Kitabı oku: «Weihnachtsmärchen», sayfa 7
Leben über ein Goldstück gehabt habe, ohne es je wechseln zu
lassen."
„Dennoch habe ich schon mittaggegessen, Vater", sagte Meg,
näher herankommend; „und wenn Ihr weitereßt, will ich Euch
sagen wie und wo.
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Auch wie es zuging, daß ich Euch das Essen brachte, und — und
noch etwas anderes daneben, etwas viel Wichtigeres."
Toby machte noch immer eine ungläubige Miene; aber s ie sah
ihm mit ihren klaren Augen ins Gesicht, legte ihre Hand auf seine
Schulter und forderte ihn auf zu essen, solange das Fleisch noch
warm sei. Trotty nahm daher Messer und Gabel wieder auf und
aß weiter; es ging aber viel langsamer vonstatten als zuvor, er
schüttelte den Kopf und legte die Gabel immer wieder aus der
Hand als sei er durchaus nicht mit sich selbst zufrieden.
„Ich habe schon gegessen, Vater", sagte Meg nach einigem
Zögern, „mit - mit Richard. Er ißt früh, und da er sein
Mittagessen mitbrachte, als er mich besuchte, so - so verzehrten
wir es miteinander, Vater."
Trotty nahm einen Schluck Bier und schmatzte mit den Lippen.
Dann aber erwiderte er, weil das Mädchen wartete: „Oh!" „Und
Richard sagte, Vater -"
begann Meg wieder. Dann stockte sie.
„Was sagt Richard, Meg?" fragte Toby. „Richard sagte, Vater -
". Neues Stocken. „Richard braucht lange, bis er etwas sagt",
bemerkte Toby. „Nun ja, Vater, er sagte", fuhr Meg fort, indem
sie endlich ihre Augen erhob und in bebendem, aber klarem Ton
sprach, „es sei wieder beinahe ein Jahr vorbei, und was nütze es,
von einem Jahr auf das andere zu warten, wo es doch so
unwahrscheinlich sei, daß es uns je besser als jetzt ergehen
werde. Er sagte, Vater, wir seien jetzt arm und würden auch
werde. Er sagte, Vater, wir seien jetzt arm und würden auch
später arm sein; aber wir wären jung, und die Jahre würden uns
alt machen, ehe wir es wüßten. Er meint, wenn Leute in unserer
Lage warten wol ten, bis sie ihren Weg klar vor sich sähen, so
würde er wohl recht eng werden - der Weg, der al en gemein ist
- das Grab, Vater."
Sogar ein kühnerer Mann als Trotty Veck hätte al seine Kühnheit
zusammennehmen müssen, um das in Abrede zu stel en; er
verhielt sich daher lieber still.
„Und wie hart ist es, Vater, alt zu werden und zu sterben, mit
dem Gedanken, daß wir einander hätten aufheitern und uns
gegenseitig helfen können!
Wie hart ist es, sich sein ganzes Leben über zu lieben und s ich
doch getrennt abzuhärmen beim Anblick, wie jeder von uns
arbeitet, anders und alt und grau wird. Selbst wenn ich es
überwinden und ihn vergessen könnte, was nie möglich ist -
lieber Vater, wie schwer wäre es dann, ein Herz zu haben, so
voll, wie das meinige jetzt ist, und das Leben langsam
tropfenweise verrinnen zu sehen, ohne eine Erinnerung an einen
einzigen glücklichen Augenblick, die mich trösten könnte!"
Trotty blieb mäuschenstill. Meg trocknete ihre Augen und fuhr
heiterer fort -
das heißt mit einem Lachen, das mit Schluchzen abwechselte:
„Richard sagt daher, Vater, da er gestern für soundso lange eine
„Richard sagt daher, Vater, da er gestern für soundso lange eine
feste Beschäftigung erhalten habe und ich ihn schon volle drei
Jahre liebe - ach, es ist schon länger her, aber das weiß er nicht!
-so sol e ich mich am Neujahrstag mit ihm trauen lassen: der
beste und glücklichste Tag im ganzen Jahr, sagt er, der uns fast
gewiß Glück bringen müsse. Das ist freilich sehr kurz, Vater,
nicht wahr? - Aber ich habe ja keine Vermögensangelegenheiten
zu ordnen und Hochzeitskleider machen zu 81
lassen, wie die vornehmen Damen, Vater. Und er sagte es in
ernster, aber doch so sanfter und freundlicher Weise, daß ich
ihm versprach, ich wol e mit Euch darüber sprechen, Vater. Und
da mir ganz unerwartet heute Morgen das Geld für meine Arbeit
ausgezahlt wurde und Ihr die ganze Woche über nur sehr
kärgliches Essen gehabt habt, so konnte ich den Wunsch nicht
unterdrücken, heute meinem Vater und mir selber einen
glücklichen Feiertag zu machen, weshalb ich dieses Gericht
kochte und es mitbrachte, um Euch zu überraschen."
„Und s ieh nur, wie er es auf der Treppe kalt werden läßt!" ließ s
ich eine andere Stimme vernehmen.
Es war die Stimme Richards, der unbemerkt herangekommen
war und nun vor Vater und Tochter stand. Er blickte mit einem
Gesicht auf sie nieder, so glühend wie das Eisen, auf dem täglich
sein derber Schmiedehammer klang. Er war ein gutaussehender
Junge, mit Augen, die wie rotglühende Funken sprühten.
Sein schwarzes Haar kräuselte sich locker um die Schläfen, und
Sein schwarzes Haar kräuselte sich locker um die Schläfen, und
dazu sein Lächeln - ein Lächeln, das Megs Lob über seine Art zu
reden ganz und gar bestätigte.
„Sieh, wie er es auf der Treppe kalt werden läßt!" wiederholte
Richard. „Meg weiß sicher nicht, was er gern ißt."
Voll Behendigkeit und Begeisterung gab Trotty augenblicklich
Richard die Hand und wollte eben eine hastige Erwiderung
machen, als unversehens die Haustür aufging und ein
Bediensteter beinahe seinen Fuß in die Gekröseschüssel setzte.
„Aus dem Weg da! Müßt Ihr Euch denn immer auf unsere Stufen
setzen?
Beehrt doch einmal die eines Nachbarn! Wollt Ihr endlich den
Weg freimachen oder nicht?"
Genau genommen, war die letzte Frage bedeutungslos, da der
Aufforderung bereits Folge geleistet worden war.
„Was gibt's da?" sagte der Gentleman, für den die Tür geöffnet
worden war.
Er trat mit genau dem Schritt aus dem Haus, den sich ein
Gentleman auf dem glatten Abwärtsweg des Lebens leisten
kann, wenn er mit knarrenden Stiefeln, Uhrkette und reinem
Hemd aus seinem Haus kommt. Er vergibt dadurch seiner
Würde durchaus nichts, sondern es gewinnt vielmehr den
Würde durchaus nichts, sondern es gewinnt vielmehr den
Anschein, daß er zu irgendeiner wichtigen, viel Geld
einbringenden Besprechung gehe. „Was gibt's da? Was gibt's
da?"
„Muß man Euch denn gar auf den Knien bitten", fuhr der
Bedienstete mit großem Nachdruck gegen Trotty Veck fort,
„unsere Türtreppe in Frieden zu lassen? Warum kommt Ihr denn
immer wieder? Könnt Ihr nicht einmal wegbleiben?"
„So - das genügt, das genügt!" bemerkte der Gentleman.
„Heda, Dienstmann!" Er winkte Trotty Veck mit dem Kopf
heran. „Kommt her. Was ist das - Euer Mittagessen?"
„Ja, Sir", versetzte Trotty, seine Schüssel in einer Ecke stehen
lassend.
„Laßt es nicht dort, sondern bringt es her, bringt es her", rief der
Gentleman.
„So; das ist also Euer Essen, wie?"
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„Ja, Sir", antwortete Trotty, mit festem Blick und Appetit nach
dem Gekrösestück hinsehend, das er sich als letzten
Leckerbissen aufbewahrt hatte, während es der Gentleman mit
der Gabel um und um drehte.
Mit ihm waren noch zwei andere Gentlemen herausgekommen.
Der eine war ein trübseliges Männchen mittleren Alters, nicht gut
gekleidet und mit einem trostlosen Gesicht. Er hielt die Hände
beständig in den schlappohrigen Taschen seiner knappen Pfefferund
Salzhosen und schien mit der Bürste oder Seife keine
sonderlich vertraute Bekanntschaft zu unterhalten. Der andere
dagegen war ein großer, glatter, beleibter Gentleman in einem
blauen Rock mit gelben Knöpfen und einer weißen Krawatte.
Dieser Gentleman hatte ein sehr rotes Gesicht, als ob der größte
Teil seines Bluts in den Kopf gedrängt worden sei, was vielleicht
auch der Grund dafür war, daß er ziemlich kaltherzig aussah.
Derjenige, der Tobys Fleisch auf der Gabel hatte, rief nun den
ersten Gentleman, den er Filer nannte, heran, und dieser, der
ungemein kurzs ichtig war, mußte zur Untersuchung von Tobys
noch übrigem Mittagsmahl seinen Kopf so nahebringen, daß der
arme Dienstmann vor Angst laut hätte hinausschreien mögen.
Aber Mr. Filer aß es nicht.
„Das ist eine Art Viehfutter, Alderman", sagte Filer, indem er mit
einem Bleistift kleine Löcher hineinstach, „das bei der
arbeitenden Klasse dieses Landes allgemein unter
dem Namen Gekröse bekannt
ist."
Der Alderman lachte
und blinzelte - denn Alderman
Gute war ein lockeres
Gute war ein lockeres
Haus. Dabei war er auch ein
schlauer Kerl und in
allen Sätteln gerecht. Er ließ
sich von niemand ein X
für ein U vormachen und
blickte tief in die
Herzen der Menschen. Er
kannte sie gründlich,
das mag man mir glauben!
„Aber
wer
ißt
Gekröse?" fuhr Mr. Filer fort,
indem
er
sich
umblickte. „Gekröse ist ohne
Ausnahme der
unökonomischste und
verschwenderischste
Konsumartikel, den die Märkte
dieses Landes nur
anbieten können. Man hat
herausgefunden, daß ein
Pfund Gekröse beim Kochen
sieben Vierzigstel mehr verliert als ein Pfund jeder ändern
Nahrung. Gekröse ist verhältnismäßig kostspieliger als die
Treibhaus-Ananas. Wenn man die Anzahl der jährlich
geschlachteten Tiere in Vergleich stellt und einen niedrigen
Überschlag über die Menge von Gekröse macht, so stel t sich
heraus, daß man von dem Kochverlust des Gekröses allein eine
Garnison von fünfhundert Mann fünf Monate lang, jeder Soldat
Garnison von fünfhundert Mann fünf Monate lang, jeder Soldat
zu einunddreißig Tagen gerechnet, und noch einen Februar dazu,
versorgen könnte. Welche Vergeudung - welche Vergeudung!"
Trotty stand entsetzt da und seine Knie zitterten. Er schien mit
eigener Hand eine Garnison von fünfhundert Mann ausgehungert
zu haben.
„Wer ißt Gekröse?" fuhr Mr. Filer mit Wärme fort. „Wer ißt
Gekröse?"
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Trotty machte eine klägliche Verbeugung.
„Ihr also, Ihr?" sagte Mr. Filer. „So wil ich Euch etwas sagen. Ihr
reißt Euer Gekröse aus dem Munde der Witwen und Waisen,
mein Freund."
„Ich hoffe nicht, Sir", versetzte Trotty mit matter Stimme. „Lieber
wollte ich vor Hunger sterben."
„Teilt man die Menge der erwähnten Gekröse durch die
geschätzte Zahl der noch lebenden Witwen und Waisen,
Alderman", begann Mr. Filer wieder, „so kommt auf den Kopf
ungefähr für einen Penny Gekröse. Für diesen Mann da bleibt
kein Gramm übrig - folglich ist er ein Räuber."
Trotty war so erschüttert, daß er sich nichts daraus gemacht
haben würde, wenn der Alderman selbst das Gekröse vol ends
aufgezehrt hätte. Wäre es nur fort gewesen, so würde er sich
erleichtert gefühlt haben.
„Und was sagen Sie?" fragte der Alderman scherzhaft den
rotgesichtigen Gentleman in dem blauen Rock. „Sie haben
Freund Filer gehört. Was sagen Sie“
„Was läßt s ich da schon sagen?" entgegnete der Gentleman.
„Was läßt sich überhaupt sagen? Wer kann sich in so schlechten
Zeiten für einen Menschen wie diesen da (er meinte Trotty)
interessieren? Schaut ihn an! Welch ein Gegenstand! Oh, die
guten alten Zeiten, die herrlichen alten Zeiten, die großartigen
alten Zeiten. Das waren Zeiten für ein mutiges Bauernvolk und
dergleichen. Das waren in der Tat Zeiten für alles. Heutzutage ist
gar nichts mehr los. Ach!" seufzte der rotgesichtige Gentleman.
„Die guten alten Zeiten, die guten alten Zeiten!"
Der Gentleman setzte nicht näher auseinander, was für
besondere Zeiten er meinte. Auch ließ er sich nicht darüber aus,
ob ihm die Gegenwart deshalb mißfiel, weil er s ich in
unvoreingenommener Selbsterkenntnis bewußt war, daß sie
nichts sehr Hervorragendes geleistet hatte, als sie ihn selbst ins
Dasein rief.
„Die guten alten Zeiten, die guten alten Zeiten", wiederholte der
Gentleman.
„Was waren das für Zeiten! Das waren noch Zeiten. Wozu
nützt's auch, von anderen Zeiten zu reden oder sich darüber
auszulassen, was die Leute in diesen Zeiten sind. Sie werden das
jetzt doch nicht etwa Zeiten nennen wollen? Ich wenigstens tue
es nicht. Überlegt, was ein Dienstmann unter der alten englischen
Regierung war und wie es ihm ging!" „Wenn es ihm recht gut
ging, hatte er nicht einmal ein Hemd auf dem Leib oder Strümpfe
an den Füßen, und in ganz England wuchs für ihn kaum ein
einziges Gemüse", sagte Mr. Filer. „Ich kann das durch Tabel en
beweisen."
Aber dennoch lobte der rotgesichtige alte Gentleman die guten
alten Zeiten, die herrlichen alten Zeiten, die großen alten Zeiten.
Was auch jemand anderes sagen mochte, er leierte stets
dieselben Ausdrücke daher, wie ein armer Goldhamster seinen
sich wälzenden Käfig um und um dreht. Und der Goldhamster
hat von dem Mechanismus seines Käfigs wahrscheinlich ebenso
klare Vorstellungen wie dieser rotgesichtige Gentleman von
seinem verschwundenen Traum.
Möglich, daß der Glaube das armen alten Trotty an diese sehr
wirren alten Zeiten nicht ganz zerstört war, denn er fühlte sich in
diesem Augenblick verwirrt 84
genug. Soviel aber wurde ihm in seiner Not klar, daß, wie sehr
auch diese Gentlemen im einzelnen verschiedener Meinung sein
mochten, seine Bedenken von diesem Morgen und von vielen
anderen Morgen ganz begründet waren.
„Nein, nein, wir können nichts recht machen", dachte Trotty in
Verzweiflung.
„Es ist nichts Gutes in uns. Wir sind böse geboren!"
Aber Trotty hatte ein Vaterherz in seinem Innern, das, dieser
Entscheidung zum Trotz, irgendwie in seine Brust gekommen
war, und er konnte es nicht ertragen, daß diese weisen
Gentlemen seiner Tochter gerade zur Zeit der Blüte ihres kurzen
Glücks ihr Geschick voraussagen sol ten. „Gott helfe ihr", dachte
der arme Trotty. „Sie wird es bald genug von selbst erfahren."
Er gab daher dem jungen Schmied ängstlich durch Zeichen zu
verstehen, daß er mit fortgehen sol te, aber Richard plauderte in
einiger Entfernung so angeregt mit ihr, daß er es gar nicht sah.
Nun hatte der Alderman sein Sprüchlein noch nicht angebracht;
aber er war ein Philosoph, und obendrein ein praktischer, oh, ein
sehr praktischer Philosoph, und da er keine Lust hatte, auf einen
Teil seiner Zuhörerschaft zu verzichten, so rief er: „Halt!"
„Sie wissen", sagte der Alderman mit jenem selbstgefälligen
Lächeln, das gewöhnlich auf seinem Ges icht lag, zu seinen
beiden Freunden, „ich bin ein einfacher, praktischer Mann und
liebe es, in einfacher, praktischer Weise bestimmte Dinge beim
Namen zu nennen. Es ist durchaus nicht schwer und es ist keine
geheimnisvolle Kunst, mit derartigen Leuten umzugehen, wenn
geheimnisvolle Kunst, mit derartigen Leuten umzugehen, wenn
man sie nur versteht und in ihrer eigenen Weise zu ihnen
sprechen kann. Nun, Dienstmann, weder Ihr noch irgend jemand
anders, mein Freund, braucht mir zu sagen, daß Ihr nicht immer
genug und vom Besten zu essen habt, denn ich weiß das besser.
Ich habe Euer Gekröse gekostet, müßt Ihr wissen, und Ihr könnt
mich nicht beschummeln. Ihr wißt, was ,beschummeln' bedeutet,
he? Das ist das rechte Wort — nicht wahr? Ha-haha! Du lieber
Himmel", fuhr der Aldermann gegen seine Freunde fort, „es ist
die leichteste Sache von der Welt, mit solchen Leuten zu
verkehren, wenn man sie nur versteht."
Ein famoser Mann für das gemeine Volk, der Alderman Gute!
Ein umgänglicher, gesprächiger, scherzhafter, gescheiter
Gentleman!
„Ihr seht, mein Freund", fuhr der Alderman fort, „man spricht da
viel Unsinn von Mangel und von ,Harthergehen' — nicht wahr,
so nennt man's? Hahaha! -
aber ich versuche, das Geschrei zu dämpfen. Es ist nachgerade
Mode, übers Verhungern zu klagen; aber ich will der Sache
einen Riegel vorschieben. Gott behüte", fuhr der Aldermann fort,
„man kann solchen Leuten alles austreiben, wenn man nur weiß,
wie man's angreifen muß!"
Trotty ergriff Megs Hand und zog sie durch seinen Arm, ohne
eigentlich recht zu wissen, was er tat.
„Eure Tochter, he?" fragte der Alderman, ihr vertraulich unter
das Kinn fassend.
Stets leutselig gegen die arbeitende Klasse, der Alderman Gute!
Wußte, was ihnen gefiel! Kein bißchen stolz! „Wo ist ihre
Mutter?" fragte der würdige 85
Gentleman. „Tot", erwiderte Toby. „Ihre Mutter besserte
Wäsche aus und wurde in den Himmel abgerufen, als Meg auf
die Welt kam."
„Vermutlich nicht, um dort Wäsche auszubessern", bemerkte der
Alderman scherzhaft.
Ob Toby seine Frau im Himmel von ihrer alten Beschäftigung
trennen konnte oder nicht, bleibe dahingestel t. Jedoch eine
Frage: Wenn Mrs. Alderman Gute in den Himmel eingegangen
wäre, hätte dann Mr. Alderman Gute von ihr so gesprochen, als
hätte sie dort irgendeine Stellung oder Beschäftigung? „Und Ihr
seid ihr Liebster, he?" fragte Gute den jungen Schmied.
„Ja", entgegnete Richard hastig, denn die Frage ärgerte ihn. „Und
wir werden am Neujahrstag heiraten." „Was sagt Ihr da?" rief
Mr. Filer scharf. „Heiraten?"
„Nun ja, wir denken daran, Sir", antwortete Richard. „Ihr seht,
wir müssen uns ein bißchen dranhalten.
„Ah!" rief Filer mit einem Stöhnen. „Jawohl, Alderman!
Heiraten! Heiraten!! Die Unwissenheit dieser Leute in den
Anfangsgründen der Nationalökonomie, ihre Unvorsichtigkeit
und ihre Gottlosigkeit sind, beim Himmel, genug, um — da sehen
Sie nur einmal dieses Paar an!"
Ei ja, man durfte s ie wohl ansehen - und Heiraten schien das
vernünftigste und passendste Vorhaben zu sein, das sie im Sinn
haben konnten.
„Man kann so alt werden wie Methusalem", sagte Mr. Filer,
„und sich sein ganzes Leben lang zum Besten solcher Leute
abmühen; man kann bergehoch Tatsachen auf Zahlen, Tatsachen
auf Zahlen, Tatsachen auf Zahlen häufen, aber es ist eine ebenso
vergebliche Hoffnung, sie zu überzeugen, daß s ie keine Befugnis
und kein Recht haben, zu heiraten, wie wenn man ihnen
vergeblich nachweisen wird, daß ihnen jede Befugnis abgeht,
geboren zu werden. Und daß das der Fall ist, wissen wir recht
wohl, da wir's längst zu einer mathematischen Gewißheit erhoben
haben."
Alderman Gute war ungemein erbaut und legte seinen rechten
Zeigefinger an seine Nase, als wol te er zu seinen beiden
Freunden sagen: „Gebt jetzt gut acht, hört ihr? Paßt auf, was der
nüchterne Pragmatiker zu sagen hat!" - Dann rief er Meg heran.
„Komm her, mein Mädchen!" sagte Alderman Cute.
„Komm her, mein Mädchen!" sagte Alderman Cute.
Das junge Blut ihres Liebhabers war in den letzten paar Minuten
zornig aufgewal t, und er hatte nicht Lust, sie gehen zu lassen.
Dennoch tat er sich Zwang an, trat, als Meg sich näherte, mit
einem weiten Schritt vor und stel te sich an ihre Seite. Trotty hielt
noch immer ihre Hand unter seinem Arm, blickte aber so wirr
wie der Schläfer in einem Traum von Gesicht zu Gesicht.
„Ich will Euch jetzt ein paar Wörtchen als guten Rat mitgeben,
mein Mädchen", sagte der Alderman in seiner leichten,
angenehmen Weise. „Ihr wißt, daß es mir zusteht, Rat zu erteilen,
weil ich Friedensrichter bin. Es ist Euch wahrscheinlich bekannt,
daß ich Friedensrichter bin?"
Meg antwortete schüchtern „Ja." Denn jedermann wußte, daß
Alderman Cute ein Friedensrichter war - und, oh mein Gott,
welch ein tätiger Friedensrichter!
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„Ihr wol t also heiraten, sagt Ihr?" fuhr der Alderman fort. „Das
ist sehr unschicklich von einer Person Eures Geschlechts! Doch
reden wir nicht davon.
Wenn Ihr geheiratet habt, werdet Ihr mit Eurem Mann zanken
und ein unglückliches Weib werden. Ihr glaubt's vielleicht nicht,
aber es wird doch so kommen, weil ich's Euch sage. Ich warne
Euch deshalb ehrlich und bemerke im voraus, daß ich mir
Euch deshalb ehrlich und bemerke im voraus, daß ich mir
vorgenommen habe, auch den unglücklichen Frauen einen Riegel
vorzuschieben. Mir dürft Ihr also nicht kommen. Ihr werdet
Kinder kriegen — Jungen. Diese Jungen werden natürlich
schlimm aufwachsen und ohne Schuhe und Strümpfe wild durch
die Straßen laufen. Merkt Euch das, meine junge Freundin - ich
werde sie dann samt und sonders einlochen lassen, denn ich bin
entschlossen, es auch den Jungen ohne Schuhe und Strümpfe zu
zeigen. Vielleicht stirbt Euer Mann jung (sehr wahrscheinlich) und
läßt Euch mit einem Säugling zurück. Man weist Euch dann die
Tür und Ihr müßt auf der Straße umherwandern. Kommt aber
nur mir nicht in die Nähe, meine Liebe, denn ich bin
entschlossen, es al en wandernden Müttern zu zeigen. Ja, ich bin
entschlossen, es al en jungen Müttern, welcher Art und von
welchem Schlag sie sein mögen, zu zeigen. Glaubt nicht, Ihr
könnt Euch mit Krankheit oder mit Säuglingen vor mir
entschuldigen, denn ich habe mir vorgenommen, es al en kranken
Personen und kleinen Kindern (ich hoffe, Ihr wißt, wie's im
Kirchengebet heißt, fürchte aber leider das Gegenteil) zu zeigen;
und wenn Ihr tatsächlich verzweifelt, gottlos und betrügerisch
einen Versuch macht, Euch zu ersäufen oder aufzuhängen, so will
ich kein Mitleid mit Euch haben, denn ich bin festen Willens,
auch den Selbstmord abzuschaffen. Wenn es etwas gibt", fuhr
der Alderman mit seinem selbstgefälligen Lächeln fort, „von dem
ich sagen kann, daß mein Sinn mehr darauf erpicht sei als auf
etwas anderes, so ist es die Abschaffung des Selbstmords.
Versucht es also nicht! Haha! Jetzt verstehen wir einander."
Versucht es also nicht! Haha! Jetzt verstehen wir einander."
Toby wußte nicht, sol te er sich grämen oder freuen, als er
bemerkte, daß Meg totenblaß wurde und die Hand ihres
Liebhabers fal en ließ.
„Und was Euch betrifft, Ihr junger Bul enbeißer", fuhr der
Alderman fort, indem er sich mit erhöhter Heiterkeit und
Leutseligkeit an den jungen Schmied wandte, „was denkt Ihr
Euch, daß Ihr heiraten wol t? Wozu braucht Ihr überhaupt zu
heiraten, Ihr einfältiger Mensch? Wenn ich ein hübscher, starker
junger Bursche wäre, wie Ihr, so würde ich mich schämen, solch
ein Weichling zu sein, um mich an die Schürzenbänder einer
jungen Frau zu heften! Sie wird ein altes Weib sein, ehe Ihr noch
in Eurem besten Alter steht, und schön werdet Ihr aussehen,
wenn Euch auf Wegen und Stegen ein schlampiges Weib und ein
Haufen Kinder nachschreit."
Oh, wie nett wußte Alderman Gute mit den gemeinen Leuten zu
scherzen!
„So - jetzt geht hin und bereut", sagte der Alderman. „Seid kein
solcher Narr, am Neujahrstag zu heiraten. Ihr werdet lange vor
dem nächsten Neujahrstag schon ganz anders darüber denken,
ein hübscher junger Kerl wie Ihr, dem al e Mädels nachgucken.
So - Ihr könnt jetzt gehen!"
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Und sie gingen. Nicht Arm in Arm, Hand in Hand oder mit
glänzenden Augen einander anblickend, sondern sie in Tränen, er
aber düster und niedergeschlagen.
„Da Ihr zufällig hier seid", sagte der Alderman zu Toby, „so
könnt Ihr mir einen Brief besorgen. Wie steht's aber mit der
Geschwindigkeit? - Ihr seid ein alter Mann."
Toby, der ganz betäubt Meg nachgeblickt hatte, versuchte zu
murmeln, daß er sehr rasch und recht gut bei Kräften sei.
„Wie alt seid Ihr?" fragte der Alderman.
„Über sechzig, Sir", versetzte Toby.
„Der Mann hat das Durchschnittsalter weit überschritten", fiel
Mr. Filer ein, als ob seine Geduld allerhand zu ertragen fähig sei,
das aber wirklich ein wenig zu weit gingen.
„Ich spüre wohl, daß ich lästig bin, Sir", sagte Toby. „Ich -ich
hab's schon diesen Morgen geahnt. Ach du lieber Himmel!"
Der Alderman unterbrach ihn, indem er einen Brief aus seiner
Tasche zog und ihn Toby Veck übergab. Dieser würde dazu
auch einen Schilling erhalten haben; da aber Mr. Filer klar
nachwies, daß er in diesem Falle eine gewisse gegebene Anzahl
von Personen je um neuneinhalb Pence bringe, so erhielt er nur
ein Sixpencestück. Gleichwohl war er schon darüber überfroh.
ein Sixpencestück. Gleichwohl war er schon darüber überfroh.
Dann reichte der Alderman jedem seiner Freunde einen Arm und
zog triumphierend von dannen; unmittelbar darauf kam er jedoch
eiligst al ein zurück, als ob er etwas vergessen hätte.
„Dienstmann!" sagte der Alderman.
„Sir!" versetzte Toby.
„Gebt auf Eure Tochter acht. Sie ist viel zu hübsch."
„Schätze wohl, selbst ihr hübsches Aussehen muß jemand
gestohlen sein", dachte Toby, indem er das Sixpencestück in
seiner Hand ansah und sich im Geiste das Gekröse vor Augen
hielt. „Sollte mich nicht wundern, wenn sie fünfhundert
vornehmen Damen je ein Stück Blüte entrissen hätte. Es ist ganz
schrecklich!"
„Sie ist viel zu hübsch, mein guter Mann", wiederholte der
Alderman. „Ich sehe völlig klar voraus, daß aus ihr nichts Gutes
werden wird. Merkt euch das, was ich Euch sage, und habt ein
wachsames Auge auf sie!"
Mit diesen Worten eilte er wieder davon.
„Überall im Unrecht - überall im Unrecht!" sagte Trotty, seine
Hände zusammenschlagend. „Zum Schlechten geboren. Nichts
hier zu schaffen!"
Die Glocken tönten hal end zusammen, als er diese Worte
sprach - voll, laut und kräftig, aber ohne Ermutigung. Nein, keine
Spur davon.
„Die Weise hat s ich geändert", rief der alte Mann, während er
horchte, „'s ist nicht ein Ton darin, an dem man seine Freude
haben könnte, wie ich mir eingebildet hatte. Doch warum auch?
Was habe ich mit dem neuen oder dem alten Jahr zu schaffen?
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Dennoch hallten die Töne fort, daß die ganze Luft davon
erdröhnte. „Zeig es ihnen zeig es ihnen! Gute alte Zeiten, gute
alte Zeiten! Tatsachen und Zahlen, Tatsachen und Zahlen! Zeig
es ihnen, treib es ihnen aus!" Wenn s ie überhaupt etwas sagten,
so sagten sie nur das, bis dem alten Toby der Kopf schwindelte.
Er drückte seine Hände an die Schläfen, als wol te er sie vor
dem Bersten bewahren. Wie sich's herausstel te, tat er sehr gut
daran, denn er fand, daß er in der einen den Brief hatte, und
wurde dadurch an seinen Auftrag erinnert.
Mechanisch setzte er sich in seinen gewöhnlichen Trab und
trottete davon.
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Das zweite Viertel
Der Brief, den Toby von Alderman Gute erhalten hatte, war an
einen bedeutenden Mann in dem besten Distrikt der Stadt
adressiert. Das beste Viertel der Stadt. Es mußte es auch wohl
sein, weil er gemeinhin von seinen Bewohnern
„die Welt" genannt wurde.
Der Brief kam Tobys Hand weit schwerer vor als ein anderer
Brief — nicht weil ihn der Alderman mit einem sehr großen
Wappen und einer endlosen Lackverschwendung gesiegelt hatte,
sondern wegen des wichtigen Namens auf dem Umschlag und
der schweren Menge von Gold und Silber, an die er erinnerte.
„Wie ganz anders ist's da als bei uns!" dachte Toby in aller
Einfalt, als er die Adresse las. „Teile man die Anzahl der
geschlachteten Schildkröten durch die Zahl der vornehmen
Leute, die s ie kaufen können, und welchen Anteil erhält er
davon als eben seinen eigenen? Er würde es freilich
verschmähen, einem ändern sein Gekröse vor dem Mund
wegzunehmen."
Mit der unwillkürlichen Huldigung, die einem so
hochwohlgeborenen Mann gebührte, brachte Toby einen Zipfel
seiner Schürze zwischen den Brief und seine Finger.
seiner Schürze zwischen den Brief und seine Finger.
„Seine Kinder", fuhr Trotty fort, und ein Nebel legte sich vor
seine Augen,
„seine Töchter - Gentlemen können kommen, ihre Herzen
gewinnen und sie heiraten. Sie dürfen glückliche Frauen und
Mütter werden; sie dürfen hübsch sein, wie meine liebe M-e-."
Er konnte den Namen nicht zu Ende bringen. Der letzte
Buchstabe schwoll in seiner Kehle zu dem Umfang des ganzen
Alphabets an.
„Doch was auch", dachte Trotty. „Ich weiß, was ich meine, das
ist mehr als genug für mich." Und mit dieser tröstlichen
Betrachtung trabte er weiter. Es herrschte an diesem Tag
strenger Frost und die Luft war Stärkend, frisch und klar. Die
winterliche Sonne gab zwar keine Wärme, goß aber auf das Eis,
das sie nicht schmelzen konnte, ihren Glanz aus, so daß es
strahlte und funkelte. Zu ändern Zeiten hätte Trotty vielleicht
dieser Wintersonne eine Armenmannes lehre abgewinnen
können, aber er war jetzt darüber hinaus.
Das Jahr war alt an diesem Tag. Es hatte geduldig die Vorwürfe
und Schmähungen seiner Lästerer überlebt und war getreulich
mit seinem Werk zu Ende gekommen. Frühling, Sommer,
Herbst, Winter. Es hatte sich durch den ihm bestimmten
Kreislauf hindurchgearbeitet und legte jetzt sein müdes Haupt
nieder, um zu enden. Selbst al er weiteren Hoffnung, jedes hohen
nieder, um zu enden. Selbst al er weiteren Hoffnung, jedes hohen
Antriebs und tätigen Glückes bar und nur noch ein Bote vieler
Freuden für andere, verlangte es weiter nichts, als daß man sich
seiner vielen mühseligen Tage und geduldigen Stunden erinnere
und es dann in Frieden hinscheiden lasse. Trotty hätte aus dem
entschwindenden Jahr eine Armenmannesallegorie lesen können,
aber er war jetzt darüber hinaus. Und nur er? Oder war nicht
immer und immer wieder dieselbe Mahnung an das siebzigjährige
Haupt eines englischen Arbeiters ergangen, und war sie nicht
stets vergeblich gewesen? Die Straßen waren voller 90
Leben und in den Schaufenstern sah man prunkvolle Auslagen.
Wie einem jugendlichen Erben der ganzen Welt sah man dem
neuen Jahr mit Freude, Willkommen und Geschenken entgegen.
Da lagen Bücher und Spielzeug für das neue Jahr, funkelndes
Geschmeide für das neue Jahr, Anzüge für das neue Jahr,
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.