Kitabı oku: «Vom Geheimnis der schönsten Liebe», sayfa 4
Die Rose und die Lilie
„Ich bin die Rose von Saron und die Lilie der Täler.“ Hohelied Salomos 2,1
Es ist unser Herr, der hier spricht: „Ich bin die Rose von Saron.“ Wie kommt es, dass er sich selbst empfiehlt, denn es ist doch ein altes und wahres Wort, dass Eigenlob keine Empfehlung ist? Nur eitle Geschöpfe loben sich selbst, und doch lobt sich Jesus wiederholt. Er sagt: „Ich bin der gute Hirte“ ‒ „Ich bin das Brot des Lebens“ ‒ „Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.“ Und so betont er in verschiedenen Reden seine eigenen Vortrefflichkeiten, und Jesus ist doch nicht eitel! Aber ich sagte, dass jedes Geschöpf, das sich selbst lobt, eitel ist, und das ist auch wahr. Wie sollen wir dieses Rätsel lösen? Ist nicht dies die Antwort, dass er überhaupt kein Geschöpf ist und darum nicht unter diese Regel fällt? Das Selbstlob des Geschöpfes ist Eitelkeit, wenn aber der Schöpfer sich lobt, wenn Gott der Herr seine Herrlichkeit offenbart, so ist das sein volles Recht. Regiert Gott nicht beides, die Vorsehung und die Gnade, zur Offenbarung seiner Herrlichkeit, und stimmen wir nicht freudig dem zu, dass nichts anderes des göttlichen Sinnes würdig ist? Weil denn Christus so von sich redet, dass kein Mensch ihn als ehrgeizig bezeichnen kann, so liegt darin ein indirekter Beweis für seine Gottheit, und ich beuge mich vor ihm und preise ihn, dass er mir diesen gelegentlichen Beweis davon gibt, dass er kein Geschöpf, sondern der Unerschaffene ist. Keine Worte kommen passender von seinen Lippen als diese: „Ich bin die Rose von Saron und die Lilie der Täler.“
Wenn der Herr sich selbst lobt, so tut er es ohne Zweifel aus einem vortrefflichen Grund, nämlich dem, dass niemand als er selbst ihn den Menschenkindern offenbaren kann. Keine Lippen können den Herzen die Liebe Christi erzählen, bis Christus selber innerlich spricht. Alle Beschreibungen sind matt und lahm, wenn der Heilige Geist sie nicht mit Kraft und Leben füllt; solange der Immanuel sich nicht dem Innersten des Herzens offenbart, sieht die Seele ihn nicht. Wenn ihr die Sonne sehen möchtet, würdet ihr zu dem Zweck eure Lichter anzünden: Der Weise weiß, dass die Sonne sich selbst offenbaren muss und nur in ihrem eigenen Glanz gesehen werden kann. So ist es mit Christus. Wenn er sich uns nicht offenbart, wie er es der Welt gegenüber nicht tut, können wir ihn nicht sehen. Er muss zu uns sagen: „Ich bin die Rose von Saron“, denn alle Erklärungen der Menschen, dass er die Rose von Saron ist, reichen nicht aus.
Ist es uns allen nicht klar genug, dass Jesus, da er Gott ist, sehr passend sich selber lobt, und dass er sich selbst notwendig empfehlen muss, da wir sonst als schwächliche Geschöpfe überhaupt nie imstande sein würden, seine Schönheit zu bemerken? Wohl dem Menschen, welchem der Herr seine Schönheiten enthüllt. Er ist die Rose, aber es ist nicht allen Menschen gegeben, seinen Duft zu empfinden. Er ist die schönste aller Lilien; aber es gibt nur wenige Augen, die seine unvergleichliche Reinheit angeschaut haben. Er steht vor der Welt da als ohne Gestalt noch Schönheit, als eine Wurzel aus dürrem Erdreich, von den Eitlen verachtet und von den Stolzen verworfen.
Die große Masse dieser kurzsichtigen Welt kann von den unvergleichlichen Herrlichkeiten Immanuels nichts sehen. Nur, wo der Geist das Auge mit Augensalbe berührt, das Herz mit göttlichem Leben belebt und die Seele zu einem himmlischen Geschmack erzogen hat, nur da wird das Liebeswort meines Textes gehört und verstanden: „Ich bin die Rose von Saron und die Lilie der Täler“ ‒ „Euch nun, die ihr glaubt, ist er köstlich.“ „Euch ist er der Eckstein, euch ist er der Fels des Heils, euer Alles in Allem; aber anderen ist er der „Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses, die sich stoßen an dem Wort und glauben nicht daran.“
Ehe wir einen Schritt weiter gehen, sei es unser Gebet, dass unser Erlöser sich nun seinem erwählten Volk offenbaren und es wenigstens mit einem Lichtblick auf seine alles überwindende Anmut beschenken wolle.
I.
Zuerst will ich, wenn der Heilige Geist mir hilft, ein wenig mit euch reden über die Beweggründe unseres Herrn, sich so selbst zu empfehlen.
Ich fasse es so auf, dass er Liebesabsichten in seiner Redeweise hat. Er möchte sein ganzes Volk reich an hohen und glücklichen Gedanken über seine herrliche Person haben. Jesus ist nicht damit zufrieden, dass seine Brüder niedrig von ihm denken; er wollte, dass wir verbunden mit den freudigsten und glücklichsten Gedanken ihm gegenüber auch anbetende Bewunderung für ihn haben. Wir sollen ihn nicht nur als eine bloße Notwendigkeit wie Brot und Wasser ansehen, sondern sollen ihn als eine Delikatesse, als eine seltene und entzückende Wonne betrachten, die etwa mit der Rose und Lilie vergleichbar ist. Ihr bemerkt, dass sich der Herr hier poetisch ausdrückt. „Ich bin die Rose von Saron.“ Dieses Buch des Hohenliedes ist dem geistlichen Sinn Poesie der höchsten Art, und das Erhabene und Schöne ist in der ganzen Heiligen Schrift so sehr zu Hause wie der Adler auf seinem Horst. Sicher nimmt der Herr die Redeform in diesem Hohenlied an, um zu zeigen, dass der höchste Grad poetischer Fähigkeiten ihm geweiht sein sollte und dass erhabene Gedanken und hochstrebende Auffassungen von ihm verbunden sind, ihm zu den Füßen seines Kreuzes zu huldigen. Jesus wollte, dass wir die höchsten Gedanken von ihm hegen sollten, die uns durch die erhabenste Poesie enthüllt werden könnten, und ich will mich bemühen, euch seine Beweggründe zu unterbreiten.
Ohne Zweifel empfiehlt er sich selbst, weil hohe Gedanken von Christus uns in den Stand setzen, in Übereinstimmung mit unseren Beziehungen zu ihm zu handeln. Die gerettete Seele hat sich mit Christus verlobt. Im Eheleben nun fördert es die Glückseligkeit sehr, wenn die Frau eine hohe Meinung von dem Mann hat. In der Verbindung zwischen der Seele und Christus ist dies außerordentlich notwendig. „Er ist dein Herr, und du sollst ihn anbeten.“ „Denn der Mann ist das Haupt der Frau, gleichwie auch Christus das Haupt ist der Gemeinde, und er ist seines Leibes Heiland.“ Wenn die Frau den Ehemann verachtet und auf ihn herabblickt, dann ist die Ordnung durchbrochen und der Haushalt außer Ordnung, und wenn unsere Seele Christus je verachten sollte, dann kann sie nicht länger in der rechten Beziehung zu ihm stehen; aber je erhabener wir Christus auf dem Thron sehen und je niedriger wir sind, wenn wir uns vor dem Thron beugen, desto wirklicher sind wir bereit, gegenüber dem Herrn Jesus zu handeln, wie es die Gnadenordnung erfordert. Unser Herr wünscht, dass wir hoch von ihm halten, damit ihr euch freudig seiner Autorität unterwerft und euch als die beste Braut diesem besten Mann erweist.
Ferner weiß unser Herr, dass hohe Gedanken von ihm unsere Liebe vermehren. Menschen werden das nicht sehr lieben, was sie nicht hoch schätzen. Lieben und Schätzen gehen miteinander. Es gibt eine Liebe des Mitleids, aber diese wäre in Bezug auf unser erhöhtes Haupt nicht am Platz. Wenn wir ihn überhaupt lieben, muss es die Liebe der Bewunderung sein, und je höher diese Bewunderung steigt, desto inniger wird unsere Liebe entflammen. Meine Brüder und Schwestern, ich bitte euch, denkt viel über eures Meisters Vortrefflichkeiten nach! Studiert ihn in seiner ursprünglichen Herrlichkeit, ehe er eure Natur an sich nahm! Denkt an die mächtige Liebe, die ihn von seinem Thronhimmel herabzog um am Kreuz der Schmach zu sterben! Bewundert ihn, wenn ihr seht, wie er in seiner Schwäche über alle Mächte der Hölle siegt und durch sein Leiden alle Heere eurer Sünden überwindet, so dass sie sich nie wieder gegen euch erheben können! Seht ihn auferstanden, um nie mehr zu sterben; gekrönt um nie wieder entehrt zu werden; verherrlicht, um nie mehr zu leiden! Beugt euch vor ihm, denn nur so wird eure Liebe zu ihm sein, wie sie sein sollte!
Ferner ist eine hohe Meinung von Christus sehr notwendig zu unserem Trost. Dann erscheinen euch die Dinge dieser Welt sehr unbedeutend, und ihr Verlust wird nicht so sehr empfunden. Wenn euch eure Verluste und Kreuze so gewichtig werden, dass die Schwingen der Liebe Christi euch nicht über den Staub zu erheben vermögen, dann habt ihr zuviel von der Welt und zu wenig von Christus. Wenn ihr durch eure Trübsale so bedrückt seid, dass ihr euch gar nicht freuen könnt, obgleich ihr wisst, dass eure Namen im Himmel angeschrieben sind, dann fürchte ich, dass ihr Jesus nicht lieben könnt, wie ihr solltet. Verschafft euch glückliche Gedanken von ihm, und ihr werdet gleich dem Mann fühlen, der einen Kieselstein verloren, aber seine Diamanten behalten hat. Ihr werdet euch in eurer tiefsten Not freuen, weil Jesus euer ist, d. h. wenn ihr ein hohes Bewusstsein von der Köstlichkeit eures Meisters habt. Jesus, Jesus, Jesus, sei du mit uns, und wir hören auf, unsere Plätze und Lagen selber zu erwählen; wirf uns in Nebukadnezars Ofen, und wir wollen kein Unglück fürchten, wenn Du als unser Gesellschafter bei uns sein willst.
Ferner möchte der Herr, dass wir große Gedanken über ihn in uns aufnehmen, weil dies alle Kräfte unserer Seele belebt. Ich sagte soeben, dass die Liebe infolge unserer Meinung von Jesus an Kraft gewinne, und ich könnte dasselbe vom Glauben oder von der Geduld oder von der Demut sagen. Wo Christus hoch geschätzt wird, da üben sich die Fähigkeiten des geistlichen Menschen mit Energie. Ich will eure Frömmigkeit nach diesem Barometer beurteilen: Steht Christus hoch oder niedrig vor euch? Wenn ihr gering von ihm denkt und damit zufrieden sein könnt, dass ihr ohne seine Gemeinschaft lebt, wenn ihr euch wenig um seine Ehre kümmert, wenn ihr gleichgültig seid hinsichtlich seiner Anordnungen, dann weiß ich, dass eure Seelen krank sind; Gott gebe uns, dass es keine Krankheit zum Tode sei! Aber wenn es euer erster Gedanke ist, wie ihr Jesus verherrlichen könnt, wenn es der tägliche Wunsch eurer Herzen ist: „Dass ich wüsste, wo ich ihn finden könnte!“ dann bin ich davon überzeugt, dass ihr sicher seid, weil ihr hoch von Jesus haltet. Wie denkst du über den König in seiner Schönheit? Hat er einen herrlichen hohen Thron in deinem Herzen? Möchtest du ihn noch höher heben, wenn du könntest? Würdest du bereit sein zu sterben, wenn du zu dem Chor, der seinen Ruhm verkündigt, noch eine Posaune hinzufügen könntest? Dann steht es gut mit dir. Was du auch immer von dir selbst denken magst ‒ wenn Christus groß in dir ist, dann wirst du bald bei ihm sein.
Hohe Gedanken von Christus werden uns zu hohen Unternehmungen zu seiner Ehre veranlassen. Was können Menschen nicht ausrichten, wenn sie von der Leidenschaft der Liebe beherrscht werden! Wenn der große Gedanke der Liebe zu Gott Besitz von der Seele genommen hat, sind Menschen imstande, tatsächlich auszuführen, was anderen nicht einmal in den Sinn gekommen ist.
Die Liebe hat über Unmöglichkeiten gelächelt, und sie hat bewiesen, dass viele Wasser sie nicht ersäufen und Ströme sie nicht ertränken können. Was hat die Liebe zu Christus in den verschiedenen Missionen zustande gebracht! Es ist nicht möglich gewesen, den Eifer der Himmelserben zu überwinden, obgleich sich alle Elemente mit der Grausamkeit der Gottlosen und mit der Bosheit der Hölle verbunden hatten. Christi Diener haben weit überwunden durch den, der sie geliebt hat, nachdem seine Liebe durch den Heiligen Geist in ihre Herzen ausgegossen worden war und sie erhabene Gedanken von ihrem Herrn in sich aufgenommen hatten.
II.
Welches auch immer der lobenswerte Beweggrund zu einem Ausspruch sein mag, er darf nicht getan werden, wenn er nicht genau richtig ist, und darum komme ich dazu, des Herrn Rechtfertigung für diese Empfehlung zu beachten, und sie ist überschwänglich befriedigend für alle, die ihn kennen.
Was unser Herr von sich sagt, ist durchaus wahr und keine Übertreibung. Beachtet jedes seiner Worte! Er beginnt: „Ich bin.“ Ich will nicht auf diesen beiden Wörtchen bestehen, aber man tut der Sprache keinen Zwang an, wenn man sagt, dass hier eine große Tiefe zu finden ist. Welches Geschöpf kann mit genauer Wahrhaftigkeit sagen: „Ich bin“? Der Mensch könnte eher sagen „Ich bin nicht“ als „Ich bin“. Wir sind so kurze Zeit hier und sind sobald dahin, dass die Eintagsfliege unsere Schwester ist. Jesus sagt: „Ich bin“, und gelobt sei sein Name, er kann die Eigenschaften der Selbstexistenz und der Unveränderlichkeit mit Recht für sich in Anspruch nehmen.
In den Tagen seines Fleisches sagte er: „Ich bin“, und er sagt uns zu dieser Stunde: „Ich bin“; was er jemals war, das ist er, und was er seinen Heiligen jemals gewesen ist, das ist er uns noch heute. Komm, meine Seele, freue dich deines unveränderlichen Christus, und wenn du nichts Weiteres als diese zwei ersten Worte des Textes erhältst, so hast du doch ein Mahl, das deinen Hunger stillt, so dass du in der Kraft dieser Speise mit Elias weitere vierzig Tage wandern kannst. „Ich bin“ hat sich dir in einer viel herrlicheren Weise geoffenbart, als er sich einst dem Moses im brennenden Busch offenbarte; das große „Ich bin“ im menschlichen Fleisch ist dein Heiland und dein Herr geworden.
„Ich bin die Rose.“ Wir verstehen darunter, dass Christus lieblich ist. Er erwählt eine der reizendsten Blumen, um sich selbst darzustellen. Alle Schönheiten aller Kreaturen sind in Christus in größerer Vollkommenheit zu finden als in den Kreaturen selbst. „Was wahrhaftig, was ehrbar, was gerecht, was rein, was lieblich, was wohl lautet“ ‒ alles ist in unserem Vielgeliebten zusammengefasst zu finden. Was an Schönheit in der materiellen Welt sein mag, das besitzt Christus alles in der geistlichen Welt, nur in einem vielfach größeren Maß. Er ist unendlich schöner in dem Garten der Seele und im Paradies Gottes, als die Rose im Garten der Erde sein kann, obgleich sie die allgemein anerkannte Königin der Blumen ist.
Aber der Bräutigam fügt hinzu: „Ich bin die Rose von Saron.“ Diese war die beste und seltenste der Rosen. Jesus ist nicht die Rose allein, sondern „die Rose von Saron“, ebenso wie er seine Gerechtigkeit „Gold“ nennt und dann hinzufügt: „Das Gold von Ophir“ ‒ das Beste vom Besten. Jesus ist also nicht nur positiv lieblich, sondern im Superlativ der Lieblichste. Der Sohn Davids nimmt unter den Schönsten unter den Zehntausenden den ersten Platz ein. Er ist die Sonne, und alle anderen sind die Sterne; vor ihm verbergen sich die schwächeren Lichter, denn sie sind nichts, und er ist alles in allem. Schämt euch eurer Entstellungen, ihr Schönheiten der Erde, denn seine Vollkommenheiten verdunkeln euch! Im Vergleich zu ihm sind die Himmel schwarz und der Tag ist dunkel. Oh, ihn von Angesicht zu Angesicht sehen zu können! Das wäre ein Anblick, für den man das Leben gern hingeben möchte.
Der Herr fügt hinzu: „Ich bin die Lilie“, so gibt er sich eine doppelte Empfehlung. In der Tat, Jesus Christus verdient, nicht nur doppelt, sondern siebenfältig gepriesen zu werden. Häuft alle Bilder auf, die Lieblichkeit ausdrücken, bringt alle Eigenschaften zusammen, die Herrliches beschreiben, und der ganzen menschlichen Sprache wird es fehlen, von ihm zu erzählen. Die Rose mit aller ihrer Röte ist nicht vollständig, bis die Lilie ihre Reinheit hinzufügt, und beide zusammen geben unseren Herrn nur dunkel wieder. Ich entnehme dem Text, dass ihr in Christus eine Verschmelzung gegenübergestellter Vortrefflichkeiten habt. Wenn er rot ist von der Glut mutigen Eifers oder rot in dem Triumph, mit welchem er von Edom zurückkehrt, ist er die Rose; aber wenn er ein Kämpfer ohne sündigen Zorn oder grausame Rache ist, so ist er so rein und fleckenlos wie die schüchterne Jungfrau, die mit der Taube spielt; er ist darum unsere schneeweiße Lilie. Ich sehe ihn rot wie die Rose in seinem Opfer; aber ich sehe ihn weiß wie die Lilie, wenn er in seiner vollkommenen Gerechtigkeit in die Höhe fährt in seinem weißen Siegesgewand, um Gaben für die Menschen zu empfangen. Unser Geliebter ist eine Mischung aller Vollkommenheiten zu einer Vollkommenheit.
Er ist die „Lilie der Täler“. Will er uns damit andeuten, dass er in seinem niedrigsten Zustand eine Lilie, eine Lilie des Tales ist? Ist der Sohn des Zimmermanns der in Armut lebt und das gewöhnliche Gewand der Armen trägt, die Lilie der Täler? Ja, er ist euch und mir, uns armen Bewohnern des Tieflandes, eine Lilie. Dort oben ist er eine Lilie auf den Bergesspitzen, wo alle himmlischen Augen ihn bewundern; hier unten in diesen Tälern der Sorgen und Befürchtungen ist er eine Lilie noch so schön wie im Himmel. Unsere Augen können seine Schönheit sehen, die Schönheit einer Lilie, wenngleich wir den König in seiner Schönheit nicht gesehen haben, sage ich euch dennoch, dass Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist, wie Jesus Christus in unseren Augen es wird, während wir den Blick im Glauben auf ihn richten.
Die Worte, die wir nacheinander besehen haben, lehren uns, dass Christus allen unseren geistlichen Sinnen lieblich ist. Die Rose ist dem Auge schön, aber ebenso erfrischend dem Geruch, und die Lilie ist es ebenso. So ist Jesus. Alle Sinne der Seele werden durch ihn erquickt und befriedigt; in Jesus ist alle Anmut. Selbst wenn wir den Gesalbten nicht gesehen haben, haben wir seine Gegenwart doch oft empfunden. Wenn wir ein Haus betreten, in welchem er geliebt wird, können wir, obgleich wir nichts in Bezug auf Christus hören mögen, doch deutlich genug merken, dass er da ist; ein heiliger Einfluss durchdringt das ganze Haus, so dass, wenn Jesus auch unsichtbar ist, es doch klar ist, dass er nicht unbekannt ist. In jedem Haus, wo Christus ist, wird sich, selbst wenn ihr seinen Namen nicht hört, der Einfluss seiner Liebe erkennbar machen.
Unser Herr ist so lieblich, dass selbst die Erinnerung an seine Liebe entzückend ist. Nehmt die Rose von Saron und pflückt ein Blatt nach dem anderen ab, und legt die Blätter in den Krug des Gedächtnisses, und ihr werdet noch lange nachher finden, dass jedes Blatt duftet und das Haus mit Wohlgeruch erfüllt.
Jesus ist lieblich sowohl in der Knospe als auch voll aufgeblüht. Ihr bewundert die Rose ebenso wie die Knospe, wenn sie sich völlig entwickelt hat, und mir scheint, Christus war euch in der ersten Röte eures Glaubenslebens nicht weniger köstlich als er euch jetzt ist. Der voll erblühte Christus hat in unserer reiferen Erfahrung nichts von seiner Vortrefflichkeit verloren. Und werden wir es nicht als unseren höchsten Himmel betrachten, immerfort auf ihn blicken zu können, wenn wir ihn im Garten des Paradieses voll aufgeblüht sehen?
Christus ist so lieblich, dass er keiner Verschönerung bedarf. Wenn ich höre, wie Menschen es versuchen, in glatt polierten Sätzen von ihm zu sprechen, wie sie diese Sätze in ihren Konzepten verbessern und wieder verbessern, möchte ich sie fragen, ob sie es für nötig halten, die Rose von Saron oder die Lilie der Täler zu bemalen. Lasst uns Christus, den Gekreuzigtem hochhalten, und er selbst ist ohne unsere Pinselei schön genug. Lasst die raueste Zunge aufrichtig von ihm, selbst in gebrochenem aber ehrlichem Ausdruck, sprechen, und Jesus selbst ist ein so strahlender Juwel, dass die Einfassung nebensächlich ist; er ist so herrlich, dass er am meisten geschmückt ist, wenn er uns als der vom Heiligen Geist geschilderte begegnet. Er bedarf deiner Nachhilfe nicht.
Er ist so lieblich, dass er den höchsten Geschmack der Gebildetsten aufs völligste befriedigt. Der größte Liebhaber von wohlriechenden Duftstoffen kann mit der Rose ganz zufrieden sein, und ich sollte meinen, dass kein Mensch von Geschmack jemals imstande sein wird, die Lilie zu kritisieren und ihre Form zu bemängeln Wenn die Seele zur höchsten Entwicklung des rechten Geschmacks gelangt ist, wird sie immer noch mit Christus zufrieden sein; sie wird besser imstande sein, ihn zu schätzen. Die Schönheit Christi ist so, dass, wenn wir zum Gottesdienst in eine Scheune gehen, wir ebenso befriedigt werden, als ob wir uns in einem Dom mit hohen Säulen und bunten Fenstern befänden, und wir sind zufrieden, wenn auch nichts da ist, das dem Auge wohlgefällt oder das Ohr entzückt. Wenn unsere Seele dem Geliebten nahekommt, ist sie mit ihm so zufrieden, dass sie allen äußeren Schmuck als bloße Kinderspielzeuge betrachtet, der wohl geeignet ist, diese arme Welt zu amüsieren, aber vergeblicher Tand für Männer in Christus Jesus ist, die durch Gewohnheit geübte Sinne haben und die gelernt haben, sich an edleren Dingen zu vergnügen als an äußerlichen Schaueffekten und Zeremonien. Gott gebe es euch zu erkennen, dass, wenn ihr Schönheit haben wollt, Jesus Sarons Rose ist, und wenn ihr fleckenlose Anmut haben wollt, um euren rechten Geschmack zu befriedigen, er die Lilie der Täler ist.
III.
Ich führe euch nun zu einer dritten Betrachtung, nämlich dem Einfluss seiner Empfehlung auf uns.
Christus wünscht, dass wir hohe und unübertroffene Ansichten von ihm haben möchten, und sein Wunsch hat unser Bestes im Auge, und weil dem so ist, sollten wir bemüht sein, nach solchen heiligen Gedanken über ihn zu trachten. Und wenn ihr mich fragt, wie man dazu gelangen könne, so hört mir einige Augenblicke zu. Vergegenwärtigt euch das Verderben dieser Welt, ehe Christus hinein kam. Mir ist, als sähe ich in einem Gesicht eine heulende Wüste, eine große und schreckliche Wüste wie die Sahara. Ich sehe nichts darin, was das Auge erfreuen könnte, ringsumher heißer, glühender Sand, bestreut mit Tausenden von gebleichten Skeletten von elenden Menschen, die in ihrer Verzweiflung starben, da sie sich in der erbarmungslosen Wüste verirrt hatten. Welch ein schrecklicher Anblick! Ein Sandmeer ohne Grenze und ohne eine Oase, ein trostloser Leichenacker für ein verlorenes Geschlecht!
Aber was sehe ich da? Ich sehe von dem brennenden Sand plötzlich eine Wurzel, einen Zweig, eine berühmte Pflanze aufsprießen, und indem sie wächst, beginnt eine Knospe zu schwellen, und die Knospe öffnet sich ‒ es ist eine Rose, und neben ihr neigt eine Lilie ihr bescheidenes Haupt, und Wunder der Wunder! Indem der Duft dieser Blumen sich über die Luft der Wüste verbreitet, werde ich gewahr, dass die Wüste in ein frucht-bares Feld verwandelt wird und dass es ringsumher grünt und blüht; die Herrlichkeit des Libanons ist ihr gegeben, der Schmuck des Karmels und Sarons. Nenne es nicht Sahara, sondern nenne es Paradies. Sprich nicht mehr davon als von dem Tal des Todesschattens, denn wo ich die Skelette in der Sonne bleichen sah, da sehe ich eine Auferstehung, und die Toten, ein gewaltiges Heer, erheben sich voll unsterblichen Lebens ‒ ihr könnt das Gesicht verstehen.
Christus ist die Rose, die alles verändert hat. Wenn ihr große Gedanken von Christus haben wollt, denkt an euer eigenes Verderben. Dort sehe ich dich als ausgesetztes ungewaschenes Kind, das in seinem Blut daliegt, zu schmutzig, um angesehen zu werden. Und was ist das, was dir in das Herz gelegt worden ist und dich plötzlich schön und lieblich gemacht hat? Eine göttliche Hand hat eine Rose in deine Seele gesenkt, und um ihretwillen bist du bemitleidet worden; du bist von deiner Befleckung gewaschen und gereinigt worden, bist in die himmlische Familie aufgenommen; das schöne Siegel der Liebe ist dir an die Stirn und der Ring der Treue dir an die Hand gegeben worden; du bist eine Prinzessin vor Gott, die du eben noch eine ausgestoßene Waise warst. O, schätze die Rose, die dich zu dem gemacht hat, was du bist.
Bedenke, dass du dieser Rose täglich bedarfst. Du lebst in der verpesteten Luft dieser Welt; nimm Christus weg, und du stirbst. Christus ist die tägliche Nahrung deines Geistes. Du weißt, dass du ohne deinen Herrn gänzlich kraftlos bist. Schätze ihn deshalb im Verhältnis zu deinen Bedürfnissen. Da du ohne seine Gegenwart nicht einmal beten oder einen annehmbaren Gedanken hegen kannst, so drücke ihn als den Geliebten deiner Seele fest an dein Herz. Getrennt von ihm bist du wie ein abgeschnittener oder verdorrter Zweig, der zum Verbrennen über die Gartenmauer geworfen wird; wenn du ihm aber nahe bist, kannst du Frucht zur Ehre Gottes bringen. Darum schätze ihn hoch!
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