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Kitabı oku: «Das blutige Blockhaus», sayfa 2

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Sie kamen dort an, als gerade der flammende Feuerknäuel hinter dem Kranz der Traubenkirschbäume verschwand.

»Wir müssen an unsere Toilette denken, George!« meinte Luise. »Papa sieht bei solchen Gelegenheiten darauf!«

»Er hat recht! Eine elegante Toilette ist das Lebensprinzip eines Salons!«

Doch siehe da! Vor dem Wirtschaftsgebäude stand Julie, vor dem Hundebehälter Doughby mit Monsieur Tricot, dem Aufseher. Menou hielt nämlich ein Dutzend Hunde, auf deren Zucht und Veredlung er viele Sorgfalt verwandte. Es war eines seiner altadeligen Steckenpferde. Da waren drei Bluthunde von der Größe halbjähriger Kälber, furchtbare Tiere, aber ungemein edel und schlank gebaut.

Doughby hatte wieder eine Teufelei im Kopf. Er wollte die Hunde heraus haben, ihren Gang und so weiter sehen. Tricot meinte, wenn er vier Leben hätte, so möchte er es wagen. Drei Leben würden sie in weniger Zeit nehmen, als nötig wäre, ein Kotelett zu verzehren. Bloß Monsieur de Menou könne sie meistern.

»Pah, mit ihren Bluthunden und wildem Getier!« schrie Doughby. »Sag dir, Schwager, das wildeste Getier ist der Mensch, der ledert sie alle! Sah letztes Jahr so eine wilde Karawane in New Orleans, einen Löwen und ein paar Bären und Panther, mit denen sie eine Hetze veranstalteten. Schaute mir den Löwen so an, und wie ich ihn mir ansah, kam es mir in den Sinn, und war auch vollkommen überzeugt, ihn ledern zu können. Sagt‘ es auch dem Tiertreiber, sagte ihm, was gilt die Wette, ich nehm‘ es mit euerm großmäuligen Löwen auf, will ihn ledern, euch zeigen, wie ein Kentuckier einen Löwen ledert! Mögt noch dazu ein paar Affen und Zibetkatzen an meinen Rockschößen herumzerren lassen, will mit allen fertig werden. Wollte es auch mit einem dieser Bluthunde aufnehmen! Aber wo geht ihr hin?«

So rief er George und Luise nach. Die hatten sich bereits dem Hause zugewandt, um nicht einer neuen kentuckischen Großtat beiwohnen zu müssen. Das beste Mittel, den Wildfang ins Geleise zu bringen. Man sah, er hatte Lust zu einem Kampf. Vor acht Wochen würde er kaum widerstanden haben, aber sechs Wochen Ehestand hatten ihn doch kühler, zahmer gemacht.

»Toilette machen!« antwortete Howard.

»Toilette machen?« Er besah sich von Kopf zu den Füßen. »Glaube, wir schauen doch sauber genug aus!«

»Gehen zur Tafel, und die Gesellschaft ist, wie du weißt, ausgesucht! Können doch nicht in Stiefeln erscheinen!«

»Hast recht, dürfen uns nichts vergeben! Möchten sonst glauben, wären so ein paar Squatters!« Er trabte den beiden nach. »Wollen also Toilette machen, Julie! Aber macht es kurz, Schwager! Bin bei euch, ehe ihr‘s euch verseht!«

»Brauchst dich nicht sehr zu beeilen, lieber Ralph! Werden ohnedem noch oft genug das Vergnügen deiner Gesellschaft haben!«

Sie gingen lachend ins Haus.

»Ist im Grunde genommen gar kein übler Bursche, liebe Luise. Ein wenig rauh zwar, auch juckt es noch stark in ihm, lodert, brennt heraus wie inneres Feuer. Aber die Ausbrüche sind nicht mehr so heftig, ist doch schon viel Unterschied zwischen dem Junggesellen Doughby und dem Ehemann zu spüren.«

»Aber noch fehlt die Politur«, meinte Luise. »Er ist ein halber Barbar.«

»Das ist wahr, wird sich aber geben. Denn er hat Ehrgeiz, und dieser ist ein trefflicher Hebel, der den rauhesten Klotz ...«

Doch Luise war bereits in ihrem Kabinett verschwunden. Howard begann sich gleichfalls umzuziehen.

Er war bis zum Anziehen der Jacke fertig. Luise trat soeben im Pudermantel in die Tür, in der Hand zwei Kornähren aus Madame Dubois‘ berühmter Blumenfabrik, als es an der Korridortür klopfte.

»Walk in!«

Doughby trat bereits umgekleidet ein.

»Wenn du uns zehn Minuten später mit deinem Besuch beglücken möchtest — wir sind noch nicht fertig.«

»Dann will ich euch nicht stören«, versetzte er. »Komme nur, weil mich Julie mit dem Moskitowedel forttrieb. Habe ihr, sagt sie, ein ganzes Blumenbukett verdreht, das, weiß nicht, wie viele Dollar kostet und aus einer weltberühmten Fabrik her ist.«

Luise gab George einen Wink, der zu sagen schien:

»Laß ihn!«

»Wohl, Schwager, so nimm denn Platz!«

»Hört«, fuhr er fort, »wenn ich so allein bin und nichts zu tun habe, kommen mir immer Teufeleien in den Kopf, eine nach der andern.«

»Was sagst du, George?« fragte Luise und hielt die beiden Kornähren über die in einen Knoten geschlungenen Haarflechten.

»Recht artig! Aber ich würde sie so anbringen.« Howard legte die beiden Kornähren zu beiden Seiten des Haarknotens.

Sie eilte in ihr Kabinett zurück und kam in der nächsten Minute geputzt wieder heraus.

»Du hast recht, George! Und welches Kleid?«

»Evening dress, Luise! Rosarot steht dir ungemein gut zu deinen blonden Locken!«

»Was nimmst du für einen Rock?«

»Braun ist die letzte Mode.«

»Dann nehme ich auch braun!«

Luise schlüpfte abermals durch die Tür. Doughby sah ihr aufmerksam nach, schaute dann Howard an, augenscheinlich in Gedanken. Sie kam wieder hereingetanzt in einer Robe von braunem Gros de Naples.

»Nun«, lachte sie, »geh hin und tu desgleichen! Ich will unterdessen unseren Schwager unterhalten.«

Howard ging und zog den braunen Frack an.

»Die emaillierten Busenknöpfe stehen dir gut, George. Ich will Armbänder von derselben Art nehmen.«

Abermals schlüpfte sie durch die Tür, kam jedoch sogleich wieder mit den Armbändern in der Hand, die sie ihm reichte. Er legte ihr die Goldschnallen um die zarten Gelenke, die er küßte, gerade als Julie an der Tür klopfte und den Kopf hereinsteckte.

»Darf ich?«

»Aber Julie«, rief Luise und schlug in komischem Schreck die Hände zusammen, »du hast ja noch die Schuhe vom Dampfschiff an!«

»Daran ist Ralph schuld! Er hat mir und Polly den Kopf so wirr gemacht, daß sie mir die Prünellstiefelchen wieder anlegte. Psyche, geh und sag Polly, sie soll die grünen Schuhe bringen!«

Und Psyche lief, und Polly brachte die grünen Schuhe und Psyche das gepolsterte Fußschemelchen, auf das Julie den rechten Fuß setzte.

»Nun, Doughby, weißt du nicht, was Pflicht und Schuldigkeit von einem galanten Ehemann heischt?« fragte Howard.

»Was?« meinte Doughby.

Howard deutete auf den Fuß.

»Werdet doch nicht wollen, ich soll die Schuhriemen auflösen?«

»Er ist‘s nicht würdig, sie aufzulösen«, meinte Luise.

»Da hat meine schöne Schwägerin ganz recht!« lachte Doughby.

Etwas ungelenk bückte er sich und legte seine Bärentatzen an die Stiefelchen. Während er noch mit dem zweiten Fuß beschäftigt war, traten der Papa und die Mama ein. Einen Augenblick schauten sie, angenehm überrascht. Besonders die Mama schien, nach ihrer halbverwunderten Miene zu schließen, Doughby einer solchen Aufmerksamkeit gar nicht für fähig zu halten.

»Schwager, ihr macht mich noch zum Adepten!« raunte Doughby Howard zu, während der Pa und die Ma Luisens Kleid betrachteten.

»Der den Stein der Weisen sicher noch finden wird!« ergänzte Howard. »Merk dir das, unsere Weiber sind Kreolinnen, oder was dasselbe sagen will, Französinnen. Sie haben zwei Seelen, eine äußerst konventionelle und eine innere. Erst wenn in diese zu dringen dir geglückt ist, bist du ihrer sicher, sonst nicht. Und das unfehlbare Mittel, da einzudringen, sind diese kleinen Aufmerksamkeiten und Spielereien. Sie wollen in der Ehe ein wenig geschmeichelt, geliebkost sein.«

»Wahr, aber ein wenig lästig! Aber hoble mich nur immer!« Doughby drückte Howard die Hand. »Brauche es, weiß es wohl!«

Die Tafelglocke ließ sich nun hören und führte alle heiter und fröhlich ihrem Schall nach dem Speisesaal zu.

2

In den Korridoren fing es an zu dunkeln. Die Gentlemen und Damen waren kaum mehr voneinander zu unterscheiden, wie sie ihre Zimmer verließen. Der Gäste waren mehr, als Howard gedacht. Die Damen erreichten die schöne Zahl der Musen, der Herren war ein volles Dutzend.

Als sie in den hell erleuchteten Salon eintraten, warfen Eingeführte und Einführende sich forschende Blicke zu, die kurz auf den Gesichtern, den Kleidern hafteten und dann in ein zufriedenes Lächeln übergingen. Es war etwas naiv Drolliges in diesem wechselseitigen Mustern, das herausfinden wollte, wer das Vis-à-vis und ob es auch comme il faut wäre. Die Blicke der Kreolen waren neugieriger, verrieten aber mehr Feingefühl, obwohl ein leichter Anflug von Arglist auch wieder nicht zu verkennen war. Die Blicke der Nordamerikaner waren starrer, bohrender. Auch die Haltung der Franzosen war natürlicher, ungekünstelter, freier. Die gute Gesellschaft war das Element, in dem sie sich von Jugend auf bewegt. Die Nordamerikaner dagegen, besonders Mistreß Houston, standen so gespreizt da, als ob sie die ganze Würde ihrer Geldaristokratie zu repräsentieren hätten.

Sie musterte die Kreolen oder Franzosen mit zweifelhaften Blicken, die erst in ein süßes Lächeln auftauten, als sie die klassischen Namen Comte de Vignerolles, Baron de Lassalle, de Monteville und so weiter hörte, Namen, die sich an sehr bedeutende Häuser am Red River und in den Attacapas Fruchtbarer Landstrich im Süden Louisianas, der in allen Richtungen von Flüssen, Bayous (sumpfigen Ausläufern) und Seen durchschnitten ist. knüpften, an Häuser, deren Gründer ihre Geschäfte so wohl verstanden, daß sie die gute Gesellschaft par excellence bildeten.

Soll ich die Wahrheit gestehen — dachte Howard — würde ich zwischen guter Gesellschaft zu wählen haben, ich würde lieber die der Kreolen nehmen als die unserer Geldaristokraten in New York, Boston oder Baltimore, die beinahe durchgängig nur Provinzial-Nachdrücke der Londoner Ausgaben sind und durch ihre Nachäfferei nur anekeln. Die Kreolen hingegen bildeten eine wahrhaft gute Gesellschaft, der man es ansah, daß sie noch aus jener alten Zeit herdatierte, wo der Adel noch keine Rivalin an der Geldaristokratie hatte.

Während sein Freund Richard sich in seiner kühlen Art noch zurückhielt, hatte Doughby bereits mit den meisten Bündnisverträge geschlossen, die Hände der Herren wie der Damen mit Kentucky-Anmut erfaßt.

»And how d‘ye do, my dear Mister Comte?« fragte er den Grafen Vignerolles.

»Very well, my dear Mister Doughby!« erwiderte der Graf.

Howard grinste. Käme der gute Doughby in die Tuilerien zu König Charles X., er würde seine Hand gleich ungeniert erfassen und ihn ebenso unbekümmert fragen: »How d‘ye do, my dear Mister Charles dix?«

Nur schade, daß die aufgehenden Flügeltüren des Speisesaals diese nette Unterhaltung verkürzten, aber was kam, war noch fesselnder, obwohl Doughby stutzig schien. Es war recht possierlich zu bemerken, wie naiv er auf einmal dreinschaute, sich so auf einmal alleinstehend, von aller Welt verlassen zu finden. Der gute Doughby war noch Neuling in diesem Punkt, hatte keine Ahnung von den angenehmen Empfindungen, die der Anblick eines wohlangerichteten Speisesaals, einer in die Augen blinkenden Tafel erregen. Wie wohltuend die Gesamtheit gastronomischer Vorrichtungen auf Herz und Sinne wirkt, wie der Vorgeschmack auf allen Gesichtern ein so unvergleichlich wohlwollendes Lächeln hervorzaubert!

Bei einigen äußerte sich auch bereits die Wirkung dieses Anblicks durch ein unwillkürliches leises Schnalzen der Lippen und der Zunge. Das war der Fall mit Howards Nachbarn, dem Chevalier d‘Ecars, den Doughby mit einem Satyrslächeln beäugte. Aber Doughby war in diesem Punkt ein Barbar, der weder von Lucullus noch von Apicius gehört hatte.

Howard hingegen liebte eine wohlbestellte Tafel mit appetitlich weißem Tischzeug, hübschem Eßgeschirr. Um Silber fragte er nicht viel, Sèvresporzellan tat es auch; und das ließ sich hier schauen. Die Aufsätze waren geschmackvoll, die Kühlwannen mit den Flaschen verrieten viel »savoir vivre«, die ganze Anrichtung viel Takt. Feine Servietten auf den Gedecken, zwei Suppennäpfe an beiden Enden nebst einigen bedeckten Schüsseln. In der Mitte ein Aufsatz und hinter den Sesseln ein halbes Dutzend sauber gekleideter Diener.

Man nahm Platz. Howard saß zwischen seiner Frau und Genièvre Vignerolles, einem allerliebsten Mädchen. Es gab eine Austernsuppe, die Monteville in Entzücken brachte. Es entstand eine kurze Debatte um Suppen, die aber mittendrin abgebrochen wurde, denn die Deckel wurden von den Schüsseln gehoben, und damit nahm der Ideengang eine neue Richtung.

»Weißt du, lieber Menou, daß sich der neueste gastronomische Grundsatz gegen das Bedecken der Fische wendet?« bemerkte der Graf de Vignerolles.

Seine fein aristokratischen Züge, der schöne schneeweiße Kopf mit der geistreichen Stirn, leicht gerunzelt, die zarte Gesichtsfarbe mit den lichtblauen, funkelnden Augen hatten Howard schon beim ersten Zusammentreffen ungemein angesprochen.

»Es kommt darauf an, welche Gattung von Fischen es ist«, versetzte Menou mit dem Gesicht eines Kathedermannes. »Zum Beispiel Soles Seezunge oder frischer Stockfisch, das gebe ich dir zu, aber unsere Sturgeons Stör und Turbots Steinbutt vertragen es nicht.«

Die Fischunterhaltung wurde durch das Anstoßen der Madeiragläser unterbrochen, worauf eine kurze erwartungsvolle Pause eintrat. Der Übergang zu regerer Tätigkeit wurde durch zwei neue Erscheinungen bewirkt: Green Turtle- und Ringeltauben-Pasteten.

»Bon!« sagte d‘Ecars.

»Delicieux!« bemerkte Lassalle.

Howard versuchte die Schildkrötenpastete. Sonst liebte er sie nicht sehr, denn das Fleisch erhielt erst durch Gewürze seinen Geschmack, und er haßte alles, was Gewürze enthielt. Doch dann kam das wahre Ding, die zweite Tracht, und mit dieser als Einleitung: Canvas-back duck — Wasserenten! Keine europäische Kaisertafel kann ein Gericht so zart, so duftend, so schmelzend aufweisen! Das Fleisch zergeht buchstäblich auf der Zunge, das Fett träufelt über die Lippen, es ist ein wahrer Hochgenuß!

Tiefe Stille herrschte während der sechs Minuten dieses Schmauses, und Howard hing seinen Gedanken nach.

Die allerliebsten Tierchen waren in der letzten Nacht im Ocasse-See gefangen worden und daher ganz frisch, was sie auch unbedingt sein müssen. Denn zwei Tage alt haben sie allen Geschmack verloren. Die Seen Louisianas, so höllische Dünste und Dämpfe sie ausatmeten, wimmelten von Fischen und waren ganz bedeckt mit allen Arten von Wasservögeln. Eine Jagd auf dem See bei Natchitoches war der Mühe wert. Der Horizont glich einer dichten Wolke von Wildenten, Gänsen und fliegendem Getier, unter die man nur blindlings hineinzuschießen brauchte, ohne zu zielen. Solch eine Jagd war eine wahre Schlacht, die zwei oder drei Stunden dauerte, und auf der einen Seite von ein paar hundert Schützen geliefert, auf der anderen von Hunderttausenden von Wasservögeln ausgehalten wurde. Erst wenn die Jäger müde und matt waren, nicht mehr laden noch schießen konnten, sammelten sie die Beute, von der in der Regel auf den Mann mehrere hundert Tiere kamen.

Überhaupt, sann Howard, so wenig man uns im Sommer um unsere Tafeln zu beneiden Ursache hat, so reich, üppig werden sie im Herbst. Der liebe Gott weiß, was seinen Louisianern guttut, und daß vieles Essen im Sommer sie mit Extrapost in sein Himmelreich bringen müßte. Deshalb spart er sich und uns die Freude auf den Herbst und Winter. Aber dieser Herbst und Winter! Das sind ganz andere Herbste und Winter als bei euch im Norden! Ganze Armeen von Zug- und Wasservögeln kommen nun von dort herabgezogen. Unsere Schaltiere, den Sommer hindurch ungenießbar, erlangen ihre Reife. Unser Louisiana ist doch, nehmt es, wie ihr wollt, eine ganz gute ... die beste Welt! Was sind zum Beispiel eure wilden Truthühner im Norden gegen diesen Riesen, wie er da vor uns in seinem Fett schwimmt? Von zwanzig ausgewachsenen Hähnen, die ihr schießt, zerplatzen unzweifelhaft achtzehn im Fallen. Dieser jedoch ist gefangen, denn diese treuherzigen, aber dummen Tiere werden auf unseren Pflanzungen zu Dutzenden in Fallen gelockt, in die sie den Weg — so eng er ist — hinein, aber nicht wieder heraus finden. Ihr Fleisch ist eine wahre Delikatesse, doch ziehen wir ihnen die Schnepfen mit ihren langen Schnäbeln vor. Auch diesen gebührt vor euren nordischen Woodcocks der Vorzug; ich habe nie im Norden einen gefunden, der über sechzehn Unzen wog, wogegen die unsrigen bis zwanzig schwer sind. Sind ein unvergleichliches Verdauungsgericht, das just das Gewürz aufweist, das ich liebe.

Doch Howard wurde seinen Gedanken entrissen. Die Unterhaltung begann wieder aufzuleben. Es entstand ein Gesumse, aus dem man noch nicht so eigentlich klug werden konnte. Der Chambertin und Chateau Margôt taten ihre Wirkung bei den Franzosen, bei den Amerikanern der Madeira. Doughby hatte seinen Platz am Ende der Tafel, und er war in eifriger Debatte mit d‘Ermonvalle und Vergennes begriffen. Doughby parlierte französisch, Vergennes radebrechte englisch, d‘Ermonvalle gab ein Quodlibet beider Sprachen zum besten. Bald erscholl lautes Gelächter durch den Speisesaal ob der Mißverständnisse, die dabei herauskamen.

Mit dem funkelnden Champagner wurden die Geister noch lebendiger, stürmischer. Vergennes ließ etwas von seinem französischen Liberalismus, seiner weltbeglückenden Philanthropie hören und fand es grauenhaft, daß in einem Land der Freiheit, das sich mit seiner Aufklärung, seiner Humanität brüstete, die Sklaverei bestünde. Monteville bemerkte dagegen ziemlich gelassen, obwohl ihm die Lippen bereits zuckten, daß die Sklaverei ein altes, seit anderthalb Jahrhunderten eingeführtes und eingewurzeltes Übel wäre, das nur mit der Zeit behoben werden könnte.

Das gab wieder Vergennes nicht zu. Ein so ungeheures Übel, das die Moral der bürgerlichen Gesellschaft von Grund aus zerstöre, sollte auf der Stelle ausgerottet werden. Die Regierung sollte sogleich eingreifen, die Sklaven freigeben, ihnen Ländereien anweisen, Schulen für sie errichten und so fort.

»Wir geben unsere Neger frei, sobald ihr uns für die Summen, die unsere Eltern ihr Ankauf und ihre Erhaltung gekostet haben, entschädigt!« erklärte Monteville. »Wir haben notgedrungen, gezwungen durch Frankreichs und Englands Regierungen, unser Kapital, unser Alles in sie hineingesteckt. Wir haben in den südlichen Staaten über zwei Millionen Sklaven bei einer Bevölkerung von etwas über vier Millionen Weißer, in Louisiana allein auf weniger denn hunderttausend Weiße mehr denn hundertundzwanzigtausend Schwarze und Farbige. Die zwei Millionen Schwarzen der elf sklavenhaltenden Staaten — der Kopf im Durchschnittspreis nur zu dreihundert Dollar gerechnet — erforderten eine Entschädigungssumme von sechshundert Millionen Dollar! Wo ist die Nation, die sich und die kommenden Geschlechter mit einer so ungeheuren Schuldenlast beladen würde? Aber selbst wenn die acht Millionen unserer nordischen Mitbürger — denn sie allein müßten die Entschädigung leisten — ihren fünf nachkommenden Generationen diese Schuldenlast aufbürden wollten, wäre dann dem Übel abgeholfen? Könnten sie die tierischste, trägste Rasse des Erdbodens, die einzig durch die Peitsche zur Arbeit angehalten wird, durch eine Befreiungsakte zu tätigen Bürgern umwandeln? Würden diese nicht in den ersten Monden ihrer Freiheit das Spielzeug irgendeines schwarzen Spartacus sein und mit uns einen Kampf auf Leben und Tod beginnen?«

So beiläufig lautete die Schlußfolgerung Montevilles. Während seiner sprudelnden Rede war er immer heftiger geworden. Unwillig stieß er das Champagnerglas von sich und maß Vergennes mit einem Flammenblick. Der gute Monteville merkte, daß es eine Unbesonnenheit gewesen war, sich in die Widerlegung einer Frage einzulassen, die nach Howards Meinung nie von einem Fremden in Louisiana hätte gestellt werden sollen, weil sie nur die Einheimischen und sonst niemanden anging. Was würde ein französischer oder englischer Fabrikbesitzer sagen, an dessen gastlicher Tafel ein Fremder das Ungeheuerliche der Sklaverei seiner Arbeiter, die riesige Ungleichheit zwischen dem Verdienst des Taglöhners und dem Gewinn des Fabrikherrn aufs Tapet bringen wollte? Weil die nordamerikanischen Staaten frei sind, erlaubt sich jeder Fremde Freiheiten, die er sich in seinem Land herauszunehmen wohl hüten würde.

Eine unheimliche, ja bange Stille herrschte im ganzen Saal, eine schweigsame Spannung. Keine Silbe war zu hören, alle schienen den Atem anzuhalten. Es war die Windstille, die dem Tornado vorhergeht. Alle Zungen waren wie gelähmt, die Augen der Kreolen auf Vergennes und Monteville geheftet, einige waren bleich vor Zorn. Die allgemeine Heiterkeit war verschwunden, die Damen waren nicht weniger aufgeregt.

Auf einmal ließ sich die Stimme des Grafen de Vignerolles vom oberen Ende der Tafel herab hören, freundlich und wohlwollend.

»Sind Sie schon lange in unserem Louisiana, lieber Vergennes?«

»Bereits zehn Wochen, Monsieur de Vignerolles.«

»Schon zehn Wochen? Da haben Sie freilich unser Land kennenzulernen Gelegenheit gehabt!«

Und die Miene des Grafen überflog ein ungemein fein ironisches Lächeln. Alle sahen ihn erwartend an. Er wandte sich an Papa Menou.

»Gedenkst du noch der Zeiten von 1788? Du warst damals freilich noch sehr jung, bist fünf Jahre jünger als ich. Welcher Unterschied zwischen dem alten und dem jungen Frankreich!«

»Es hatte viel Aufrichtigkeit und Feingefühl, das gute alte Frankreich«, murmelte Lassalle.

»Les extrêmes se touchent«, bemerkte der Graf. »Wir hörten in unserer Jugend die Nachklänge der alten, in unserem Alter hören wir die Anklänge der neuen Herrschaft.«

»Ich halte es mit der neuen!« rief Vergennes mit beinahe herausfordernder Heftigkeit. Der gute Junge hatte etwas zu viel Chambertin eingenommen.

»Ich glaube nicht, daß der gesellschaftliche Zustand im ganzen bei den großen Umwälzungen verloren hat«, erwiderte Vignerolles im selben freundlichen Ton. »Wir haben verloren, soviel ist ausgemacht, aber das Volk hinwieder gewonnen.«

»In fünfzig Jahren wird Europa republikanisch oder kosakisch sein!« behauptete Vergennes kurz und bestimmt.

»So hat Napoleon gesagt«, entgegnete der Graf in seinem gefällig leichten Ton. »Ich wieder bin der festen Meinung, daß die Throne der alten Welt so ruhig fortbestehen werden wie in der neuen Welt Republiken entstehen und fallen werden. An ihrem Glanz mögen sie allenfalls einbüßen, aber ihr Dasein ist zu tief in der menschlichen Natur begründet, als daß sie gestürzt werden könnten. Als Napoleon die berühmten prophetischen Worte sprach, hatte er noch keine Ahnung von der großen Macht, die seit seinem Fall entstanden ist, der Macht der Geldaristokratie, die als Mittlerin zwischen Völkern und Thronen beide in der Waagschale hält und kosakischer Willkür nie den Eingang in das eigentliche Heiligtum europäischer Zivilisation gestatten wird. Ihr Losungswort ist Sicherheit des Eigentums.«

»Aber Sie geben doch zu, Monsieur de Vignerolles«, wandte Vergennes ein, »daß die Welt seit den letzten zwanzig Jahren demokratischer geworden ist, als sie es je war.«

»Ohne Zweifel haben die materiellen, oder was dasselbe sagen will, demokratischen Interessen seit zwanzig Jahren gewonnen. Aber eben weil sie materiell sind, werden sie, wenn sie bis zu einem gewissen Punkt gelangen, konservativ. Denn merken Sie wohl, Individuen wie Staaten sind nur demokratisch, solange sie arm sind. Reich geworden zeigen sie sich konservativ, aristokratisch. Die Interessen ...«

»O diese Interessen, diese Interessen!« unterbrach Vergennes.

»Für uns Europäer ist es ungemein schwer, lieber Vergennes, das Wesen des republikanischen Charakters zu erfassen, und noch schwerer, Geschmack daran zu finden. Wir sind in zu künstlichen Formen auferzogen, um an der natürlichen Ungezwungenheit — einer philosophischen Ordnung der Dinge Gefallen zu finden. Die Menschen erscheinen uns nicht nur zu ungeniert, sondern auch zu selbstsüchtig im Vergleich mit der Ergebenheit der alles aufopfernden Treue rein monarchisch beherrschter Nationen. Die Ursache ist wohl diese, daß in reinen Monarchien die Interessen aller, der allgemeine Egoismus, wenn ich so sagen darf, in der Hand eines einzigen Mannes und seines Kabinetts konzentriert, in Republiken hingegen dieser Egoismus über die ganze Masse der Bürger zerstreut ist. Daher die Erscheinung, daß je republikanischer eine Regierung wird, desto selbstsüchtiger und geldsüchtiger das Volk. Ich zweifle, ob Napoleon, wenn er heute in all seiner Kraft erstünde, noch die Hälfte der Opfer von unserem Frankreich erlangen würde, die ihm während seines Konsulats und Kaisertums zu seinem Unglück gewissermaßen aufgedrungen wurden.«

Der Graf machte eine Pause und fuhr dann fort: »Ebenso zweifle ich, ob sich heutzutage fünfzig Kavaliere finden würden, die, wie wir es zu tausenden taten, ihrem Vaterland, ihren Besitzungen und Familien den Rücken kehren würden, um für eine hohe Idee zu kämpfen. Die materiellen Interessen sind das Grab jener hohen Treue, wie sie früher verstanden wurde, aber sie haben auf der anderen Seite wieder das Gute, daß auch die sogenannten Prinzipmänner heutzutage nur wenig mehr ausrichten würden.«

»Und halten Sie das für etwas Gutes?« Die Lippen von Vergennes kräuselten sich auf eine Weise, die zu verstehen gab, wie gern er einen solchen Prinziphelden spielen würde.

»Allerdings, lieber Vergennes! Wir haben die Übel geschaut, die Brände gesehen, die Stürme, die diese Prinzipmänner, die Mirabeaus, die Robespierres, Dantons, Marats, verursacht haben.« Der Graf sah den jungen Mann mit einem funkelnden Blick an. »Es ist etwas Schönes und wieder etwas Furchtbares mit einem sogenannten Prinzipmann. Er ist ein Wesen, das seinem Prinzip alles opfert — Religion und Familie, Vaterland und Herd. Anarchie und Verwirrung, das Zerreißen alle Bande von Liebe, Freundschaft und Gesellschaft, Ströme von Blut, brennende Städte und rauchende Landschaften kümmern ihn nicht, so nur sein Prinzip weiterschreitet. Es ist sein Gott, dieses Prinzip, dem er das ganze Menschengeschlecht zum Opfer bringen möchte! Es ist wirklich etwas Gottähnliches in dem konsequenten Aufrechterhalten eines Prinzips, aber darum wehe dem armen Erdensohn, der sich Allgewalt anmaßt, ohne deren Arm zu besitzen! Er fällt früher oder später als der Sklave, das Opfer seiner Anmaßung. Mirabeau und Robespierre, Danton und Marat waren Prinzipmänner. System-Männer, Erdengötter — sie fielen. Warum? Weil sie nicht die Kraft hatten, ihr Prinzip bis zum Ende durchzuführen. Noch einen Schritt, und sie hätten triumphiert. Aber diesen Schritt vermochten sie nicht mehr zu tun, die Kraft ging ihnen aus, weil sie beschränkte Erdensöhne waren.«

»Aber ihre Prinzipien, ihre Systeme stehen fest«, erwiderte Vergennes. »Ein anderer führt sie, bringt sie zum Ziel!«

»Nie wird ein System-Mann ein Prinzip fortführen, das ein anderer begann«, versetzte der Graf. »Es ist moralisch unmöglich, ein Denkmal wahnwitziger Vermessenheit findet er es, und es bleibt, gleichsam wie kahle riesige Grundmauern eines aus den Trümmern einer zerstörten Stadt aufgebauten Warnungstempels, dem vorübergehenden Wanderer ins Auge zu starren, ihm die furchtbaren Schicksale der geschlachteten Tausende, den Jammer der Väter und Mütter, die Flüche, die Verzweiflung eines ganzen Volkes zu erzählen und Nachteulen, Schlangen und Fledermäusen zum Schlupfwinkel zu dienen.«

»Was hat der Mann gegen Prinzipien, scheint kein Freund von Prinzipien?« raunte Doughby zu Howard hinüber. »Gebe keinen Strohhalm für einen Mann ohne Prinzipien!«

»Vergebung, Mister Doughby!« sagte der Graf, der ihn gehört hatte. »Ein Mann ohne Prinzipien, ohne Grundsätze, der ist freilich nur wenig wert. Aber es ist ein großer Unterschied zwischen einem Mann von Grundsätzen und einem Prinzip- oder System-Mann.«

»Verstehe, was Sie sagen wollen, Monsieur de Vignerolles«, fiel Doughby ein. »Dem einen sind die Prinzipien Meilenzeiger auf seinem Wege, die ihn die gerade Straße fortführen, dem anderen ist sein System ein Sporn, der ihm Tag und Nacht in den Flanken sitzt, ihn zu Tode hetzt. Wüßte auch etwas von derlei Prinzipmännern zu erzählen.«

»Aber mein Gott, Papa!« unterbrach Luise die Diskussion. »Über lauter Prinzipien haben wir ganz das Dessert vergessen!«

Und alle schauten auf und riefen laut: »Ma foi! — En vérité! — Mais voyez donc!« Wirklich hatten sie in der Hitze des Gefechts ganz diesen wesentlichen, ja vorzüglichen Bestandteil einer Louisianatafel vergessen. Die Überbleibsel des zweiten Gangs standen noch immer in nichts weniger als malerischen Bruchstücken umher, und die Diener, schien es, machten es sich auch bequem, keiner war zu sehen.

»Mein Gott, wo sind denn die Leute alle?« jammerte die Maman. »Kein einziger ist da! Champagner seit einer halben Stunde auf der Tafel und kein Dessert! Welche Verwirrung!«

Der Papa sprang auf und Luise mit ihm. Beide liefen zur Tür hinaus in den Salon. Luise kam laut lachend zurück.

»Stellen Sie sich vor, Amadée steht mitten unter den Domestiken und erzählt ihnen wer weiß was für Geschichten! Und sie hören alle mit offenem Munde zu!«

Neues Gelächter.

»Ma foi, c‘est drôle!«

»Wer ist dieser Amadée?« fragte Howard.

»Kennst du Amadée nicht? Es ist der Amadée von Papa Vignerolles. Da kommt er!«

Und der liebe Amadée kam wirklich mit Menou Hand in Hand. Dieser flüsterte dem Grafen und Maman ein paar Worte in die Ohren. Die gute Maman schaute auf und reichte dem Alten freudig die Rechte, die er recht französisch galant an die Lippen drückte. Die Kreolen steckten die Köpfe zusammen, und ihre Gesichter erheiterten sich. Sie wurden kindisch ausgelassen, die guten Kreolen. Nichts als »Amadée, bon Amadée« war zu hören.

»So sag mir nur, was das alles soll?« fragte Howard leise.

»Später!« raunte Luise ihrem Mann zu. »Du wirst hören!«

»Amadée, deine Gesundheit!« rief der Papa und hob das Glas, und alle folgten seinem Beispiel.

Und der alte Amadée hob das ihm von Maman gereichte Glas gleichfalls, salutierte mit Anstand rings umher und leerte es dann auf aller Gesundheit. Seltsam, wirklich seltsam. Der alte Vendéer oder Gascogner führte die Diener der Gäste mir nichts dir nichts aus dem Saal, um ihnen alte Geschichten zu erzählen, statt sie das Dessert aufstellen zu lassen, und dafür tranken ihm sämtliche Kreolen zu, als ob er eine Heldentat vollbracht hätte.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
460 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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