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Kitabı oku: «Das blutige Blockhaus», sayfa 19

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Und wen sahen unsere Augen? Wen anders als unsere Freunde Ducalle und Hauterouge, die umgeben von Amadée, Jean und Martin auf ihren Pferden hielten. Ein Ausruf der höchsten Überraschung entfuhr uns. Ducalle erschaute mich.

»Vive le roi! Le roi ne meurt pas!« rief er laut.

Sprang vom Pferd auf die Porch zu, mit einem zweiten Satz durch das offene Fenster in die Stube, vorbei an mir, der ich zurückgesprungen war, und in die Arme der gerade aufschnellenden Elisabeth! Drückte einen Kuß auf die schwellenden Kirschlippen der lieblichen Hinterwäldlerin, ließ sie fahren, und flog mir jubelnd an den Hals.

»Colonel! Alle Teufel, wo stecken Sie? Worin stecken Sie?«

Er prallte zurück, sprang wieder vor, drehte mich im Kreis herum.

»Vive la France, l‘amour et la patrie!« schrie er.

In demselben Augenblick kam Hauterouge ebenso formlos durch das Fenster hereingesprungen.

»Morbleu, Colonel! Lassalle! Wo steckt ihr? Wie seht ihr aus? Alle Teufel, was treibt ihr?«

Und Hauterouge und Ducalle flogen uns abermals in froher Überraschung mit all dem stürmischen Jubel wiedergefundener Kriegskameraden um den Hals, umarmten uns, wendeten uns, drehten uns, brachen in lautes Gelächter aus und hüpften wie närrisch in der Stube herum. Währenddem kam Amadée durch die Tür herein, ihm nach unser Jean und der alte Roche Martin.

»Herr Graf, Herr Colonel, um Himmels willen sind Sie es? St. Denis und alle Heiligen seien gelobt! Sind Sie es wirklich, Herr Graf? O Herr Graf! O mein geliebter Colonel!«

Und mit Tränen in den Augen küßte mir Amadée die Hand, und nach dem Beispiel Hauterouges und Ducalles sprang und tanzte auch er.

»Suchen Sie seit zwei Tagen, Herr Graf!« jubelte er vor Freude. »Überall, bei Martin, bei den Akadiern, auf der brennenden Prärie! O Herr Graf, unsere Angst, unser Jammer! Überall haben wir Sie gesucht!«

»Bei den — mit Verlaub zu sagen — Farbigen, den Allains«, fiel Martin wie ein alter Drehbaß ein.

Der plötzlichen Rührung folgte wieder ein lautes schallendes Gelächter.

»Weißt du aber, Colonel, daß diese Allains wirklich ganz göttliche Geschöpfe sind?« fragte Hauterouge.

»Ihr wart also bei den Allains? In der Chartreuse?«

»So waren wir. Glaubten, euch da aufstöbern zu können, als ihr nach zwei Tagen noch immer nicht kamt. Sahen die lieblichen Mädchen. Parole d‘honneur! Sind allein die Reise nach Louisiana wert!«

»Und was sagt mein sittenstrenger Ducalle?« fragte ich lachend.

Ducalle war rot geworden und schwieg. Mir fiel dies damals unter den Rundsprüngen weniger auf, aber doch fiel es mir auf, obwohl Amadée mich bald wieder auf andere Gedanken lenkte. Es waren Briefe von Hause, von New Orleans, vom Gouverneur, vom Leutnant-Gouverneur, von Baron Marigny, von allen angesehenen Persönlichkeiten des Staates eingelaufen. Amadées Freude, uns wieder zu finden, wollte kein Ende nehmen. Hätte er uns auf dem Schlachtfeld unter einem Haufen Toter hervorgezogen oder aus dem Rachen eines Alligators, sein Frohlocken hätte nicht ungestümer sein können, waren wir doch nicht — seine einzige Angst und Sorge — in den Sirenennetzen der schrecklichen Allains verstrickt.

Er sprang und tanzte um uns herum, schrie uns abwechselnd die Neuigkeiten in die Ohren. Hauterouge und Ducalle tanzten pas de deux, lachten zur Abwechslung über unsere Kleidung. Es war ein Spektakel, wie er wohl selten nur in einer Squatterstube getrieben ward. Für unsere Freunde waren die Squatters so gut wie gar nicht vorhanden, und auch wir hatten unsere liebenswürdigen Wirte ganz vergessen.

Ausrufe belehrten uns endlich, daß wir nicht allein waren.

»Why that beats all nater — ay the Union! — Wie, das überbietet ja alle Natur! — Mein Gott, die Union!«

»Why they are whomsoever stark downright mad! — Wie, die sind nichtsdestoweniger ganz toll!«

»By the living Jingo, if they ar‘nt!« — Beim lebendigen Jingo, wenn sie‘s nicht sind!«

Wir schauten uns um und ... Oh, diese Squatters und ihre Gesichter! Sie lassen sich unmöglich beschreiben. Wäre aber der Himmel geborsten oder die sieben Meilen lange Seeschlange der Yankees statt Ducalles und Hauterouges zum Fenster hereingesprungen, ihr Starren hätte nicht größer sein können! Was sage ich, Starren? Es war wahrer Schrecken, Angst in den Gesichtern der Weiber und Töchter, eine Angst, die uns anfangs komisch vorkam, uns aber bald ernsthaft genug erschien, als wir auf Nathan blickten.

Er saß, die beiden Hände fest auf den Tisch gedrückt wie einer, der sich zurückhalten will. Aber seine erzenen Gesichtszüge schwollen, seine Augen stierten und starrten, sein ganzes Gesicht nahm einen unheilschwangeren Ausdruck an. Ducalle hatte kaum einen Blick auf ihn geworfen, als er an mich zurückprallte und mir zuflüsterte:

»Um Himmels willen, wer ist der Mann? Welch ein furchtbares Gesicht!«

Ducalle hatte nicht allein die unheilverkündenden Anzeichen aus des Mannes Gesicht gelesen. Hauterouge, Amadée, Roche Martin, Jean, der alte Lecain und seine Ehehälfte scharten sich um uns. Mistreß Strong und ihre Töchter hatten sich mit gerungenen Händen an die Seite des Mannes gezogen, ihn von uns abzuhalten.

»Mann, um Gottes willen, Mann, bedenke!« rief Mistreß Strong.

»Vater, um Gottes willen, Vater!« riefen die Töchter.

Wir waren nun allen Ernstes erschrocken, denn wir sahen, daß die Freiheit, die sich unsere beiden Freunde in ihrem unbesonnenen Leichtsinn genommen, den Stolz des starren republikanischen Buschmanns am empfindlichsten Fleck getroffen. Sie konnte uns teuer zu stehen kommen. Die Gäste saßen schweigend mit abweisenden Mienen und Gebärden.

»Mister Nathan!« Ich trat auf ihn zu. »Mister Strong, vergeben Sie die Freiheit, die sich unsere Freunde genommen! In ihrer Überraschung, uns so plötzlich wiederzufinden, dachten sie nicht daran, Sie zu beleidigen. Dies ist Major Baron Hauterouge!... Kapitän Ducalle!«

Nathan saß mit zusammengepreßten Lippen, ohne ein Wort zu erwidern. Einen Augenblick starrte er seine Nachbarn an, dann warf er einen durchdringenden Blick auf uns. Auf einmal schüttelte er Weib und Töchter ab wie der Bär einen Bienenschwarm und erhob sich.

»Still, altes Weib! Friede deiner Zunge! Waffenstillstand! Hörst du? Hab‘ die Notion, bin Herr in meinem Hause und habe nicht umsonst geschafft und geblutet! Kalkuliere, will es bleiben, und dir eine Notion geben, daß ich es will!«

Mit diesen Worten trat er an Ducalle heran, legte seine gewichtige Hand auf des Freundes Schulter und sprach mit starker Stimme:

»Willkommen, Fremdling! Willkommen! Sage ich. Still, altes Weib! Friede mit deiner Zunge! Hört, was ich sage! Kalkuliere, ist jetzt die Zeit an mir zu reden. Hab‘ euch gehört und gesehen, sollt mich jetzt hören!«

Er machte eine Pause.

»Hab‘ die Notion, ist bei euch der Brauch, eure Besuche den Leuten durch das Fenster zu machen? Mag sein, es ist so, hab‘ nichts dagegen. Seid bekannt als leichtfüßig. Seid ihr nicht?«

Ducalle sah den Mann an, aber sowohl er wie wir konnten vor Erwartung kein Wort hervorbringen, so grimmige Entschlossenheit war in seinen Zügen.

»Hab‘ aber die Notion«, fuhr er mit stärkerer Stimme fort, »ist bei uns nicht die Sitte, den Leuten durch das Fenster hereinzuhopsen. Ist ein Fakt, Mann! Ist nicht Sitte bei uns, kalkuliere ich. Und so vermute ich denn, Sie werden ein guter Junge sein und unsere Sitte achten und Ihren Weg zurücknehmen und ihn da nehmen, wo ihn andere Leute vor euch genommen haben ... zur Tür herein!«

Die Worte würden einem Stocktauben verständlich geworden sein, denn sie waren mit einem Ruck begleitet, der Ducalle, stark wie er war, zum Fenster brachte, durch das er sich — wie, wußte er gewiß selber nicht — mit einem Satz zurückzog.

»So, mein guter Junge! Gleich drüben ist die Tür und der Eingang!« sagte Nathan und wandte sich an Hauterouge. »Und Sie?«

Hauterouge hatte geschaut, gestarrt. Bei all dem furchtbaren Ernst, der in des Mannes Gesicht lag, lauerte wieder ein Zug guten Humors hervor. Er machte gute Miene zum bösen Spiel und sprang mit einem Satz dem Freund nach.

»Jetzt erlauben Sie aber auch uns zu folgen!« sprachen Lassalle und ich.

»Mitnichten!« versetzte Nathan. »Seid durch die Tür auf rechtem Weg gekommen, seid meine Gastfreunde! Bleibt hier!«

»Und ihr, Monshurs?!« wandte er sich zu den beiden, die draußen auf dem Porch standen. »Ihr seid willkommen, aber zur Tür herein!«

»Eh bien!« riefen Ducalle und Hauterouge.

Sie gingen auf die Laune des bizarren Alten ein und traten durch die Tür.

»Eh bien! Nous voilà! — Da sind wir!«

Und beide waren lachend wieder in der Stube, im Gesicht einige Verlegenheit, die aber Nathan wenig kümmerte.

»Sehe, läßt sich etwas aus euch machen!« sprach er trocken, während ein kaum bemerkbarer ironischer Zug um seine Augenwinkel spielte. »Sehe, sehe, wen wir vor uns haben! Leichtes französisches Blut, das sich keinen Fiedelbogen darum kümmert, wie andere den beliebigen Spaß aufnehmen. Will euch aber sagen, ei, so will ich: Hab‘ die Notion, laßt fürs Künftige derlei luftspringerische, spaßhafte Mißgriffe, wenn ihr wieder in eines Bürgers Wohnung eintretet. Mögt in eurem Land solche luftspringerische, spaßhafte Mißgriffe tun, das Fenster für die Tür anzusehen! Tut‘s aber nicht bei uns, könnte einem von uns leicht auch ein Mißgriff begegnen, euch statt tanzender Franzosen für Tanzbären oder springende Panther zu nehmen und euch dreiviertel Unzen Blei in den Leib zu jagen oder sechs Zoll kalten Eisens. Und könnte einem für solchen Mißgriff nicht einmal das Gesetz etwas anhaben. Mögen bei euch in Ordnung sein solche Vertraulichkeiten, aber bei uns sind sie gefährlich. Laßt sie besser weg! Pshaw! Hab‘ mitunter die Notion, werdet nach eurer Tanzfrolic Appetit haben. Habt ihr nicht? Altes Weib, frische Gedecke!«

Das starre, mit einem leicht ironischen Lächeln überflogene Gesicht Nathans wurde nun etwas freundlicher. Der Kopfruck, der Mistreß Strong zugeworfen, setzte Mutter und Töchter in Bewegung. Der Friede mit dem Buschgewaltigen war geschlossen.

Die Gesichter unserer beiden Freunde hatten sich zunächst während des guten Ratschlages verlängert, jetzt erst schienen sie etwas von Nathans Charakter zu begreifen. Hauterouge sah darein, als ob er an der Spitze seiner Schwadron einzuhauen im Begriff stände. Er kräuselte seinen Schnurrbart und schoß abwechselnd grimmige Blicke auf Nathan und wieder auf uns. Der leichtblütige Ducalle schien noch unschlüssig, ob er lachen oder sich ärgern sollte. Glücklicherweise hatte die lieblich gerundete Miß Elisabeth ein frisches Gedeck für ihn zurechtgelegt und deutete sanft errötend darauf. Einer solchen Einladung ließ sich wohl nicht widerstehen. Er setzte sich. Hauterouge zögerte noch.

»Parbleu, in welche Gesellschaft sind wir geraten, Vignerolles?« brummte er mir in die Ohren. »Bären das!... Habe große Lust...«

»Tu das ja nicht!« versetzte ich. »Du kämst zu kurz! Der Mann ist ein Original, alle sind es. Du siehst, man war daran, dich selbst für einen Bären zu halten. Besser, du setzt dich, hab‘ ich die Notion.«

Er sah mich erstaunt an, schnitt eine Grimasse, setzte sich aber. Unser guter Hauterouge war den Morgen bereits zwanzig Meilen geritten und hatte also einen Appetit, so scharf, wie ihn ein Schwadronschef eines Dragonerregiments nur haben konnte. Auch Ducalle ließ der Kochkunst der Mistreß Strong alle Gerechtigkeit widerfahren. Uns kam jetzt der ganze Auftritt recht sehr lächerlich vor. Die köstliche Schadenfreude, unserm guten ungestümen Hauterouge seinen Anteil derber Squatterkomplimente zugemessen zu wissen, war nicht zu bezahlen.

Der alte Nathan schien an Ducalle Wohlgefallen zu finden. Man konnte ihm aber auch nicht gram sein. Seine männliche Schönheit, verbunden mit einem leichten, gefällig sorglosen Wesen, gewann ihm im ersten Augenblick aller Herzen. Die Blicke der Hinterwäldlerinnen hingen ordentlich an ihm. Mistreß Strong hatte sich zu ihm gesetzt und schaute ihn vertraulich an.

»Seid also, vermute ich, aus eurem alten Land herübergekommen?«

Ducalle nickte.

»Hab‘ die Notion, wird euch wunderbar vorkommen bei uns? My! Sagen die Leute, daß drüben jung und alt in Holzschuhen einhergehen und nichts als Frösche und Suppe essen?«

Ducalle nickte abermals.

»Essen Sie sich nur immer voll, lieber Junge!« ermunterte ihn Mistreß Strong. »Haben Fülle von Sachen!«

Hier sahen Hauterouge und Ducalle hoch auf. Wir hatten Mühe, das Lachen zu verbeißen.

»Why! Kalkuliere, Sie sind nicht verheiratet?«

Ducalle sah wieder auf und nickte.

»Bitte um Vergebung, Mistreß Strong«, fiel ich ein. »Monsieur Ducalle ist verheiratet, und zwar mit der Tochter des Herrn de Morbihan.«

Die Lippen, die Kinnladen der Mistreß Strong und ihrer Töchter fielen, ihre Gesichter verlängerten sich. Miß Elisabeth zog sich drei Schritte zurück. Wir konnten es kaum mehr aushalten. Zum Glück kam uns der alte Nathan zu Hilfe, der ohne eine Miene zu verziehen über seinem Schinken gesessen.

»Und seid also zusammen herübergekommen?« fragte er.

»Mit dem Colonel!« Ducalle deutete auf mich und fuhr im Kauen fort, setzte dann mit weniger vollen Backen hinzu: »Mit dem Colonel und dem Major Lassalle und dem Major Hauterouge.«

»Und seid durch das Bayou Plaquemine gekommen?« fuhr Nathan nach einer Weile in seinem Verhör fort.

»Wie wissen Sie das?« fragten wir verwundert.

»Ei, wie wissen wir das! Wissen mehr, als ihr glaubt! Sollt mehr hören vom alten Nathan!« Er wandte sich an eines der jungen Lederwämser. »James! Hab‘ die Notion, du stößt ins Horn zur Gemeindeversammlung!«

James ging hinaus und blies in eine Seemuschel. Der Ton glich ganz dem der Schweizer Alpenhörner. Während der langen Pause, die eintrat, vollendeten unsere beiden Freunde ihr Frühstück.

Dann stand Nathan auf und wandte sich mit gewichtiger Miene an uns:

»Hab‘ die Notion, ist an der Zeit, das Geschäft abzutun. Und wollen hinüber ins Gemeindehaus!«

»Hab‘ die Notion, guter Mister Strong«, fiel ich in seinen Ton ein, »wollen uns aus eurem Geschirr heraus und in das unsrige eintun, das Amadée in seiner Voraussicht mitzubringen bedacht gewesen. Kalkuliere, wollen euch hierauf für eure Gastfreundschaft danken und uns mit unseren Freunden und dem alten Martin auf den Heimweg machen.«

»Ist doch erstaunlich, was für kurzsichtige Leute Gott der Allmächtige in euch Franzosen geschaffen hat!« versetzte Nathan. »Will einen Quid Tabak gegen ein ganzes Faß wetten, daß ihr rein vergessen habt, was ich euch von wegen der Akadier und des Gemeindehauses gesagt!«

Ducalle und Hauterouge lachten laut auf.

»Nicht vergessen, lieber Nathan!« sagte ich. »Aber was sollen wir in eurem Gemeindehaus?«

»Werdet sehen und hören! Und macht mich nicht giftig mit euren ewigen Fragen!«

Hauterouge sah mich an.

»Alle Teufel!« raunte er. »Was hast du mit dem alten Grobian? Das ist das seltsamste Tier, das mir je im Leben begegnet!«

»Bon Dieu!« wisperte mir Lecain zu.

»O ciel!« bat Madame Lecain. »Bon Dieu! O ciel! Gehen Sie, gehen Sie, Herr Graf, Herr Baron!«

Wir standen noch unentschlossen. Ihren Worten mehr Nachdruck zu geben, häkelte Madame Lecain ihren Arm in den meinigen, Lecain schob Hauterouge zur Tür hinaus, Mistreß Strong Lassalle und Ducalle. Und so zogen wir denn dem alten Nathan nach.

»Sind doch merkwürdig quer, diese Franzosen!« brummte uns die Mistreß Strong nach. »Küssen ledige Mädchen und haben Weiber!«

»Ducalle, du könntest hier dein Glück machen!« lachte Hauterouge.

»Hab‘ die Notion, Sie könnten!« stimmte auch Lassalle bei.

Laut lachend zogen wir dem Gemeindehaus zu.

Die Gemeindeversammlung

1

Das Gemeindehaus war zugleich Tabak-, Baumwollen- und Teeniederlage. Fässer mit Tabak und Tran, Baumwollenballen mit Bären- und Hirschhäuten lagen auf allen Seiten im Innern aufgeschichtet. In der Mitte neben der Waage stand ein roher Tisch mit einem Ersatz für eine Bank, nämlich ein Brett über zwei Blöcke gelegt. Um den Tisch herum lagen Hausmöbel, Kleidungsstücke und Warenballen.

Wir waren am Einfahrtstor stehengeblieben und beschauten die Squatters, die von allen Seiten herangestiegen kamen, uns mit stolzen Blicken musterten und dann in die Niederlage traten. Dort befanden sich Nathan, Mister Gale und die übrigen Tischgenossen und prüften die Tabak- und Baumwollensorten.

Diese Unterhaltung währte, bis die Anzahl der Squatters auf etwa sechzig gestiegen war. Jetzt trat Nathan mit einem anderen ältlichen Mann vor den Tisch, legte Federn, Tintenbehälter und Papier darauf, und beide setzten sich mit Mister Gale, dem sie den Ehrenplatz in der Mitte einräumten.

So grotesk und seltsam uns das Benehmen der Squatters vorkam, so hatte doch ihr Wesen auch wieder etwas so Republikanisch-Starres, es spiegelte sich darin eine so ruhige Selbstachtung, daß wir mit wahrem Verlangen der Eröffnung ihrer Verhandlungen entgegensahen.

Nach einigen Minuten wechselseitiger Beschauung erhob sich endlich Nathan und winkte uns vorzutreten. Wir traten also vor.

»Haben euch berufen, Fremdlinge, in diese unsere Versammlung. Ist an der Zeit, kalkuliere ich, euch wissen zu lassen, warum wir eure Gegenwart gewünscht. Haben aber zuvor noch einiges und anderes zu verhandeln und ersuchen euch in Geduld abzuwarten.«

Wir nickten unsere Bereitwilligkeit zu, in Geduld abzuwarten, übrigens eine harte Zumutung bei unserer Ungeduld. Nathan übersah noch einmal die Jagdblusen und Lederwämser und begann:

»Ist nun sieben Jahre, Mitbürger, und eine Spanne darüber, daß wir hier auf diese Erdscholle den Fuß gesetzt und das Land ausgefunden, das seitdem Asas Niederlassung getauft worden. Ist jetzt nicht die Zeit und der Ort, ein Langes und Breites zu sagen über das, was wir getan. Ist, hab‘ ich die Notion, genug zu sagen, daß das Land, das ihr nun als eine Niederlassung schaut mit Welschkorn- und Tabak- und Baumwollenfeldern, mit Fencen und Häusern und Hütten und Gärten und Quellhäusern, als wir zuerst ankamen just so war, wie es Hinterwäldler am besten lieben und wie es Gott der Allmächtige geschaffen: Wald und Prärie, Sumpf und Dickicht, Busch und Dorn, ohne Weg und Steg, mit keinem andern Dach als dem Zelt des blauen Himmels, keinem andern Licht als dem der sengenden Sonne bei Tag und dem des grün schillernden Mondes und der Gestirne bei Nacht, mit keiner Stimme als der des Bullfrosches, des heulenden Wolfes, des brummenden Bären und derlei Gezüchts. Erwähne dieses, Mitbürger, nicht aus eitler Ruhmsucht oder in der Notion, außerordentliche Heldentaten vollbracht zu haben. Ist das nicht unsere Notion. Ist Squattertun, was wir getan. Wissen es, haben Tausende vor uns das nämliche getan, werden Tausende nach uns das nämliche tun. Wissen auch, daß eure Hände und Äxte das meiste dabei getan, das Land zu dem zu machen, was es ist. Sind es eure Hände, die das getan. Erwähne aber dieses alles nicht ohne Ursache, erwähne es, nicht um zu rühmen, was wir getan, sondern um uns und euch das Prinzip ins Gedächtnis zu rufen, das uns geleitet in unserm Tun.«

Bei der Erwähnung des Prinzipes sahen uns Hauterouge und Ducalle starr an. Das Wort Prinzip im Munde des Squatters klang wirklich so seltsam! Wir selbst, so vieles wir auch bereits gesehen und gehört, konnten ein Lächeln nicht unterdrücken. Aber die Sprache des Mannes war nicht mehr die des rauhen Squatters, sie war ernst, würdig, voll Selbstbewußtsein geworden. Nathan fuhr fort:

»Kam gleich in den ersten Monaten unseres Hierseins etwas dazwischen, das unsere Pläne und Vorhaben schier im Keim zu ersticken und unserm Squattertreiben für immer ein Ziel zu setzen schien. Hätten vieles darum gegeben, wenn es nicht dazwischengekommen wäre, kam aber dazwischen, und war ein blutiges Dazwischenkommen, das uns den besten Mann kostete. Und keinen besseren gab es, wer er auch immer sein möge, eine Niederlassung zu gründen. Kam, ohne daß wir es suchten oder wollten, und mußten es nehmen, wie es kam. Und da wir es weder gesucht noch gewollt, so nahmen wir es, wie es kam. Und obwohl wir vieles darum gegeben hätten, wenn es anders gekommen wäre, so behaupteten wir, da das Recht auf unserer Seite war, auch das Recht wie freie Männer. Ist aber jetzt nicht an der Zeit, mehreres über diesen Punkt zu reden. Kalkuliere, ist überhaupt nicht an der Zeit, viel davon zu reden in Anbetracht, wo und unter wem wir uns befinden. Haben unser Recht behauptet, und ist das genug, und besser zu schweigen als zu viel Redens darüber zu machen, hab‘ ich die Notion. Hat aber Blut gekostet unser Recht, haben es aber behauptet unser Recht und behaupten es noch. Ist aber, kalkuliere ich, an der Zeit, uns das Prinzip ins Gedächtnis zurückzurufen, das uns geleitet sowohl in Behauptung unseres Rechtes wie in Gründung unserer Heimwesen und im Verkehr mit Ausländern und das gelotset uns und unser Gemeindeschiff durch mancherlei Klippen.«

Nathan hielt inne, übersah abermals die Versammlung, die jetzt wohl auf hundertundzwanzig Köpfe angewachsen sein mochte, und sprach dann langsam und feierlich:

»Ist aber unser Prinzip immer gewesen und wird immer sein, kalkuliere ich, das Prinzip freier Männer: Unabhängigkeit der Person und des Eigentums. Wollten und wollen unsere Unabhängigkeit, was beide betrifft, behaupten, wollen aber auch die Unabhängigkeit anderer in beiden achten!«

Diese letzten Worte waren mit starker Stimme gesprochen.

»Hat uns das Prinzip zum Leitstern gedient, zum Lotsen, das unser Gemeindeschiff durch so manche Untiefen und Klippen hinausbugsiert hat und, kalkuliere, durch noch manche Untiefen und Klippen hinausbugsieren wird. Will deutlicher reden. Hatten damals nach der blutigen Frolic dieses Prinzip zum ersten Mal als Prüfstein und gleichsam als Pilot anzuwenden, damals als George Nollins, Asas Bruder, mit unseren Freunden vom Salt River gerade zu rechter Zeit kam, uns in einer so argen Klemme, als je Squatters in einer staken, Trost zu bringen und Hände, unsere vom Feind niedergebrannten Hütten wieder aufzublocken. Hatten nämlich unsere Häuser aufgebaut und unsere Felder bestellt, und es war im Sommer des zweiten Jahres nach unserer Ankunft, als die Akadier und Kanadier und Franzosen zuerst erschienen in der Absicht, sich in unserer Nachbarschaft niederzulassen. War dieses eine Prinzipfrage. Hatten das Land mit unserm Blut erobert und behauptet, hatten unser Recht darauf gegründet. Kamen aber die Franzosen und Kanadier und Akadier, willens sich auf diesem Land niederzulassen, das wir zwar zur Zeit nicht bedurften, auf das wir aber für unsere Mitbürger und Kinder gerechnet hatten. War eine kitzlige Frage, die einen wohl nachdenken machen konnte, ehe man entschied. Hatten das Land erobert mit unserm Blut, und kamen jetzt die, deren Brüder und Freunde und Landsleute gegen uns gefochten, willens es mit uns zu teilen. War eine Frage, die dem nüchternsten Richter Kopfweh zu verursachen imstande war. Machte auch uns die Köpfe schier schwindlig. War eine Interessen- und eine Prinzipfrage, und waren Partei und Richter zugleich, und es ist schwer, als Partei und Richter zugleich gerecht zu sein.«

Nathan fuhr nach einer kurzen Pause fort: »Waren einige der Meinung, das Land sei unser Eigentum und könne also nicht von den Akadiern und Kanadiern angesprochen werden. War das wahr genug, aber sagten wieder andere ebenso wahr, daß die Kongreßländereien gleichfalls Eigentum der Bürger in den Staaten seien, und daß die Staaten doch Fremdlingen, Ausländern, Briten und selbst Hessen Ländereien mit der Erlaubnis gäben, sich niederzulassen und ein Heimwesen zu gründen. Und sagten, daß wir als freie Bürger zwar unser Recht behauptet, aber daß dies uns nicht die Befugnis gäbe, andere in der Freiheit, die wir verfochten, zu beschränken. Und sagten, daß die Staaten eben diesem Prinzip gemäß handelten, und daß es von uns prinzipwidrig gehandelt wäre, diesem Prinzip der Freiheit entgegen zu handeln und den Akadiern, die nichts anderes wollten, als was wir verfochten, das Recht der Niederlassung zu verwehren. Ist dieses ganz richtig, bemerkte wieder ein anderer, den ihr alle kennt. Ist ganz richtig, sagte er, und haben die Staaten Landesfremde und selbst Feinde in ihre Mitte zugelassen und sie unter sich aufgenommen. Haben aber diese Staaten organisierte Regierungen, haben neben diesen Staatsregierungen eine Zentralregierung in Philadelphia mit dem Präsidenten und seinem Kabinett, durch die sie in Verbindung stehen mit auswärtigen Regierungen. Und sind diese Staatsregierungen und die Zentralverwaltung mit hinlänglicher Gewalt versehen, den Gesetzen Gehorsam und Achtung zu verschaffen, und ist ihre Autorität auch anerkannt von Briten und Franzosen und Spaniern und wie alle die Völker heißen.«

Weiter fuhr Nathan fort:

»Ist aber bei uns ein anderer Fall, sagte derselbe Mann, und dürfen wir uns die Wahrheit nicht verhehlen, noch die Augen blenden. Sind im Land hier, ist ein Fakt, und haben uns darin festgesetzt, ist ein zweites Fakt. Sind aber in einem Land, das nicht zu den Staaten gehört, sondern zu den spanischen Provinzen und Königreichen, und in dem sich die Franzosen und Spanier früher niedergelassen haben, und das sie als ihr Eigentum betrachten. Und da sie es als ihr Eigentum betrachten, wollen sie sich auch hier auf ihrem Eigentum niederlassen. Und bitten zwar und betteln um unsere Bewilligung als eine Gunst, aber wir dürfen uns durch ihre schönen Worte nicht täuschen lassen. Wissen es wohl, daß wir nicht das Recht haben, ihnen ihr Begehren zu versagen, und noch weniger, unser Gesetz auf sie anzuwenden. Und werden sie, wenn die spanische Regierung etwas gegen sie hat, zu uns, und wenn wir etwas gegen sie haben, zum Spanier übergehen. Und werden sie uns den olivenfarbigen Don über den Hals bringen, und wird des Streites und der Zwistigkeiten kein Ende sein.«

Nathan hielt inne, denn es richtete sich ein langer Squatter auf, winkte mit der Hand und gab ein Zeichen, daß er das Wort zu nehmen wünsche. Nathan nickte, und der Mann sprach.

»Ganz recht, Mister Nathan Strong! Ganz recht prophezeit in dem, was Sie sagten. Hat Streit gegeben und gibt noch Streit, und kalkuliere, wird noch mehr geben. Sage Ihnen aber, kalkuliere, ist Ihre Schuld, daß es Streit gab und gibt. Ist das Land Louisiana, und wenn sich hundertmal der Spanier und Franzose vor uns da niedergelassen, nichts mehr noch weniger denn ein bloßer Abfall vom Mississippi, unserm Mississippi. Und haben uns darin festgesetzt und behauptet mit unserm Blut oder vielmehr mit eurem Blut. War leider nicht dabei, als die Frolic mit dem Spanier abgespielt wurde. Wollte, wäre es gewesen. Habt aber Besitz genommen, wie es das Gesetz bei nicht in Eigentum befindlichen und von den Staaten nicht angesprochenen Ländereien vorschreibt, durch Aufblocken eurer Häuser, und habt euer Recht darauf festgestellt. Und vergeßt nicht, Mister Strong, daß ihr nicht den zwanzigsten Teil der Hände hattet, als ihr damals euer Recht behauptet, und der tüchtigen Rifles, die ihr nun habt, euer Recht zu verteidigen. Habe nichts gegen die Akadier und Kanadier, habe aber die Notion, sollten dem Gesetz unterworfen oder ein Haus weiter gewiesen worden sein. Solltet euch auch in ein County organisiert haben mit Sheriffs, Richtern, Constablers! Polizeibeamte Und was gilt es? Würde dies bald allem Streit ein Ende gemacht haben.«

Des Mannes Notion schien Beifall zu finden. Es ließen sich mehrere »Hört!« und »Ist ein Fakt!« vernehmen. Ein zweiter Squatter nahm das Wort:

»Und, hab‘ ich die Notion, wäre all den Alarums ein Ende gemacht worden, wäret ihr mit dem Syndikus und seinem Troß nach Squatterweise verfahren: neununddreißig und ein Teer- und Federfaß, und damit Holla!«

Jetzt erhob sich der Nebenmann Nathans auf der Regulatoren-Bank. Wir lernten ihn später als George Nollins kennen und schätzen.

»Sind zwei Meinungen, Mitbürger, die euch hier vorgelegt werden. Will zuerst die eine beantworten, werden später Gelegenheit haben, die andere zu beleuchten. Ist wahr, haben sich Mister Strong und seine Freunde sechs gegen fünfundachtzig verteidigt und ihr Recht behauptet. Haben aber ihr Recht behauptet, kalkuliere ich, weil sie eben auf Rechtsgrund stehen geblieben, dem Prinzip treu geblieben, dem Prinzip der Unabhängigkeit, was Person und Eigentum betrifft. Wollten nichts dem Spanier nehmen, wollten sich aber auch nichts nehmen lassen. Habe aber die Notion, wäre dem Spanier etwas genommen worden, hätten wir in seinem Land ein County eingerichtet und Sheriffs und Constablers und Richter eingeführt und die Verwaltungsweise der Staaten, so hätte das geheißen, die Flagge der Staaten auf einem spanischen Schiff aufhissen, von dem wir kaum das Jollyboot erobert, und wäre das der erste Schritt zu ewigen Feindseligkeiten und eine offene Herausforderung gegen die ganze spanische Macht gewesen.«

Und nachdem der Redner so gesagt, setzte er sich wieder. Uns wurde die Debatte mit jedem Augenblick fesselnder. Eine solche Diskussion aus dem Munde der Squatters zu hören! Wir trauten kaum unseren Ohren. Es handelte sich um nichts Geringeres als die Einführung der Regierungsform der Vereinigten Staaten in dem kleinen republikanischen Gemeindewesen, mit einem Wort um den ersten Schritt zur Losreißung Louisianas vom spanischen Szepter!

Ein frischer Redner trat auf.

»Kalkuliere, der Mann, der nicht den Mut besitzt, die Einrichtungen, in denen er als Bürger aufgewachsen, zu bekennen, zu verteidigen und festzuhalten, wo und gegen wen es immer sei, dem geschieht recht, wenn ihm die französischen und spanischen Sklaven seine Gäule und Neger stehlen und ihn noch dazu auslachen. Kalkuliere, Mister Bawles hatte recht: solltet den Syndikus ausgepeitscht haben und geteert und befiedert, und damit Holla!«

George Nollins erhob sich abermals.

»Kalkuliere, er hat nicht recht, Mister Dreadnought! Kalkuliere, er hat nicht! Kalkuliere aber, daß dem Mann, der sein Prinzip verleugnet und die Rechte anderer antastet, ganz recht widerfährt, wenn er wie ein Mann ohne Prinzip, wie ein Neger behandelt wird. Und ist, hab‘ ich die Notion, zwischen dem freien Mann und dem Neger der große Unterschied, daß der erstere nach Prinzipien handelt und der letztere wie ein Stück Vieh blindlings seinem Instinkt folgt.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
460 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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