen, die waren nichts verglichen mit dem, was ich jetzt hatte, das können Sie … das kannst du mir glauben«, bekräftigte Thomas. Als sie nicht darauf antwortete, nahm er ihre Hand und lächelte sie scheu an. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, Mrs. M. Sie waren die ganze Zeit bei mir, Stunde um Stunde. Sie … du bist die tollste Krankenschwester, die es gibt.«

Mrs. M errötete und kicherte wie ein Schulmädchen. »Oh, du bist ein guter Junge, Tommy. Du musst mich nicht mehr Mrs. M nennen. Nenne mich Ma. Das hast du ja auch getan als du krank warst.« Thomas starrte sie erschrocken an.

»Ich habe dich Ma genannt?«, fragte er erschüttert. In was für eine Situation hatte er sich nun schon wieder gebracht?

»Ja mein Lieber, das hast du. Und es war schön … wir wollten schon lange einen Sohn …« Sie sah verträumt aus dem Fenster.

»Was ist mit Pete?«, fragte Thomas nach einer Weile. Er hatte sich bisher noch nicht getraut, Pete zu erwähnen.

»Pete? Woher weißt du von Pete?« Ihr Kopf fuhr zu ihm herum, ihre Stimme klang jetzt misstrauisch und unter ihrem bohrenden Blick schienen sich Toms Eingeweide zu verknoten.

»Ich habe eine Videokassette mit der Aufschrift Pete gesehen, deswegen dachte ich, ihr hättet einen Sohn oder Enkel«, stotterte er. Ihr Gesicht entspannte sich, und Thomas begann, wieder zu atmen. Sie hatte ihm schon am zweiten Tag angeboten, sich die Videos im Zimmer anzusehen, weil weder sie noch ihr Mann sich abends gerne vor den altmodischen Fernseher im Wohnzimmer setzten. »Zuviel Schmutz« hatte sie gesagt, und ihr Mann hatte mit einem grimmigen Nicken zugestimmt. Thomas hatte sich lieber die Superman Comics angesehen. Mrs. M konnte das nicht verstehen. »Du hast so viele Filme da oben, du kannst unmöglich alle kennen«, hatte sie ungläubig gesagt. Doch Thomas kannte jeden einzelnen und bevorzugte eindeutig die unzensierten Versionen. Ins Kino zu gehen war eine der Möglichkeiten gewesen, sich abzulenken, als er ein Teenager gewesen war.

Mrs. M sah auf ihre verschränkten Hände. »Pete war unser Enkel«, sagte sie nach einiger Zeit mit leiser Stimme.

»Er hatte Leukämie und starb vor zwei Monaten.« Eine Träne rollte über ihre Wange. »Er war das einzig Gute in unserem Leben, was noch übrig war. Wir hatten einen Sohn, Jonathan. Er und seine Frau starben bei einem schrecklichen Autounfall, als Pete zehn war. Er lebte danach bei uns, bis auch er starb. Er musste seinen achtzehnten Geburtstag im Krankenhaus feiern und war zu schwach, die Kerzen auf seinem Kuchen auszupusten. Das war der Moment, in dem uns klar wurde, dass er sterben würde.« Sie schlug die linke Hand vor ihr Gesicht und weinte. Die Tränen strömten ihre welken Wangen wie Bäche hinunter.

Thomas fühlte sich sehr unbehaglich. Er hatte die niedliche alte Dame wieder zum Weinen gebracht. Aber er hatte wissen müssen, wer Pete war und warum er sich nicht zu Hause aufhielt. Jetzt war ihm auch klar, warum die M`s so einsam waren, dass sie sogar einen absolut Fremden, den sie mitten in der Nacht auf dem Seitenstreifen umherwandern sahen, mitnahmen und in ihr Haus einluden. Sein Herz blutete.

›Deswegen ist George so ein fieser alter Drecksack‹, dachte Thomas, ›das ist seine Art, mit dem Verlust seines Enkels fertig zu werden.‹

»Oh, Ma«, sagte er traurig, »das tut mir leid!«

Mrs. M. lächelte schwach und wischte sich die Tränen ab. »Was ist mit dir, Tommy«, sagte sie und schnäuzte sich in ein Taschentuch. »Du hast gesagt, deine Schwester wartet auf dich. Wie viele Verwandte hast du?« Thomas war so aufgewühlt von ihrer traurigen Geschichte, dass er sie für einen Moment dümmlich anstarrte.

»Na ja«, erwiderte er zögernd, »meine Schwester kennt mich nicht mal. Und sie wartet nicht auf mich, nicht so richtig. Ich wollte sie überraschen. Und ich habe sonst keine Familie. Es tut mir leid, dass ich Sie … dich angelogen habe.« Seine Zunge fuhr nervös über die vom Fieber aufgesprungenen Lippen. Mrs. M sah ihm tief in die Augen. Nach einem ewig scheinenden Augenblick nickte sie.

»In Ordnung, Tommy. Aber von jetzt an keine Lügen mehr, verstanden? Wir mögen dich sehr, George und ich. Ich weiß, er zeigt es nicht allzu offen, aber es ist so. Er mag dich genauso sehr wie ich. Wir möchten, dass du bleibst so lange wie du willst. Vielleicht sogar für immer. Du hast sonst niemanden mehr, und wir auch nicht. Vielleicht hat der liebe Gott dich zu uns gebracht, weil wir einander brauchen. Wir werden für dich wie deine leiblichen Eltern sorgen, versprochen.«

Sie weinte wieder, und Thomas stimmte diesmal mit ein. Endlich, nach all den Jahren, hatte er eine Familie. Niemand hatte je soviel für ihn übrig gehabt außer Kelly, und jetzt Mrs. M. Thomas und sie umarmten sich.

»Natürlich werde ich bleiben«, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. Sein Gesicht war in ihrer Schulter vergraben, und er roch Schweiß und Mottenkugeln. Es war wohl nicht der richtige Augenblick, um ihr zu sagen, dass er gar keine Schwester hatte.

Nachdem die beiden sich eine Weile umarmt hatten, drängte Mrs. M. ihn, ein Schläfchen zu machen. Thomas fühlte sich zwar besser, war aber immer noch sehr schwach.

»Vielleicht kannst du morgen für ein paar Minuten aufstehen, wäre das nicht fein? Der Sommer liegt in der Luft, du könntest einen kurzen Spaziergang im Garten machen«, schlug Mrs. M vor. Thomas stimmte eifrig zu. Er hatte lange genug hier gelegen, und sogar ein Spaziergang im Garten erschien ihm wie der Himmel, nach all den Wochen in diesem stickigen Zimmer.

Die lieben M’s hielten nichts von frischer Luft im Haus. Sie öffneten nie ein Fenster. Thomas hatte sie beinahe auf Knien angefleht, wenigstens jenes in seinem Zimmer einen winzigen spaltbreit öffnen zu dürfen. Als er mit seiner »kleinen Erkältung« darniederlag, hatte Mrs. M. es geschlossen, und Thomas hatte nicht aufstehen können, um es wieder zu öffnen.

Im Garten zu sein, wie herrlich wäre das! Mrs. M. hatte ihm nach dem ersten Tag nicht erlaubt, auch nur einen Fuß in den Garten zu setzen. Er hatte zunächst geglaubt, sie wäre davon peinlich berührt gewesen, dass er im Bademantel herumgelaufen war, aber später fand er heraus, dass beide M’s etwas gegen die Nachbarn hatten. Die konnten von ihrem Schlafzimmerfenster aus einen Blick in den Garten der M’s werfen. Scheinbar hatte Mrs. M. jetzt ihre Meinung geändert. Sie zog sogar die Vorhänge auf. Das Fenster von Thomas’ Schlafzimmer war direkt gegenüber vom Garten der Nachbarn, den Johansons oder Johnsons oder wie auch immer sie hießen. Sie hatten einen größeren Garten als die M’s, mit einem kleinen Schwimmbecken in der Mitte. Ein niedriger Zaun um ihn herum bewahrte wohl die kleinen Kinder davor, hineinzufallen.

Zwei Tage später stand Thomas im Garten und sog die herrliche Luft tief in seine Lungen. Am Tag zuvor hatte es geregnet, und Mrs. M. hatte ihm nicht erlaubt, das Haus zu verlassen. Sie befürchtete, dass er einen Rückfall erleiden konnte. Ihre Sorge um ihn rührte Thomas. Er kannte dergleichen nicht. Nach fünfzehn Minuten an der frischen Luft scheuchte Mrs. M. ihn zurück ins Bett.

»Mir geht’s gut, Ma, wirklich«, lachte er. Thomas erstarrte, als es an der Haustür klopfte. Mrs. M. eilte mit sorgenvoll gefurchter Stirn die Stufen hinunter. Thomas schlich auf Zehenspitzen zum Fuß der Treppe und warf einen vorsichtigen Blick über das Geländer.

Eine Frau, vielleicht dreißig oder fünfunddreißig Jahre alt, stand mit einem scheuen Lächeln vor der Tür. Von oben sah sie ziemlich hübsch aus. Sie hielt ein Körbchen mit Kirschen in den Händen.

»Guten Tag, Mrs. Moerfield. Wir haben so viele Kirschen dieses Jahr, und wir haben gesehen, dass Sie einen Besucher haben, da sagte Paul, warum gehst du nicht rüber und bringst unseren Nachbarn welche.« Sie bot das Körbchen Mrs. M. an, die es unwillig entgegennahm.

»Ach, vielen Dank, Mrs. Johanson«, flötete sie zuckersüß. Thomas konnte nur ihren Rücken sehen und wunderte sich, dass Mrs. Johansons Lächeln zu schwinden begann. »Unser Enkel Tommy ist zu Besuch, er wird sie sicher verschlingen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden.« Sie begann, die Tür zu schließen. Mrs. Johanson drehte sich um und ging, ohne sich zu verabschieden.

Mrs. M. schlug die Tür krachend zu. Thomas huschte zurück ins Bett, als sie begann, schnaufend die Stufen zu erklimmen.

»Diese neugierigen Affen«, hörte er sie murmeln und grinste. Scheinbar war zwischen den M’s und den J`s nicht viel los in Sachen freundlicher Nachbarschaft.

»Du würdest nicht glauben, was diese Nachbarn bereit sind zu tun, um Dinge zu erfahren, die sie nichts angehen«, grummelte Mrs. M. als sie sein Zimmer betrat. Sie stellte das Körbchen auf Toms Nachttisch.

»Was hast du ihr gesagt?«, fragte Thomas und nahm eine Kirsche.

»Ich habe dieser Schlampe gesagt, dass unser geliebter Enkel Tommy zu Besuch ist«, erwiderte sie und strich ihm zärtlich über das Haar.

Thomas lächelte verlegen und aß Kirschen.

5

Thomas wurde von Tag zu Tag stärker. Mrs. M. bereitete ihm wieder leckere Mahlzeiten zu, kochte aber kleinere Portionen.

Thomas erleichterte das sehr. Es war ganz schön schwierig gewesen, die riesigen Steaks, Koteletts und Schnitzel aufzuessen. Aber jetzt aßen sie alle fettarmer und weniger üppig, Fleisch gab es nur ein oder zweimal pro Woche. Es gab Tage, an denen ihm Mrs. M. eine Schale mit Cornflakes und Milch vor die Nase stellte, statt eines Tellers voll mit Speck und Eiern oder Waffeln mit viel süßem Sirup.

Er fühlte sich mehr und mehr wie ein Mitglied der Familie. Sogar der grimmige Mr. M redete nun mit ihm. Zuerst nur über das Wetter, aber er wurde von Tag zu Tag freundlicher.

Thomas verbrachte die Abende nun nicht mehr mit den Superman Comics in seinem Zimmer. Sie spielten Monopoly oder auch Karten. Thomas liebte diese Abende. Mrs. M. umarmte ihn morgens und vor dem Schlafengehen. Nach einigem Zögern tat ihr Mann es ihr nach. Thomas berührte das sehr. Er hätte nie gedacht, dass der alte Sack ein Herz hatte. Aber nach der Geschichte über Pete verstand er Mr. M. viel besser. Allerdings nannte Tom ihn nicht Pa, obwohl Mrs. M. ihn darum gebeten hatte.

Eines Abends, nachdem er beide M’s wieder einmal beim Monopoly geschlagen hatte, erklomm er die Stufen zu seinem Zimmer. Er war absolut nicht müde. Halbherzig durchforstete er die Videos und griff nach der Pete Kassette. Er wusste, dass es nicht okay war, herumzuschnüffeln, steckte sie aber trotzdem in den Rekorder und drehte die Lautstärke herunter, damit die M’s es nicht mitbekamen.

Tom erwartete, dass der Film mit einem kleinen Pete anfangen würde, vielleicht als Säugling. Es stand zwar »Pete mit 17« auf dem Etikett, aber bestimmt waren einige Babyszenen im Film. Wer nahm denn schon seinen Enkel erst mit siebzehn auf? Nun ja, vielleicht hatten sie damals noch keine Kamera.

Thomas streckte sich auf dem Bett aus. Vielleicht würde er jetzt den kleinen Pete sehen, wie er seine Hose nass machte und seine Großeltern darüber lachten. Aber der Film begann mit einem gewohnten Anblick, Mrs. M. im Garten. Zu dieser Zeit gab es noch kein Blumenbeet und der Rasen wies ein gesundes Grün auf.

Mrs. M. winkte fröhlich in die Kamera, und da kam Pete und legte ihr den Arm um die Schultern. Er war schlank und blond und trug eine Jeans und ein T-Shirt. Ein ganz normaler Siebzehnjähriger.

In der nächsten Szene waren Mr. M. und sein Enkel zu sehen, wie sie einen Grillabend vorbereiteten. Mr. M. legte dicke Steaks auf den Grill, während Pete den Tisch deckte. Er war jetzt etwas dicklicher und hatte ein Doppelkinn. Das Shirt, das er nun trug, war mindestens Größe XXL.

Nächste Szene, Mrs. M. und Pete beim Essen. Pete hatte schon zwei riesige Steaks auf seinem Teller, trotzdem legte Mrs. M. noch Knoblauchbrot und einen Maiskolben dazu. Pete schlug sich genussvoll den Wanst voll und beschwerte sich nicht. Nächste Szene, eine Geburtstagsparty im Innern des Hauses. Pete mit dicken Backen, vor einer Torte sitzend. Sie war mit einer großen Achtzehn aus Marzipan dekoriert, und Mrs. M. zündete die vielen Kerzen an. Pete pustete sie wieder aus. Die M’s applaudierten. Pete stand auf, um die Torte anzuschneiden. Sein dicker Bauch stieß beinahe den Tisch um. Thomas starrte mit hervorquellenden Augen auf den Bildschirm.

»Er feierte seinen achtzehnten Geburtstag im Krankenhaus und war zu schwach, die Kerzen auf seinem Kuchen auszupusten. Da wurde uns klar, dass er sterben würde«, hatte Mrs. M. gesagt.

Mrs. M. hatte gelogen.

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