Kitabı oku: «Gerichtsdolmetschen»

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Christiane Driesen / Haimo-Andreas Petersen / Werner Rühl

Gerichtsdolmetschen

Grundwissen und –fertigkeiten

A. Francke Verlag Tübingen

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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

ePub-ISBN 978-3-8233-0047-2

Inhalt

  Vorwort zur zweiten Auflage

 Zur Verwendung dieses StudienbuchsHauptzieleVoraussetzungen für eine sinnvolle BenutzungStruktur des StudienbuchsModule der TranslationstechnikenZur juristischen Kompetenz der Übersetzer und Dolmetscher

 Teil I Translationswissenschaftliche Grundlagen1 Einleitung1.1 Menschenrechte und Eignungsfeststellung der Gerichtsdolmetscher1.2 Einsatzfelder der juristischen Dolmetscher und Übersetzer1.3 Rechtsquellen1.4 Öffentliche Bestellung und Beeidigung bzw. Vereidigung1.5 Berufsstand und Berufsethos1.6 Im Spannungsfeld von Berufsethos und Kommunikation1.7 Qualifikationsanforderungen an den juristischen Dolmetscher und Übersetzer2 Modul Kommunikationskompetenz2.1 Begründung2.2 Kommunikation im Dienst des Berufsethos2.3 Erwerb von Fertigkeiten der Kommunikationskompetenz2.4 Übungen zum Erwerb der Kommunikationskompetenz2.5 Vorlesetechnik2.6 Vorschlag zur Unterrichtsgestaltung2.7 Zur Vertiefung3 Modul Vom-Blatt-Übersetzen bzw. -Dolmetschen3.1 Definition und Anwendung3.2 Übungen zum Erwerb der Fertigkeit des Vom-Blatt-Übersetzens3.3 Vorschlag zur Unterrichtsgestaltung3.4 Zur Vertiefung4 Modul Konsekutivdolmetschen ohne und mit Notizen4.1 Definition und Besonderheiten vor Gericht4.2 Psychische Voraussetzungen4.3 Fertigkeit: Konsekutivdolmetschen ohne Notizen4.4 Fertigkeit: Notizentechnik für die gerichtliche Kommunikation4.5 Vorschlag zur Unterrichtsgestaltung4.6 Zur Vertiefung5 Modul Flüsterdolmetschen5.1 Definition und Einsatz vor Gericht5.2 Flüsterdolmetschen erlernen5.3 Vorschlag zur Unterrichtsgestaltung5.4 Zur Vertiefung6 Modul Einführung in das juristische Übersetzen6.1 Einsatz bei Gericht und Behörden6.2 Pragmatische Zielsetzung dieser Einführung6.3 Übungsvorschläge zum Erwerb der Fertigkeit der juristischen Übersetzung6.4 Gestaltung von Einführungsveranstaltungen6.5 Zur Vertiefung7 Ausblick7.1 Empfehlungen bei der Annahme eines Auftrages7.2 Während der Sitzung7.3 Verhalten beim Scheitern der Kommunikation8 BibliographieAnhangBerufsverbände

 Teil II Juristische Grundlagen1 Einleitung2 Strafverfahren2.1 Überblick zum Strafverfahrensrecht2.2 Grundsätze des Strafverfahrensrechts2.3 Die Beteiligten im Strafverfahren2.4 Das Ermittlungs- oder Vorverfahren2.5 Zwischenverfahren2.6 Das Hauptverfahren (§§ 213–295 StPO)2.7 Rechtsmittelverfahren2.8 Besondere Verfahrensarten3 Zivilverfahren3.1 Allgemeine Betrachtungen3.2 Grundsätze im Zivilprozess3.3 Beteiligte des Zivilverfahrens3.4 Verfahrensablauf3.5 Entscheidung3.6 Rechtsmittel3.7 Besondere Verfahrensarten4 Bibliographie

Vorwort zur zweiten Auflage1

Seit der letzten Auflage dieses Studienbuchs im Jahr 2011 hat sich im Bereich des juristischen Dolmetschens und Übersetzens vieles zum Positiven hinbewegt. Zahlreiche Jahre Überzeugungsarbeit durch engagierte Fachkenner aus Universitäten und Berufsverbänden sowie durch aufgeschlossene EU-Vertreter haben die Verabschiedung wichtiger Richtlinien ermöglicht, die sich hinsichtlich der erforderlichen Qualifikationen und Kompetenzen der Translationsberufe bereits entscheidend ausgewirkt haben.2

Am 30. November 2009 nahm der Rat der Europäischen Union eine Entschließung zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren an3, woraus sich für die Translationsberufe wichtige Richtlinien ergaben:

Die RICHTLINIE 2010/64/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren und die darauf bezugnehmende RICHTLINIE 2012/13/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren.

Im Rahmen des sogenannten Budapest-Fahrplans4 bestimmte der Rat der Europäischen Union ferner die Notwendigkeit Opfern einen höheren Schutz zu gewähren und empfahl die Verabschiedung der neuen

RICHTLINIE 2012/29/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI.

Letztere birgt eine noch größere Herausforderung an die juristischen Dolmetscher, die für traumatisierte Menschen, insbesondere Kinder und Frauen, dolmetschen müssen, was eine bestimmte Qualifikation voraussetzt.

Wie in der Präambel (7) der Richtlinie 2010/64 wird folgende Absicht überall betont:

Die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens erfordert eine kohärentere Umsetzung der in Artikel 6 EMRK5 verankerten Rechte und Garantien. Sie erfordert ferner eine Weiterentwicklung der in der EMRK und der Charta verankerten Mindestvorschriften innerhalb der Union durch diese Richtlinie und andere Maßnahmen.

Diese in den meisten EU-Mitgliedstaaten6 nun umgesetzten Richtlinien präzisieren die Aufgaben der juristischen Translationsberufe etwas besser. Sie betonen die Wichtigkeit der Qualität, die nun ausdrücklich hinterfragt7 werden kann. Einige vom Dolmetscher8 und Übersetzer in den Richtlinien erwartete Leistungen, wie Vom-Blatt-Übersetzen, Fern- bzw. Videodolmetschen und der Umgang mit traumatisierten Personen, werden ausdrücklich angesprochen, während die Beherrschung anderer Fertigkeiten wie Konsekutiv- und Simultan Dolmetschen, der Umgang mit Fachtermini und juristisches Übersetzen dagegen nur als logische Folgen der gestellten Anforderungen abgeleitet werden können. Alle setzen eine Ausbildung, in welcher Form auch immer (Regelstudium oder Weiterbildung), voraus.

Problemanalysen und Lösungsansätze dieser EU-Richtlinien wurden und werden im Rahmen von von der EU-Kommission geförderten Projekten angeboten, deren Berichte online frei zugänglich sind9.

Dieses Studienbuch steht in vollem Einklang mit den neu präzisierten Ansprüchen und setzt sich nach wie vor zum Ziel eine praktische und progressive Vorbereitungshilfe zur Erlangung der Vereidigung- bzw. Beeidigung von Dolmetschern und Übersetzern primär bei deutschen Gerichten anzubieten.

Christiane J. Driesen, Haimo-Andreas Petersen, Werner Rühl im Januar 2018.

Zur Verwendung dieses Studienbuchs

In der ersten Auflage wurde die Problematik der wenig verbreiteten Sprachen nicht genügend hervorgehoben, da die Autoren diese durch Anwendung der Tandem-Dolmetschlehre1 einigermaßen überwinden. Diese Lehrmethode wurde im Rahmen der Weiterbildungen der Universität Hamburg2 und der Hochschule Magdeburg-Stendal seit vielen Jahren mit einigem Erfolg für etwa 35 Sprachen erprobt. Mit Hinblick auf die aktuellen politischen Entwicklungen (besonders der Flüchtlingskrise) soll sie nun verstärkt in den Vordergrund rücken. Dem demokratischen Anspruch auf ein faires Verfahren sollte trotz des Mangels an Dolmetschern und Übersetzern für in Deutschland bzw. in Europa wenig verbreitete Sprachen entsprochen werden.

Hauptziele

Ziel dieses Studienbuchs ist es sowohl allein Übende als auch Teilnehmer eines Weiterbildungsprogramms bei der Vorbereitung auf die Zulassung für die Beeidigung bzw. Vereidigung zu begleiten. Es ist in Kompetenzmodule unterteilt, die zuerst die Notwendigkeit und Anwendung der jeweiligen Kompetenz vorstellen und rechtfertigen und anschließend entsprechende Übungen vorschlagen. Diese Übungen sind sowohl als Übungen für den Einzelnen als auch für die Gruppe oder als Anregungen für die Dozenten im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen konzipiert. Kriterien für die Selbstbewertung, Gruppenbewertung und Bewertung durch Dozenten werden jeweils angegeben.

Angestrebt wird das Erlernen einer effizienten Arbeitsmethode, die mit Hilfe der vorgeschlagenen Übungen weiterentwickelt werden soll. Lediglich die korrekte Anwendung der methodologischen Schritte ist für den Einstieg relevant. Aus methodologischen Gründen werden daher keine einzelnen Übungslösungen angegeben.

Dagegen wird dem Benutzer nahe gelegt äquivalente Beispiele selbst zu sammeln und zu bearbeiten.

Voraussetzungen für eine sinnvolle Benutzung

Zur sinnvollen Benutzung dieses Studienbuchs müssen die Lernenden zuerst zwei Sprachen gründlich beherrschen, das heißt: eine Sprache auf Muttersprachniveau und eine Arbeitssprache auf C-2-, eventuell C-1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (also mit Beherrschung aller Sprachregister, von der Umgangssprache bis zur akademischen Sprache). Da das Recherchieren die Grundlage des juristischen Übersetzens und Dolmetschens darstellt, sind Erfahrungen mit wissenschaftlichem Arbeiten unverzichtbar.

Struktur des Studienbuchs

Das Studienbuch besteht in seinem ersten Teil aus einzelnen translationswissenschaftlichen Modulen, die jeweils zum Erwerb einer bestimmten für das Gerichtsdolmetschen und -übersetzen notwendigen Kompetenz führen.

Module der Translationstechniken

Nach einer kurzen Vorstellung der jeweiligen Kompetenz bzw. Technik wird ihre Notwendigkeit beim Gerichtsdolmetschen begründet. Darauf folgen jeweils Übungen zum Erwerb dieser Kompetenz. Folgende Rubriken werden als Leitfaden für die Auswahl der Übungstypen angegeben:

 Übungszweck: Angesprochene Kompetenz

 Material: Aufnahmegerät, Bilder, Presse, Podcast, Videocast, Urkunden und juristische Texte

 Setting: allein, Gruppenübung, Übung mit Dozent

 Beschreibung der Übung

 Bewertungskriterien (Rhetorik, Vollständigkeit, Fachbegriffe)

 einsprachige bzw. zweisprachige Übungen, Tandem-Lehrmethode

Schließlich werden die erworbenen Fertigkeiten bzw. Kompetenzen festgehalten. Ferner werden Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung für Dozenten angeboten.

Der zweite Teil vermittelt juristisches Grundlagenwissen über das Zivil- und das Strafverfahren.

Zur juristischen Kompetenz der Übersetzer und Dolmetscher

Das vorliegende Studienbuch hat sich nicht zum Ziel gesetzt, Juristen auszubilden. Vielmehr soll dem Leser ein Überblick über die Verfahren vor den Gerichten gegeben werden, um ihn hierdurch in die Lage zu versetzen, Sachzusammenhänge zu erkennen und sich im prozessualen Verfahren zu orientieren.

Weder wird eine Paragraphenkenntnis erwartet noch gar das Auswendiglernen einzelner Vorschriften angestrebt. Hierfür gibt es Gesetzessammlungen, aus denen bei Bedarf Gesetzesstexte abgerufen werden können. Inwieweit man eine Textausgabe der einzelnen Verfahrensvorschriften zur Hand hat, mag jedem selbst überlassen bleiben. Von Nachteil ist dies sicher nicht, insbesondere wenn man sich z.B. in einer Hauptverhandlung schnell orientieren möchte. Mittlerweile bietet auch das Internet vielfältige Möglichkeiten, zuverlässig auf die aktuellste Version eines Gesetzestextes zurückzugreifen.

Erlernt werden soll vielmehr Wissen, das für den Dolmetscher unentbehrlich ist, sowohl für die Vorbereitung eines Verfahrens als auch für dessen Begleitung: Die Kenntnis über den Gang eines Gerichtsprozesses, dessen Beteiligte und deren Rechte und Pflichten ermöglicht dem Dolmetscher, sich zu orientieren und sein Handeln vorausschauend zu planen. Das Wissen um Begrifflichkeiten und Fachtermini in einzelnen Verfahrensabschnitten erleichtert die Arbeit und gibt zudem Sicherheit vor unerwarteten Wendungen des Verfahrens.

Teil I Translationswissenschaftliche Grundlagen
1 Einleitung
1.1 Menschenrechte und Eignungsfeststellung der Gerichtsdolmetscher

Die Nürnberger Prozesse setzten die Maßstäbe1 für den modernen Dolmetscherberuf, insbesondere für das Dolmetschen an internationalen Gerichten und Gerichtshöfen. Diese Maßstäbe betrafen insbesondere die Eignungsfeststellung der Dolmetscher, die Vollständigkeit der Verdolmetschung sowie die Qualitätskontrolle.2 Viele Jahrzehnte später richten sich die internationalen Gerichtsbarkeiten weiterhin nach diesen drei Grundsätzen, während sich erst jetzt langsam ein Konsens über die Notwendigkeit der Qualifikation der juristischen Dolmetscher und Übersetzer bei Gerichten und Behörden abzeichnet, und zwar sowohl bei vielen der deutschen Bedarfsträger und Standesvertretungen als auch bei den relevanten Instanzen der Europäischen Union. Im Rahmen des vom Kommissar für Mehrsprachigkeit, Leonard Orban, im Jahre 2008 einberufenen „Reflection Forum“3 erarbeiteten Experten aus unterschiedlichen Disziplinen (Anwälte, Polizeibeamte, Dozenten der Translationswissenschaft, Vertreter des Berufsstandes) Empfehlungen, in denen ein entsprechendes Profil definiert und Lehrinhalte empfohlen werden.

1.2 Einsatzfelder der juristischen Dolmetscher und Übersetzer

Im Bewusstsein, dass es sich beim juristischen Dolmetschen und Übersetzen um eine verantwortungsvolle Aufgabe handelt, setzt sich der Gedanke durch, dass es bei Gericht und Behörde sowohl um die Rechtssicherheit als auch um Menschenrechte geht. Daher werden für einige Bereiche nur noch allgemein bestellte und beeidigte bzw. vereidigte Dolmetscher und Übersetzer eingesetzt. Diese werden sowohl von den Behörden (Polizei, Arbeitsämtern, Sozialbehörden, Standesämtern, Ausländerbehörden usw.), von den Gerichten und auch von der Staatsanwaltschaft, von Notaren als auch von Anwälten und Rechtsabteilungen größerer Unternehmen in Anspruch genommen.

1.3 Rechtsquellen

Grundrechte und Grundfreiheiten, die die Ausübung der Translationstätigkeit unmittelbar bestimmen, werden jeweils in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 19481 und in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 19502 eindeutig ausgesprochen.

Als juristische Folge der Unterzeichnung und Ratifizierung der Europäischen Menschenrechtskonvention wurden diese Bestimmungen in das deutsche Recht integriert.3

Wie im Vorwort zu diesem Teil ausgeführt, wurden darüber hinaus neue EU-Richtlinien, insbesondere die Richtlinie 2010/64/EU, verabschiedet, die zu einer konkreteren Darstellung der Anforderungen an Dolmetscher und Übersetzer führen.

1.3.1 Grundgesetz

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland1 heißt es daher entsprechend:

Artikel 3

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(..)

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

1.3.2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)

§ 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) bestimmt, dass die deutsche Sprache Gerichtssprache der Bundesrepublik Deutschland ist. Im Einklang mit den Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), Artikel 5, Absatz 2, und Artikel 6, Absatz 1 und 3 sieht § 185 GVG vor, dass ein Dolmetscher herangezogen werden muss, falls einer der Beteiligten der Gerichtssprache nicht mächtig ist.

Nach Umsetzung der Richtlinie 2010/64/EU wurde das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren vom 2. Juli 2013 verabschiedet und ist nun im §187 GVG verankert.1

1.4 Öffentliche Bestellung und Beeidigung bzw. Vereidigung

Je nach Bundesland kennt man die öffentliche Bestellung und allgemeine Beeidigung (Bayern, Hamburg) oder eine allgemeine Beeidigung ohne öffentliche Bestellung (Berlin, Niedersachsen und andere) und/oder Ermächtigung von Übersetzern (zum Beispiel Hessen).

Das Hamburger Gesetz über die öffentliche Bestellung und allgemeine Vereidigung von Dolmetschern und Übersetzern sowie die Verordnung über die Bestellung allgemein vereidigter Dolmetscher und Übersetzer vom September 1986 wurden 2005, 2007 bzw. 2015 novelliert1. In Deutschland besteht gemäß § 189 GVG neben der Möglichkeit der so genannten Ad-hoc-Vereidigung von Sprachkundigen, die der Richter kraft seiner Unabhängigkeit nach seinem Ermessen auswählt, der von dem öffentlich bestellten Dolmetscher allgemein geleistete Eid, auf den dieser sich vor jeder Gerichtsverhandlung beruft.

1.5 Berufsstand und Berufsethos

Anders als bei den internationalen Gerichtsbarkeiten, bei denen Konferenzdolmetscher tätig sind, die dem etablierten berufsethischen Kodex der Association Internationale des Interprètes de Conférence (AIIC)1 und den jeweiligen internen Ordnungen unterworfen sind, sind die Konturen des Berufsstands der Übersetzer und Dolmetscher für die innerstaatlichen Gerichtsbarkeiten noch nicht so klar. Daher bestehen fast gleichlautende Berufs- und Ehrenordnungen2 nebeneinander, die teils dem AIIC-Kodex, teils der Charte du Traducteur der Fédération Internationale des Traducteurs (FIT) entstammen und meistens keine konsequente Trennung zwischen Berufsethos und Guten Praktiken definieren. Anlässlich der Gründung des europäischen Verbandes der juristischen Dolmetscher und Übersetzer (EULITA) im Jahr 2011 wurde eine Berufs- und Ehrenordnung verabschiedet,3 die eine Synthese berufsethischer Grundsätze ihrer Mitgliedsorganisationen unter Berücksichtigung der entscheidenden juristischer Quellen für die Arbeit vor Gericht und im juristischen Feld darstellt.

Neben den allgemein proklamierten Verpflichtungen zur Kollegialität und zu fairen Praktiken den Auftraggebern gegenüber ergeben sich aus den oben angeführten Rechtsquellen unumgängliche Pflichten für den juristischen Dolmetscher und Übersetzer, die seine Dolmetschstrategie entscheidend prägen, um zur Gleichstellung aller Menschen vor dem Gesetz und zur Beachtung der Menschenwürde beizutragen. Dazu gehören:

1.5.1 Vollständigkeit und Treue der Übersetzung

Der Dolmetscher hat eine sinngetreue1 und vollständige Übertragung zu leisten. Dies ist nur möglich, wenn er qualifiziert (Hintergrundswissen, Beherrschung aller Techniken) und fachlich vorbereitet ist. Aufträge, für die er nicht qualifiziert ist, sind daher entsprechend abzulehnen.

1.5.2 Neutralität und Schweigepflicht

Als Sprachrohr zwischen den Parteien ist der Dolmetscher im deutschen Recht kein Sachverständiger (er bringt keine neuen Inhalte in das Verfahren ein), daher hat er in der Ausübung seiner Tätigkeit neutral zu bleiben. Zur Neutralität gehören auch die Schweigepflicht und der Verzicht darauf, Informationen zum eigenen Vorteil zu benutzen1.

1.6 Im Spannungsfeld von Berufsethos und Kommunikation

Nach Betrachtung des sich aus den Rechtsquellen logisch und konkret ergebenden ethischen Anspruchs an den Berufsstand mögen die Kommunikationsverhältnisse und -zwänge als die größte Hürde erscheinen. Anders als bei internationalen Konferenzen oder Gerichtsbarkeiten, die über Simultandolmetschanlagen verfügen, müssen die Dolmetscher der heimischen Gerichte ihre Dolmetschtechniken ständig an die Gegebenheiten anpassen1.

Nur durch schnellste Analyse der Kommunikationsumstände und entsprechende Auswahl der einzusetzenden Dolmetschtechniken wird der Dolmetscher seinem ethischen Anspruch gerecht: Konsekutiv, um dem Öffentlichkeitsprinzip gerecht zu werden; Flüstern, um die Parteien vollständig zu informieren sowie zur unintrusiven Klärung entstehender soziokultureller Missverständnisse.

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