Kitabı oku: «"Das strittige Gebiet zwischen Wissenschaft und Kunst"», sayfa 4

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Situiertes Lernen nach Jean Lave und Etienne Wenger

In Laves und Wengers Auffassung hängt das situierte Lernen von der auf verschiedene Weisen legitimierten Teilhabe an Communities of Practice ab.1 Diese Teilnahme ist daher ein konstituierender Bestandteil sowohl für Wissensinhalte als auch für die Identitätsentwicklung im Verhältnis zu Lerngemeinschaften. Lernen ist ein kollektiver sowie relationaler Prozess und stimmt mit der Aushandlung einer Identität überein – zumal Identitätsbildung heißt, als Mitglied sozialer Gemeinschaften die Bedeutungen individueller Erfahrung auszuhandeln. Lernen ist lediglich ein soziales Phänomen und für jedes Individuum geschieht es durch die Partizipation bzw. durch den aktiven Anteil an den Praxen seiner Gemeinschaft(en). Aus diesem Grund wird die Lernform in der Theorie der situierten Kognition auch kooperatives Lernen genannt. Der Wissenserwerb ist direkt im Prozess der sozialen Ko-Partizipation verortet, also nicht im Geist der Einzelsubjekte, sodass Lernen nicht dem Gewinn einer gewissen Anzahl von abstrakten, vorab vorgefertigten Wissenssegmenten entspricht, sondern dem Gewinn der Fähigkeit zum Mitwirken, indem der Lernende konkret am Lernprozess teilnimmt. Der Ort des Wissens ist demzufolge der produktive Prozess schlechthin, der immer von den – oftmals unterschiedlichen – Perspektiven der ko-partizipierenden Lernenden vermittelt wird. Dies bedeutet, dass es eine Arbeitsgruppe ist – die sogenannte CoP –, die unter diesen Bedingungen lernt, nicht das einzelne Individuum. Lernen vollziehe sich nämlich immer innerhalb eines partizipatorischen Rahmens,2 was Laves und Wengers Einstellung gegenüber klassisch strukturalistischen Lerntheorien ebenso wie gegenüber interaktionistisch orientierten Ansätzen klarstellt. Die erste Theorierichtung behauptet, Wissenserwerb handle mit dem Erwerb vorgeprägter Strukturen und Verstehen sei eine Frage der Erkenntnis der Strukturen sowie der Entwicklung der Fähigkeit, sich in das System einzuleben. Der Lernende implementiere seinerseits das System, indem er es mit einer Überlagerung von situativen Besonderheiten fülle und diese auf einen Strukturzusammenhang beziehe. Das Verstehen betreffe, mit anderen Worten, individuelle Bindungsrepräsentationen von Subjekten. Bei interaktionistischen Theorien hingegen wird vertreten, dass das, was Menschen lernen keinen schon vorhandenen Inhalt besitze: Lernsubjekte und Lernkontext seien bekanntlich miteinander verflochten. Laves und Wengers Ansatz ist ein Mittelweg:3 Er beruht darauf, dass partizipatorische Rahmen eigentlich strukturiert sind und gerade dieses Merkmal das Lernen in Communities of Practice ermöglicht. Erst ein strukturierter partizipatorischer Lernrahmen könne nämlich den Modus der sogenannten „legitimierten peripheren Partizipation“ vorhersehen. Lernende interagieren mit der vorhandenen sozialen und materiellen Situation, und zwar mit den jeweils herrschenden soziokulturellen Aspekten, wie Vorbildern, Konventionen, Werten und Werkzeugen. Lernende seien also

Personen, die im bestimmten Maße an einer Praxisgemeinschaft beteiligt und zunehmend in der Lage sind, an den verschiedenen Aushandlungssegmenten zu partizipieren; mit einer je konkreter legitimierten Form des Zugangs und mit einer vielfältig bestimmten Position der Peripherikalität in Relation zum Praxisfeld, d.h. einer spezifischen Form der Zurückgenommenheit vom Handlungsdruck.4 (Wehner/Clases/Endres 1996: 81)

Nichtsdestotrotz seien diese Strukturen adaptiv, weil sie vielmehr den variablen Ereignissen einer Handlung entsprechen als deren invariablen Voraussetzungen.5 Vorgefertigte Strukturen können zwar Gedanken, Handlungen und Lernerfahrungen irgendwie bestimmen, aber in einer höchst schematischen Weise; darüber hinaus werden Strukturen im lokalen Handlungskontext immer neu konfiguriert. Es sind nicht nur die Subjekte, die sich durch die Teilnahme als Ko-Lernende hindurch verändern, sondern auch die Strukturen und die erworbenen Fertigkeiten. Wie Wenger kommentiert, wurden CoPs sofort zur Verkörperung von »this view of learning as happening at the boundary between the person and social structure – not just in the social structure or not just in the individual, but in that relationship between the two« (in Omidvar/Kislov 2013: 269). Lernen profiliert sich hiermit als eine Eigenschaft, als eine besondere Art soziokulturelle Handlungspraxis, die im Rahmen der „legitimierten peripheren Partizipation“ durchgeführt wird. Die legitimierte periphere Partizipation bildet also die Bedingungsmöglichkeit des Lernens, eines kreativen Prozesses, an dem sich das Subjekt dadurch beteiligt, dass es im Geflecht der CoP immer neu ausgehandelte Rollen erwirbt und spielt – und jeder Rolle entspricht eine Art von Verantwortung, eine Vielfalt von Rollenbeziehungen sowie unterschiedliche interaktive Beteiligungsformen. Was Lernende erwerben ist sonach kein Reservoir von Partizipationsschemata, sondern die Fähigkeit, unterschiedliche Aufgaben bzw. Funktionen in unterschiedlichen Lern- und Praxisfeldern auszuüben, wie zum Beispiel die Improvisationskompetenz oder das Timing von Tätigkeiten in Bezug auf sich ändernde Umstände. Die allmählich aufgebaute Expertise steht also in enger Verbindung mit der Fähigkeit zur Aufgabenerfüllung. Demzufolge seien die Fähigkeiten zur Bewältigung der Lernsituation bzw. kognitiven Wachstums mit der Fähigkeit verbunden, Aufgaben zu erfüllen. In der Theorie der situierten Kognition erkennt man die Verknüpfung zwischen den gelehrten und gelernten Fertigkeiten einerseits und der jeweiligen „performance situation“ andererseits:

Insofar as learning really does consist in the development of portable interactive skills, it can take place even when coparticipants fail to share a common code. The apprentice’s ability to understand the master’s performance depends not on their possessing the same representation of it, or of the objects it entails, but rather on their engaging in the performance in congruent ways. […] Again, it would be this common ability to coparticipate that would provide the matrix of learning, not the commonality of symbolic or referential structures. (Hanks 1991: 21f.)

Kognitionen werden immer von Individuen in kulturell organisierten Kontexten gemeinsam konstruiert. Jeder Lernprozess gleicht einer Aufführungsform innerhalb der sozialen Welt, unter besonderen Umständen, in einer gewissen Zeit und an einem bestimmten Ort. Aus dieser partizipatorischen Aufführungsform resultiert die dynamische Reproduktion von Lerngemeinschaften, die durch Tradierung reproduktiver Wissens- und Handlungssegmente ebenso wie durch Verschiebungen und Brüche erfolgt. Das Lernen erfüllt demgemäß eine doppelte Funktion: Erstens, um Kontinuität aus bestimmten Traditionen, lokalen Deutungsmustern und wichtigen Handlungsweisen im Praxisfeld herzustellen; zweiteins, um die Diskontinuitäten zu fördern, die zur Entwicklung und Umgestaltung führen. Laves und Wengers Auffassung von situierter Kognition stützt sich zusammenfassend auf die Situiertheit sowohl der Lernprozesse als auch des Handelns.

Die Praxis in der Theorie des situierten Lernens

Wir Kutscherleute stellen bei unserer täglichen Arbeit immer wieder fest, daß überall im deutschen (und sogar im ausländischen) Theater, in den verschiedensten Lagern und Stellungen, bis in die entlegensten Randgebiete hinein wir Mitglieder eines ganz und gar nicht organisierten Ordens ohne Satzung und Regel sitzen – eben die Kutscherschüler. (Hans Werner Rückle in Günther 1953: 182)

Die Untersuchung der Anfänge der Theaterwissenschaft in München geht von der These aus, dass Artur Kutscher die Theaterwissenschaft als privilegierten Locus des Wissenserwerbes und der Wissenserzeugung verstand. Um festzustellen, ob und in welchem Ausmaß das Modell der Communities of Practice, das bisher fast ausschließlich in der empirischen Pädagogik und im Wissensmanagement seine Anwendung gefunden hat, im theaterwissenschaftlichen Bereich praktisch und produktiv ist, sind in erster Linie die Grundkonzepte Praxis und Gemeinschaft zu untersuchen. Zum Zweiten sollen der Begriff „soziale Landschaft“ und die Art und Weise, wie globale Partizipation und lokale Teilhabe aufeinander wirken, zum Gegenstand der Analyse gemacht werden; schließlich soll der Blick auf die feste Verkoppelung zwischen Lehrtätigkeit und Performativität beim Theaterwissenschaftler Kutscher gerichtet werden.

Etienne Wenger gibt dem Terminus Praxis mehrere Definitionen, welche dessen Zentralität für die Lerntheorie deutlich zeigen. Erstens ist Praxis das, was eine CoP bestimmt, und zwar der Ursprung ihres Zusammenhalts. Zweitens entspricht sie immer einer gesellschaftlichen Praxis, die das Explizite ebenso wie das Implizite, das Vorausgesetzte mit einbezieht. Drittens bedeutet Praxis »doing in a historical and social context that gives structure and meaning to what we do« (1998: 48), also eine gemeinsame Geschichte von situiertem Lernen und Handeln. Vor allem aber ist sie ein Prozess: ein Beteiligungsprozess, der die gesamte Person mit einbezieht, aber auch ein Prozess der Sinnaushandlung, durch den jeder Mensch sein Leben, die ganze Welt und sein Engagement in dieser als sinnvoll erfahren kann.1 Kurzum lässt sich ohnehin behaupten, die Praxis sei die soziale Erzeugung von Bedeutung durch die fundamentalen Faktoren der Bedeutungsaushandlung, der Partizipation und der Verdinglichung. Diese sind der Praxis innewohnende Faktoren und erlauben den Menschen, den Sinn zu erfahren bzw. die Bedeutung ihrer Lebenserfahrung herauszufinden. Im Aushandlungsprozess sollen Partizipation und Verdinglichung verbunden werden, um die Produktivität der Praxis zu entfalten. Da bei der nachfolgenden Schilderung der Lerngemeinschaften auf diese drei Konzepte zurückgegriffen wird, seien sie hier kurz zusammengefasst.

Unter dem Begriff Bedeutungsaushandlung versteht Wenger den dualen Prozess, in dem die Bedeutung verortet ist: »Meaning exists neither in us, nor in the world, but in the dynamic relation of living in the world« (54); Partizipation und Verdinglichung bilden hingegen die zwei konstitutiven Prozesse, die in die Bedeutungsaushandlung verwickelt sind. Sie verkörpern die Dualität der Bedeutung, und zwar die Verflechtung und das Zusammenspiel zwischen gegenseitiger Anerkennung und Projizierungen von sich selbst.2 Diese balancierte Dualität wird als entscheidendes Element für die Etablierung und Entwicklung von CoPs, für die Identitätskonstruktion der Mitglieder sowie für das Wesen der Praxis selbst betrachtet. Durch die enge Wechselwirkung von Partizipation und Verdinglichung gestalten sich die Welt und die Erfahrung gegenseitig. Alltäglich erzeugen Menschen nämlich Bedeutungen, welche die Bedeutungsgeschichten, zu denen sie gehören, bestätigen, fortschreiben, verarbeiten, neu interpretieren oder demontieren. Eine derartige ständige Interaktion zieht sowohl Interpretation als auch Handlung nach sich.

Der doppelte Antrieb von Bedeutungsaushandlung entspringt einerseits durch die Partizipation der einzelnen Mitglieder der CoP, andererseits durch den ablaufenden Verdinglichungsprozess. Partizipation sei demnach »the social experience of living in the world in the terms of membership in social communities and active involvement in social enterprises« (55). Wenger unterscheidet sie zudem von der bloßen Beteiligung am gemeinschaftlichen Handeln, weil Partizipation immer eine Bedeutungsaushandlung im Kontext der verschiedenen Mitgliedsformen in mehreren Gemeinschaften beinhaltet, was mit dem Hauptmerkmal der Gegenseitigkeit zusammenfällt. Die gegenseitige Anerkennung durch die Partizipation führt zur Identitätsbildung: Menschen bilden ihre eigene Identität, indem sie sich selbst in den Anderen erkennen und die Verantwortung für die Bedeutungen übernehmen, die sie stets entwickeln.

Das Wort Verdinglichung bezeichnet indessen zum einen den Prozess, durch den die Menschen ihre Erfahrung gestalten, indem sie Gegenstände erzeugen, die eine solche Erfahrung zur Dinglichkeit werden lassen; zum anderen weist es auch auf den hierdurch erzeugten Gegenstand hin. Menschen projizieren ihre Bedeutungen in die Welt hinein und spüren dann diese Bedeutungen, als wären sie lebendig in der Welt, als hätten sie ein unabhängiges Leben. Dabei bilden Menschen Fokuspunkte, um welche die Bedeutungsaushandlung organisiert werden kann: Verdinglichung modelliert somit jede menschliche Erfahrung. Bei der Verdinglichung projiziert man sich selbst in die Welt und, da man sich selbst in solchen Projektionen nicht unbedingt wiedererkennen muss, schreibt man den eigenen Bedeutungen eine selbstständige Existenz zu. Menschliche Erfahrung und die gesamte Welt sind daher immer in festgesetzten Formen kristallisiert, d.h. als Gegenstände hervorgebracht: »Any Community of Practice produces abstractions, tools, symbols, stories, terms, and concepts that reify something of that practice in a congealed form« (59). Diese Aussage erklärt erneut, dass Verdinglichung auf Partizipation beruht, denn alles, was ausgedrückt oder dargestellt wird, setzt als Kontext für seine Interpretation eine Partizipationsgeschichte voraus. Ihrerseits formiert sich Partizipation um Verdinglichung herum, weil sie prinzipiell Gegenstände, Konzepte und Worte einbezieht, die ihren Ablauf ermöglichen (67).

Eine praxisorientierte Gemeinschaft lässt sich dann als eine Sozialstruktur beschreiben, die aus Personen besteht, die sich in einem spezifischen Wissensbereich an einem Prozess vom kollektiven Lernen beteiligen – anders formuliert, sie häufen Wissen zusammen an und sind durch den Wert verbunden, den sie dem Zusammen-Lernen beimessen. Nicht jede Gruppe kann sich als Community of Practice bezeichnen, weil sie gleichzeitig drei Kernelemente umfassen muss: Als erstes Element benötigt sie einen begrenzten Wissensbereich, welcher die Raison d’Être der Gemeinschaft darstellt, sowie ein gemeinsames Unterfangen, was kein festes Ziel oder keine vorher bestimmte Reihe von Aufgaben ist, sondern das Ereignis eines kollektiven Aushandlungsprozesses, die Festlegung von Schwerpunkten, die Mitglieder gemeinsam erleben. Wonach CoPs generell streben ist die Erzeugung, die Pflege und der Austausch von Wissen sowie die Förderung des Lernens und der individuellen Fähigkeiten. Der spezifische Wissensbereich stellt das Wechselspiel zwischen Individuen dar, die ein gemeinsames Projekt erkennen, das dann Gestalt annimmt. Wenn eine Lerngemeinschaft daraufhin dieses Projekt bespricht, werden Verlässlichkeit und gegenseitige Verantwortlichkeit unter den Mitgliedern sichtbar, die zu wesentlichen Komponenten in der Praxis werden. Mitglieder, die die Grenzen, Stärken und Spitzen des Wissensbereichs ihrer Gemeinschaft kennen, sind in der Lage zu beschließen, was sie am besten teilen, wie sie ihre Vorschläge und Ideen darbieten oder welche Aktivitäten sie ausüben können. Erst durch die Aushandlung des spezifischen Wissensbereichs prägen Umstände, Quellen, Materialien und Anforderungen die gemeinsame Praxis. Daraus folgt, dass »[t]he most successful Communities of Practice thrive where the goals and needs of an organization intersect with the passions and aspirations of participants« (Wenger/McDermott/Snyder 2002: 32).

Das zweite Element einer CoP ist folgerichtig der gemeinsame Einsatz für das ausgehandelte Projekt, bzw. die Gemeinschaft selbst: Die Mitgliedschaft in einer Lerngemeinschaft stützt sich auf die gegenseitige Beteiligung. Diese stellt die solide Basis für die Entwicklung einer partizipativen Identität dar. Der Zusammenhang, der die gegenseitige Beteiligung in eine organisierte Lerngemeinschaft verwandelt, verlangt eine ständige Arbeit seitens der Mitglieder: Jeder muss sich der Erhaltung der Gemeinschaft hingeben. Zusammenhang bedeutet aber nicht Homogenität, sondern Vielfalt, Unterschiedlichkeit der Mitglieder, weil jeder Einzelne einen spezifischen Platz in der CoP findet und fernerhin eine eindeutige Identität bekommt, die im Laufe der Zeit sowie durch die engagierte und kooperative Mitwirkung weiter bestimmt und integriert wird.

Das dritte und letzte Element ist das gemeinsame Repertoire – eine andere Bezeichnung für die Praxis selbst. Diese Praxis ist demgemäß eine Reihe von Gerüsten, Ideen, Stilen und Diskursen, Instrumenten, Medien, Geschichten und Artefakten, welche die Mitglieder einer praxisbezogenen Gemeinschaft teilen. Die heterogenen Gerüste finden ihren Zusammenhalt in dem Zustand, dass sie zur Praxis einer Gemeinschaft gehören, die an einem eigenen Projekt teilnimmt. Die geteilten Wissensressourcen ermöglichen dann der Gemeinschaft, sich mit ihrem Bereich weiter zu beschäftigen und somit ihr gemeinsames Wissen zu erweitern. Das Repertoire verbindet Aspekte, die sowohl mit der Partizipation als auch mit der Verdinglichung verbunden sind, was dazu führt, dass sich die gemeinsame Praxis als den Ursprung für die Bedeutungsaushandlung konfiguriert. Das gemeinsame Repertoire von Gerüsten muss dementsprechend zur Aushandlung stehen, damit sich die legitimierten Mitglieder einer Gemeinschaft in deren Praxis beteiligen können. Das benötigt einerseits eine genügsame Kenntnis der Geschichte der gemeinsamen Praxis, um sie an den Werkzeugen ihres Repertoires zu erkennen, und andererseits die Fähigkeit und Legitimität, diese Geschichte wieder bedeutsam zu machen. Wenn die drei Bestandteile zusammenwirken, dann wird die betreffende CoP zu einer optimalen sozialen Struktur, wo das Wissen gefördert und vermittelt wird.3 Infolgedessen prägen sich Lerngemeinschaften zum einen als lebendiger Kontext für das Erlernen soziokultureller Praxis seitens der Neueingetretenen aus – »a privileged locus for the acquisition of knowledge« –, zum anderen als einen produktiven Kontext, in dem man neue Impulse ins gemeinsame Wissen verwandeln kann – »a privileged locus for the creation of knowledge« (Wenger 1998: 214).

Die Praxis ist wie irgendein locus innerhalb einer soziokulturellen Landschaft, die Grenzen und Peripherien hat. Grenzen entsprechen logischerweise Diskontinuitäten zwischen der einzelnen CoP und ihrer Umwelt, weil die kontinuierliche Aushandlung von gemeinsamen Geschichten und Ressourcen zu Differenzen zwischen Innen und Außen bringt. Man muss allerdings bemerken, dass Grenzen in Wengers Auffassung keine Hemmung für die Weiterentwicklung von Lerngemeinschaften bedeuten; ganz im Gegenteil bilden sie neue Verflechtungen und Wechselspiele von Erfahrung und Expertise, wobei sie zur produktiven Bedeutungsaushandlung beitragen.4 Neben Diskontinuitäten existieren auch Kontinuitäten, die bestimmte Verbindungsarten unter den Grenzen herstellen: Diese werden Peripherien genannt, um ihre Zwitterstellung zu pointieren. Denn sie enthalten immer Gleichgewichtprobleme zwischen unterschiedlichen Innen- und Außenperspektiven, weil jede Grenzüberschreitung den Lernprozess sowie das Leben der CoP potenziell sowohl erleichtern als auch erschweren kann (140). Am wichtigsten wirken aber Grenzen und Peripherien als Schauplätze für die Bewirtschaftung und Übersetzung des allgemeinen Wissensgutes. Die Beziehungen, welche die gemeinsame Praxis begründen, werden folgerichtig vom Lernen bestimmt: »As a result, the landscape of practice is an emergent structure in which learning constantly creates localities that reconfig­ure the geography« (131). Es sei die Praxis selbst, die Abgrenzungen von und Vernetzungen mit der Außenwelt einer Gemeinschaft schaffe und die somit das Gewebe von Diskontinuitäten und Kontinuitäten der sozialen Landschaft bilde. Im Besonderen lassen sich drei von der Praxis ausgebaute Vernetzungstypologien erkennen: boundary practices, Überlappungen und Peripherikalitäten. Die ersten Praktiken entstehen vor allem in Organisationen, wenn grenzüberschreitende Treffen wiederholt und stabilisiert werden – dabei muss es notwendigerweise ein gemeinsames spezifisches Projekt geben. Direkte und anhaltende Überlappungen geschehen wiederum zwischen Praxen und ermöglichen eine konkrete Wissensbeschaffung. Peripherikalitäten, wie zuvor angedeutet, sind schließlich periphere Erfahrungen oder Beteiligungsformen an der Lerngemeinschaft, die als legitimiert betrachtet werden, ohne alle Voraussetzungen für eine volle Mitgliedschaft zu erfüllen. Dank des jeweils ausgehandelten Zugangs zum Praxisfeld und der spezifischen Peripherikalität erweist sich jede CoP als ein dynamischer Organismus, als »a node of mutual engagement that becomes progressively looser at the periphery, with layers going from core membership to extreme peripherality« (118). Das Wort Organismus zeigt eigentlich auf etwas Lebendiges, was bestimmte aufeinander folgende Entwicklungsstufen durchläuft. Auch wenn Lerngemeinschaften sich entwickeln und verändern, kann man nicht jede Interaktionseinheit für eine CoP halten. Die Sozialstruktur einer CoP hat eine mittlere Größe, und zwar unterscheidet sie sich von zu kleinen Kreisen, wo Mitglieder keine gemeinsame Praxis erzeugen können und wo langfristige Kontinuitäten nicht sicherzustellen sind, und von zu heterogenen Gruppen, in denen die unterschiedlichen Perspektiven der Mitglieder zusammenstoßen und die Trennung zwischen der CoP und der üblichen Welt bzw. anderen Lerngemeinschaften nicht eindeutig ist. Mit Bezug hierauf listet Wenger die Kennzeichen einer CoP auf:

1 Sustained mutual relationships

2 Shared ways of engaging in doing things together

3 The rapid flow of information and propagation of innovation

4 Absence of introductory preambles, as if conversations and interactions were merely the continuation of an ongoing process

5 Very quick setup of a problem to be discussed

6 Substantial overlap in participants’ descriptions of who belongs

7 Knowing what others know, what they can do, and how they can contribute to an enterprise

8 Mutually defining identities

9 The ability to assess the appropriateness of actions and products

10 Specific tools, representations, and other artifacts

11 Local lore, shared stories, inside jokes, knowing laughter

12 Jargon and shortcuts to communication as well as the ease of producing new ones

13 Certain styles recognized as displaying membership

14 A shared discourse reflecting a certain perspective on the world (125f.)

Besonders relevant für die Analyse der Entstehungsphase der Münchner Theaterwissenschaft sind die ausgehandelten Modalitäten, sich am gemeinsamen Projekt zu beteiligen, und die Schaffung spezifischer Werkzeuge, Repräsentationen und anderer Artefakte. Dazu kommen noch der gemeinsam geteilte Diskurs, welcher eine gewisse Weltanschauung reflektiert, sowie die Abwesenheit einleitender Präambeln. Diese Abwesenheit gilt eigentlich als Zeichen für den ständigen Austausch und die gegenseitige Bereicherung zwischen der Praxis einzelner Gemeinschaften und derjenigen Einstellungen, Aussagen und Praxen, die in demselben gesellschaftlich-historischen Kontext auftauchen und ausgehandelt werden. Spezifische Interessen und Probleme der Mitglieder einerseits und deren temporale sowie lokale Eingebundenheit andererseits richten die CoP so ein, dass sie sich aus dem Fluss ihrer Auseinandersetzungen und Aktivitäten bildet. Anders gesagt, Lernen durch CoPs schließt sowohl den Prozess der Wissensumwandlung als auch den Ort, den Kontext ein, in dem eine partizipative Identität bestimmt wird. Unter Communities of Practice als bevorzugten Untersuchungsfelder versteht man also eine präzise Örtlichkeit, in der eine komplexe Interaktion zwischen Lokalem und Globalem stattfindet. Wengers Auffassung dieser Interaktion ist insofern bemerkenswert, als sie das Lernen in Praxis als eine Art Zwischenraum-Phänomen zeichnet, aus dem sinnhafte Entwicklungsmöglichkeiten des Wissens und der persönlichen Erfahrung der Gemeinschaftsmitglieder entstehen können. Bei der Differenzierung zwischen Partizipation und Beteiligung stellt Wenger beispielsweise fest: »We can develop new ways of participating in the global, but we do not engage with it. […] The cosmopolitan character of a practice, for instance, does not free it from the locality of engage­ment« (131). Einerseits kann die direkte Beteiligung nur lokal sein, auch wenn sie an weltumspannende Probleme gebunden ist, andererseits öffnet sich diese lokale Beteiligung zu einer globalen Partizipation – oder näherhin zu einer translokalen und transkulturellen Dimension. Lernen geschieht nämlich in einer lokalen Praxis, stellt aber einen globalen Kontext für seine spezifische Örtlichkeit her. Die von Wenger konzipierte Situiertheit der Handlungspraxis in Raum und Zeit bzw. der Bezugsrahmen aller Interaktionen innerhalb und zwischen Gemeinschaften könnte auch in Bezug auf Chandra Talpade Mohantys Begriff politics of location5 und dessen Implikationen für kritische sozialwissenschaftliche Wissensproduktion betrachtet werden. Mohanty erklärte bekanntlich, Situiertheit sei keine weder zeitliche noch örtliche Fixierung, sondern a »movement between cultures, languages, and complex configurations of meaning and power«, in dem man sich selbst wiedererkennt und definiert (1995: 82) (Herv. im Originaltext). In der Theorie der Communities of Practice beteiligen sich Menschen fortwährend an gewissen lokalen Projekten, wobei sie notgedrungen jedes Mal ihre Identität unterschiedlichen Orten zuordnen, wodurch ein globales Netz von Beziehungen, Erfahrungen und Wissensinhalten aufgebaut wird.6 Gerade dieser Aspekt der Theorie Wengers interessiert die aktuelle Forschung: Der Fokus liegt nicht mehr auf in sich geschlossenen Einzelgemeinschaften, sondern auf multiplen Praxissystemen, auf Multimitgliedschaft, auf Praxislandschaften und auf durch Praxen hindurch konstruierten Identitäten (Omidvar/Kislov 2013: 270).

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