Kitabı oku: «»Action!« im Traunsee-Märchenland», sayfa 3

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5. Franzl hat die Torten und eine Erscheinung

Der Fahrer Franzl eilte, beladen mit Tortenkisten, vom Parkplatz am Ufer über die Holzbrücke zum Eingang des Schlosses auf die Insel. Er strahlte. Irgendwie war es dem Baumgartner gelungen, noch einmal all die Schokoladentorten aufzutreiben, die von der Filmfirma bestellt worden waren. Für Franzl war das wichtig. Er hatte sich geschworen, alles herbeizuschaffen, was die Filmleute haben wollten. Eine Herausforderung für einen echten Kerl aus Ebensee. Aber zu bewältigen. Da war sich Franzl ganz sicher.

Besorgt sah er von den Schachteln, auf die jetzt der Regen besonders stark prasselte, zum Traunstein hinauf – und erstarrte. Fast hätte er sämtliche Torten fallengelassen, konnte gerade noch in letzter Sekunde Schlimmstes verhindern. Er stand da wie angewurzelt, und panische Angst schnürte ihm die Kehle zu. Vom Gipfel des Berges sah ein mächtiges Gesicht auf ihn herunter. Riesige gerötete Augen schauten ihn traurig an. Franzl wollte schreien, aber kein Wort kam vor lauter Schreck über seine Lippen. Fast atemlos konnte er den Blick nicht abwenden von diesem Riesenmonster. Endlich schloss er kurz vor der Panik die Augen. Über sein Walkie-Talkie in der Brusttasche hörte er den Aufnahmeleiter quaken, dass er sich melden solle. Es sei dringend. Man wolle drehen, und alle warteten nur auf ihn. Oder besser: Auf die Torten. Franzl wusste, dass der Burger keinen Spaß verstand, wenn jemand zu spät kam. Er musste weiter! So nahm er sämtlichen Mut zusammen und öffnete die Augen wieder. Der Gipfel des Berges sah grau aus wie in den letzten Tagen. Das Gesicht war verschwunden. Franzl atmete erleichtert auf und setzte kopfschüttelnd seinen Weg fort. „I moa mi tramt vom Teufi“, murmelte er. Charly würden sagen: „Manchmal hab ich eine Schraube locker!“ Zwar nicht wörtlich übersetzt, aber ihrer Meinung nach durchaus auf den Franzl zutreffend. Er war ein viel zu gutmütiger Mensch und konnte keinem etwas abschlagen. Und da er sich in der Stadt und in der ganzen Gegend gut auskannte, musste er dauernd alles Mögliche für die anderen „privat“ besorgen. Von der Süddeutschen Zeitung über bestimmte Zigarettenmarken bis hin zu einem Termin für die Fußpflege. Franzl konnte nicht nein sagen.

Nun trabte er mit den Tortenkisten ziemlich irritiert die letzten Scüber die Brücke. Kurz vor dem Schlosstor blieb er plötzlich noch einmal stehen. Irgendetwas hatte er wahrgenommen, das gar nicht sein konnte. Dazu kam, dass dieses ekelhafte Geräusch jetzt wieder ganz und gar unerträglich laut wurde. Franzl sah mutig zum Traunstein und dann zu den Gipfeln der anderen Berge hinauf. Alles normal, keine Erscheinung! Aber der Himmel hatte sich verdunkelt, als wäre die Nacht hereingebrochen.

Der Mann bekam erneut Angst. Er schluckte und ging schneller. So ganz gesund war er nicht. Sein Blutdruck war etwas zu hoch. Er fasste den Entschluss, abends keinen Schluck Wein und schon gar kein Schnapserl mehr zu trinken. Vor allem nicht beides zusammen. Oder wenigstens nicht so viel wie gestern Abend …

6. Erla bewegt die Rasende Rosa

Die Geisterdamen kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nachdem sie also erfahren hatten, dass sich der Riese Erla doch nicht vor lauter Kummer nach Blondchens Tod damals in den See gestürzt hatte, sondern im Inneren des Traunstein lebte, sahen sie ihn heute nun zum ersten Mal leibhaftig.

Wie gebannt starrten sie auf den runden Bildschirm. Erla befand sich jetzt in seiner Höhle. Er hatte aufgehört zu weinen, jammerte aber immer noch laut vor sich hin. Dann drehte er an der Kurbel jener gewaltigen Maschine, die fast den gesamten Platz in seiner Behausung einnahm. Sie anzutreiben schien ungeheuer schwer zu sein, denn nur ganz langsam bewegte sich das faszinierende Räderwerk.

Interessiert gingen die Geisterfrauen näher und bestaunten das Geschehen. Jetzt schwebte langsam ein Kalenderblatt zu Boden. Es fiel auf andere Blätter, die zu Hauf am unteren Rand der Maschine lagen. Erla rann der Schweiß über die Stirn. Er schaute hinauf zum Kalender, der unter der Decke hing. Es war Donnerstag, der 15. August.

„Ist h-h-heute nicht M-m-mittwoch?“, fragte Miss Molly kopfschüttelnd. Kranawitha verdrehte die Augen. Na klar war heute eigentlich Mittwoch. Aber nun ist schon Donnerstag, weil dieser bekloppte Riese an der Zeit gedreht hat! Und Erla schien noch Reserven zu haben. Er holte tief Luft und schob mit ganzer Kraft die Kurbel weiter. Ein Blatt nach dem anderen segelte an der Maschine vorbei zu Boden. Den Geisterdamen verschlug es den Atem. Als sie die Sprache wiederfanden, musste mindestens ein Monat vergangen sein. Das konnte doch nicht unbemerkt durchgehen?

Röslein wurde plötzlich ziemlich nervös. Sie wollte weg von hier. Die anderen versuchten, sie zu beruhigen. Kranawitha drückte ihr ein Glas in die Hand. Ein harmloses Mittelchen, das sie von den Menschen kannte, die ja nicht nur unsinniges Zeug erfanden. Röslein trank es und fühlte sich sofort besser. Ihr Gesicht lief allerdings ziemlich blau an.

Gespannt sahen nun alle wieder zu Erla, der erneut Luft holte und sich mit seiner ganzen Kraft noch einmal über die Kurbel hermachte. „Nun übertreibt er es aber wirklich!“, zischte Kranawitha und begab sich auf die Suche nach ihrem Zauberbesen.

7. Warum die Szene nicht zu Ende gedreht wurde

Der Festsaal im Schloss erstrahlte im Scheinwerferlicht. Hauptdarsteller Lars Ungestüm, der in der Fernsehserie den Hoteldirektor spielte, stand am Fenster und sah hinaus zum dunklen See, in den der Regen prasselte. Da draußen war alles grau in grau. Er lauschte ins Handy und hörte nur seine eigene Stimme vom Anrufbeantworter. Besorgt drückte er noch einmal auf die Wahlwiederholung und endlich meldete sich seine Frau am anderen Ende der Leitung. Lars war froh, denn er hatte sich schon Sorgen gemacht. Seine Gattin konnte das nicht begreifen. Was denn für Sorgen? Sie musste doch nur wieder einmal ihre Tochter trösten, die wie so oft an Liebeskummer leide. Ihr neuer Freund hatte sie verlassen. Gestern Abend. Seitdem heule sie. Er sollte dringend nach Hause kommen!

Nein, er könne nicht nach Wien kommen. Er drehe doch jeden Tag. Und jetzt müsse er aufhören, man riefe ihn gerade! Die Tochter würde schon irgendwann den Richtigen finden! Bussi, baba!

Ungestüm stellte das Handy ab und steckte es in die Tasche des Bademantels, den er bis zum Drehen über dem Kostüm trug. Langsam ging ihm der ewige Liebeskummer seiner Tochter auf den Keks. Irgendwann musste sie doch mal an den Richtigen geraten.

Er griff nach seinem Kaffeebecher, der auf dem Fensterbrett stand und nahm einen großen Schluck. Verwundert stellte er fest, dass es der falsche Becher war. Kein Kaffee, sondern Tee darin. Noch schlimmer: Wenig Tee und viel Rum. Der Schauspieler trank selten. Am Wochenende ab und zu ein Viertel Rotwein. Aber irgendwie tat ihm dieser große Schluck jetzt gut. Vielleicht, weil es ein kalter, feuchter Tag war. Lars drehte sich um. Niemand schien sein wärmendes Getränk zu vermissen.

Nur Bella sah in vorwurfsvoll an. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn Dinge, die da nicht hingehörten, in der Dekoration abgestellt wurden.

So trank Ungestüm schnell auch noch den Rest aus und warf den Becher in einen Papierkorb.

Der Burger rief alle zu einer letzten Probe. Lars ging zu seinem Platz, der auf dem Fußboden mit Klebeband gekennzeichnet war. Der ungewohnte Rum tat sofort seine Wirkung. Die Probe wurde schon kurz nach Beginn unterbrochen, weil dem Schauspieler sein Text nicht einfiel.

Der Regie-Chef saß hinter einem kleinen Monitor und schüttelte genervt den Kopf. Der Panter, so nennt man ein sehr bewegliches Fahrzeug für die Kamera, wurde auf die Ausgangsposition zurückgeschoben.

Der Hauptdarsteller schaute noch einmal in sein Drehbuch. Im Hintergrund stellte Bella die Torten in die Dekoration, Franzl half ihr dabei. Dann war man wieder probenbereit.

Lars manövrierte sich geschickt durch seinen etwas hölzernen Text, und auch alles andere funktionierte einigermaßen. Der Regisseur nickte zufrieden und der Burger brüllte: „Fertigmachen zum Drehen!“

Nun huschten aus sämtlichen Nebenräumen die vielen stillen Stars des Filmgeschäfts. Maskenbildner zogen noch einmal die Lippen der Damen nach, Gewandmeisterinnen zupften an den Gewändern herum, ein Garderobier half Ungestüm aus seinem Bademantel und bürstete den Kragen seines eleganten Anzuges ab. Das Licht wurde ein letztes Mal korrigiert.

Franzl nutzte die Gelegenheit zum Verschwinden, er musste zwei Schauspieler vom Flugplatz in Salzburg abholen. Als er die Tür öffnete, blies der Wind ein paar gelb-braune nasse Blätter herein. Bella griff schnell nach ihnen. Auf dem Weg zum Müllsack warf sie einen verwunderten Blick darauf. Welke, bunte Blätter im August? Und das hier, wo das Grün wirklich ganz besonders grün ist!

„Ruhe!“, dröhnte der Tonmeister. Er lauschte, aber das Geräusch von draußen war weg. Begeistert schrie er: „Wir können!“

Eine Maskenbildnerin zupfte der schönen jungen Episoden-Hauptdarstellerin Monica Morelli ein Haar aus. Die Morelli brüllte daraufhin laut auf: „Bist du wahnsinnig?!“

Die Maskenbildnerin entschuldigte sich im Flüsterton und erklärte, dass es sich um ein graues Haar gehandelt habe. Der Morelli verschlug es die Sprache. Sie nahm der Haarausreißerin den Spiegel aus der Hand. Schockiert sah sie, dass dies nicht das einzige graue Haar auf ihrem Kopf gewesen war. „Das gibt es nicht“, stöhnte sie entsetzt.

„Ruhe – wir drehen!“, kam nun das Kommando. Die Maskenbildnerin konnte den Spiegel, der jetzt der Schauspielerin aus der Hand rutschte, gerade noch auffangen. Sie starrte fassungslos auf Monica Morellis tiefrotes Haar, das silbern glitzerte.

Kopfschüttelnd betrachtete Bella noch immer die welken bunten Blätter. Der Regisseur sah zu seinen Hosenbeinen, die inzwischen wieder trocken waren. „Den Anzug kann ich wegschmeißen“, sagte er leise zu seiner Assistentin.

„Ton ab! Kamera ab!“ Die Klappe wurde geschlagen.

Der Chef rief laut: „Action!“

Um den Monitor hatten sich einige der Filmleute versammelt und verfolgten die Aufnahme. Die Szene begann fehlerlos. Doch da blieb Lars Ungestüm plötzlich stehen. Alle hielten die Luft an. Das hatte man nicht geprobt. Der Schauspieler öffnete den Mund, und schloss ihn schließlich wieder, ohne ein Wort zu sagen.

„Aus!“, rief der Chef verärgert. „Ich verstehe das nicht – er ist doch sonst ein Perfektionist“, flüsterte ihm besänftigend seine Assistentin ins Ohr.

Im Saal war es still. Alle schauten in Erwartung eines Donnerwetters vom Regisseur zu Ungestüm. Der stand da wie angewurzelt. Dann ging er langsam zum Fenster und zeigte stumm hinaus. Alle sahen nun nach draußen: Es begann zu schneien!

8. Kranawitha richtet nichts aus

Kranawitha, die endlich ihren Besen gefunden hatte, bat die anderen, hier auf sie zu warten. Sie wollte nur kurz diesem verrückten Riesen die Meinung sagen. „Der bringt doch das ganze Jahr durcheinander!“ Die Geisterdamen sahen sie fragend an. Glaubte sie ernsthaft, der würde auf sie hören? Kranawitha nickte. Und wie der auf sie hören würde! Ohne sie war er doch aufgeschmissen …

Sie versprach, sofort zurückzukommen. Bis hinüber zum Traunstein war es ja nur ein Katzensprung. Schon war sie verschwunden.

Die sieben durchsichtigen Weiber blickten entsetzt auf das Schneegestöber draußen und waren sich einig: Dieser Erla hatte wirklich irgendwie nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Es war ja ganz nett, dass es in ihrem langweiligen Dasein ein bisschen Abwechslung gab. Aber das denn doch zu viel.

Miss Molly deckte Röslein mit einem warmen Tuch zu. Die Kleine hockte in Kranawithas Sessel und döste vor sich hin. Dann ging sie zu den anderen, die wieder auf den großen Bildschirm schauten, wo noch immer Erlas Maschinenhalle zu sehen war. Doch der Riese schien sich völlig verausgabt zu haben. Er saß auf den Kalenderblättern am Boden und war eingeschlafen. Emilia drehte den Ton leiser, denn Erla schnarchte entsetzlich.

So hörte er auch nicht das Klopfen und Rufen von draußen.

Es handelte sich um Kranawitha, die wirklich wahnsinnig schnell per Besen hinübergeflogen war und Einlass begehrte. Da ihr nicht geöffnet wurde, musste sie zu anderen Mitteln greifen.

Aber irgendwie schien nichts mehr wie früher zu sein. Keiner ihrer Zaubersprüche half, die Tür zu Erlas Höhle auch nur einen Spalt zu öffnen. Die Hexe schimpfte fürchterlich herum, drohte, fluchte. Doch gar nichts passierte. Sie wollte es mit einem Zauberreim versuchen. Aber vor lauter Ärger hatte sie ein totales Blackout in ihrem Kopf.

Die Damenrunde in ihrer Höhle überkam inzwischen die Langeweile. Dass sich nun nichts mehr ereignete, war bedauerlich. Seufzend erhoben sich die Geisterfrauen. Sie weckten Röslein. Was war mit ihr los? Aber die junge Dame lächelte nur abwesend. Sie schien ein Geheimnis zu haben.

Die anderen bestürmten sie mit Fragen. Sie schien verändert. War sie etwa verliebt? „Vielleicht“, flüsterte sie. Weiter war nichts von ihr zu erfahren.

Noch einmal sahen sie auf den Bildschirm. Kranawitha hatte sich vor Erlas Türe niedergelassen und wartete.

Die Geisterfrauen hatten keine Lust, hier zu überwintern. Obwohl es in Kranawithas Domizil schön warm war, entschlossen sie sich zum Abflug. Die schwarzen Bären, die in allen Ecken schliefen, wurden nicht einmal wach von dem lauten Verabschiedungszeremoniell der Damen.

Alle waren zwar ein bisschen enttäuscht von diesem Ausgang der Party, aber länger ausharren wollten sie auch nicht. So schwebte schließlich eine nach der anderen durchsichtig blau hinaus. Draußen winkten sie sich noch einmal zu und machten sich leicht benebelt durchs Schneegestöber auf den Weg zu ihren Schlössern.

9. Schimek wundert sich

Schimek stand mit seiner Enkeltochter Flori unterm Dach des Eingangs vom Gasthof Grünberg und wollte seinen Augen nicht trauen: Es schneite noch immer! Er bat seinen Sohn und die Schwiegertochter mit der Rückfahrt besser ein bisschen zu warten. Bei diesem Wetter wollte er sie nicht weglassen – mit Sommerreifen!

„Was sollte man im August sonst für Reifen haben“, sagte seine Schwiegertochter kopfschüttelnd und drückte ihrem Mann den Autoschlüssel in die Hand. Sie mussten nach Wien zurück. Viel zu lange hatten sie sich beim ausgiebigen Essen im Gasthof Grünberg aufgehalten. Nun war es höchste Zeit. Morgen würde ihre Tournee beginnen und die Sachen waren noch nicht gepackt. So verabschiedeten sich die beiden von ihrer kleinen Tochter und ermahnten sie, schön brav zu sein und dem Opa Schimek keine Schande zu machen.

Der schüttelte ärgerlich den Kopf. Das Mädchen war brav, viel zu brav. Ein Lämmchen! Nur Märchen im Kopf. Sie spielte stundenlang mit ihren Puppen die Schauergeschichten von gefräßigen Wölfen, die Großmütter verspeisten, und von Prinzessinnen, die Frösche an die Wand klatschten, nach. Oder sie malte seltsame Bilder.

Er hatte ansonsten keinerlei Probleme, wenn er Flori drei Ferienwochen in seiner Obhut hatte. Sohn und Schwiegertochter waren Sänger und tingelten jeden Sommer mit einem Operettenprogramm über die Freilichtbühnen Österreichs.

Flori war sechs Jahre alt. Sie sollte eigentlich ein Junge werden und Florian heißen. Da also aus dem Sohn nichts wurde, gab man dem Mädchen allen Ernstes den Namen Floriane. Daraus machte Schimek kurz entschlossen Flori, und inzwischen nannten alle das ruhige Kind so.

Flori blieb gern bei Schimek. Er nahm sie mit zu den Dreharbeiten.

Dann saß sie still in einer Ecke und beobachtete alles ganz genau.

Oder sie blieb im Gasthof und spielte mit den Kindern anderer Gäste oder mit den Enkeln der Wirtsleute.

Artig verabschiedete sie sich nun von ihren Eltern. Die schlitterten in dünnen Sandalen zu ihrem Wagen und fuhren winkend und hupend davon. Als sie außer Sichtweite waren, fragte Schimek, ob Flori noch eine Cola trinken wollte. Ihre Eltern sahen das nicht gern, aber Schimek erlaubte seiner einzigen Enkelin natürlich alles, was sonst tabu war.

Sie durfte sogar abends im Bett fernsehen. Flori sah fasziniert den Schneeflocken zu, die über dem See herumwirbelten.

Nein, sie wollte nichts mehr trinken. Aber der Opa könne ruhig gerne noch auf einen Schoppen Roten in der Gaststube sitzen. Schimek sah Flori erstaunt an und zog eine Augenbraue hoch. Flori grinste. Sie würde lieber ins Bett gehen. Bestimmt gäbe es was Interessantes im Fernsehen. Schimek sah auf die Uhr. Es war schon spät. Vielleicht wollte sie „Schlosshotel Orth“ sehen? Er hatte einen Videorekorder und einige Kassetten vom letzten Jahr dabei.

Flori starrte auf den See hinaus und schüttelte den Kopf. Das war ihr zu langweilig, denn die Folgen kannte sie doch alle. „Da!“, sagte sie plötzlich, „Sieben Geister!“

Schimek sah zu ihr herunter, lächelte und strich Flori übers Haar. „Denkst du dir ein neues Märchen aus?“

Doch Flori zeigte mit offenem Mund nach oben. Schimek verschlug es die Sprache. Tatsächlich hatte er für einen Moment den Eindruck, irgendwelche durchsichtig-blauen Gespenster über den Traunsee fliegen zu sehen. Aber schon waren sie verschwunden. Er schluckte.

Bei einem Glühwein war es nicht geblieben, als sie die Dreharbeiten auf der Brücke abgebrochen hatten. Und dann beim Essen mit seinen Kindern musste er die neue Hausmarke des Grünberg-Wirtes probieren. Ihm wurde kalt. Er nahm Flori an der Hand und sie gingen ins Gasthaus. Wahrscheinlich hatten die Schneeflocken ihnen irgendwas vorgewirbelt. Wie sonst sollte er sich und dem Kind die Angelegenheit erklären. Doch Flori sagte entschieden: „Nein! Ich kann schon zählen! Es waren sieben blaue Geister! Alles Frauen. Das hab ich ganz genau gesehen!“ Schimek überlegte einen Augenblick, ob man weibliche Geister Geisterinnen nannte. Kopfschüttelnd folgte er seiner Enkeltochter.

10. Fürs Lars beginnt der ersten Morgen der Verwirrung

Der Hauptdarsteller Lars Ungestüm erwachte und lauschte. Irgendwie fand er es erfreulich: Er hörte kein Regengeräusch!

Wie jeden Morgen sprang er aus dem Bett, was ihm merkwürdigerweise nicht so recht gelang. Nun taumelte er etwas und spürte ein Schwindelgefühl. Er schob es auf die frühe Stunde und den Rum im Tee, den er gestern beim Drehen versehentlich getrunken hatte. Deshalb kümmerte er sich nicht weiter darum.

Ungestüm spielte die Rolle des Hoteldirektors in der Serie inzwischen sechs Jahre. Zuerst wohnte er während der Dreharbeiten in verschiedenen Hotels. Aber seit zwei Jahren hatte er diese wunderbare Wohnung im Don-Alfonso-Weg in Altmünster. Er wollte sich schon immer mal erkundigen, wer eigentlich Don Alfonso war, hatte es aber bis heute nicht zu Wege gebracht.

Lars bewohnte die erste Etage eines Hauses direkt am See. Die Einrichtung war nicht eben modern, aber liebte diese Wohnung. Es war alles da, was man zum Leben brauchte.

Seine Frau kam fast jedes Wochenende von Wien her, und sie verbrachten gemeinsam die drehfreie Zeit am Wasser.

Die Wohnung hatte ein Gästezimmer. So konnte ihn auch seine Tochter mit ihrem Freund, soweit sie nicht gerade wieder einmal verlassen wurde, oft hier besuchen.

Ungestüm ging bei jedem Wetter als erstes am Morgen zum See hinunter. Vor allem aber liebte er die Zeit nach Drehschluss.

Dann saß er auf einem Klappstuhl am Ufer und schaute zum Traunstein und zur Schlafenden Griechin hinüber. Unzählige Fotos hatte er von diesem Anblick gemacht. Am liebsten hatte er es, wenn die Berge im Abendlicht glühten. Welch ein Schauspiel!

Als einmal Helena Wolfmann, die berühmte Schauspielerin aus der Schweiz, eine Episoden-Hauptrolle in der Serie spielte, hatte Lars sie nach Drehschluss zum Essen eingeladen. Beide verband eine langjährige Freundschaft, und so wollte man natürlich über längst vergangene, gemeinsame Theaterzeiten plaudern. Aber sie sah nur zu den rotglühenden Bergen hinüber. Helena war so begeistert von seinem Seeblick, dass sie, wieder zu Hause, ein kleines Aquarell malte. Sie schickte es ihm und versprach wiederzukommen, um hier zu malen.

Das war inzwischen neben der Arbeit als Schauspielerin ihre Lieblingsbeschäftigung. Eine großartige Künstlerin war sie auf beiden Gebieten.

Das Bild, das in seiner Wiener Wohnung hing, erfreute ihn jedes Mal wieder. Leider war Helena nicht gekommen zum Malen. Lars wollte sie längst einmal anrufen und daran erinnern. Aber er vergaß es immer wieder.

An jedem Morgen also stellte er fest, dass es nicht mehr regnete.

Er überwand schnell das kurze Schwindelgefühl und schaute frohen Mutes aus dem Fenster. Plötzlich fiel ihm voller Schrecken ein, dass gestern Schnee gefallen war! Im August! Er ging ins Bad und nahm eine Tablette, weil ihm schlecht geworden war.

Dann rief er seine Frau an. Das mit dem Schnee – wahrscheinlich würde sie es überhaupt nicht glauben. Aber er kam gar nicht zum Sprechen, denn als sie sich meldete, überschlugen sich ihre Worte.

Sie waren Großeltern geworden! Ein gesunder Enkelsohn, 53 cm groß und 3500 Gramm schwer!

Ungestüm rieb sich das Ohr. Wieso hatte er nichts von der Schwangerschaft seiner Tochter gewusst? Und nun war das Kind schon da? Wer war der Vater? Der letzte – oder der vorletzte Freund? Sein armes Kind – allein und nun mit Nachwuchs?

Seine Frau lachte. Wieso denn allein? Sie hat doch ihren Mann. Der ist natürlich stolz und glücklich als junger Vater. Und sie beide Oma und Opa! Das muss gefeiert werden. Morgen käme sie ja nach Gmunden.

Er soll einen Tisch im Schweizerhof bestellen. Das war eines ihrer Lieblingsrestaurants, ganz in der Nähe.

Ungestüm wollte seine Frau noch so vieles fragen. Aber sie hatte keine Zeit. Sie müsse gleich ins Krankenhaus zu ihrer Tochter und dem Enkel.

Der Schauspieler legte ungläubig den Hörer auf. Er war Großvater, und seine Tochter anscheinend verheiratet. War sie nicht gestern gerade von ihrem Freund verlassen worden? Irgendetwas war wirr in seinem Kopf.

Leichte Panik ergriff ihn. Zu oft hörte man von Demenz oder Alzheimer … Er strich über seine Stirn, als wollte er solche Gedanken verscheuchen. Dann sah er auf sein Handy und wunderte sich: Draußen war schönes Wetter, und er hatte noch keine Nachricht, was heute auf dem Plan stand und wann Drehbeginn sein sollte. Wahrscheinlich würden sie also erst später anfangen. So zog er seine Sportklamotten an, er wollte vor der Arbeit noch eine Runde joggen. Seit er die Hauptrolle in dieser Serie spielte, war ihm der Sport sehr wichtig geworden. Schräg über die Straße befand sich das Schloss Ebenzweier mit einem wunderschönen gepflegten Park drum herum. Dieses Schloss beherbergt heute eine Berufsschule. Man konnte morgens ungestört auf den Parkwegen entlang rennen, ohne angesprochen zu werden. Kein Autogrammjäger verfolgte ihn hier. Und wenn die Zeit gekommen war, sprang er nach dem Joggen in den Traunsee. Alle hielten ihn für etwas verrückt. Denn der See war selbst im Sommer meist grausig kalt. Abgesehen von ein paar ebenso verrückten Einheimischen, hüpfte kein Mensch so zeitig hinein wie Ungestüm. Aber ihm gefiel das, er hielt es für einen Jungbrunnen.

Heute jedoch fühlte er sich irgendwie schlapp.

Er trat aus dem Haus und betrachtete verwundert die Rosen im Garten, die in voller Blüte standen. Gestern noch hatten sie nicht eine einzige Knospe wegen des andauernden Regens! Und gestern fiel sogar Schnee auf die armen Sträucher …

Lars ging erst einmal hinunter zum Steg. Er hörte Kinder fröhlich toben. Auch darüber wunderte er sich. Und als er am Ufer stand, schüttelte er den Kopf. Er sah – im Wasser! – etliche Mädchen und Jungen. Der See hatte sich durch den Dauerregen kaum erwärmt. Die Wassertemperatur lag bei knappen 11 Grad, das hatte er gerade gestern nachgemessen! Gestern früh - noch bevor es geschneit hatte. Er sah verwundert ein Schwanenpaar mit sechs Jungen vorüberziehen. Und als er seine Hand ins Wasser hielt, fand er es so warm wie selten, seit er hier war.