Kitabı oku: «Seniorenknast - wir kommen!», sayfa 3

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Die Döner duften – selbst durch die Alufolie. Katharina hat endlich einen Parkplatz vor ihrem Haus gefunden. Hinter einem klapprigen Fiat Panda, der so blöd quer steht, dass sie Mühe hat, sich einzureihen. Sie steigt aus. Paul macht keine Anstalten, ihr zu folgen. Sie setzt sich wieder neben ihn.

„Du solltest vielleicht wirklich mal eine Therapie machen! Vor fünf Minuten hast du mich noch gefragt …“

Er unterbricht sie. „Ja. Es roch so gut.“

„Es riecht immer noch gut. Und nun lass uns hochgehen, bevor das Fleisch völlig kalt ist!“

Paul nickt, bleibt aber steif sitzen. Katharina erinnert sich nicht, ihn jemals so erlebt zu haben.

„Paul – was soll das denn alles? Es geht dir beschissen – das ist nicht zu übersehen. Du brauchst jemanden zum Reden. Und früher haben wir uns doch bei der Arbeit …“

„Das ist es ja. Ich habe nichts mehr zu tun! Andere machen aus ihrer ehemaligen Arbeit ein Hobby. Aber was macht ein Pathologe?“ Katharina mag darüber nicht nachdenken …

„Ich weiß, dass es nicht einfach ist ohne Arbeit. Aus eigener Erfahrung. Aber wir sind nun mal alt! Na ja – ziemlich alt. Du kriegst doch sicher eine ordentlich hohe Rente und kommst ganz gut zurecht. Du hast keine Familie.“

Paul nickt. „Eben!“

„Wolltest du deshalb eingebuchtet werden?“

„Der Winter naht. Ich brauche ein geregeltes Leben.“ Katharina sieht ihn entgeistert an. „Im Knast?“

Paul geht nicht darauf ein. Nun will er aussteigen. Aber Katharina hat die Türen wieder verriegelt.

Er holt tief Luft. „Also, entweder ich kann jetzt raus, oder du lieferst mich bei der Polizei ab. Vielleicht lässt sich Ruppe erweichen und zählt diese Flucht noch zum Überfall der Tanke dazu …“ Katharina zeigt ihm einen Vogel. Dann schwenkt sie den Beutel mit den Dönern vor seiner Nase hin und her.

Paul schüttelt entschieden den Kopf.

„Was ist das denn für ein Leben? Keine Frau, keine Kinder, keine Freunde …“

Katharina schluckt. Das kennt sie alles. Und es gibt nur eine Antwort: „Dafür bist du doch ganz allein zuständig …“

Paul nickt. Langsam aber sicher tut er sich selbst leid. „Meine Rede! Wer wollte es schon mit einem Pathologen zu tun haben? Du hast Recht: Nun bin ich alt – das hab ich jetzt davon …“

Katharina sieht ihn betroffen an. Sie öffnet die Türen, steigt aus und stößt fast mit einer Fußgängerin zusammen, die mit ihrer Tasche nach ihr schlägt.

„Wohl besoffen, was?“

Erschrocken steigt Katharina wieder ein.

Paul sitzt noch immer da wie ein Häufchen Elend.

Bevor die Fußgängerin die Straße überquert, dreht sie sich um und spuckt auf Katharinas Auto. Normalerweise wäre die in einer solchen Situation völlig ausgerastet. Doch Pauls Zustand macht ihr Angst. „Paul – Mann, Knast ist doch keine Lösung! Ich bin auch alleine. Vielleicht können wir uns ab und zu treffen, Schach spielen. Oder mal ins Kino gehen.“

Er schüttelt entnervt den Kopf.

„Ich will in den Bau! Da habe ich Gesellschaft, ordentliches Essen und ich kann helfen, wenn wer stirbt.“

Katharina ist fassungslos. „Willste den zerlegen – oder was? Wenn du so redest, hält dich doch jeder für völlig verblödet!“ Paul sieht sie an und scheint wieder zu sich zu kommen. „Na endlich hast du’s kapiert! Genau das will ich sein: Ein seniler Tattergreis. Denn dann komme ich nicht in irgendeinen Knast, sondern ins PARADIES.“

Katharina ist nun zum Äußersten bereit. Sie packt ihn an den Armen und schüttelt ihn.

„In eine geschlossene Anstalt kommst du bestenfalls! Wenn du das PARADIES nennst …“

Paul wehrt sich nicht und nickt immer wieder.

„Im schönen Vogtland – oder im Erzgebirge? Also, da gibt es einen Seniorenknast. Dort will ich hin!“

Es kommt etwas Finsteres in seine Augen.

Katharina grinst plötzlich. Sie glaubt ihm kein Wort. Dann zupft sie ihn am Ohr, wie damals.

„Ach Paul, ich bin froh, dass du es immer noch drauf hast, mich zu verscheißern!“

Paul überhört die Bemerkung und gerät geradezu ins Schwärmen.

„Ich habe mal zwei Damen kennen gelernt – Nonnen! – die waren des Lobes voll. Sie saßen dort längere Zeit ein. Dann wurden sie aber leider wegen guter Führung vorzeitig entlassen.“

Katharina beschleicht wieder eine gewisse Angst um Paul. „Nonnen? Im Knast …“

Er strahlt. „Im Seniorenknast!“

Sie öffnet nun entschlossen die Fahrertür.

„Okay. Ich schlage vor, wir gehen zu mir hoch, verputzen die Döner und dann mache ich dir einen schönen Beruhigungstee.“ Paul sieht sie verwundert an.

„Kannst auch einen Rotwein haben – allerdings keinen besonders guten.“

Paul nickt nun endlich und steigt aus. Denn er sieht plötzlich eine Lösung.

„Guter Plan! Bei dir suchen mich die Bullen sicher zuerst!“ Katharina sieht ihn fragend an. „Interessant!“

Paul versteht nicht, dass sie nicht versteht.

„Na, Ruppe ist doch nicht blöd! Der hat dich unter Garantie erkannt als meine Ärztin! Außerdem ist heute der 1. Dienstag im Monat …“ Katharina ist baff.

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Ruppe ist inzwischen wieder in sein Büro zurückgekehrt. Er denkt an Katharinas billigen Rotwein und schüttelt sich. Dann zieht er einen winzigen silbernen Flachmann aus der Jackentasche. Wenigstens einen Schluck will er sich gönnen. Er trinkt und schüttelt sich. Fusel …

Aus seiner Schreibtischschublade kramt er einen kleinen Mundspray. Pfefferminzgeschmack. Meine Güte – was für ein Leben, denkt er angewidert. Wohin hat es solche guten Leute gebracht wie DIE ALTE, seine hoch geschätzte Vorgängerin?

Oder Herrn Professor Paul Herr. Der war sozusagen der Papst unter den Pathologen. Der King. Leichenfinger – die Nummer Eins!

Wie wird es ihm selbst einmal ergehen, wenn er Rentner ist? Darüber mag er gar nicht nachdenken. Sein Telefon klingelt. Wahrscheinlich ist das Katharina. Er nimmt den Hörer nicht ab, hält sein schmerzendes Kreuz wieder fest und geht zum Fenster. Unten fegt ein sanfter Wind Blätter die Straße entlang.

Ihm kommt ein Gedicht über den Herbst in den Sinn, das ihm immer sehr gefallen hat. Er konnte es auswendig. Aber nun fällt ihm weder der Dichter ein, noch bringt er den Text zusammen. Es hat irgendwas mit Alleinbleiben zu tun.

Dabei hat er es doch gut. Er ist nicht allein! Seine Frau wartet jeden Tag zu Hause auf ihn. Die bequemen Hauslatschen stehen bereit und ein ordentliches Bier, nicht zu kalt. Eine Schnitte mit ungarischer Salami und eine zweite mit Harzer Stinkerkäse. Sie sehen fern, dabei strickt sie warme Socken für den kalten sächsischen Winter. Die Dinger stapeln sich in seiner Wäschekommode. Er hat noch nie ein Paar getragen, denn die kratzen. Aber sie strickt und strickt.

Kopfschüttelnd zieht er noch einmal sein kleines Silberfläschchen aus der Tasche und trinkt es leer.

Ein Hüsteln hinter ihm. Er dreht sich erschrocken um. Vor ihm steht der Chef seiner Dienststelle.

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Sie betreten die Wohnung, Stimmen sind zu hören. Katharina hält den Finger auf den Mund. Paul nickt. Sie schleichen durch den Korridor und werden durch einen Jammerlaut erschreckt. Katharinas Kater Quasimodo sitzt in seinem Tragekorb – eingesperrt! Sofort befreit sie ihn. Er lässt die Ohren hängen und zieht sich beleidigt zurück. Paul grinst.

Leise öffnet sie die Tür zum Wohnzimmer. Das blitzt! Aufgeräumt wie lange nicht. Quasimodo stürzt sich sofort auf Mira, die beim Fensterputzen ist. Fast fällt sie hinaus vor Schreck.

„Blödes Mistvieh!“ zischt sie und rappelt sich wieder auf. Katharina ist echt empört.

„Frau Gründler! Sie sollten doch nicht putzen!“

Mira stellt mit der Fernbedienung den Fernsehton leiser und dreht sich um.

Ihre Augen leuchten, als sie Paul erblickt. Leise und traurig wendet sie sich an Katharina.

„Früher haben Sie mir Mira jenannt!“

Und dann lächelt sie Paul zu: „Ein schönen juten Tach!“ Sie macht sich weiter am Fenster zu schaffen.

Paul sieht sie irritiert an.

„Ick konnte den Dreck hier einfach nich ertragen! Wat sich da in 3 Wochen anjesammelt hat …“

Interessiert schaut Mira nun zum Fernseher und stellt den Ton wieder lauter. Es läuft nämlich die neue Folge ihrer Telenovela. Umständlich erklären zwei Männer einen Vorfall, der wahrscheinlich in der vorigen Folge passiert ist.

Katharina will jetzt mit Paul allein sein.

„Mira, ich hab Ihnen meine Situation hinreichend erklärt!“ Doch die gibt sich nicht so leicht geschlagen – vor allem jetzt nicht, in Pauls Gegenwart. Sie steigt von der Leiter und schließt das Fenster. „Ick will keene Kohle! Es bereitet mir einfach Freude, Ihnen zu helfen! Mit meine Rente komme ick schon irjendwie zurecht.“ Noch einmal lächelt sie Paul zu. Da der nicht reagiert, richtet sie ihr Interesse wieder auf das Geschehen im Schlosshotel am See, wo gerade eine feine, aber finster blickende Dame zu den beiden Herren tritt. Katharina stellt den Fernseher ab. Mira reagiert ernsthaft entsetzt. „Det war doch die Bitsch!“

Paul schaut sie irritiert an.

„Das Biest! Ick muss diese Folje sehen, sonst weeß ick doch morgen ooch wieder nich, wat Neuet passiert ist.“

Paul nickt vorsichtshalber. Katharina sieht von ihm zu Mira und versteht die Welt nicht mehr.

„Jetzt machen Sie uns mal einen Kaffe – sonst werde ich zur Bitsch!“ Mira lässt ihr Fensterleder fallen und strahlt. Sie geht zum Tisch und mustert Paul.

„Herr Leichenfinger – jut schaun Sie aus!“

Katharina hüstelt kopfschüttelnd. Mira schaut sie fragend an und stellt dabei Tassen zurecht.

Katharina flüstert ihr zu: „Das ist mein ehemaliger Kollege Professor Doktor Paul Herr!“

Mira nickt und wendet sich an Paul. „Ick weeß! Als ick noch berufstätig war, hab ick doch ooch in der Pathologie jeputzt!“

Paul scheint sich nicht zu erinnern. „Aha …“

Mira kann ihre Enttäuschung kaum verbergen.

„Na ja – Sie haben sich immer nur für die interessiert, die nicht mehr zum Putzen oder zu irjendwat anderem fähig waren …“ Paul zuckt mit den Schultern. „Das war mein Job.“ Mira nickt unzufrieden.

„Ick habe zu Frau Katharinas 65. Geburtstag – also vor einer Ewigkeit – det Essen bereitet. Heute nennt man det Catering. Und denn durfte ick mitfeiern, und da habe ick Sie und die anderen Herren Kripobullen bisschen näher kennenjelernt.“

Paul versucht krampfhaft, sich zu erinnern. Er zieht die Stirn in kräftige Falten und vertraut auf die Wirkung. „Aha …“

Mira ist noch enttäuschter.

„Kaffee ist schon fertig!“ Sie greift nach der Thermoskanne, die auf dem Tisch steht und will einschenken. Katharina zieht die dritte Tasse weg.

„Danke, Mira. Und nun genug für heute!“

Mira schraubt die Kanne wieder zu und räumt beleidigt ihr Putzzeug zusammen.

Paul schaut versonnen in seine leere Kaffeetasse und wendet sich konspirativ an Katharina.

„Also: Diese Nonnen haben mir erzählt, dass es in besagtem Knast einen schönen Innenhof gibt, sogar einen kleinen Teich!“ Mira stellt ihre Utensilien beiseite und sieht Paul interessiert an. „Im Knast?!“

Katharina geht verärgert zum Regal, greift nach einer Sparbüchse, die als Polizeiauto verkleidet ist, öffnet sie und zieht einen Schein heraus.

„Jetzt zittern Sie endlich ab!“

Sie reicht ihr einen Zwanziger entgegen. Mira ist nun endgültig sauer. „Haben Sie wat mit die Ohren? Ick kann Ihnen ein günstiges Hörjerät empfehlen! Stecken Sie Ihr Jeld weg!“

Katharina gibt es auf. Sie holt eine Dose mit Keksen aus dem Schrank und stellt die dritte Tasse wieder in Reichweite.

Paul schüttelt verwundert den Kopf und geht Richtung Korridor. „Ich bin sofort wieder hier“, sagt er vorsorglich.

Er lässt die Tür offen. Katharina behält seinen Weg zum Klo im Auge. In vertraulichem Flüsterton wendet sie sich an Mira. „Dieser Mann will allen Ernstes in einen Seniorenknast eingeliefert werden! Ich bezweifle ja, dass es so was überhaupt gibt.“ Mira, die sich gerade wieder um den Kaffee kümmern wollte, ist begeistert. „Soll ick det mal im Internet recherchiern?“

Katharina wendet kurz den Blick von der Klotür. „Ich habe kein Internetz!“ Mira stellt die Thermoskanne beiseite, nimmt sich einen Keks und versucht, ein Stück davon anzubeißen.

„Mann, sind die Dinger hart! Wahrscheinlich noch aus dem vorigen Jahrhundert!“

Sie spuckt das harte Scheibchen auf die Untertasse und holt ihre Handtasche. Zerrt schnell ein kleines, flaches Gerät heraus. „Internet muss man einfach haben!“

Sie klappt das Ding auf und tippt irgendetwas ein.

Katharina beobachtet sie misstrauisch.

„Können Sie sich so einen modernen Schnickschnack überhaupt leisten?“

Mira reagiert nicht, sie ist beschäftigt.

„Na bitte! Das hab ick’s doch schon! In der EU jibt es nur zwee Einrichtungen dieser Art: Een Seniorenknast befindet sich bei Konstanz am Bodensee. Nur für Männer. Und der andere zwischen Vogtland und Erzjebirje. Also in Sachsen. In einer alten Festung! Jemischt!“ Katharina starrt sie entgeistert an. Da steht Paul in der Tür und strahlt. „Meine Rede!“

Katharina ist verwundert. Mira reicht ihr das Gerät und deutet auf den Bildschirm. Während es von dem Männerknast eine genaue Beschreibung und sogar Fotos gibt, findet sich über die „gemischte Festung“ nur ein kurzer Text. Katharina liest: „Hier waren schon seit Hunderten von Jahren berühmte Persönlichkeiten inhaftiert …“ Sie überfliegt den Rest. „Gräfin Soundso, berüchtigte Straßenräuber und Wilddiebe, Hofräte und Minister. Und sie lebten dort glücklich und zufrieden bis an ihr Ende!“

Paul nickt, ebenfalls zufrieden. „Meine Rede! Eine Unterkunft mit ordentlicher Vergangenheit.“

Mira stahlt ihn an.

„Zuhause kann ick’s Ihnen ausdrucken. Dann haben Sie det Schwarz auf Weiß!“

Paul schwenkt den Döner-Beutel, den er aus dem Korridor mitgebracht hat. „Wollen wir die Dinger jetzt zu Kaffee und Keksen essen?“ Mira ist schon dabei, die Alupäckchen zu öffnen. Bei dem Duft, der ihr da entgegenschlägt, verdreht sie genüsslich die Augen. „Man sollte det mal probieren!“

Katharina putzt ihre Lesebrille und bemüht sich um Fassung. Paul nutzt die Gelegenheit, denn Mira ist Richtung Küche verschwunden. „Vielleicht könnte man sich diese Festung ja mal anschauen – so weit von Leipzig ist es anscheinend nicht!“

Er steht auf.

„Aber doch nicht sofort“, faucht Katharina.

„Jenau!“ meint auch Mira, die mit drei Tellern und drei Gabeln zurück kommt, verfolgt von Quasimodo, der durch den Fleischgeruch angelockt lauernd vor dem Tisch Platz nimmt.

Mira verfrachtet den Inhalt der Döner auf die Teller und teilt das Fladenbrot.

Paul greift nach der Rotweinflasche, öffnet den Schraubverschluss und riecht daran. Er schüttelt sich, gießt aber dann trotzdem jedem ein paar Schlückchen in die Kaffeetassen. Und bleibt beim Thema.

„Warum nicht sofort? Früher, als du noch bei der Kripo warst, konnte dir nichts schnell genug gehen. Gescheucht hast du alle, zu jeder Tages- und Nachtzeit.“

Mira grinst.

Katharina sieht Paul verwundert an.

„So war ich?“

Er nickt. „Genau so. Einige Kollegen verpassten dir den Spitznamen rasender Roland!“

Katharina fasst sich an den Kopf. „Roland …“ Aber dann schmunzelt sie.

Paul stochert in den Zwiebeln und Tomaten auf seinem Teller herum. „Ehrlich gesagt – es muss nicht Roland gewesen sein. Ich hab’s vergessen. Manchmal hab ich Schwierigkeiten mit den Namen …“ Mira feixt. „Alzheimer, ick hör dir trapsen!“

Sie fängt sich einen bösen Blick von Katharina ein und schaufelt sich schnell Fleisch, Kohl und Tomaten in den Mund.

„Schmeckt supi!“

Katharina und Paul werfen sich einen kurzen, vielsagenden Blick zu. Dann beginnen auch sie zu essen.

Später, als alle drei ziemlich schweigend die kleine Mahlzeit beendet haben, räumt Mira das Geschirr zusammen und verschwindet Richtung Küche.

Katharina sieht ihr nach und macht ihrem Herzen Luft. „Diese Putzi macht mich wahnsinnig. Vor allem mit ihrer frechen Berliner Schnauze!“

Paul wundert sich über ihre Aufregung. „Ich finde die ganz nett. Und ihre freche Berliner Schnauze auch. Bisschen Abwechslung. Lebt die schon lange in Sachsen?“

„Seit ihrem 13. Lebensjahr“, zischt Katharina.

Paul lächelt plötzlich. „Ich kann mich doch an sie erinnern!“ Gerade will Mira wieder zurück ins Wohnzimmer, bleibt aber – von den beiden unbemerkt – hinter der Tür stehen und hält den Atem an. „Hat die nicht irgendwie einen seltsamen Vornamen?“

Katharina nickt. „Dass du das noch weißt! Vorhin hast du so getan, als kennst du sie überhaupt nicht … Ist wohl doch nicht so schlimm mit deinem Alzheimerchen!“

„Und wie war nun der Vorname?“

Katharina gluckst: „Esmiralda!”

Paul korrigiert: „Esmeralda!”

Katharina verdreht die Augen. „Das ist doch gerade das Seltsame. Sogar in ihrem Personalausweis ist es falsch geschrieben. Ich wollte meinen Kater schon Quasomodo nennen …“

Sie lachen beide laut auf.

Miras Gesicht verfinstert sich.

Katharina schaut Paul schief an, ihre Stimmung ist hin. Denn plötzlich fällt ihr etwas ein. „Hast du noch andere Erinnerungen an sie?“ Paul fragt irritiert: „Wieso?“

„Ich hatte immer den Eindruck, die war ein bisschen verknallt in dich!“ Er schmunzelt. „Da gab´s einige … Aber eine Putzfrau? Also, nee!“ Katharina lächelt, lässt sich aber ihre Erleichterung nicht anmerken. Mira verschwindet beleidigt wieder Richtung Küche. Paul schnappt sich Thermoskanne und Keksdose.

„Los! Zum Abendmahl könnten wir zurück sein.“

„Die werden da gerade auf Besucher warten … Ich hab noch nie gehört, dass es in einem Knast so etwas wie Tag der offenen Tür gibt. Oder Die lange Nacht der Justizvollzugsanstalten..“

Sie lacht. Paul kann das nicht komisch finden – was es wohl sein soll. Er steht auf. Katharina zuckt mit den Schultern. Aber irgendwie ist sie nun doch interessiert. Denn irgendwas stimmt da nicht. Sie kennt Paul zu gut.

Der ist schon auf dem Weg. Sie folgt ihm.

Als sie die Wohnung verlassen haben, kommt Mira tieftraurig aus der Küche.

Sie zerrt wütend ein lila Taschentuch aus der Kittelschürze und wischt sich die Tränen weg.

12

Katharina geht entschlossenen Schrittes auf die Haustür zu. Paul hält sie am Ärmel fest. „Du solltest erst mal nachsehen, ob die Luft rein ist!“

„Ach! Vorhin hast du dir noch gewünscht, dass dich Ruppe und seine Leute bei mir antreffen!“

Paul winkt ab. „Das war vorhin. Aber jetzt ist jetzt!“ Vorsichtig tritt Katharina aus dem Haus und sieht sich um. Kein Mensch, geschweige denn ein Polizist in Sicht. Sie schließt ihr Auto auf und gibt Paul einen Wink. Schnell huscht er auf den Beifahrersitz. Katharina schaut ihn an, wie sie früher ihre Täter angeschaut hat. Bei diesem Blick war denen nicht zum Lachen …

Paul versichert ihr, dass er diesen Seniorenknast wirklich nur einmal ansehen will. Und wenn es nur von außen ist. Sie glaubt ihm das nicht so recht, nimmt sich aber vor, ihn während dieses kleinen Ausflugs auf andere Gedanken und zur Vernunft zu bringen.

„Nun fahr endlich los!“

Katharina überlegt. „Eigentlich könnten wir lieber ins Kino gehen.“

Paul schüttelt genervt den Kopf. „Da schlafe ich regelmäßig ein!“

„Oder in die Kneipe, an die du dich sicher erinnerst …“

Wieder schüttelt Paul den Kopf und versucht es mit dem sonst so wirkungsvollen Mittel, die Stirn in kräftige Falten zu ziehen. „Wenn dir das zu simpel ist – ich kenne auch einen guten Italiener, gleich hier um die Ecke!“

Paul findet eine uralte Landkarte im Seitenfach der Autotür. Katharina nimmt sie ihm weg.

„Wahrscheinlich hast du wirklich Schwierigkeiten mit den Ohren!“ Keine Antwort.

„Paul, wenn die dich an der Tanke geschnappt hätten – du kannst nicht ernsthaft damit gerechnet haben, zufällig in diesen Knast zu kommen! In den Seniorenknast, ins PARADIES …“

„Das hätte Ruppe schon irgendwie geregelt!“

„Aha. Ruppe! Du hast also Kontakt zu ihm. Nach deiner Pensionierung wolltest du doch mit der ganzen Mannschaft nichts mehr zu tun haben?“

Paul zuckt mit den Schultern.

„Nicht mal zum Veteranentreffen biste gekommen! Ruppe war ziemlich sauer.“

„Den hab ich einmal zufällig in der Kneipe getroffen, an die ich mich sehr gut erinnere … Und nun fahr! Ich sehe doch, dass du auch irgendwie gespannt bist. Auf die Festung, meine ich.“

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