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Kitabı oku: «Das blutige Blockhaus», sayfa 11

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»Was soll das?« fragten wir, die wir bis zu den Gürteln im Wasser standen.

Eine neue Salve, die nur etwa hundert Schritt von uns abgefeuert wurde. Wir sahen jetzt die rot aufleuchtenden Flammen der Mündungsfeuer, hörten zugleich Stimmen durcheinander, in einer Sprache, die halb französisch, halb indianisch klang.

»Schießt alles tot, alles! Werft es ins Boot und ans Ufer! Haltet euch nicht auf!« brüllten sie.

»Es sind Akadier ihrer Aussprache nach!« bemerkte Lassalle.

Abermals eine frische Salve. Jetzt pfiffen einige Kugeln dicht an unsern Köpfen vorbei.

»Halt!« schrien wir. »Halt, wir sind hier! Schießt nicht eher, bis ihr seht, wohin und was ihr schießt!«

Einen Augenblick war es still. Dann brach ein wütendes Gelächter aus rauhen Kehlen.

»Schießt weiter, schießt!« riefen ein paar Stimmen.

»Wenn ihr schießt, so schießen wir auch!« schrien wir. »Hört auf zu schießen!«

»Morbleu! Sacré! Fichtre!« ließen sich jetzt zehn fluchende, brüllende Stimmen hören. »Wer ist da? Was haben die uns hier zu befehlen? Schießt sie nieder, die Hunde!«

»Haltet ein oder wir schießen zurück!«

»Sacré!« riefen die Halbwilden abermals. »Es sind Adelige aus dem Kirchspiel, kenne sie an ihrer Aussprache. Schießt sie nieder, die Hunde, die Spione! Was haben die am Bayou Chicôt zu tun?«

»Wenn ihr schießt, kommt das vergossene Blut über euch!« schrien wir in halber Verzweiflung.

Wir legten unsere Gewehre in die Richtung, wo wir die blaßroten Zungen aus den Büchsenröhren hervorblitzen gesehen.

In diesem Augenblick rief es ein donnerndes: »Halt! Was gibt es da?«

Und fünf Stimmen riefen hintereinander: »Halt! Was gibt‘s? Halt! Oder ihr seid des Todes!«

»Sacré! Das sind Amerikaner!« fluchten die Akadier.

»Halt!« rief nochmals eine starke rauhe Stimme.

Im nächsten Augenblick sahen wir ein Boot und Köpfe von Männern an uns vorübergleiten und im dunklen Rauchvorhang gegen die Akadier zuschnellen.

Stille trat ein. Darauf rief es: »Herr Graf Vignerolles!«

»Hier bin ich!«

»Der Graf!« riefen zehn akadische Kehlen. »Der Graf, ah, der Graf, der in der Chartreuse war!«

Und alle brachen in ein lautes, rohes Gelächter aus. Wir wurden blaß vor Scham und Zorn.

»Herr Graf!« rief es abermals.

In der nächsten Minute kam das Boot an uns heran, und der junge Martin erkannte uns. Gleich darauf waren wir von mehr denn zwanzig Akadiern und fünf bis sechs Amerikanern umringt.

Sowie sie die ersten Anzeichen des Präriebrandes gesehen, hatten sich die Akadier in Booten auf ihrem Bayou eingeschifft, das sich hier mit dem Bayou Chicôt vereinigte. Die Prärie bildete nämlich mit den Wäldern und Palmettofeldern einen Winkel, der auf der einen Seite vom Bayou aux bœfs, auf der anderen vom Bayou Chicôt begrenzt wurde. Das Feuer, das in der Regel im Herbst angelegt wurde, trieb die sämtlichen Tiere, die da ihren Aufenthalt hatten, natürlich dem Wasser auf der einen oder der anderen Seite zu. Die Akadier der Courtableau- und Côte-gelée-Niederlassungen waren nun gekommen, um die geängstigten Tiere zu jagen.

Es waren halbwilde Gestalten, kaum zur Hälfte bekleidet, die Männer bloß mit Braguets um die Lenden, die Weiber in groben Hemden mit einer Art Weste darüber. Wir fühlten uns empört über die brutale Weise, in der sie die Tiere niederschossen. Gleiches schien bei den Amerikanern der Fall.

»Frenchers!« redete deren ältester uns an. »Wollt ihr mit diesen Akadiern oder zieht ihr es vor mit uns zu gehen?«

»Wer seid ihr, meine Freunde?«

»Freunde?« Der Mann schüttelte den Kopf. »Ihr macht schnell Freundschaft! Freunde? Nein, das sind wir noch nicht! Aber wenn ihr mit wollt?«

»Herr Graf!« sagte der junge Martin. »Die fünf Herren Amerikaner sind gekommen, um Sie aufzusuchen. Sie waren so gut, als sie hörten, daß uns die Lebensmittel ausgegangen und wir uns verirrt hatten.«

»Scheint noch nicht viel in den Prärien unserer Opelousas herumgekommen sein?« bemerkte einer der Amerikaner.

»Das nicht, mein Freund!« erwiderte ich.

»Ich sagte euch schon, wir sind noch nicht Freunde!« versetzte der Mann mit einigem Stolz. »Aber wenn ihr amerikanische Gastfreundschaft annehmen wollt, so seid ihr willkommen.«

Wir sahen hinüber auf die Akadier, die noch immer schossen und die erlegten Tiere in die Boote und ans Ufer zogen.

»Sind doch wahre Barbaren«, murmelte der Alte dem nächststehenden jüngeren Mann in englischer Sprache zu. »Schießen mehr, als sie alle zusammen in einem Jahr verzehren können, in ihrem teuflisch französischen mordgierigen Mutwillen.«

»Habe schier die Notion«, Meinung erklärte ein junger Mann, »es wäre wohlgetan, dem verdammten Morden Einhalt zu tun.«

»Sind in ihrem Land, Sir, das heißt in dem Land, das ihrem Herrn gehört! Geht uns nichts an«, sagte der Alte.

»Wohnt ihr weit von hier?« fragte ich ein wenig ungeduldig, denn die Hitze wurde unausstehlich, der Rauch erstickend.

»Nicht so weit, wie ich es manchmal wünschte«, meinte der Alte mit einem verächtlichen Seitenblick auf die Akadier. »Aber noch weit genug, um euch Appetit zum Nachtessen zu machen, wenn ihr ihn nicht schon habt.«

»Wenn es Ihnen also gefällig ist, so nehmen wir Ihr gastliches Anerbieten an.«

Mit diesen Worten traten wir näher an das Boot hinan. Der Mann sprach nicht ja und nicht nein, warf aber einen durchdringenden Blick auf uns, besah uns von vorne und hinten.

»Also ein Graf sind Sie?«

»Ja!« versetzte ich ungeduldiger. »Und wenn Sie so gefällig sein wollten ...«

Des Mannes Miene blieb so ruhig, als wenn wir in seiner Stube beim Whiskyglas gesessen wären.

»Da sind Sie wohl von der Partei, die sie Aristokraten heißen?« fragte er nach eine Weile weiter. Wir schauten den Mann an. Was wollte er mit der Frage?

»Warum fragen Sie?«

Der Mann lehnte den Arm auf die Flinte, nahm eine dünne Rolle gedrehten Tabaks aus einer blechernen Kapsel und biß ein Stück ab.

»Warum ich frage? — Will‘s Ihnen sagen, warum ich frage!«

Alles das sprach er so langsam, daß es uns beinah zur Verzweiflung brachte. Man denke sich unsere Lage. Eine Prärie von etwa zwanzig Meilen Länge und zehn Meilen Breite und ein paar Meilen Palmettofelder, und alles im Brand, und dieser Brand jede Minute näher heranleckend! An einigen erhöhten Orten, wo der Zypressenwald unterbrochen wurde, hatte er das Bayou erreicht, das Wasser begann heiß zu werden. In dieser Lage nun, auf allen Seiten mit Flammen und Rauch umgeben und von einigen Dutzend halbwilder Jäger, die wie blind und toll in allen Richtungen herumschossen, spann dieser Mann und seine Begleiter in ihrem Boot eine langgedehnte Unterhaltung an, während wir bis über den Gürtel im Wasser standen. Nie wurde französische Ungeduld auf eine härtere Probe gestellt. Wir wanden uns wie Schlangen vorwärts und rückwärts, es half alles nichts, der Mann stand wie eingefroren.

»Will‘s Ihnen sagen, hab‘ vieles in meinem Leben von Aristokraten gehört«, fuhr er mit der empörendsten Ruhe fort, »vieles für und wider die Aristokraten. Scheinen sie jetzt in der Alten Welt auf dem Korn zu haben. Kommen viele zu uns, haben aber keine so recht klare Notion, was sie eigentlich sind. Will Ihnen aber meine Meinung sagen.«

»Um Himmels willen!« fuhren wir beide auf.

»Will Ihnen meine Meinung sagen, Mann«, fuhr der Alte fort. »Während ich noch im alten Dominion, in Virginia, wohnte und hinüber nach Frederickstown handelte, war ich Drover, Viehtreiber und -händler. Kehrte gewöhnlich in Bullocks Tavern ein, gute Schenke, Mann, vortreffliche Schenke. Wohl! Kamen, als ich mal mit einer ganz artigen Herde da hielt — auf meinem Weg nach Philadelphia hinüber —, kamen zwei Kameraden an, waren zwei Franzosen. Der eine war mit der Mail, der Postkutsche, gekommen, der andere zu Fuß. Der zu Fuß war ein sauberer junger Bursche von zwanzig Jahren oder darüber, der ältere mochte die dreißig haben. Ungefähr Ihr Alter, ist‘s nicht so?«

Ich schaute den Alten an und wußte nicht, sollte ich fluchen oder lachen.

»Wohl und gut! Die beiden Franzosen aßen mit uns an der Tafel und mußten wohl eine ziemliche Zeit keine Atzung eingelegt haben, denn sie aßen euch wie Werwölfe. Wohl! Als sie fertig waren, sah ich den jungen Mann mit der Wirtin reden, die ihn anfangs sonderbar anschaute, sich aber endlich durch sein hübsches Gesicht, wie es schien, bereden ließ, seinen Willen zu tun. Was dieser Wille war, werden Sie bald erfahren. Er gab ihr ein kleines Päckchen, das sie wieder der Magd gab, einer alten Negerin.«

»Wohl!« fuhr der Mann unbekümmert um Hitze und Rauch fort. »Waren begierig zu wissen, was eigentlich der junge Mann mit der Wirtin abzumachen hatte. Schwiegen aber, zogen unsere Stiefel aus und nahmen die Pantoffeln aus der Bar und gingen dann in unser Schlafzimmer. Wohl, waren da sechs Betten, die alle zu zweien bereits besetzt waren, bis auf das meinige und noch eines, wo die zwei Franzosen zu liegen kommen sollten. Kamen gleich nach uns, die beiden, und zogen sich aus wie wir. Der ältere warf sich geradezu ins Bett, der jüngere zauderte aber. Der Vollmond schien so hell ins Zimmer, daß wir alles deutlich unterscheiden konnten. Und als der junge Mann so zauderte und langsam sich aus seinen Kleidern ausschälte, bemerkten wir, daß er kein Hemd hatte. Zauderte deswegen, hab‘ ich die Notion, weil er kein Hemd hatte. Was er, Sie verstehen wohl, nicht aller Welt auf die Nase binden wollte. Hatte zwar ein Hemd, müssen Sie wissen, und war dieses das Hemd, das er im Päckchen der Wirtin gegeben, und das die der Negerin gegeben zum Waschen, wie wir später hörten, und hatte deshalb keines am Leib, weil er, hab‘ ich die Notion, nur ein einziges besaß.«

»Guter Mann!« unterbrach ich ihn hier. »Wollen Sie so gefällig sein, Ihr gastliches Anerbieten in Ausführung zu bringen, so ...«

Ich konnte nichts weiter sagen, denn der Rauch war so erstickend geworden und wir so ungeduldig, so rasend, daß wir dem Mann mit Lust den Hals umgedreht hätten.

»Wohl!« fuhr der Alte unbewegt fort. »Wie der junge Franzose sich so dreht und zum Bett hinwindet und die Decke lüftet, unter der der andere bereits lag, um seinen Platz zu nehmen, fuhr dieser auf einmal wie gestochen auf und gab eine ganze Ladung französischen Kauderwelschs von sich. Ich verstand nichts von dem Zeug und hörte nur: ›Sacri nun di dijeh!‹ Sagte mir aber mein Bettgenosse neben mir, der im Revolutionskrieg unter Lafayette und du Ponceau gestanden war, der Monshur sei wütend darüber, weil der Junge sich ohne Hemd niederlegen wolle. Er wolle eher verdammt sein, als einen hemdlosen Burschen an seiner Seite schlafen zu lassen. Und war der junge Mann über den Lärm, den sein Landsmann erhob, so verblüfft, sahen es deutlich im Mondlicht, daß er für einige Minuten nicht den Mund auftun konnte. Schien mir der ältere so ziemlich einer, der nur für seine eigene Bequemlichkeit sorgt und sich keinen Fiedelbogen um die eines anderen Menschenkindes schert. Wohl! Als der junge Mensch so stand, unschlüssig vor- und zurücktretend, und ich hab‘ die Notion, sich schämend deswegen, wissen Sie, weil er kein Hemd am Leibe hatte, obwohl er eins besaß, was aber, wie Sie wissen, die alte Negerin zum Auswaschen hatte, schrie abermals der ältere Franzose so laut wie der Major eines Freiwilligen-Bataillons vor der Front: ›Wollen Sie ohne Hemd in dieses Bett?‹ — so sagte es mir mein Nachbar. Und abermals erschrak der junge Mensch ob der Donnerstimme des Mannes, und wir schauten, was wohl kommen würde. Ich hatte große Lust dem älteren zu sagen, er solle seine Zunge weniger laut werden lassen, sonst wolle ich sie zum Schweigen bringen. Da faßte aber der junge Mensch Mut und antwortete ihm: ›Sie sind doch ein verdammter Aristokrat, ein verdammter Aristokrat!‹ Und der ältere erwiderte: ›Und Sie ein Sansculotte! Und ich will verdammt sein, wenn Sie in diesem Bett schlafen!‹ Dabei zog er einen Schenkel unter der Bettdecke hervor und zeigte ihn beim Mondlicht dem jungen Mann, war volle sechs Fuß lang, der ältere. ›Sie sind kein Franzose!‹ sagte er. ›Kein Franzose tut seiner Nation die Schande an, in einem Zimmer mit Gentlemen ohne Hemd zu schlafen!‹ Schrie der junge Mann: ›Und Sie sind kein Franzose, aber ein verdammter Aristokrat! Wären Sie ein Franzose, so würden Sie geschwiegen haben und nicht die Ehre eines Landsmanns so bloßgestellt haben! Sind aber ein verdammter Aristokrat, dem an der Ehre Frankreichs nichts gelegen ist, und ich will nicht bei Ihnen schlafen!‹ Und kamen über dieses Geschrei von und wegen der Ehre Frankreichs der Wirt und der Hausknecht und die Negerin, und als sie hörten, was vorgegangen, nahmen sie den jungen Mann mit und machten ihm ein anderes Bett. Die Wirtin befahl das nämlich, weil sie Mitleid hatte.«

Der Alte hielt inne nach dieser entsetzlichen Darstellung und schaute uns fragend an.

»Und jetzt sagt mir, war das ein Aristokrat?«

»Nein, nein, das war kein Aristokrat!« versetzten wir beide so schnell wie möglich. »Nein, lieber, guter Alter, das war ein rücksichtsloser Geselle, sonst hätte er mit einem bedrängten Reisenden ...«

Mehr konnten wir nicht sagen, denn Rauch, Hitze, Angst und Erschöpfung hatten nun den höchsten Grad erreicht, so daß selbst der Alte nun sich öfters mit seinen Bärentatzen die Tränen aus den Augen wischen und nach Luft schnappen mußte.

»Hab‘ schier die Notion«, sagte er kopfschüttelnd zu seinen Gefährten, »wir machen uns auf den Weg, da das Feuer es nicht tun wird.«

»Das war also kein Aristokrat?« wandte er sich wieder an uns.

Wir gaben keine Antwort, konnten keine geben.

»Wohlan, so kommt denn in das Boot!« fuhr er fort. »John, nimm die beiden Tiere, und wir wollen schauen, je eher desto besser ...«

Mit diesen Worten zog er zuerst unsere zitternden Pferde heran, dann half er uns ins Boot, in dem wir besinnungslos hinsanken. Es war die höchste Zeit, unsere Kräfte hatten uns verlassen. Von allem, was nun vorging, hörten, sahen wir nichts mehr.

2

Wie lange wir so ohne Bewußtsein im Boot lagen, kann ich nicht sagen. Es mag wohl eine Viertelstunde gewährt haben. Wir wurden endlich aus unserer Ohnmacht durch den Alten aufgerüttelt, der uns, eine Flasche Tafia in der Hand, anrief. Ob wir nicht eine kleine Herzstärkung zu uns nehmen wollten, würden sie brauchen, meinte er.

Gierig griffen wir mit halbgeschlossenen Augen zur Flasche und nahmen einen tüchtigen Zug. Der Trunk stärkte uns wunderbar. Wir schlugen die Augen auf.

Vor uns lag ein unabsehbarer Zypressensumpf, hinter uns der breite Wasserspiegel der ineinanderfließenden Bayous, über den eine endlose Rauchschicht so hingelagert war, daß wir die stahlblauen Wasser unten, oben den blauen Himmel sahen, der aber weiter gegen Südwesten wieder durch hochhinstrebende Rauchsäulen unseren Blicken entzogen wurde. Nur zuweilen blitzten die Flammen hinter dem Rauch hervor, und die gewaltigen Massen der Zypressen erschienen wie in einem Feuermeer.

»Wir sind doch sicher vor dem Feuer?« fragte ich schaudernd.

»Sicher genug!« entgegnete der Alte. »Aber es wird spät. Die Sonne ist keine Stunde mehr am Horizont, und wir haben noch ein schönes Stück Weges vor uns.«

»Und wohin geht dieser Weg?«

»Wohin er geht? Je nun, wohin er geht, das kommt auf euch an! Er geht durch den Zypressensumpf, außer ihr zieht den Umweg vor.«

»Der kürzeste Weg ist der beste.«

»Der kürzeste Weg ist der beste!« polterte der Alte, zu seinen Gefährten gewandt. »Da seht wieder mal den Franzosen! Wollen ihm zu Gefallen den kürzesten Weg nehmen, glaube, es ist ebenso wohl getan.«

»James!« sagte er dann zu einem der Männer. »Ihr geht weiter unten durch den Snapping-Turtle-Sumpf, wir gehen mitten durch.«

»Aber unsere Pferde?« bemerkte ich.

»Eure Pferde, die gehen den längeren Weg oben hinaus, bis nämlich das Feuer ausgetobt hat. Hab‘ die Notion, wir bekommen diese Nacht einen Regen, und dann verbrennen sie sich nicht die Hufe.«

»Und wohin sollen wir?«

»Fragt zuviel, Mann! Werdet es sehen!«

Wir waren nun am Rand des Sees, der hier durch die Vereinigung der beiden Bayous gebildet wurde, vor uns lag der Zypressensumpf. Ich hatte solche Sümpfe bereits kennengelernt, obwohl nur oberflächlich. Denn es war uns nie möglich gewesen tief einzudringen. Aber als ich nun in das düstere Dunkel hineinschaute, glaubte ich nochmals fragen zu müssen: »Alter, gibt es denn auch Weg oder Steg durch diesen Sumpf?«

»Weg oder Steg? Ist kein Gentlemens-Park, versichere euch, kein Gentlemens-Park. Weg oder Steg? Je nun der Weg, den die erschöpfte Natur euch gemacht hat!«

Er sprang auf einen Baumstamm, der mit Moos und Lianen überzogen aus dem bodenlosen Abgrund hervorragte.

»Sehen Sie, das ist der Steg!«

»Dann wollen wir lieber den weiteren Weg mit unseren Pferden!« versetzte ich. »Aber wo sind denn unsere Pferde? Ich sehe sie nicht.«

»Tut, wie ihr am besten glaubt! Wir gehen hier! Muß euch aber sagen, daß ihr innerhalb vierundzwanzig Stunden schwerlich etwas auf die Zunge bekommen dürftet. Sei denn, ihr könntet wie eure Pferde zur Not von Rohrblättern euer Abendmahl halten.«

»Aber es gibt doch Wasservögel, Wildbret?«

»Ja, die gibt es in Fülle, wenn ihr sie roh verzehren wollt wie die Indianer oder wenn ihr zwei Meilen in der Runde einen Quadratschuh festen Bodens wißt, euch ein Feuer anzumachen.«

»Pshaw! Wir versäumen nur die Zeit!« murmelten die jungen Männer.

Die Wahrheit zu gestehen, wurde mir ein wenig bang unter diesen Menschen. Ihre Sprache fing an, mir nicht ganz zu gefallen, sie war so schonungs- und rücksichtslos. Wir waren daran gewöhnt, unsere Wünsche von Menschen dieser Klasse wenn nicht immer mit unterwürfiger Leichtigkeit erfüllt, doch mindestens nicht auf eine so rauhe Art auf die Folter gespannt zu sehen.

Wir schauten abwechselnd den Alten und wieder seine Begleiter an. Wir hatten von Amerikanern eben nicht die vorteilhafteste Meinung, und besonders nicht von denen, die sich als Squatters in verschiedenen Teilen Louisianas eingedrängt hatten. Wir wußten, daß dieses Wort von squatt — auf Indianerweise niederhocken — abgeleitet wurde, und daß man jene Hinterwäldler so nannte, die sich auf irgendeinem Stück Landes niederließen, ohne nach dem Besitztitel zu fragen, eine Blockhütte bauten und das Land urbar machten. Wir hatten sie als Leute schildern gehört, die weder Gott noch den Menschen fürchteten, nur ihrem Arm, ihren Äxten und ihren Stutzen vertrauten, tief in den Wäldern siedelten, wie Wilde in einer Art roher hölzerner Hütten wohnten, Vieh, besonders Pferde, stahlen, von Welschkorn und Salzfleisch lebten und den Indianern nur wenig an Wildheit nachgaben.

Es war uns gesagt worden, daß kurz vor unserer Ankunft in den Attacapas in eben der Gegend, wo wir uns nun befanden, einer dieser halbwilden Republikaner sogar eine Belagerung gegen die Truppen der Regierung in seinem Blockhaus bestanden habe. Er sollte einen Einfall in die westlichen Parishes Pfarrbezirke, frühere Bezeichnung für County in Louisiana von Louisiana gewagt, einen Trupp wilder Pferde eingefangen haben, dann auf seinem Zug nach dem Mississippi entdeckt und bis in sein Blockhaus verfolgt worden sein, wo er eine mörderische Belagerung ausgehalten hätte. Das Gerücht hatte ohne Zweifel vergrößert, war aber nur zur Hälfte wahr, was über diese Menschen verlautete, so befanden wir uns eben nicht in der besten Gesellschaft.

Während uns diese Besorgnisse durch die Köpfe fuhren, schauten wir uns den Mann nochmals an. Er war über sechs Fuß lang und hager, aber Sehnen und Knochen verrieten eine außergewöhnliche Stärke. Die Gesichtszüge waren scharf, die Augen hatten einen wahren Falkenblick. Seine Miene sprach von Selbstbewußtsein, wie sein ganzes Benehmen gegen uns eher Geringschätzung als Achtung hervorblicken ließ. Und doch bestand seine Kleidung in einem bloßen Lederwams mit einem Gürtel, in dem ein langes Messer stak, ledernen kurzen Hosen, einem Strohhut, der aber den Rand verloren hatte, und Mokassins. Ganz ähnlich waren seine Begleiter angetan.

»Wo ist denn Martin?« fragte auf einmal Lassalle.

»Meinen Sie den jungen Akadier, der uns bat, Sie in Obhut zu nehmen?« fragte der Alte.

»Eben den!«

Der Alte deutete auf den Rauchvorhang.

»Dort wird er wohl zu finden sein. Hab‘ aber die Notion, ihre teuflische Jagd ist vorüber. Höre keine Schüsse mehr.«

»Dann wollen wir zu ihm! Aber wo sind unsere Pferde?«

»Hab‘ die Notion, der Frencher da weiß nicht recht, was er will!« sagte einer der jungen Männer. »Eure Pferde weiden eine halbe Meile oberhalb im Rohr. Werdet doch nicht wollen, wir sollen die armen Tiere eine halbe Meile durch das Bayou hinter dem Boot nachschwemmen. Bill ist bei ihnen.«

»Und was will er mit ihnen?«

»Joe geht mit dem Boot hinauf. Und wenn das Feuer ausgetobt hat, dann werden wir das Weitere sehen. Werdet doch nicht glauben, daß wir eure Pferde ...?« Der Alte sprach das Wort nicht aus, aber seine Miene verzog sich in ein stolzes Hohnlächeln.

Lassalle und ich hatten ihn aufmerksam beobachtet, wir entgegneten zugleich, daß wir mit ihm gingen und uns ihm anvertrauten.

»James!« wandte er sich hierauf zu einem der jungen Männer. »Es bleibt dabei. Du gehst mit Joe weiter unten durch den Snapping-Turtle-Swamp, Alligator-Schildkröten-Sumpf wir schneiden mitten hier hinein. Wird aber nicht schaden, wenn wir uns gleich hier mit Kienfackeln versehen.«

»Kienfackeln?« fragten wir.

Des Alten Blick schien zu sagen: Aber müßt ihr denn eure Zunge in allem haben? Er schaute den abgehenden jungen Männern nach, dann warf er hin: »Ei, Kienfackeln! Und sind soviel wert in diesem Zypressensumpf wie eure Leben, und hättet ihr deren zehn.«

»Eine seltsame Sprache haben diese Leute«, raunte mir Lassalle zu.

Der Alte hatte mittlerweile Feuer geschlagen und einen der Späne, die im Boot lagen, angezündet, aber mit einer so langsam abgemessenen Bedächtigkeit, die uns trotz unserer unangenehmen Lage zum Lächeln zwang. Er zündete einen zweiten an, schaute nochmals zurück auf das Bayou, dann dem Boot nach, das im Rohrsaum bereits unsichtbar zu werden begann, und hob dann den Fuß.

»Verdammter spanischer Sumpf!« brummte er. »Wäre er nun gut amerikanisch und nicht verräterisch spanisch, so hielte er wie ein ehrlicher Mann aus, bis ihr ihn mit den Armen gefaßt, und wiche nicht und zöge euch nicht nach, ei nach, sage ich euch, und wären eure Köpfe zwanzig Fuß von euren Schuhsohlen.«

»Folgt mir Schritt auf Schritt, als wenn ihr auf Eiern trätet«, wandte er sich an uns. »Und du, Jonas, hab ein Auge auf die beiden Frenchers und warte nicht erst, bis du ihre Beine über die Mokassins im Schlamm stecken siehst!«

Uns war nicht ganz erquicklich bei diesen eben nicht sehr trostreichen Weisungen, aber wir nahmen allen unsern Mut zusammen und schritten dem Alten nach.

So waren wir etwa fünfzig Schritte in den Sumpf eingedrungen. Bisher hatte uns das Licht des Tages geleuchtet. Die Zypressen standen zehn bis fünfzehn Fuß auseinander, die ungeheuren Stämme erhoben sich fünfzig Fuß, ehe die breiten schirmähnlichen Zweige sich ausbreiteten, Stamm an Stamm gereiht, Krone an Krone, so daß der Sumpf einem endlosen Schirmdach glich, durch das auch kein einziger Sonnenstrahl sich zu stehlen vermochte. Wir sahen noch das vom Uferrand schief hereinfallende Licht mit der Dämmerung kämpfen, in düsteres Dunkel zucken, endlich in Nacht übergehen.

In dem Verhältnis, in dem das Tageslicht abnahm, wurde auch die Sumpfluft dicker, erstickender, endlich verpestet. Die anfangs hell auflodernden Flammen unserer Kienfackeln wurden schwächer und schwächer, zuletzt schwammen sie vor unseren Augen bloß noch wie Irrlichter.

»Ja, ja!« murmelte der Alte wieder. »Eine Nacht in diesem Sumpf zugebracht, mag euch den giftigen Fieberdreck in den Leib bringen! Was Nacht? Eine halbe Stunde mag es, wenn ihr nur drei Poren am Körper offen habt! Ist aber keine Gefahr, der Präriebrand hat auch sein Gutes. Trocknet den Schweiß, schließt die Poren.«

Während der Mann so vor sich hinbrummte, schritt er vorwärts. Jeden Stamm, auf den er seinen Fuß setzte, beleuchtete er zuerst, dann probierte er ihn, aber mit einer Fertigkeit, die bewies, daß er diesen gefährlichen Weg bereits öfters genommen.

»Folgt nur immer!« brummte er abermals. »Aber macht euch leicht, ihr Frenchers, so leicht wie ein Frencher sich nur machen kann! Haltet den Atem an! — Ah, der Klotz da!«

»Holla, Nathan!« rief er sich zu. »Holla! Hättest dich um ein Haar betören lassen, so ein alter Sumpfgänger du bist, und einen sechzehn Fuß langen Alligator für einen modernden Baumstumpf genommen.«

Der Alte hatte den Fuß gehoben und vorgestreckt, aber zum Glück im Zweifel den vermeintlichen Klotz mit dem Schaft seines Gewehres angestoßen. Der Klotz war gewichen. Der Alte warf sich zurück, prallte heftig an mich an, und ich wäre um ein Haar von dem schmalen Steg hinab in den Sumpf getaumelt.

»Ah, verräterischer Geselle!« rief er, nichts weniger als erschrocken. »Glaubst du, ehrliche Leute durch deine Teufeleien hintergehen zu können?«

»Was gibt‘s, Alter?«

»Was es gibt?« Er zog sein langes Schlachtmesser. »Nichts, als daß sich ... doch da seht ihr ihn ja!«

Und statt des Klotzes, der verschwunden war, gähnte uns der Rachen eines Alligators an. Ich erhob meine Flinte.

»Schießen Sie nicht, Monshur!« wisperte mir der Alte zu. »Schießen Sie nicht, so lange Sie es lassen können! Sie sind nicht allein hier! Das wird‘s tun!«

Er beugte sich gemächlich nieder und stieß dem Tier sein langes Messer ins Auge. Mit einem furchtbaren Geheul schlug die Bestie um sich, daß uns der schwarze Sumpfschlamm über und über bespritzte.

»Da! Nimm das — und das — und das!« lachte der Alte und stieß dem Tier, das sich krümmte und nach ihm schnappte, noch einige Male das Messer zwischen den Hals und in die Rippen.

Dann wischte er das Blut vom Messer, steckte es in den Gürtel und sah sich bedächtig um.

»Hab die Notion, daß da irgendein Baumstamm sein muß. Bin doch nicht das erste Mal auf diesem Track. Da ist er, aber gute sechs Fuß weit! Jetzt, Frenchers, sind eure Tanzbeine etwas wert!«

Mit einem Satz sprang er auf das, was er einen Baumstamm nannte.

»Um Himmels willen, Mann! Ich sehe das Wasser glitzern! Stecken Sie drin?«

»Pah, Wasser! Was Wasser zu sein scheint, sind ein paar arme Teufel von Schlangen — ehrliche Mokassin- und falsche Kongoschlangen! Wollen auch leben, sind gutes Futter für unsere Schweine. Jetzt setzt an!«

Die Not verlieh mir Kräfte. Ich drückte den linken Fuß so fest auf den im Schlamm schwankenden Stamm, als ich vermochte, und sprang dann hinüber. Lassalle mir nach.

»Bravo!« murmelte der Alte. »Frisch auf, auch Sie, zweiter Monshur, daß wir weiterkommen. Noch ein paar solcher Stellen, und dann geht es besser!«

Und wir schoben uns weiter, Schritt für Schritt. Hoben den einen Fuß, legten ihn leicht auf, zogen ihn zurück, bis wir tragbaren Grund gefaßt zu haben glaubten, stießen mit unseren Gewehren zugleich in die Stämme ein. Die Viertelstunde hatte uns wunderbar behende gemacht, aber Not lehrt diese Fertigkeit auch dem Ungeschicktesten. Und hier tat es not. Der Zypressensumpf erstreckte sich vier bis fünf Meilen am Bayou entlang, ein tiefer schwarzer Moorschlamm, bedeckt mit einer schmutzig und wieder hellgrün trügerischen Matte von Schlingpflanzen, Lianen, Moos, die Sumpf und Baumstämme überzogen hatten. Diese Baumstämme lagen zwar nicht regelmäßig, aber doch so, daß man sah, hier waren Menschenhände tätig gewesen.

»Sagen Sie mir, hier scheint doch ein Pfad durchzuführen«, begann ich. »Denn ...«

»Schweigen Sie!« unterbrach mich der Alte. »Schweigen Sie, bis wir auf festem Grund sind, schweigen Sie für Ihr Leben! Merken Sie nicht auf die Schlangen, sondern treten Sie mir nach!«

Und als ich abermals den Fuß vorstreckte, um ihn im matt flackernden Licht der Kienfackeln in die Stapfen des Alten zu senken, hob sich nicht vier Zoll von meinem Fuß über den Baumstamm herüber aus dem Schlamm ein gräßlicher Alligatorenrachen und schnappte mit solcher Behendigkeit nach mir, daß ich nur noch soviel Zeit übrig hatte, mein Gewehr dem Tier in das funkelnde Eidechsenauge abzudrücken.

Es prallte zurück, gab ein stöhnendes Gebrüll von sich, schlug einige Male im Morast wie rasend um sich und versank. Der Alte hatte sich umgesehen. Ein zufriedenes Lächeln spielte um seine geöffneten Lippen, aber ich hörte nicht, was er sagte. Denn der Aufruhr, der nun von allen Seiten ausbrach, war so furchtbar, daß er mich einige Minuten ganz betäubte.

Tausende, Zehntausende von Alligatoren, Bullfröschen, Nachteulen, Anhingas, Schlangenhalsvögel Reihern, die im Schlamm und den Laubdächern der Zypressen hausten, erhoben nun ihre Stimmen, ihr Gebrüll und Gestöhn. Sie wurden rebellisch, brachen kreischend aus ihren Schlupfwinkeln hervor und umkreisten uns, flogen uns um die Köpfe. Wir hatten unsere Messer gezogen, unsere Arme über die Köpfe und Augen gehalten, aber es wäre um uns geschehen gewesen, wenn nicht ...

Im entsetzlichen Aufruhr der gräßlichen Tierwelt fiel ein Schuß, dann ein zweiter. Das Wüten, Toben der Tiere wurde auf einmal heulend, kläglich. Die Tiere prallten noch einige Male an uns an, dann flogen sie in weiteren Kreisen um uns herum, zuletzt wurde das Geschrei, Gebrüll schwächer. Unsere Leuchten waren ausgelöscht, wir standen in stockfinsterer Nacht.

»Alter! Um Himmels willen!«

»Ei, sind Sie noch am Leben?« lachte der Alte mit einem so sonderbaren Nachklang, daß mir unheimlich wurde. »Und Ihr Freund? Hab‘ Ihnen gesagt, daß wir nicht allein sind! Wehren sich auch, diese Bestien, wenn man sie in ihren Schlupfwinkeln angreift. Ein einziger Schuß reicht hin, euch das ganze Gezücht auf den Hals zu bringen. Aber lassen sich die Köpfe wieder zurechtsetzen, wenn sie sehen, daß es Ernst gilt. Zwei Schüsse nacheinander unter sie hineingetan verfehlen selten, sie zu belehren, daß sie nur unvernünftige marktschreierische Geschöpfe sind.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
460 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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