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Kitabı oku: «Das blutige Blockhaus», sayfa 17

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Die Squatters

1

Der Alte war unter diesen Worten die Leiter hinabgestiegen. Unten angekommen warf er nochmals einen nachdenklichen Blick hinauf zu den Palisaden und dem Blockhaus, dann gingen wir der breiten Straße zu, die die Waldesränder bildeten. Unsere Gefährten waren bis auf einen, der die Öffnung im Pfahlwerk schloß, bereits voran. Schweigend, in tiefes Nachdenken versunken, gingen wir dahin.

Des Alten urwüchsige Erzählung hatte uns in mehr als einer Hinsicht gepackt. Man denke sich in unsere Lage, in unsere Empfindungen hinein. Wir waren Europäer, soeben in Amerika angekommen, hatten einen Thron stürzen, in seinem Sturz eine halbe Welt erschüttern, und zertrümmert diese halbe Welt noch in Zuckungen erhalten sehen, und hier standen wir gegenüber einem Hinterwäldler, der, auf sein eingebildetes Recht gestützt, mit fünf seiner Gefährten dem damals mächtigsten Reich der Neuen Welt den Krieg erklärt hatte.

Wie er dieses Recht begründete — weil der Mississippi auf amerikanischem Grund und Boden entsprungen, gehöre den Amerikanern Louisiana —, kam uns durchaus nicht lächerlich vor. Als einige Jahre später Louisiana durch Kauf von Frankreich in amerikanische Hände überging und sich einer der amerikanischen Staatsmänner gerade dieses Beweismittels von der Tribüne herab bediente, und zwar mit so glücklichem Erfolg, daß es später bei der Erlangung Floridas noch einmal herhalten mußte, da erinnerte ich mich daran, wie ich dieselbe Beweisführung zuerst aus dem Mund dieses alten Hinterwäldlers vernommen.

Damals kam mir nichts weniger als Lachlust an, ich fühlte mich im Gegenteil empört über die nackte Unverschämtheit, mit der uns das Lederwams unser Recht auf Louisiana streitig machte. Um so mehr als sein ganzes trockenes Wesen uns nur zu klar zu erkennen gab, daß er nichts weniger als gesonnen sei, dieses sein vermeintliches Anrecht fahren zu lassen.

Und doch gab es wieder Augenblicke, wo der Angriff auf die Souveränitätsrechte eines unserm angestammten Königshause blutsverwandten Monarchen uns Franzosen von altem Adel so natürlich erschien, daß wir darüber selbst unsere nationale Empfindlichkeit vergaßen und den Erfolg der Geschichte mit einer Sehnsucht erwarteten, die nicht gespannter sein konnte, hätte sie dem Schicksal unserer Königsfamilie gegolten.

Diese Teilnahme ist vielleicht damit zu erklären, daß wir uns in einer ähnlichen Lage befanden, zwar nicht so unbemittelt, aber dafür weit hilfloser als diese Buschmänner. Die Aufschlüsse des Alten über sein Leben und Treiben und die Art und Weise, wie er seine Ansiedelung begonnen, hatten daher für uns nicht bloß den Reiz der Neuheit. Während dieser seiner Erzählung setzte sich in mir allmählich der Gedanke fest, den wir auch später verwirklichten: entfernt von den Kreolenpflanzungen eine Niederlassung zu gründen.

Diesen Gedanken mir ins Werk setzen zu helfen, schien gerade der Alte der Mann dazu. Augenzeugen der unglaublichen Leichtigkeit, mit der er und die Seinigen Hindernisse überwanden, die uns durchaus unüberwindlich geschienen, hatte sein Beispiel in uns bereits etwas von der abenteuerlichen amerikanischen Springkraft geweckt. Mit seinem Beistand Schöpfer einer eigenen Pflanzung zu werden und so dem kreolischen Faulleben der Attacapas zu entrinnen, war mein fester Entschluß.

In solchen Gedanken waren wir auf einer wellenartigen Anhöhe angekommen, auf deren Kamm wir im Mondschein Gruppen von Bäumen gewahrten. Eine halbe Meile mochten wir gegangen sein, als uns aus einer der Baumgruppen Lichtstrahlen entgegenschimmerten und Hundegebell sich von mehreren Seiten hören ließ.

Der Alte ging mit großen Schritten einer rohen Umzäunung zu, durch deren Pfostengitter wir zum Hause gelangten. Auf ein leises Tappen ging die Haustür auf. Der Alte ergriff unsere Hände und führte uns im Finstern eine Treppe hinan. Er brachte uns in eine Dachkammer, in der sich ein gewaltiges Ehebett mit Moskitovorhängen, mehrere Sessel und ein weißgedeckter Tisch befanden. Auf diesem eine Flasche mit Gläsern und das Licht, das uns bisher als Lotse gedient hatte.

Der Alte nahm die Flasche und schenkte die drei Gläser voll. Dann stieß er auf unsere Gesundheit an. Wir versuchten das Getränk. Es war so feiner East-India-Madeira, wie ich ihn selbst in England nur in den ersten Häusern getrunken zu haben mich erinnerte.

»Wo haben Sie diesen köstlichen Madeira her?« fragte ich überrascht.

»Schmeckt er Ihnen? Habe ein Dutzend Demijohns Große Korbflaschen von New Orleans heraufkommen lassen.«

»Von New Orleans? Sie stehen also trotz Ihrer Kriegserklärung gegen die spanische Regierung mit New Orleans in Verbindung?«

Der Mann lächelte zufrieden.

»Pshaw! Eine Art Waffenstillstand, der vielleicht wieder in Krieg ausbricht, vielleicht die Friedensratifikation bringt. Hoffe das letztere — ist unser beider Vorteil.«

»Beider Vorteil?« wiederholten wir.

Der Ton unserer Stimmen hatte einen stark ironischen Nachklang. Der Mann schaute uns mit einem schlauen Lächeln an.

»Ei, etwas dergleichen. Die spanische Regierung, versteht ihr, sind Menschen so wie wir, um kein Haar besser, im Gegenteil. Doch genug davon, morgen ist auch ein Tag! Wollen etwas auf morgen versparen, bis wir mehr Salz miteinander gegessen haben. Jetzt trinkt euren Madeira aus! Werdet ihn nicht besser in New Orleans treffen, ist von meinem Kommissionär, einem Monshur Laplace.«

»Wie, Monsieur Laplace Ihr Kommissionär?« fragten wir zweifelhaft.

Wir hatten Empfehlungsbriefe an ihn, der Franzose von Geburt, mit Ducalle verwandt und Bankier der Regierung war.

»So ist‘s!« sprach der Alte. »Monshur Laplace besorgt meine Geschäfte und nimmt unsere Baumwolle und Tabak.«

»Also ihr baut Baumwolle und Tabak?« fragten wir mehr und mehr erstaunt.

Der Alte lächelte wieder.

»Wundert Sie das? Freilich, habe schier vergessen, daß ihr aus den Attacapas kommt, wo sie euch eben nicht die beste Notion von uns beigebracht haben mögen.«

»Die Wahrheit zu gestehen«, fielen wir lachend ein, »so haben sie eine weniger schlimme Notion von euch, als ihr gegen Louisiana, nach Ihrem eigenen Geständnis zu schließen.«

Der Alte lächelte wieder.

»Sind seltsame Leute in den Attacapas«, fuhr er fort, »seltsame Leute, denen es ernstlich not tut, aus ihrem sündhaften Faulleben aufgerüttelt zu werden. Werden aber aufgerüttelt werden!«

»Glauben Sie?«

»Pshaw! Hab‘ euch schon gesagt, daß morgen auch ein Tag ist, aber ihr Franzosen« — meinte er kopfschüttelnd — »man wird mit euch nie fertig! Wenn ihr in allem so tüchtig wäret wie im Mundwerk! Seid gefährliche Leute!«

»Ich glaube, Alter, wir könnten noch etwas von euch lernen.«

»Kalkuliere so!« stimmte er in unsern Ton ein. »Jetzt gute Nacht! Trinkt euren Madeira und deckt euch warm zu!«

Wir sahen dem Alten nach. Eine merkwürdigere Erscheinung war uns in unserm ganzen bewegten Leben noch nicht vorgekommen. Da stand er, der Bauer, Lederwams, Republikaner, Hinterwäldler, Holzhauer, der mir nichts dir nichts gegen die spanische Regierung den Schild erhebt, ihre Truppen schlägt, sich gegen ihren Gouverneur im Kriegszustand befindet, sich mit Hunderten seiner Landsleute in einem feindlich fremden Land festsetzt, und das alles so ruhig, so gemächlich, so ganz ungezwungen, als habe er einen Nachbar-Hinterwäldler durchgebleut und führte den Rechtstitel dazu in seiner Faust und Tasche.

Wir starrten ihm nach, ein solcher Charakter war uns nie vorgekommen. Dieser praktische Sinn — Lebensweisheit sollte ich sagen — und wieder Unwissenheit, dieses Zartgefühl und wieder Fühllosigkeit, diese Einfalt und wieder Verschlagenheit, Starrheit und Geschmeidigkeit, sie verwirrten uns. Denn sie verwoben sich, verschmolzen so seltsam in dem Mann, daß wir Menschenkenner, wie wir uns dünkten, die goldene Flüssigkeit in unseren Gläsern anstierten und das erste Mal in unserm Leben keine Worte fanden.

Die Gefährlichkeit dieses Mannes konnten wir uns gar nicht verhehlen, über seinen wahren Charakter keinen Zweifel haben. Denn daß er den nimmersatten Landhunger seiner Mitbürger großenteils angeregt und den Strom der Auswanderung in der Absicht nach Louisiana geleitet, um die spanische Herrschaft zu stürzen, das lag nur zu klar vor Augen.

Aber das Seltsamste war, daß wir ihm trotz dieser Gewißheit nicht gram sein konnten, ja ihn vielmehr liebgewonnen hatten.

Lassen wir dahingestellt, was diese Gedankenrevolution in uns bewirkt hatte, ob sein und der Seinigen wirklich bullköpfiger und auch am Feinde achtbarer Mut oder seine natürliche Verhandlungskunst — nie habe ich gefährlichere Pläne hinter naiverer einladenderer Treuherzigkeit versteckt gefunden — oder endlich der funkelnde Madeira. Der Wein mochte jedoch das Seinige beigetragen haben, so schlimm ein solches Bekenntnis im Mund eines Kavaliers von altem Hause lauten mag. Wenigstens hatte unsere patriotische Entrüstung, die während der Erzählung des Alten öfters auszubrechen gedroht, mit dem ersten Zug aus dem Glas einen starken Stoß erlitten.

Und mit jedem neuen Zug, den wir aus den Gläsern taten, wurden unsere Gedanken philanthropischer. Ein Mann, dem so köstlicher Madeira von seinem Kommissionär, einem Regierungsbankier, zugesandt wurde, ein solcher Mann konnte unmöglich der ruchlose Geselle sein, als welchen ihn das Gerücht schilderte. Ein ganzer Schwarm behaglicher Nachtgedanken reihte sich an diesen Schluß, und unsere staatstreue Denkweise erlitt an diesem Abend einen Stoß, der ihr für die Zukunft eine ganz veränderte, unserm bisherigen Leben stark entgegengesetzte Richtung gab.

Natürlich leerten wir die Flasche, warfen dann die Reste unserer Kleidung, die mehr an uns klebten als hingen, weg und uns ins Bett. Bald wurden wir von einem Schlaf umfangen, um den uns wohl ein König beneiden konnte.

2

Unser Erwachen bot einen komischen Auftritt dar. Wir lagen in einem gewaltigen Ehebett mit Moskitovorhängen und einem Himmel so groß, daß er zur Billardtafel dienen konnte. In unserer Dachkammer begann es heiß zu werden. Sowohl Lassalle wie ich hatten nur selten zu zweien geschlafen. Es war mir, als ob ich in einem Dampfkessel läge und die Dünste, die um mich aufstiegen, immer beengender würden, so daß ich, nicht mehr imstande ihren Druck auszuhalten, mich weiter zurückschob. Als ich etwas Hinderndes fühlte, wurde plötzlich meine Angst so groß, daß ich erwachte und ausrief, was, weiß ich nicht mehr.

Das Etwas neben mir antwortete: »Parbleu! Wer ist da? Ein Mann?«

»Wer ist da?« schrie ich zurück. »Ein Mann!«

»Morbleu! Was ist das?« schrie mein Gegenpart und prallte an mich an.

Ich wieder zurück. So schossen wir aneinander und im Bett herum, rieben die Augen, erkannten uns und brachen in lautes Gelächter aus.

»Wo sind wir?« fragte Lassalle.

»Wo sind wir?« fragte ich.

Und abermals rieben wir die Augen, und Lassalle schlug die Vorhänge zurück.

»Ma foi! In der Residenz Seiner republikanischen Exzellenz, die Seiner katholischen Majestät beider Indien den Krieg erklärt hat!«

»Und fünfunddreißig oder mehr Schwarzbärte in die andere Welt gesandt hat!«

»Und Besitz von ihrer getreuen Provinz Louisiana ergriffen hat.«

»Weil sie nur ein Abfall vom schmutzig groben Gesellen Mississippi ist.«

Und wieder brachen wir in ein schallendes Gelächter aus. Dann schauten wir aus unserm Käfig, in dem wir wie ein paar reißende Tiere eingesperrt lagen, in die Kammer hinaus. Und wieder Gelächter.

Sie war, wie die Kammern und Stuben der Hinterwäldler es häufig sind, mit den Kleidungsstücken einer ganzen Familie ausstaffiert. Wohl an die zwanzig Weiberröcke und Röckchen an der einen Wand, an der andern lederne Hosen, Jagdhemden, Westen und Jacken in allen Farben des Regenbogens. Was uns aber am meisten anzog, das waren die Tapeten. Die Wände waren wirklich tapeziert. Aber womit? Mit Pflügen, mit Stühlen, mit Tischen, Sesseln, Schiffen, Stiefeln, Schuhen, Rindern, grinsenden Negern und Negerinnen, mit Bündeln unterm Arm, trabend und im Entlaufen begriffen, mit Waschzubern, alles zum Sprechen getreu in Holzstichen abkonterfeit.

Wir rieben uns nochmals die Augen und lasen in zollangen Buchstaben: »Poulsons Philadelphia Advertiser« — »New York Gazetter« — »Raleigh Daily« — »Boston Courier«. Wir sprangen zugleich im Hemd, wie wir waren, aus dem Bett, um diese neuen Tapetenmuster näher zu betrachten. Es waren Zeitungen, mit denen die Wände von oben bis unten überklebt waren.

Da gab es Angriffe gegen König Georg III. und das englische Ministerium, gegen den Kongreß, Washington, Adams, der damals Präsident war, da gab es die politischen Tagesneuigkeiten Europas von Anno 1776 herab, in amerikanischem Zuschnitt dem republikanischen Publikum aufgetischt. Die Mehrzahl der Kolonnen war jedoch mit folgenden »Notions«, um mich des charakteristischen Ausdrucks Nathans zu bedienen, ausgefüllt: Hüten, Stiefeln, Schuhen, Mehl- und Whiskyfässern, alles recht anschaulich in Bildern den Lesern und Nichtlesern vor Augen gerückt. Das Ganze eine Musterkarte des öffentlichen Lebens, die uns spielend in die Ansätze der republikanischen Lebenspraxis einzuführen berechnet schien. Und in der Tat wurden diese Zeitungen, wie sie uns den öffentlichen Verkehr, die Kultur, die Sitten und Meinungen gleichsam im Spiegel vorhielten, gewissermaßen Lichtstrahlen, die unsere wirren Gedanken zuerst aufhellten. Wir begannen zu merken, daß wir in der Nähe eines wirklich republikanischen Landes und unter Republikanern waren, himmelweit von unseren französischen Republikanern verschieden. Es begann uns zu tagen, daß diese Republikaner auch nicht nach dem Maßstab unserer von oben herab geformten europäischen Massen beurteilt werden dürften. Wie ihre Abhängigkeit von der Krone Englands eine ganz andere gewesen, als die des französischen Volkes von seinem angestammten Monarchen, so mußten auch ihre Revolution und die Folgen ganz anders beurteilt werden.

Im Eifer des Lesens und in der Hitze unserer Erörterungen hatten wir ganz vergessen, daß wir noch im bloßen Hemd standen. Wir wurden daran erinnert, als es auf einmal stark an der Kammertür klopfte. Ins Bett zurückzuspringen war zu spät, so ergriffen wir das nächste beste, das uns von den Familienkleidern in die Hände kam, und warfen es ohne weiteres über uns.

Die Tür ging auf und Nathan trat herein, in Eile, wie es schien, und mit gerunzelter Stirn. Als er uns in dem Hinterwäldlerinnen-Aufzug erblickte, stand er wie erstarrt und sah uns mit großen Augen an. Eine Weile verhielt er, wie um sich zu fassen. Er nahm aus seiner blechernen Büchse ein Röllchen Virginiakrautes, schnitt ein sogenanntes Quid ab, schob es zwischen die Backen und betrachtete uns kopfschüttelnd. Wir hatten Mühe, das Lachen zu verbeißen.

»Wohl nun!« hob er an. »Das heißt, was ich komplette Frolic nenne, geradezu eine Frolic, beim lebendigen Jingo! Und ich will nicht Nathan Strong heißen, wenn es nicht so ist!«

»Haben die Notion, es ist so!« erwiderten wir mit entsprechendem Ernst.

»Vermute, es ist so!« Der Alte verbrachte das Tabakklümpchen von der linken auf die rechte Backenseite. »Sage euch, Monshurs, sage euch, vermute, ihr seid heute in einer glorreich fröhlichen Laune. Ist ein Fakt!«

»Vermuten, wir sind!« erwiderten wir.

»Hat je einer in seinem Leben so etwas gesehen, sich in die Petticoats der Mary und Elisabeth zu vermummen! My! Das ist ja geradezu Tollheit!«

»Freund!« sagte Lassalle, der mit der einen Hand Elisabeths Unterröckchen hielt, die andere in die Seite gestemmt hatte. »Hab‘ die Notion, Sie sind ein gewaltiger Mann und ein gescheiter Mann dazu. Haben Sie auch nicht gleich die Straße nach Amerika entdeckt, so haben Sie doch die nach Louisiana gefunden und Seiner Majestät von Spanien und beider Indien darüber den Krieg erklärt.«

Die Miene Nathans verzog sich greulich, aber Lassalle ließ sich nicht irremachen und fuhr fort:

»Doch trotz Ihres bonapartistischen Feldherrngenies, das die Pässe von Louisiana bezwingt, so wie jenes die Alpenpässe, dürfte es Ihnen schier schwer werden, haben wir die Notion, die Eingangspässe in diese Hosentrümmer zu finden.«

Mit diesen Worten hob Lassalle mit dem einen Fuß die fragwürdigen Überreste unserer Kleidung auf. Nathan langte nach den Bruchstücken und besah sie mit prüfendem Auge von allen Seiten.

»Will euch meine Notion auf einmal sagen. Kalkuliere, daß diese Hosen da nichts weniger als tragbar sind.«

Kopfschüttelnd ließ er die Bruchstücke fallen.

»Getroffen!« fielen wir ein.

»Nichts weniger als tragbar sind«, wiederholte er, ohne sich stören zu lassen. »Dürfte schwer werden, die Stücke wieder zusammenzufinden, die ihr im Busch und Sumpf und in den Prärien verloren. Will euch aber meine Notion sagen. Kalkuliere, daß hier« — er deutete auf die Wand — »Stoff genug ist, zwei solche Monshurs, wie ihr seid, in anständiges Geschirr zu bringen. Und Mistreß Strong wird noch Linnen genug haben, euch ein ehrbares Hemd zu überlassen.«

»Kalkulieren, gegen gute Bezahlung.«

Er überhörte die Worte und stampfte einige Male mit dem Fuß.

»Das macht mit dem alten Weibe und James und Godsend ab! Mische mich nicht in ihre Sachen. Aber schaut, daß ihr aus den Unterröcken herauskommt, denn sehen euch Mary und Elisabeth in ihrem Geschirr, so bringt sie in ihrem Leben nichts mehr darein.«

Unter diesen Worten ging die Tür auf, und es trat ein ... ein festes, rundes Weibsstück mit einer großen roten Nase, die einige nähere Bekanntschaft mit Madeira oder Magentrost verriet, zusammengezogenen Lippen, eingebogenem Kinn, vollen Wangen und scharfen kleinen blauen Augen, die zeitweilige gute Laune offenbarten, obwohl ihre Miene jetzt völlige Sonnenfinsternis verriet oder vielmehr jene Teilnahmslosigkeit, die, wie ich vermute, einer der Grundzüge des hinterwäldlerischen Charakters ist.

War das Erstaunen Nathans bei unserem Anblick groß gewesen, so war das der Dame übergroß. Eine Weile sah sie ihren Eheherrn mit fragendem Blick an — ob es auch in unseren Köpfen richtig sei — dann wieder uns.

»Haben wir die Ehre, Mistreß Strong zu sehen?« begrüßten wir die Dame und schnitten einen Knicks.

»My!« rief sie Nathan zu.

»Sage dir, altes Weib, sage dir, ist ganz richtig. Hat sie nicht! Sind aber, vermute ich, Franzosen, weißt du!«

»My!« rief die Dame wieder.

»Ist ein Fakt«, versetzte er, »aber hat sie nicht«, fügte er beruhigend hinzu.

Sie schaute uns, abermals ihn an.

»Wohl nun, Nathan, das da aber ist merkwürdig quer!«

»Ei, so ist es, hat sie aber nicht, altes Weib! Ist aber quer, das ist ein Fakt. Nun, will dir sagen, ja will dir meine Notion auf einmal sagen: kalkuliere, daß du den beiden Monshurs da Wäsche bringst, und daß sie sich hier auswählen, was sie brauchen. Ist ihr Geschirr so zerfetzt, als wenn es zwei wilden Prärierossen am Rücken gelegen wäre. Aber hat sie nicht!«

»Und es hat sie nicht?!« fragte sie, offenbar etwas beruhigt.

»So wenig, als es dich und mich hat!«

»Und es hat sie nicht?!« wiederholte sie. »Nun, haben es aber gottlos getrieben mit Reden und Schreien und Lachen und Springen! Sind quere Leute bei alledem, und die Petticoats der Elisabeth und Mary!«

»Ist so ihre Weise, altes Weib, bin aber beträchtlich froh, daß es sie nicht hat. Waren im Blockhaus, weißt du, und erzählte ihnen. Ist der Sumpf keine tausend Schritte davon und staut sich jetzt der Sumpf, ist gerade die gefährlichste Jahreszeit, und verbreitet seine Ausdünstungen des Morgens und Abends, die sich gern in die Höhe ziehen. Sah das Nachtgespenst herüberkommen und brach deshalb auf und führte sie hier ins Haus. Weißt, nehme in solchen Fällen immer ein paar Gläser Madeira und decke mich warm zu und schwitze die bösen Dünste aus. Vertreibt den Ansatz der Madeira, und wenn er sich wie Blutegel in die Poren eingesetzt hätte.«

»Würde es dir nicht gedankt haben, Nathan«, versicherte sie, »gar nicht gedankt haben, mir da Gäste mit dem Shake, dem Fieberrütteln, ins Haus zu bringen.«

»Hat sie aber nicht!« wandte der Alte ungeduldig ein. »Sage dir, hat sie nicht, hat sie so wenig, das Shake, als es dich und mich hat! Und war es da gar nicht vonnöten, wie närrisch herüberzuspringen und die Tür aufzureißen und Trubel in eine Versammlung zu bringen, die am Abstimmen ist. Hatte kaum Zeit, meine Stimme abzugeben.«

»Kalkuliere, hast sie aber gegeben, wie‘s sich für einen Regulator gehört und gebührt, und es not tut, um Ordnung aufrechtzuerhalten.« Sie stemmte die beiden Arme in die Seiten.

Nathan schob den Klumpen Kautabak aus seinem zeitweiligen Ruhepunkt hinter der rechten Backenseite unter die linke und gab dann abgemessen folgendes von sich:

»Hab‘ die Notion, altes Weib, würde dein Haarschmuck um kein Item grauer sein, wenn du sein Gehirn weniger mit Dingen beschwertest, die — kalkuliere ich — nicht zur Sache gehören. Sage dir, altes Weib, sage dir, gehören nicht zur Sache, die Dinge drüben. Bin jetzt hier von wegen der Dinge hier. Bin hier von wegen dieser beiden französischen Monshurs, und sage dir, hier sind sie. Ist ein Fakt, altes Weib, sind hier! Wie und warum ist nicht die Frage und geht niemand etwas an. Hab‘ aber die Notion, sie sind just hier, weil ich es so haben will. Und sage dir, hier sollen sie bleiben, so lange wie sie Lust haben. Und schau sie dir wohl an, und will dir sagen, ei, so will ich, will nicht sagen, daß diese da — Hosen oder was sie sind — ganz sind, aber hab‘ die Notion, sie sind es nicht. Und kalkuliere, es würde dir wohl schwerfallen, was davon verlorengegangen ist, zwischen hier und den Attacapas zu finden und die Hosen wieder in ein Ganzes zusammenzuschweißen. Kalkuliere, würde auch nicht allzu anständig sein, zwei derlei Mannsgesellen in angebrochenem Geschirr im Hause umhertollen zu lassen, wenn es Notions genug gibt, sie fix und fertig herzustellen. So kalkuliere ich denn, das beste, was sich tun läßt, ist just, ein paar Hemden fix und fertig heraufzubringen und unter den Hosen und Wämsern von James und Godsend auszulesen, um sie in ehrbares Geschirr zu bringen.«

»Kalkuliere, will die Hemden fix und fertig heraufbringen«, versetzte die Dame mit bewundernswertem Gleichmut auf dieses Probestück hinterwäldlerischer Beweisführung. »Und magst du unterdessen unter den Notions da von James und Godsend auswählen. Wird das beste sein, was sich tun läßt, sie so in anständiges Geschirr zu bringen.«

»Kalkuliere, kalkuliere«, fiel Nathan ein. »Kalkuliere, wäre das soweit in Richtigkeit! Und will ich unter den Notions da auswählen, und wirst du ein gutes Weib sein und dem Plodern und Plaudern ein Ende machen. Was, du eines Hinterwäldlers Frau, und da Alarums und Tantarums wegen ein paar zerlumpter Hosen und Franzosen!«

Dieses letzte Kompliment, unseren armen Hosen und ihren Besitzern gespendet, kam zu überraschend, als daß wir, die wir nur mit großer Mühe unser Lachen zu zügeln vermochten, länger hätten zurückhalten können. Wir platzten zugleich heraus und lachten so unmäßig, daß selbst Nathan angesteckt wurde, und die im Abgehen begriffene Dame schier verwundert noch einmal den Kopf zur Tür hereinsteckte.

Aber wer hätte es auch aushalten können! Da standen wir, Lassalle in Elisabeths, ich in Marys Petticoat. Mit der linken Hand hielten wir besagtes Kleidungsstück, mit der rechten den Mund, während die beiden Eheleute so unbefangen trocken, grob und wieder neckisch naiv über die zerrissenen Hosen und zerlumpten Franzosen debattierten. Sie kamen uns ganz vor wie ein paar Bären, die miteinander spielen und über deren drollig linkischem Tappen wir ganz vergessen, daß ihre Tatzen derb auffallen und wehe tun.

»Wohl!« fuhr der Alte fort. »Kalkuliere, das wäre abgetan, und will euch sofort euer Geschirr auslesen. Habt sie aber erschreckt, die Mistreß mit euren Kreuzundquersprüngen und Phantasieren und Alarums, und dachte nicht anders, als hätte euch das Dunstgespenst gestern nachts erfaßt, als wir drüben am Blockhaus standen, und machte euch das Shake kapriolen. Kommt herübergesprungen in unsere Versammlung, ich gab gerade meine Stimme ab, und raunt mir schier verstört zu, wie ihr es hier treibt! Schier ärger als der alte Tom, der Whisky-Tom, wie er hieß, der neulich draufgegangen. Hatte auch das Schütteln, der alte Tom, und dann das Fieber, hat sich‘s auch am Sumpf geholt. Bin aber froh, daß es mit euch anders ist, ei, bin recht froh. Und will euch jetzt euer Geschirr auslesen.«

Und mit diesen Worten ging der gute Nathan daran, uns, wie er sagte, unser Geschirr auszulesen.

»Hab‘ die Notion«, hob er wieder an, indem er ein paar lederne Beinkleider herabnahm und uns anmaß, »diese ledernen Schicklichen da werden es tun. Sind nagelneu, kalkuliere ich. Draußen hängen noch die Schinken von dem Bock, dem die Haut angehörte. Hat sie der Leather-Ned gegerbt, kalkuliere ich ...«

Er hielt plötzlich inne, horchte, tat einen gewaltigen Schritt gegen die Dachluke zu, und hatte kaum hinausgesehen, als er mit den Worten: »Damn! Über den tollen Frenchers hab‘ ich ganz die da drüben vergessen!« zur Tür eilte.

Ich vertrat ihm den Weg.

»Aber Nathan, unser Geschirr!«

»Damn! Euer Geschirr!« brummte er und schob mich auf die Seite.

Durch die aufgerissene Tür eilte er mit großen Schritten die Treppe hinab. Wir sahen ihm einen Augenblick nach und brachen wieder in ein lautes Gelächter aus. Was fiel ihm auf einmal ein?

»Etwas muß draußen vorgegangen sein«, meinte Lassalle.

Er steckte sofort den Kopf durch das Dachfenster oder vielmehr die Luke.

»Wohl, Gaston! Was siehst du?«

»Die Niederlassung scheint stark zu sein. Ich zähle bereits dreißig Köpfe. Wetter- und sonnverbrannte Gesichter, athletische Gestalten, aber darunter einige recht hübsche junge Männer.«

»Was tun sie? Was wollen sie?«

»Das ist schwer zu sagen, Colonel! Sie kommen aus einem Blockhaus drüben, zähle bereits vierzig. Morbleu! Was soll das? Einer im bloßen Hemd!«

»Im bloßen Hemd? Was soll der? Doch nicht Kirchenbuße tun? Oder wollen sie ihn gar wie Kannibalen zum Gabelfrühstück verspeisen? Laß doch schauen, Gaston! Täuschst du dich nicht?«

Ich zerrte Lassalle bei Elisabeths Unterröckchen ungeduldig von der Dachluke zurück und schob meinen Kopf hindurch. Es war, wie er gesagt hatte. Vor einem Blockhaus, das etwa zweihundert Schritte von uns am Abhang des Kammes in einer Gruppe von Catalpabäumen stand und zu Gemeindeversammlungen bestimmt zu sein schien, waren an die vierzig Squatters versammelt. Drum herum eine zahlreiche Brut kleiner Squatters und Frauen, in der Mitte ein Geselle im bloßen Hemd.

Der Wicht schien sich nicht ganz behaglich zu fühlen, seinen Grimassen und wütenden Gebärden nach zu schließen. Er schlug heftig um sich, sprang bald an den einen, bald an den anderen Hinterwäldler heran, drohte mit den Fäusten, ohne jedoch bei den gleichgültigen Männern einen sichtbaren Eindruck hervorzubringen. Einige rauchten, andere besprachen sich, keiner schien eine besondere Eile bei dem vorliegenden Geschäft zu haben.

Doch brachte die Ankunft Nathans einige Bewegung in die phlegmatische Masse. Der Knäuel formte sich in einen Kreis und horchte Nathans Worten, die wir aber wegen der großen Entfernung nicht verstehen konnten. Zwei der Squatters legten hierauf ihre Tabaksröhren auf die Fenster des Blockhauses, gingen auf den Hemdenmann zu und versuchten sich seiner zu bemächtigen. Er zog sich zurück, schlug um sich, wurde aber trotz verzweifelter Gegenwehr bald festgenommen und mit Stricken an eine der Catalpas gebunden, den Rücken gegen die Versammlung gekehrt. Der Bursche schrie, als ob er am Spieß stäke.

Ich weiß nicht, war es der rosenfarbige Humor, in dem wir erwacht und der uns alles Geschehen dieses Morgens durch eine heitere Brille sehen ließ, oder war es die grotesk hölzerne und doch wieder durchgreifende Art und Weise der Hinterwäldler, der ganze Auftritt machte uns laut auflachen, so wenig er sonst geeignet war, unsere Lachmuskeln in Bewegung zu setzen. Aber wie gesagt, das Benehmen dieser Squatters erschien uns so quer! Man muß diese Leute bei solchen Gelegenheiten gesehen haben.

Die zwei jungen Hinterwäldler, die den Mann im Hemd angebunden, entledigten sich nun ihrer Jagdröcke, streiften die Hemdärmel auf und ergriffen jeder eine Rute — wir erfuhren später, daß es Ochsenziemer waren — und begannen zugleich auf den Rücken des Wichtes loszuhauen. Schlag auf Schlag fielen die Hiebe hageldicht, ich habe nie einen Strafvollzug in kürzerer Zeit abgetan gesehen und mit mehr Wirkung. In weniger denn einer Minute war das Hemd in Stücke gehauen, und der Mann stand mutternackt mit blutigem Rücken, bloß um die Lenden noch ein Stück Baumwolle gebunden. Der Bursche brüllte vor Schmerzen, aber bei alledem zeigte er noch eine Unbändigkeit, eine Wut, die nichts weniger als Mitleid einflößten. Nathan winkte endlich den beiden einzuhalten.

Während dieser Züchtigung waren die Squatters ganz ruhig gleichmütig gestanden. Einige rauchten aus ihren Tabakspfeifen, andere Zigarren, eine dritte Gruppe war mit der jungen Brut auf die abgelegene Seite des Hauses abgetrollt. Nathan und die übrigen gingen nun gleichfalls dorthin, und auch die beiden Zuschläger folgten ihnen mit dem Gezüchtigten, nachdem sie ihn vom Baum losgebunden.

Ich zog den Kopf aus der Fensterluke zurück, da mir ein vorspringender Giebel des Daches die Aussicht auf dieser Seite nahm. Lassalle hatte mittlerweile einen der strohgeflochtenen Sessel auf den Tisch gestellt, sich auf den Querbalken des Daches befördert, eine der Dachdauben losgemacht und so die Hinterwäldler wieder zu Gesicht bekommen.

»Willst du nicht herauf, Colonel?« rief er mir zu. »Es ist der Mühe wert, eine gloriose Aussicht! Wirklich mächtig herrliches Land!«

»Ja, aber was treiben die Buschmänner?«

»Sie haben ihn auf die andere Seite gezerrt. Er schlägt noch immer wie ein Alligator um sich.«

»Wohl! Was haben sie weiter mit ihm vor?«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
460 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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