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Reflexivität

Im Speziellen bezeichnet man als Reflexivität die Fähigkeit, das eigene Handeln als Supervisor multiperspektivisch in den Blick zu nehmen. Damit verbinden wir das Ziel, das eigene professionelle Vorgehen zu verbessern. Weiterhin fassen wir Reflexivität als Bewusstseinsprozess und als Aktivität auf (vgl. Forster 2014, S. 590). Moldaschl (o. J.) definiert Reflexivität als die

»Fähigkeit eines sozialen Systems oder einer Person, sich zu sich selbst zu verhalten, d. h., sich von eigenen Prämissen und Handlungsprogrammen zu dezentrieren, eine kritische Sicht auf sich selbst einzunehmen, den Standpunkt eines anderen einzunehmen, sich durch die Perspektive eines anderen zu betrachten«.

Mit unserem Buch möchten wir Sie als Leser zur Selbstreflexivität anregen. Diese betrachten wir im Folgenden aus einer systemtheoretischen Perspektive. Bei der Selbstreflexivität bezieht sich das psychische System auf sich selbst. Sie lässt sich deshalb als Selbstreferenz verstehen. Psychische Systeme zeichnen sich durch eine spezielle Arbeitsweise aus: In psychischen Systemen schließen Gedanken an Gedanken an. Alle reflexiven Prozesse vollziehen sich in derselben Weise. Wie geht das psychische System dabei vor? Es orientiert sich bei diesen Prozessen an der Differenz zwischen vorher und nachher. Aus diesem Unterschied lassen sich Erkenntnisse gewinnen. Desgleichen erlaubt Reflexivität eine Steuerung von Prozessen durch das psychische System selbst. Hierbei ist zu beachten, dass das psychische System in der Selbstreferenz operativ für sich selbst nicht erreichbar ist, es bleibt für sich unbestimmt (vgl. Luhmann 1987, S. 599 ff.). Diese Grenze in der Selbsterkenntnis stellt gleichzeitig eine Grenze selbstreflexiver Prozesse dar.

In unseren Supervisionsweiterbildungen im WIST Münster 1 zielen wir darauf, die Reflexivität stetig zu fördern und auszubauen. Wir halten es für lohnenswert, diese Kompetenz im Sinne eines lebenslangen Lernens stets weiterzuentwickeln. Wir beleuchten sie nun aus sieben Positionen:

Position 1: Reflexivität erfüllt keinen Selbstzweck nach dem Motto: Solange ich reflexiv bin oder Reflexivität anrege, handele ich supervisionsgemäß. Prinzipiell dient Reflexivität dazu, Klärungsprozesse in Gang zu bringen oder Abläufe zur Zielerreichung zu unterstützen. Eine Kombination beider Zwecke liegt daher nahe. Anders formuliert: Meine Reflexivität als Supervisor ermöglicht eine genaue Untersuchung von Vorgängen während der Supervision – beispielsweise, die Anliegenentwicklung zu untersuchen, Entscheidungen zu finden, das Zusammenspiel von willkürlichen und unwillkürlichen Vorgängen zu betrachten, Handlungen zu initiieren oder Abläufe zu beenden, die für ein Vorhaben nicht mehr zieldienlich sind.

Position 2: Im Verbund mit Ziel- und/oder Klärungsprozessen können wir Reflexivität als Metakompetenz einstufen. Unter Metakompetenz verstehen wir eine Kompetenz, die für diverse Kontexte Gültigkeit hat und zugleich als Bindeglied für Einzelanalysen fungieren kann.

Position 3: Reflexivität erlaubt Betrachtungen in den drei Zeitdimensionen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Vorstellbar ist, dass ich als Supervisor vergangene Ereignisse zum Gegenstand meiner Überlegungen mache. Ich rufe mir Szenen in Erinnerung, die ich gerne erneut in ihrer Entwicklung oder in ihren Auswirkungen nachzeichnen will. Welche Motive, Absichten oder Anliegen haben mich beispielsweise dazu bewegt, so zu handeln, wie ich in der Supervisions-episode gehandelt habe? Reflexivität lässt sich zusätzlich als Vorschau auf zukünftiges Handeln richten. Wie will ich reagieren, wenn im Team erneut anliegenferne Themen angesprochen werden? Welche Handlungsalternativen stehen mir für meine Reaktion zur Verfügung? Überlege ich während eines laufenden Supervisionsprozesses, wie ich auf die Äußerungen des Supervisanden eingehe, kommt Reflexivität einem Selfmonitoring in der Gegenwart gleich.

Position 4: Reflexivität vollzieht sich stets in Interaktionen. Das sind z. B. innere Dialoge oder Gespräche zwischen zwei und mehreren Personen. Sie ist somit Bedingung wie Treibstoff für rekursive Prozesse. Als Supervisor bin ich zugleich Beobachter wie auch mein eigener Beobachtungsgegenstand: Ich beobachte, wie die Interaktion verläuft und wie ich selbst mit mir und mit dem Supervisanden interagiere. Dass sich diese Sichtweisen vermengen und gegenseitig beeinflussen (siehe oben), ist im Sinne der Rekursivität erwartbar (vgl. Forster 2014, S. 592).

Position 5: Reflexivität stufen wir als notwendige Bedingung dafür ein, Prozesse steuern zu können – beispielsweise, wenn es darum geht, situativ einen konstruktiven Umgang mit Unerwartetem im Gespräch, mit Krisen oder mit Ambivalenzen zu entwickeln. Hierin zeigt sich Reflexivität in ihrer Facette als Bewusstseinsprozess.

Position 6: Reflexivität verstehen wir ebenso als sinnvolle und nützliche Arbeitsweise. Mit ihrer Hilfe kann man a) das eigene supervisorische Vorgehen und dessen Qualität prüfen und bewerten (Monitoring) sowie b) die Reflexivität der Supervisanden beim Erreichen ihrer Supervisionsziele fördern. Denn Reflexivität verstehen wir als bedingende Kompetenz für Lern- und Veränderungsprozesse, die es in einer Supervision zu gestalten gilt.

Position 7: Angesichts diverser Lebensstile und Werthaltungen vermag uns unsere eigene Reflexivität dabei zu unterstützen, uns (begründet) zu verorten. Im Neben- und Miteinander dieser Vielfalt begeben wir uns bewusst an unseren Standpunkt und beziehen Stellung. Reflexivität verhilft uns dazu, verantwortungsbewusst eine moralische Haltung einzunehmen.

In diesen sieben Positionen scheint auf, dass wir Reflexivität als Kompetenz, Arbeitsweise, Bewusstseinsprozess und Beobachtungsvorgang schätzen. Zugleich sind wir mit einer kritischen Perspektive auf die Reflexivität selbst beschäftigt. Denn Studien deuten darauf hin, dass wir uns unsere Erklärungen ad hoc zurechtlegen, wenn wir nach unseren Motiven gefragt werden. Einige Stunden später nennen wir auf dieselbe Frage andere Beweggründe (vgl. Chater 2019, S. 47). Diese Konstruktionsleistungen gehören zur Reflexivität.

Wenn wir reflexiv sind, sprechen wir auch nach innen; wir führen dann einen inneren Dialog. Aufgrund von drei Überlegungen verfolgen wir diesen Dialog mit Humor und Neugierde:

•Wir wissen, dass wir stets nach Erklärungen suchen, um zu verstehen, weshalb wir so handeln, wie wir handeln.

•Wir wissen, dass wir uns mithilfe von zurechtgelegten Gründen Prozesse erklären.

•Wir wissen, dass wir darüber hinaus Plausibilitäten und Sinnhaftigkeit erzeugen.

Die naheliegende Schlussfolgerung, dass wir unsere Welt konstruieren, befreit uns davon, (zeit)intensiv nach dem wahren Motiv zu suchen. Getrost können wir auf unseren Plausibilitäten weiterführende Überlegungen aufbauen, um andere Perspektiven einzunehmen – wohlwissend, dass sie wahrscheinlich nur für eine kurze Strecke Orientierung verleihen. Mit Achtsamkeit für liebgewonnene Deutungsmuster und mit einer Neugier für Quergedanken plädieren wir für eine Offenheit im Hinblick auf die Beweggründe, die wir formulieren. Diese Offenheit kann die Grundlage für eine verantwortungsbewusste und respektvolle Kreativität sein. Die Selbstreflexion kann hiervon profitieren.

Selbstreflexion lohnt sich außerdem, weil sie ein lebenslanges Lernen fördert. Optimalerweise wird sie davon begleitet, dass wir

•Kollegen bei selbstreflexiven Prozessen zuhören,

•Publikationen aus dem Arbeitsfeld Supervision lesen und überdenken,

•den kollegialen Austausch pflegen sowie

•die eigenen selbstreflexiven Themen aktiv in die Kommunikation mit Kollegen einbringen.

Dieses Wechselspiel zwischen Innen- und Außenkommunikation schult die (Selbst-)Reflexivität.

Reflexion

Für die weitere Erkundung des Begriffs Reflexion nehmen wir zunächst in gleicher Weise wie schon bei der Reflexivität eine systemtheoretische Perspektive ein. Reflexion basiert auf der Differenz zwischen System und Umwelt. Das Selbst ist dabei das System und abgegrenzt von seiner Umwelt.

Die Reflexion dient dabei auch der Selbsterkenntnis. Die Selbstbeobachtungen können allerdings nicht mit den Beobachtungen aus der Umwelt abgeglichen werden. Dennoch kann eine Selbststeuerung gelingen, weil sich a) die eigenen Handlungen des psychischen Systems und ihre Effekte auf die Umwelt sowie b) die Rückkoppelungsprozesse auf das System beobachten lassen. Auf diese Weise kann das System seine Selbststeuerung verbessern (vgl. Luhmann 1987, S. 601 ff.).

Praktisch ist an einer Reflexion mindestens eine Person beteiligt. Das Gelingen der Selbstreflexion hängt davon ab, dass diese Person ihre Motive, Bedürfnisse, Ziele oder z. B. auch Ressourcen aus einer zentralen Metaposition anschaut. Beobachtet sie dabei achtsam ihre Gedanken, Gefühle, Handlungsimpulse und unwillkürlichen Regungen, wächst die Chance, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Eigenreflexion vollzieht sich somit in achtsamer Selbstbeobachtung.

Reflexion als Vorgang mit mehreren Beteiligten kann als Zusammenspiel von Eigen- und Fremdbeobachtung angesehen werden. Konfrontiert mit den anderen Beobachtungen und Erfahrungen des Supervisors (als Fremdbeobachtender) kann ein Supervisand diese als Anregung dafür nutzen, eigene, liebgewonnene oder gewohnte Lesarten seiner selbst und der Kommunikationen in seinen sozialen Bezügen zu hinterfragen. Indem er diese Anfragen zulässt, öffnet sich der Raum für die Reflexion. Optimalerweise mündet sie in produktivere Selbstorganisationsprozesse.

Reflexion kann man weiterhin als Forum für eine Neuinterpretation von Interaktionen heranziehen (vgl. Forster 2014, S. 594 f.). Gegenstand von Selbstreflexionen sind (erinnerte) Ereignisse; Ereignisse können z. B. ein innerer Dialog oder eine Interaktionssequenz mit einem Supervisanden sein. Diese können sich beispielsweise auf Verhaltensweisen, Interaktionen, Entscheidungen, Konflikte, Wahrnehmungen, Bewertungsmuster, Erleben, Denkweisen oder Vorgehensweisen beziehen. Für den Gegenstand habe ich als Supervisor bereits eine Interpretation vorgenommen. Wenn ich mich retrospektiv reflektiere, setze ich mithilfe meiner Erinnerungen bei den Interpretationen an, die ich während des Ereignisses genutzt habe. In der Beobachtung zweiter Ordnung habe ich die Chance, Neuinterpretationen zu entwickeln. Diese Chance ist in der Selbstreflexion und im kollegialen Austausch gegeben.

Reflexionsebenen

Peter Homann hat mit Bezug auf den klientenzentrierten Ansatz nach Carl Rogers (1987) drei potenzielle Reflexionsebenen für Beratungsformate elaboriert (s. u.). Wir möchten Homanns Überlegungen um die Ebene der Anliegenentwicklung ergänzen und damit für das systemische Arbeiten nutzbar machen.

Als Supervisor kann ich mich auf die Weltsicht des Supervisanden beziehen und dessen psychische Ausstattung als Person, Bedürfnisse oder Motive in den Blick nehmen und reflektieren (1. Ebene). Zudem vermag ich, den Fokus auf mein Erleben als Supervisor zu richten (2. Ebene): Was erlebe ich, während der Supervisand sich so zeigt und verhält, wie er es aktuell macht? Weiterhin kann ich mir vorstellen, das Supervisionsgeschehen aus einer Vogelperspektive zu betrachten (3. Ebene). Welche Interaktionsmuster kann ich dabei beobachten? Wie sind die Redeanteile verteilt? Wie erkläre ich mir die jeweilige (Ungleich-)Verteilung? Als 4. Ebene schlagen wird die Anliegenentwicklung vor: Als Supervisor kann ich mich fragen, was ich verstanden habe, wie der Supervisand meine Unterstützung anfragt? Oder verfolge ich eigene Anliegen? Habe ich diese transparent kommuniziert? Spielen Anliegen Dritter für das Supervisionsgeschehen eine Rolle?

Reflexion kann sich auf jede dieser vier Ebenen beziehen. Diese zu kennen und zu nutzen erlaubt es uns, in der Supervision mit Multiperspektivität zu arbeiten.


Abb. 1: Reflexionsebenen

1.2 Weshalb sich Reflexion und Reflexivität lohnen

Die reflexive Auseinandersetzung mit dem eigenen professionellen Handeln erfordert die Bereitschaft, sich anzustrengen und Zeit für die Nachbetrachtungen aufzubringen. Im Wissen um diese Anstrengungen könnte die Frage aufkeimen, weshalb es sinnvoll ist, Prozesse zu reflektieren. Auf diese Frage liefern wir verschiedene Antworten:

•Reflexivität fördert die eigene Professionalisierung.

•Reflexion schult die Fähigkeit zur Reflexivität.

•Reflexion erzeugt und sichert die eigene Beratungsqualität.

•Reflexion erlaubt Perspektivwechsel.

•Reflexivität fördert Flexibilität.

•Reflexivität verbessert eine kommunikative Anschlussfähigkeit.

•Reflexivität provoziert Wachstum.

•Reflexivität verweist auf Lösungsansätze.

•Reflexivität ermöglicht eine demutsvolle Haltung.

•Reflexivität regt zum selbstständigen Denken an.

•Reflexivität unterstützt Demokratisierungsprozesse.

Reflexivität fördert die eigene Professionalisierung

Während einer Supervision nehme ich als Supervisor zahlreiche Handlungsimpulse wahr; zugleich treffe ich verschiedene Entscheidungen, um einen Supervisionsprozess zu steuern. Dabei sind stets Ambivalenzen, Unsicherheiten und Ungewissheiten mit im Spiel. Gerade Krisen oder konfliktäre Ereignisse bilden einen häufigen Anlass für Reflexionen. Indem ich die gewählten Interventionen reflektiere, kann ich ihren Nutzen, ihren Respekt und ihre Schönheit bilanzieren (vgl. Ludewig 2015). Das nachträgliche Vergegenwärtigen meiner Interventionen und ihrer Wirkungen für den Supervisionsprozess fördern schrittweise meine Kompetenz, während einer zukünftigen Supervision zwischen verschiedenen Handlungsimpulsen auszuwählen. Die Fähigkeit, sich auf eine reflektierte Erfahrung als implizites Wissen zu beziehen, was meine Interventionen bewirken können und über welches Potenzial für Veränderungsimpulse sie verfügen, werten wir als ein Merkmal der Professionalität.

Professionalisierung beschreibt den Werdegang vom Novizen zum Meister. Die Selbstreflexion kann unter diesen Vorzeichen als Instrument zum Einsatz kommen, die eigene Meisterschaft zu entwickeln und zu fundieren. Völter (2018) spricht von mehreren Etappen bei der Entwicklung auf diesem Weg. Wir schließen uns seiner Sichtweise an und ergänzen sie: Eine persönliche Professionalisierung konzipieren wir als Prozess, die eigene Meisterschaft zu erlangen und sie im Angesicht (berufs-)politischer und sozialer Veränderungen zu erhalten, anzupassen und zu erweitern.

Supervision ist ein etabliertes, anerkanntes und oft in Anspruch genommenes Beratungsformat. Dennoch gilt sie nicht als staatlich anerkannte Profession. Welche Kriterien begründen die Professionalität eines Supervisors? Es liegt nahe, in die Weiterbildungscurricula der Dachverbände zu schauen. Im Falle der systemischen Supervision fällt der Blick auf den entsprechenden Kriterienkatalog der Systemischen Gesellschaft (SG). Professionalität ist demnach stets dann gegeben, wenn ein Supervisor die aufgelisteten theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten in ausreichender Weise flexibel, kontextangemessen sowie anliegenorientiert anwendet. In meinen Selbstreflexionen kann ich entsprechend thematisieren, wie nützlich ich mit den Anliegen der jeweiligen Supervisanden umgegangen bin und in welcher Weise ich die relevanten sozialen wie beruflichen Kontexte berücksichtigt habe. Die Orientierung am Kriterienkatalog für Supervisionsweiterbildungen stellt einen plausiblen Weg dar, die Professionalität des Supervisors zu begründen. Dieses Vorgehen erscheint uns auf den ersten Blick plausibel.

Dennoch bleiben Fragen. Ein Curriculum verstehen wir als eine geschlossene Liste. Was geschieht, wenn ein Curriculum einmal festgelegt worden ist – wie offen ist es dann für neue Entwicklungen und gesellschaftliche Veränderungen? Diese Fragen hängen mit unserem Verständnis zusammen, dass eine stabile Referenz auf geschlossene Listen in Konflikt mit konstruktivistischen Gedanken der systemischen Theorie steht. Aus einer systemischen Perspektive bleibt eine Schließung erfolglos (vgl. Rohr u. Baum 2019, S. 155). Wir plädieren daher für ein offenes Curriculum, das gekürzt, umstrukturiert und ergänzt werden kann. Offene Listen werden jedoch mit der Gefahr assoziiert, beliebig zu sein. Diese Gefahr stufen wir als gering ein, wenn eine systemische Supervisionsweiterbildung als zentralen Aspekt beachtet, a) dass der angehende Supervisor eine systemische Haltung entwickelt und b) dass er Verantwortung für seine Entscheidungen bzw. Interventionen übernimmt, die er gerade im Angesicht von Krisen, Ambivalenz oder Ungewissheit trifft.

Gegenstand einer Reflexion sind Erinnerungsspuren. Man ruft sich Beobachtungen in Erinnerung, die während einer Beratungskommunikation aufgetaucht sind. Manche der Beobachtungen sind eindrücklich und über längere Zeit abrufbar, andere verblassen relativ bald und sind nach einer Weile nicht mehr greifbar. Erinnerungen sind mit Verzerrungen verbunden. Denn unser Bewusstsein neigt dazu, lückenhafte Erinnerungsspuren unauffällig zu stimmigen Narrationen zu glätten. Der Blick zurück unterliegt somit einem Konstruktionsprozess und unterstreicht meine bevorzugten Beobachtungs- und Deutungsmuster. Diese Muster gehören zu meinem impliziten Wissen als Supervisor.

Hierin liegt ein Erkenntniszugang zu meinem Expertenwissen. Das Material der Selbstreflexion bildet so betrachtet vorrangig mein implizites Wissen ab. Es geht aber vielmehr darum, was für ein Bild ich mir vom Supervisanden mache, wenn ich über ihn nachdenke. Zweifel sind angebracht, wenn ich meine, den Supervisanden fassen zu können. In meinen Selbstreflexionen begegne ich mir selbst in meiner professionellen Formation. Komme ich in meinen Selbstreflexionen meinen typischen Beobachtungs- und Deutungsmustern auf die Spur, gewinne ich die Chance, alternative Perspektiven zu entdecken, die mit mehr Wahlmöglichkeiten für den Supervisanden verbunden sein können.

Diesen Aspekt kann ich auch aus einer anderen Warte bedenken: Jede Beobachtung geht mit einer Fokussierung meiner Aufmerksamkeit einher. Bei der Analyse meiner Beobachtungen ist dieses Wissen nützlich. Denn ich kann mir bewusst machen, dass auch andere Aufmerksamkeitslenkungen möglich wären. Im Verlauf eines Supervisionsprozesses kann ich dieses Wissen dazu nutzen, bewusst einen anderen Fokus zu wählen. Der Wechsel kann mich inspirieren, meinem Supervisanden andere Interventionen vorzuschlagen. Meine Selbstbeobachtung, welche Perspektiven ich für die Analyse einer Szene einnehme, vergrößert auf Dauer mein professionelles Handeln.

Zweifelnde Gedanken stammen noch aus einer anderen Ecke: Auch wenn ich auf der Grundlage einer systemischen Haltung mit flexiblen Listen im Sinne meiner Professionalität operiere, tauchen Fragezeichen auf, wenn es um mein Selbst bei der Selbstreflexion geht. Fuchs (2005, 2010b) hat für das Selbst ein eindrückliches Bild gefunden. Er spricht von einer kernlosen Zwiebel (s. Kap. 2.1, S. 29). Wer in mir reflektiert mit wem in mir über meine Professionalität? Wenn keine Letztinstanz angenommen wird: Was würde passieren, wenn sich zwei oder mehrere andere Seiten oder Stimmen in mir miteinander über einen supervisorischen Prozess unterhalten?

Diese Frage kann man als Fall ins Bodenlose verstehen, da je nachdem, welche inneren Seiten an den Binnenkommunikationen beteiligt sind, unterschiedliche Ergebnisse hervorgebracht werden. Nick Chater (2019) beschleunigt mit seinen Gedanken den Fall ins Bodenlose. In einem Interview äußert er, dass unser Geist ausschließlich durch unser unmittelbares bewusstes Erleben geformt wird.

»Wenn mich jemand fragt, warum ich heute Tee statt Kaffee trinke, dann spinnt mir mein Gehirn in diesem Moment eine Antwort zusammen. Meine Erklärung beginnt erst dann zu existieren, wenn ich gefragt werde« (Chater 2019, S. 47).

Und wer weiß dann, welche die richtige Entscheidung ist?

Wir bevorzugen, diese Offenheit als Quelle für neue Ideen, für Multiperspektivität oder für Dekonstruktionen zu nutzen. Denn es geht nicht darum, dass eine Zentralinstanz kontrolliert und entscheidet, um das Wahre oder Richtige zu finden. Ziel ist es vielmehr, Viabilität zu erzeugen, die mit mir zu tun hat. Nick Chater (2019) dazu:

»Unsere Persönlichkeit bekommt Kohärenz, weil jede Interpretation einer Wahrnehmung auf Erinnerungsspuren vergangener Interpretationen basiert. Und jede neue Erfahrung beeinflusst die Interpretation der nächsten. So erschaffen wir eine persönliche Tradition, auf deren Grundlage wir improvisieren.«

Die potenzielle Offenheit während einer Selbstreflexion kann einen Segen darstellen. Reflexivität ist mit der Chance verbunden, die Qualität des eigenen Handelns zu verbessern, da es mit Erkenntnisgewinn verbunden sein kann. Eine laut ausgesprochene Selbstreflexion während einer Supervision – im Sinne eines reflektierenden Teams mit mir selbst – kann für den Supervisanden inspirierend wirken. Als Supervisor kann ich mich beispielsweise auf diese Art und Weise fragen, welche Bedeutung die körperliche Bewegungslosigkeit des Supervisanden haben könnte, während er über seine Wut auf den Chef sprach.

In unserem Buch arbeiten wir bewusst mit einem Spannungsbogen. Wir bieten sechs Aspekte (s. Kap.2) als Reflexionshilfen an, die sich in unserem Arbeitsalltag bewährt haben und die die Professionalisierung fördern. Damit erzeugen wir in gewisser Weise eine geschlossene Liste, da wir explizit keine offene Rubrik in diese Liste eingefügt haben. Stattdessen betonen wir hier wie an anderen Stellen, dass auch andere Vorgehensweisen im Sinne einer Selbstreflexion möglich sind. Der Grund dafür liegt in der Individualität einer Selbstreflexion. Levold spricht im Zusammenhang mit einer professionellen Identität von »personalem Wissen« (vgl. Levold 2016, S. 156).

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