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Kitabı oku: «Tokeah», sayfa 33

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Vierzigstes Kapitel

Wieder saßen dieselben drei Personen in derselben Ecke, von wo aus Monsieur Madiedo, alias Benito, zu dem gefährlichen Liebesdienste vermocht worden war. Es war vielleicht bemerkenswert, daß – ungeachtet der zahlreichen Menschenmenge, die von allen Seiten dem Bayou zugeströmt war, so daß selbst die nächsten Pflanzungen sich herbeilassen mußten, einen Teil der heimgekehrten Milizen für die Nacht unterzubringen – in dieser Schenke, unsere Marodeurs ausgenommen, auch nicht ein einziger Gast zu sehen war, so daß Monsieur Benito für seine allzu große Gefälligkeit wirklich hart bestraft zu werden schien. Er ertrug jedoch diesen stillschweigenden Ausdruck der öffentlichen Verachtung mit vieler Resignation; auch war sein Verhältnis zu seinen Gästen gegenwärtig ganz anderer Art, und er hatte ihnen gegenüber eine weit zuversichtlichere Haltung angenommen. Als er in die Stube eingetreten, wo seine Frau an dem Schenktische beschäftigt war, legte er seine Hände auf den Rücken und schritt gemächlich auf und ab. Sooft er am Fenster ankam, warf er einen Blick auf die zahlreichen Gruppen von Männern, die vor den übrigen Häusern in einbrechender Dämmerung standen, um dann kopfschüttelnd seinen Spaziergang fortzusetzen.

»Ja,« rief er endlich, als er abermals einen Blick durch das Fenster geworfen, »das danke ich Euch: Sitze nun da mit Weib und Kind und mag verhungern und meinen Wein und Kognak selbst aussaufen, damit er mir nicht sauer werde.« »Wollen dir helfen, Benito, obwohl dein Bordeaux ganz erbärmlich ist«, sprach einer aus dem Kleeblatte. »Es lebe unser Generalpardon.«

Der Wirt gab dem Sprecher keine Antwort, wandte sich aber zu dem Manne, den wir bei seinem ersten Auftritte am Bayou als Vermummten bezeichnet haben und der noch immer eine schwarze Binde um seine Stirne und das linke Auge trug.

»Ich sage Euch,« sprach er, »mit Euerm Pardon hat es gute Wege, und Ihr habt ihn Euch verdient; aber bei alledem, je eher Ihr Euch aus dem Staube macht, desto geratener für Euch. Hier in den vereinten Staaten gedeiht Ihr nun einmal nicht, und wenn Ihr, wie Magdalena, bußfertige Tränen weint.«

»Das sehe ich nur zu deutlich«, entgegnete der Vermummte zähneknirschend. »Wahrlich, wenn ich das gewußt hätte —«

»Und was denn?« fragte der Wirt. »Was Ihr erlangt habt, ist aller Ehren wert. Ihr werdet doch nicht wollen, daß sie Euch Ämter und Würden geben?«

»Hol› der Teufel ihre Ämter, ich wollte lieber —«

»Wohl!« fuhr der Wirt fort, »Ihr habt Euch ein schönes Vermögen zusammengebeutet. Ihr könnt Eure Tage in Ruhe leben.«

»Ja,« rief der Vermummte, »es war der schönste Tag meines Lebens, eine herrliche Rache, eine Rache, so göttlich! daß es mir nur leid tut, daß ich sie nicht teilen konnte. Wären nur tausend unserer Braven zugegen gewesen, als wir diese Krämerseelen jagten. Möge mich – verdammen, es war ein schöner Tag.«

»Ihr habt Euch gut benommen«; sprach der Wirt.

Der Vermummte sah ihn verächtlich an: »Benito, aus deinem Munde mein Lob hören zu müssen! Spare deine Zunge, ich bitte dich, oder – Teufel und Hölle! – Jeder Sergeant, jeder Korporal wurde in ihren Zeitungen gepriesen; nur ihn, der vielleicht mehr zum Siege beitrug, als zehn ihrer Kompagnien, nur ihn mit seinen dreißig Braven vergaß man.«

»Undank ist der Welt Lohn,« versetzte Benito, »wenn die Zitrone ausgedrückt ist, wirft man die Schale weg. Sie heißen sich im Scherz Souveräne, aber sie haben im Ernste alle die kalte Herzlosigkeit und vornehme Ruhe, als wenn sie diese wirklich wären.«

»Als ich gestern, meine Aufwartung machen zu dürfen bat, wurde ich durch die Hintertüre des Hauses, den Stall, eingelassen. ›Lafitte,‹ sprach er, ›was Ihr getan habt, verdient Anerkennung. Ihr habt einen Teil Eurer Verbrechen gutgemacht. Wir wollen das übrige vergessen; nur müßt Ihr das Land räumen, dessen Sicherheit Ihr zu sehr verletzt habt, um diese jemals vergessen zu machen.‹ Und zum Danke für alles warf er mir einen elenden Pack Banknoten von dreitausend Dollar zu.«

»Das übrigens immer eine nicht zu verachtende Summe ist, mit der allein schon Ihr Euch in Mexiko recht schön etablieren könnt«, versetzte der Wirt. »Und das ist auch das einzige, was Ihr tun könnt. Vielleicht sehen wir uns da wieder. Hier gedeihen wir einmal nicht. Sie lassen uns nicht einmal wie die Hefen setzen, sie werfen uns noch beim Spundloch hinaus. Wäre ich klüger gewesen und hätte den Pater Hidalgo mit seinen Musikanten beim Teufel gelassen, so säße ich auch im trockenen. Alles ist Narrheit. Es ist niemand gescheit in der Welt als diese Republikaner. Die allein leben für sich. Wir Mexikaner, Franzosen, Spanier, und wie sie alle heißen, wenn ich›s so recht um und um betrachte, sind nur halbe Menschen; denn die andere Hälfte gehört nicht uns.«

»Ja,« sprach der Vermummte, »wenn man sich so an die vierzig Jahre in der Welt herumgetummelt hat, wird›s einem allmählich klar. Hier lernt man echte Philosophie. Hier weiß man vernünftig zu leben. Ich habe während der acht Wochen meines Hierseins mehr gelernt, als mein ganzes übriges Leben. Was nützt es jedoch; nun ich zur Einsicht und Umkehr gekommen, weist man mir wieder die Türe. Teufel und Hölle! sie haben einen Sieg gewonnen, dessen sich Napoleon nicht zu schämen brauchte, und keine Muskel ihrer Gesichter ist verzogen; gerade als ob es sein müßte, und nun gehen sie wieder ruhig an ihren Pflug.«

»Und das bleibt auch Euch übrig,« versetzte der Wirt, »da Ihr denn doch einmal Euer wüstes Leben aufzugeben fest entschlossen seid.«

»Wirt!« rief eine Stimme durch die Türe herein.

»Da bin ich«, antwortete Benito, der dein Rufe folgte und aus der Stube trat.

»Ich habe Gäste bekommen,« rief er mit vieler Zufriedenheit; »aber ich weiß nicht, ob sie sich gerade zu Euch schicken. Es sind alte Bekannte von Euch.« Er flüsterte dem Vermummten etwas in die Ohren.

»Alle Teufel! Wirklich?« rief dieser.

»Wollt Ihr Euch auf einen Augenblick zurückziehen?« fragte der Wirt.

»Pah, wollen sie sehen. Wir sind ja in einem freien Lande, heißt es.«

Indem trat ein Sergeant ein, dem die Indianer in Begleitung zweier Milizen folgten.

»Sie haben sich zwar freiwillig gestellt,« flüsterte der Sergeant dem Wirte zu, »aber Ihr müßt gewissermaßen für sie haften; ohnedies sind die beiden Cumanchees gleichfalls hier.«

»Sorgt um nichts,« versicherte ihnen der Wirt; »wir wollen sie wie unsere Augäpfel bewachen und bewahren. Wache wäre überflüssig; würde nur Argwohn erregen.«

Inzwischen hatte sich der alte Miko etwas befremdet in der dunkeln, von zwei Talglichtern kümmerlich erhellten Stube umgesehen, deren Ärmlichkeit ihm aufzufallen schien. Ein bitteres Lächeln umkreiste seinen Mund, als er die weiß übertünchten Wände, die armseligen Teppiche und die Eichenholzsessel und Tische übersah. »Sieht El Sol,« murmelte er dem jungen Cumanchee zu, »wie die Herzen der Weißen kalt geworden sind. Als die Indianer zuerst kamen, führten sie sie in ein kostbares Wigwam. Hier —«

Der Cumanchee hatte nicht minder aufmerksam in der Stube umhergesehen, als sein durchdringender Blick in die Ecke fiel, wo die drei Ausländer saßen. Plötzlich fingen seine Augen an Feuer zu sprühen, seine Nasenlöcher schwollen wie die Nüstern eines Rosses, er begann zu schnauben und, in die grimmigste Wut ausbrechend, fuhr er auf den Tisch zu, hinter welchem die drei Ausländer saßen.

»Hat,« so sprach er mit einer Donnerstimme, »hat die Schlinge der Cumanchees und die Lanze der Pawnees deshalb des Diebes geschont, damit dieser mit seinem giftigen Atem abermals das Gesicht des unglücklichen Vaters vergifte, dem er die Tochter und die Seinigen geraubt?« Und indem er nach dem Dolche griff, würde er auf Lafitte losgestürzt sein, wenn ihm nicht die Milizen in die Arme gefallen wären.

»Im Namen des Gesetzes, Ruhe!« sprach der Sergeant, »oder ich führe Euch augenblicklich ins Gefängnis.«

»Mein Sohn,« sprach der Miko bedeutsam, »wir sind im Wigwam der Weißen.«

Der Seeräuber hatte, während der Wilde den Dolch zückte, mit vieler Kaltblütigkeit sein Glas ausgetrunken.

»Mag ich erschossen sein,« flüsterte einer der Milizen seinen Gefährten zu, »wenn dieser Mann nicht mehr kaltes Blut in seinen Adern hat, als alle Alligatoren im großen Sumpf zusammengenommen.«

»Das ist auch das beste, was er hat. Er schneidet Euch mit demselben Gleichmute die Kehle ab. Kennt Ihr ihn?«

»Werde ihn doch. Für jetzt ist ihm seine Zeche abgeschrieben, bekommt er aber wieder etwas auf die Kreide, dann hängt er doch.«

Lafitte, ohne irgendeinem der Anwesenden besondere Aufmerksamkeit zu schenken, goß sich wieder sein Glas voll und trank ruhig fort, als die Türe abermals aufging und die beiden Cumanchees herein und auf den jungen Häuptling zusprangen. Kein Kind, das den Armen der Mutter entrissen und nach einer langen Abwesenheit wieder zurückgegeben wird, kann mit mehr Entzücken in die ausgebreiteten Mutterarme eilen, als die beiden Wilden in die des jungen Cumanchee. Die drei Wilden waren wirkliche Kinder geworden. Sie fielen einander in die Arme, sie umschlangen, sie besahen, sie betasteten einander, als mißtrauten sie ihren Augen, sie schienen ihres Entzückens nimmer ein Ende zu finden. Als dieses so eine Weile gewährt hatte, traten die beiden von ihrem Häuptlinge zurück, kreuzten ihre Arme auf der Brust und standen eine lange Weile in ehrfurchtsvoller Stellung vor ihm, der seinerseits eine hohe, gebieterische Miene angenommen hatte. Mit Hoheit hörte er ihren Bericht und ihre Schicksale während seiner Abwesenheit. Aber bald verwandelte sich diese in heftigere Symptome, die bald Schmerz, bald Wut, wieder Scham und Zorn im ungemein schnellen Mienenspiele ausdrückten. Auf einmal brach er in einen lauten Schmerzensruf aus; seine Arme fielen straff an seine Seite, und als schämte er sich vor den Anwesenden, trat er mit den beiden Cumanchees aus der Stube.

Das Gespräch der Indianer war im Pawneedialekte geführt worden und hatte die Aufmerksamkeit aller sehr erregt: denn es mußte offenbar etwas Besonderes sein, das die Seelen dieser an Selbstverleugnung so sehr gewohnten Menschen so außerordentlich bewegen konnte. Auch der Miko war es; aber in seinen starren Zügen war bloß ein bitteres Lächeln zu bemerken. Als die Milizen sahen, daß sie vergeblich auf Aufklärung warteten, entfernten sie sich.

Der Miko hatte sich in der Ecke des Feuerplatzes niedergelassen und saß eine geraume Zeit, ohne irgendein Merkmal von Leben von sich zu geben; dann begann er sein Haupt zu erheben, und sein Blick fiel auf den Seeräuber, der noch in seiner Ecke saß, wandte sich jedoch immer wieder mit Abscheu von ihm. Es schien, als ob dem alten Manne eine Anwandlung von Neugierde ankäme, zu wissen, was seinen Feind hierhergebracht habe, und daß nur Stolz und Scheu ihn vom ersten Schritte zur Annäherung zurückhalte.

Der Seeräuber brach endlich das Eis, indem er aufstand und an den Miko herantrat.

»So finden wir uns denn wieder, Miko,« sprach er nicht ohne Teilnahme, »um drei Monate älter, weiser, aber nicht glücklicher. Wo sind die Zeiten, wo wir so friedlich beisammen saßen im Wigwam am Natchez?« Er sprach die letzten Worte mit einer so schmerzlichen Betonung, daß der Indianer ihn forschend ansah.

»Ja, Miko, wenn Ihr mich damals nicht so trotzig von Euch gewiesen hättet, und ich kein solcher Narr gewesen wäre, eines Mädchens halber alles auf das Spiel zu setzen – —. Ja, Miko, ich meinte es gut. Wir hätten ein glückliches Leben führen können. Wir hätten eine herrliche Kolonie gegründet, kein Feind in der Welt hätte uns etwas anhaben dürfen. Es war ein schöner Traum.«

Der alte Mann schwieg noch immer. »Wie kommt es,« fragte er endlich mit sichtlichem Widerstreben, »daß der, auf den der große Vater der Weißen einen Preis von so vielen Dollars gesetzt hat, sich nun in ihren Wigwams sehen läßt?«

»Erinnert Ihr Euch, Miko, jenes Morgens, als ich Euch im Councilwigwam sagte, Lafitte würde Euch verteidigen? Ihr braucht Euch nicht zu fürchten? Miko, hättet Ihr damals auf meine Stimme gehört, wäre alles besser gewesen. Schon damals war der Plan reif, der mich mit der Welt versöhnen sollte. Hilft nun aber alles nichts.«

»Und der Häuptling der Salzsee ist ein Freund der Weißen?« fragte der Indianer.

»Sowie man Freund sein kann,« versetzte der Seeräuber bitter lachend, »wenn man einen Dienst erwiesen hat, der zu groß ist, um bezahlt zu werden. Sie haben mir gnädigst erlaubt, ihre Kanonen zu bedienen und mich der Gefahr, verstümmelt oder totgeschossen zu werden, so an die sieben Stunden bloßzustellen; dafür habe ich nun eine Art Pardon und die huldreiche Weisung, mich so schnell von hinnen zu packen, als möglich.«

»Und der Häuptling der Salzsee ist zu den Weißen gegangen, um mit ihnen den Tomahawk gegen die Söhne des Vaters der Kanadas zu erheben?« fragte der Indianer gespannt.

»Ich komme soeben von der Affäre herauf. Die Weißen haben einen glänzenden Sieg davongetragen.«

»Und er hat die große Schlacht der Weißen mitgeschlagen?« fragte der Indianer beinahe ängstlich.

»Ja,« erwiderte der Seeräuber mit demselben verzweifelt bittern Hohnlachen, »und dafür hat er den guten Rat erhalten, das Land sobald als möglich zu räumen.«

Der Indianer, der seine Gefühle bisher gewaltsam unterdrückt hatte, war nun nicht länger imstande, dem furchtbaren Kampfe, der in seinem Innern tobte, zu gebieten. Seine Brust hob sich, als drohte es, ihn zu ersticken. Seine Augen rollten, als wären sie von einem innern Feinde im Kreise getrieben. Seine Hände auf sein Gesicht schlagend, stöhnte er laut und fiel dann bewußtlos über den Sarg hin.

»Miko!« schrie der Seeräuber, der herbeisprang und den bewegungslosen Mann wieder aufrichtete. »Miko, was ist dies?«

Der alte Mann blickte stier um sich her. »Geister meiner Oconees! Geist meiner Tochter! ich habe Euch Sühnopfer bringen wollen; der Dieb hat Euch und mich betrogen. Nein!« rief er schmerzlich, »die Weißen haben mich betrogen.«

»Häuptling!« sprach der Wirt auf den gedeckten Tisch weisend, »eßt und trinkt und schlagt Euch das übrige aus dem Sinne. Trinkt! je mehr, desto besser, es geht auf Kosten der Regierung.«

Der Indianer nahm das dargebotene Glas an, trank es aus und bedeutete dem Wirt, es wieder zu füllen. Wieder stürzte er es hinab, und wieder wurde es gefüllt. Er wiederholte den Zug ein drittes, ein viertes, fünftes und sechstes Mal und sank dann bewußtlos am Boden hin.

»Ist doch bei alledem ein indianisches Vieh«; sprach Benito.

»Ein König willst du sagen«, sprach der Seeräuber ernst. »Ein Legitimer mit so edlem Blute, als je in den Adern eines geflossen. Wenn du den hunderttausendsten Teil seiner Leiden erfahren hättest, wärest du längst im Tollhause – oder auf dem Galgen vermodert.« Er sah auf den Wilden mit verschränkten Armen herab. »Schaffe ihn weg; das Schmerzlichste steht ihm noch bevor.«

»Doch horch, was ist das? Neun Salven von einem Dampfschiffe. Ein neunmaliges Hurra. Der General en Chef ist angekommen. Gute Nacht, Miko, morgen wirst du mehr hören.«

Einundvierzigstes Kapitel

Das Rollen der Trommeln verkündete am folgenden Morgen das Zusammentreten der Mannschaft, als die Indianer durch die dichten Reihen der Milizen dem Gasthofe zugeführt wurden, wo der Obergeneral sein Absteigequartier genommen hatte. Im Korridor, der zu dem Saale führte, stand ein zahlreiches Offizierkorps in glänzend reichen Uniformen, welches die soeben aus dem Saale kommenden britischen Offiziere freundlich begrüßte. »Die Indianer,« rief eine Stimme, »Indianer vor!« Sie traten ein.

Soeben erhob sich ein langer, hagerer, aber kraftvoll gebauter, ältlicher Mann von einem Armsessel, auf dessen einer Lehne sich ein Kissen befand, auf dem sein linker, in einer Schlinge getragener Arm geruht hatte. Seine Züge waren scharf gezeichnet, stark hervortretend und deuteten auf feste, unerschütterliche Ruhe. Das kühne blaue Auge, in tiefen Augenhöhlen funkelnd, verriet ein Feuer, das weder Alter noch körperliche Leiden geschwächt hatten. Sein Gang war langsam, aber würdevoll. Er trug die Generalsuniform des höchsten Grades in den Staaten, unter einem braunen Überröcke. Säbel und Federhut lagen auf einem Seitentische. Sein scharfer Blick fiel, als die Indianer eintraten, auf jeden einzelnen mit einem Ausdrucke, der die Wilden zu durchschauen schien. – Nach einer kurzen Pause ließ er sich wieder auf den Armsessel nieder und nickte den Indianern, Platz zu nehmen.

»Tokeah!« sprach der Major Copeland. »Ihr steht vor dem kommandierenden General, dem großen Krieger, der die Muscogees und die Söhne des großen Vaters der Kanadas in vielen und großen Schlachten geschlagen hat, dem Bevollmächtigten des großen Vaters der roten Männer.«

Die Indianer sahen nach dieser etwas pompösen, aber hier ganz zweckmäßigen Aufführung den General betroffen an, und ihr Haupt neigend, streckten sie die Palmen ihrer Hände vor.

»Tokeah, der letzte Miko der Oconees,« sprach dieser, »ist mit seinem Sohne El Sol, dem mächtigen Häuptlinge der Cumanchees, gekommen, ihre Hände in Frieden und Freundschaft ausgestreckt.«

»Tokeah, Miko der Oconees!« wiederholte der General kopfschüttelnd. »Wir haben vieles, nur zu vieles von diesem Tokeah gehört. Und dieser junge Mann hier?«

»Ist El Sol, der junge Häuptling der Cumanchees.«

Der General sah den jungen Mann mit einem etwas weniger mißtrauischen Blicke an.

»Sagt dem Häuptlinge, er sei willkommen in den Wigwams seiner weißen Brüder.«

Nachdem der Miko dieses verdolmetscht hatte, legte der junge Cumanchee seine Rechte an die Brust und neigte sein Haupt.

Beide Häuptlinge bewiesen viel Ruhe und selbst Anstand in ihrer Haltung. Sie verzogen keine Miene, und ihre Augen in achtungsvoller Aufmerksamkeit auf den General gerichtet, warteten sie auf die weitere Einleitung der Zusammenkunft. Der General seinerseits schien den Wilden volle Gelegenheit geben zu wollen, sich ganz in ihrer sentenziösen Manier auszusprechen.

»Ja, Tokeah«, sprach er nach einer Pause, während welcher er innegehalten hatte, um den Indianern Zeit zu geben, sich zu fassen. »Wir haben von Euch gehört, aber wir wollen das Geschehene in dem Strom der Vergessenheit begraben.«

»Der Miko würde von den Weißen fern geblieben sein«, sprach der Indianer. »Er weiß, daß er ein Dorn in ihren Augen ist. Er ist von ihnen auf seinem Pfade aufgehalten worden, den er gegangen, um das Gebot des großen Geistes zu erfüllen.« Er deutete auf den Sarg, den er auch hierher mitgenommen hatte.

Der General schüttelte wieder das Haupt. »Dann sollte Tokeah nicht so tief hinab nach Alabama gegangen sein; der Oconee und das heilige Feld der Muscogees sind weit von letzterem.«

Der alte Häuptling sah den General betroffen an.

»Tokeah! Tokeah!« sprach dieser. »Es mag hingehen für diesmal. Aber so schlau Ihr auch Eure Anschläge macht, wir durchblicken sie.«

»Tokeah hat die Fußstapfen der Mokassins auf seinem Wege gesehen; er wußte, daß seine Feinde dem großen Vater in die Ohren flüstern würden; er mußte noch zu seinem Volke sprechen. Wenn mein Vater die Rede Tokeahs gehört hätte, würde er seine Stirn nicht runzeln. Der Miko wird jetzt dahin gehen, wo ihn die Weißen nicht mehr sehen werden. Die Äxte der weißen Männer machen einen großen Lärm in den Ohren Tokeahs.«

»Weiß der große Vater von diesem?« fragte der General.

»Die Männer der Oconees haben seit sieben Sommern auf den Jagdgründen der Mexikos gewohnt. Sie wollen wieder zurück, wohin die Pflugschar und die Hacken der Weißen ihnen nicht folgen werden.«

»Und der alte Tokeah hat das gute Land seiner Väter verlassen und ist in ein schlechtes gezogen, wo ihm die Muscheln und Schalen die Füße zerschneiden werden?«

»Wenn die roten Männer ein schönes Weib haben, das für sie nicht kochen und ihre Jagdhemden machen will, so senden sie es zurück zu ihrem Vater und nehmen ein häßliches Weib, das tut, was sie brauchen. Tokeah hat im Lande seiner Väter gelebt und unter den Weißen mit seinem Volke. Wenn ihre Pferde und ihr Vieh über ihre Grenzen gingen, durfte er nicht gehen, um sie einzufangen, und wenn er es tat, so warfen sie ihn in ein finsteres Wigwam oder schossen auf ihn aus ihren Feuergewehren; aber wenn das Vieh der roten Männer über die Grenzen der Weißen ging, so nahmen sie es, und wenn die roten Männer zürnten, nahmen sie auch ihr Leben dazu. Tokeah konnte nicht mehr unter solchen Menschen leben.«

»Haben«, fragte der General, »die roten Männer nicht auch böse Brüder?«

»Die roten Männer strafen ihre bösen Kinder,« fuhr der Indianer grollend fort – »und sie treiben sie in die Wildnis; – aber die weißen Männer teilen das den Roten Gestohlene. Es ist weit zum großen Vater, und er hört nicht das Rufen seiner roten Kinder, und die Zunge seiner Boten (der Agenten der Vereinigten Staaten) ist sehr gekrümmt. Tokeah will deswegen gehen, wo er die Weißen nimmer sehen wird.«

»Das heißt zu den Cumanchees, um mit ihnen die Kette zu ergänzen, die sein unruhiger Geist mit seinen Brüdern und uns zerrissen hat?« versetzte der General, der, weit entfernt, durch die grollend werdende Sprache des Indianers beleidigt zu werden, fortfuhr: »Es ist kein Zweifel, daß die roten Männer in gewissen Punkten von uns gelitten haben; aber sie haben nicht mehr von uns, als wir von ihnen erduldet. Doch wir wollen und können uns hierüber nicht in Erörterungen einlassen. Nur sollte Tokeah einsehen, daß wir die Stärkeren – und Herren des Landes sind. Wir konnten Tokeah sein Land nehmen; denn es war uns durch das Recht des Krieges verfallen. Wir haben es ihm abgekauft, ihn als freien Mann, als Bruder behandelt.«

»Der große Geist«, sprach der unbewegte Indianer, »hat sehr große Spinnen in dem Lande gemacht, wo der Miko lebte, und eine derselben tötet einen kleinen Vogel. Diese Spinnen sagten zu den Vögeln: ›Seht, wir wollen euch allein und in Frieden lassen und nicht mit euch brechen; aber ihr dürft auch nicht unsere Netze zerreißen.‹ Die armen Vögel blieben in ihren Nestern und saßen da eine lange Weile. Hunger trieb sie endlich heraus; als sie aber auffliegen wollten, fanden sich alle Wälder mit den Netzen der Spinnen überzogen, und die armen Vögel fielen in die Schlingen, und wurden von den giftigen Spinnen aufgefressen, und ihr Blut ward ausgesagt, und sie mußten eines langsamen Todes sterben. Die roten Männer sind die armen Vögel, die Weißen die Spinnen. Ihrer Stämme waren viele. Sie sind verschwunden vom Angesichte der Erde. Sie starben, viele durch die langen Messer der Weißen, noch mehr aber durch ihre List und ihr Feuerwasser. Tokeah will weit von ihnen gehen.«

»Das mögt Ihr tun, wie es Euch am besten dünkt. Wir werden Euch keine Hindernisse in den Weg legen.«

»Der große Geist«, fuhr der Indianer fort, »läßt den endlosen Strom rinnen von dort, wo der Schnee fällt, gegen das Land zu, wo die Sonne heiß scheint. Er hat den roten und weißen Männern Überfluß an Land gegeben, aber die weißen«, fuhr er klagend fort, »sind nie zufrieden, sie greifen immer weiter und strecken ihre Hand aus nach dem, was den roten Männern gehört, und nehmen jeden Sommer mehr von dem Lande dieser.«

»Die Weißen haben das Land der roten Männer gekauft; es ist deshalb ihr rechtmäßiges Eigentum«, versetzte der General.

»Sie haben die roten Männer mit Feuerwasser betrunken gemacht und sie dann um ihr Land betrogen«, entgegnete der starrsinnige Indianer.

»Tokeah,« sprach der General mit jener Ruhe, die den Indianer, eben weil er sie in einem gewissen Grade besitzt, am schnellsten aus seiner Fassung bringt, »der große Geist hat die Erde für die weißen und roten Männer gemacht, daß sie sie pflügen und bebauen und von ihren Früchten leben mögen; er hat sie aber nicht zu einem Jagdgrunde gemacht, daß einige Hundert rote Männer im faulen Dasein einen Raum einnehmen, auf dem Millionen glücklich leben und gedeihen können. Wenn Ihr die Ländereien, die Ihr noch habt, und die noch immer so groß sind, wie manches Königreich der alten Welt, wo mehrere Millionen glücklich leben und gedeihen können; wenn Ihr diese Ländereien beurbaren wollt, so könnt Ihr reicher, glücklicher sein, als irgendeine gleiche Anzahl Bürger der Vereinigten Staaten; wenn Ihr Häuptlinge aber das Geld, das Ihr von uns als Jahresgehalte für Euer abgetretenes Land erhaltet, unter Euch verteilt und Euerm Volke höchstens ein paar Dollar zum Vertrinken hinwerft – dann aber sie darben lasset; – wenn Ihr sie so – statt Euch ihrer anzunehmen und unsere menschenfreundlichen Bemühungen, sie der Kultur zu gewinnen, zu unterstützen – zum Auswurfe herabwürdigt und sie zwingt, an den Türen unserer Bürger ihr Brot zu erbetteln und sich in unserem Straßenkote herumzuwälzen: dann müßt Ihr es diesen Bürgern nicht verargen, wenn sie solcher Gesellschaft überdrüssig werden. Ich kenne Euch, Häuptlinge; Ihr seid solche Blutsauger der Eurigen, als es der verworfenste Tyrann der alten Welt nur sein kann.«

»Tokeah hat die Dollar mit Füßen weggestoßen«, erwiderte der Indianer.

»Ich kenne auch Euch, Tokeah, und habe die genauesten Erkundigungen eingezogen. Doch will ich Euch fragen, Alter,« fuhr der General fort: »Was tun wohl die Creeks oder, wie Ihr Euch nennt, die Muscogees, wenn ihnen ein roter Späher der Tscherokees in die Hand fällt, der, während sie mit diesen in Frieden leben, zu den Choctaws eilt, um den sechs Nationen in die Ohren zu flüstern, die Tomahawks zu erheben und über die Muscogees herzufallen, so wie der Panther über das Rind herfällt?«

Der Indianer schwieg betroffen.

»Sie nehmen seinen Skalp. Nicht wahr? Als Tokeah damals mit rache- und wutschnaubendem Herzen hinauf zu den Shawneese ging, da wurde ihm sein Land von seinem eigenen Volke verkauft, das müde war, seiner ewigen Unruhstiftung länger Vorschub zu leisten, und den unversöhnlichen Häuptling aus ihrer Mitte weg wollte. Wir konnten Euch als Spion, als Aufwiegler den Prozeß machen, und Eure eigenen Männer würden Eure Henker geworden sein. Wir taten es nicht. Wir benahmen Euch die Gelegenheit, fürder schädlich zu werden, und ließen Euch gehen. Wenn Ihr das Geld wegstießt, das Euch für das Land bezahlt wurde, war es Euer Fehler; für das, was Ihr damals tatet, hattet Ihr den Tod verdient. Das Schicksal der roten Männer«, fuhr der General würdevoll fort, »ist hart in vieler Hinsicht, aber es ist nicht unvermeidlich; die Barbarei muß im Kampfe mit der Aufklärung immer weichen, so wie die Nacht dem Tage weicht; aber Ihr habt die Mittel in der Hand, an diese Aufklärung Euch anzuschließen und in unser bürgerliches Leben einzutreten. Wollt Ihr dieses jedoch nicht und zieht Ihr vor, statt geachteter Bürger wilde Legitime zu sein, so müßt Ihr mit dem Schicksal nicht hadern, das Euch wie Spielzeug wegwirft, nachdem Ihr Eure nächtliche Bahn durchlaufen habt.«

Die Wahrheit der eindringenden und ans Erhabene grenzenden Sprache des Generals hatte den Indianer plötzlich zum Schweigen gebracht.

»Tokeah,« hob der General wieder nach einer langen Pause an, »wir haben, wie gesagt, nichts gegen Euren Entschluß, zu gehen, und ich werde die nötigen Befehle in meiner Militärdivision hinterlassen, daß unsere Offiziere Euch ungehindert ziehen lassen. Ehe dieses jedoch geschieht, müßt Ihr uns noch über einen Punkt Aufklärung geben. Eure verschiedenen Stämme werden zwar von uns gewissermaßen als Völker betrachtet, in deren innere Angelegenheiten wir uns nicht mengen, und denen wir selbst das Recht lassen, untereinander Krieg zu führen; aber unsere obervormundschaftliche Vergünstigung dehnt sich nicht so weit aus, Euch das Recht zu geben, über unsere friedlichen Mitbürger herzufallen und Euch unsere Kinder zuzueignen, nachdem Ihr ihre Eltern grausam gemordet.«

Der alte Mann horchte hoch auf.

»Tokeah hat die Tochter eines weißen Vaters und einer weißen Mutter zu uns gebracht. Er hat sie als sein Kind betrachtet. Wie ist er zu der jungen Dame gekommen, die er die weiße Rose nennt?« fragte der General.

Der Indianer fuhr plötzlich auf. Er sah bald den General, bald den Squire Copeland an. Sein Mund zuckte, und nachdem er El Sol etwas in die Ohren geflüstert hatte, erwiderte er:

»Die weiße Rose ist die Tochter des Miko. Er hat viele Biber- und Bärenfelle für sie gegeben. Sie war seine Tochter, bald nachdem sie das Licht der Welt erblickte.«

»Wie kam sie aber in Eure Hände?« fragte der General nochmals.

»Tokeah hat sie den roten Männern der Choctaws der sechs Dörfer, die am endlosen Flusse wohnen, abgenommen. Wäre sein Arm nicht gewesen, so wäre ihr Gehirn schon viele Sommer an dem Baume vertrocknet, an den sie die Hand eines Muscogee schmettern wollte.«

»Auch dies beantwortet nicht die Frage«, entgegnete der General. »Wie kam die junge Dame aber in Eure Gewalt?«

»Der große Vater«, versetzte der Indianer ausweichend, »hat eine große Schlacht gewonnen, in der seiner Feinde viele geblieben sind. Gehören die Beute und die Gefangenen nicht ihm und den Seinigen?«

»Ich will Euch später auf die Frage antworten«, bedeutete ihm der General. »Die junge Dame ist die Tochter weißer Eltern – keine Choctaw – Tokeah!« sprach der General ernst und scharf, »ich fordere Euch hiermit auf, mir reine Wahrheit zu sagen.«

Des Häuptlings Augen begegneten dem durchbohrenden Blick des Generals, waren aber nicht imstande, diesen auszuhalten.

»Der große Vater ist gerecht,« sprach er, »er wird dem alten Tokeah nicht die Blume rauben, die er viele Sommer gewartet und die die einzige Freude seiner Augen ist, die sein gehört und —« er sprach die letzten Worte leise und mit hohler Stimme.

»Euch soll Recht widerfahren,« sprach der General; »aber zuerst müßt Ihr Eure Ansprüche auf diese junge Dame erweisen.«

»Tokeah besitzt die weiße Rose vierzehn Sommer,« antwortete der Indianer etwas zuversichtlich; »er hat sie aus den Händen der Muscogees gerettet, als diese sie an einen Baumstamm schleudern wollten.«

»Fahrt fort«, sprach der General.

»Tokeah will reden, und sein großer Vater wird hören. Vierzehn Sommer und Winter sind verflossen, seit der Miko der Oconees mit seinem Volke die Tomahawks gegen die Choctaws der sechs Dörfer erhoben. Sein Herz war mit den Choctaws; allein die Muscogees wollten das Kriegsgeschrei erheben, und er zog gegen die sechs Nationen. Es war in der zehnten Nacht, seit der Tomahawk ausgegraben war, daß der Miko in der Nähe des obersten Dorfes seiner Feinde lag, der Stunde wartend, wo seine Feinde schlafen würden, als auf einmal seine Ohren den Kriegsruf der Seinigen hörten, die zu spähen ausgegangen waren. Er flog den Seinigen zu; aber ehe er ankam, hatten sie ihre Feinde bereits in die Flucht gejagt, und er kam gerade, um zu sehen, wie sie den Gefangenen die Skalpe abzogen. Es waren vier weiße Männer und drei Weiber darunter. Eines dieser Weiber war sehr zart und sehr jung und hatte die weiße Rose in ihren Armen, die sie noch festhielt, als ihr Kopf bereits gespalten war. Der Miko war zu spät gekommen, um dem zarten Weibe das Leben zu retten; aber er hörte das Wimmern des Kindes, als der Vater Mi-li-machs es an einen Baum schleudern wollte, und er riß es ihm aus den Händen und brachte es zu dem weißen Zwischenhändler,« bei diesen Worten sah er den Squire Copeland an, »und er gab viele Felle für die Milch, die sein Weib der weißen Rose gab. Der Miko«, fuhr er fort, »hat noch alles, was Rosa gehörte, als er sie vom Tode rettete.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
590 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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