Kitabı oku: «Geheimdienste, Agenten, Spione», sayfa 6

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Massimo Uffreduzzi weiß noch nicht, dass er sich mit dieser Einschätzung gleich doppelt täuscht.

Bozner Schlangengrube

Es fällt auf, dass der Mann, der als „Hrabec“ für den tschechoslowakischen Nachrichtendienst StB arbeitet und gleichzeitig vom italienischen SIFAR als Agent geführt wird, eine zentrale Frage in dieser Phase nie anschneidet: Wie ist der SIFAR ihm auf die Schliche gekommen? Und warum weiß Eugenio Piccardo über seine Treffen in Bozen, Innsbruck und Wien so genau Bescheid? Die logische Antwort: Massimo Uffreduzzi dürfte davon ausgegangen sein, dass der SIFAR im StB eigene Zuträger hat, die ihn verraten haben.

Doch tatsächlich gibt es eine Erklärung, die näher liegt. Dazu muss man sich die Arbeits- und Vorgangsweise der Nachrichtendienste genauer anschauen. Zu den eisernen Grundregeln, die man jedem Mitarbeiter und Agenten einbläut, zählt das absolute Wahren des Dienstgeheimnisses. Also niemandem zu sagen, dass man als Agent arbeitet und für wen man arbeitet. Das führt zwangsläufig dazu, dass immer wieder Freunde oder gemeinsame Mitstreiter in einer Bewegung gleichzeitig für denselben Arbeitgeber tätig sind, aber nichts voneinander wissen. Auch das meint Silvano Russomanno, wenn er von „mehreren Hunden am selben Knochen“ spricht. Scheint diese Konstellation auf den ersten Blick absurd, erfüllt sie für den Nachrichtendienst eine einfache und effektive Kontrollfunktion. Berichten zwei Zuträger über dieselbe Sache, lässt sich schnell ermitteln, ob die Berichte übereinstimmen und wer als Informant loyal ist und wer nicht. Wird derselbe Sachverhalt zudem noch – wie in vielen Fällen – von einem weiteren Informanten im selben Netz beschrieben, kommt man der objektiven Wahrheit schon sehr nahe. Genau diese Konstellation finden wir im Südtiroler StB-Netzwerk. Denn Massimo Uffreduzzi ist nicht der einzige Doppelagent in diesem Spiel.

Laut den Akten der „Azione Stelio“ wendet sich Uffreduzzi mit seinen Informationen über Erich Bertol erstmals Anfang Mai 1950 an den SIFAR. Damit beginnt seine Arbeit als Doppelagent und seine Einbettung in die besagte Operation. Diese läuft zu diesem Zeitpunkt aber bereits, was auch die Aktenzahl der „Azione Stelio“ deutlich macht: „1949-1.4.29.5.1.“86 Die Geheimdienstoperation wurde demnach 1949 vom SIFAR-Büro Verona gestartet und in Zusammenarbeit mit der römischen Zentralstelle umgesetzt. Geleitet wird sie, wie wir bereits gesehen haben, vom Chef des SIFAR-Büros Verona Tullio Filippo Recchia und seinem römischen Kollegen Eugenio Piccardo. Recchia gelingt die Anwerbung eines Informanten, der von Beginn an in das StB-Netzwerk eingebunden ist, gleichzeitig aber eine Randfigur bleibt: Cesare Premi. Der damals 25-jährige Bozner Geometer, Kindheitsfreund von Hans Morandell, arbeitet bereits ab 1949 unter dem Decknamen „Stelio“ für das „Centro C. S. di Verona“. Die Operation „Stelio“, die ihre Bezeichnung vom Decknamen Premis erhält, zielt auf eine Infiltrierung des tschechoslowakischen Nachrichtendienstes ab. Der SIFAR will wissen, wie der StB funktioniert, was den östlichen Nachrichtendienst in Italien interessiert und auch wer für ihn in Italien arbeitet. Spätestens als Hans Morandell – der in Italien weiterhin Giovanni Sostero heißt – seinen Freund Cesare Premi im Juni 1949 nach Brünn bringt und der StB diesen als Agent „Vandal“ anwirbt, kommt der SIFAR diesem Ziel nahe. Cesare Premi und Hans Morandell verbindet eine enge persönliche Freundschaft, weshalb Morandell alias „Korsičan“ dem SIFAR-Agenten alle Einzelheiten über seine Arbeit erzählt. Damit ist der SIFAR von Beginn an über jeden Schritt des wachsenden StB-Netzes in Italien informiert. Tullio Filippo Recchia beschreibt 1951 in einem Bericht an Eugenio Piccardo die Situation:

Sostero ist sehr auf Draht und er ist gegenüber Stelio sehr gesprächig. Er hat absolutes Vertrauen und erzählt ihm auch die Wahrheit. Was es uns ermöglicht, ihn auch weiterhin über Stelio zu kontrollieren (den ich immer weiter in die Sache hineindränge).87

Während der SIFAR in Rom Massimo Uffreduzzi anwirbt und in das Netzwerk einschleust, macht auch Tullio Filippo Recchia einen entscheidenden Schritt, der der SIFAR-Aktion gegen den StB eine neue Qualität verleiht. Ihm gelingt es nämlich, über seinen Informanten „Stelio“ auch den Kopf des StB-Netzwerks Hans Morandell für den SIFAR anzuwerben. Morandell wird vom SIFAR meist unter seinem italienischen Klarnamen „Sostero“ geführt, erhält aber zusätzlich den Decknamen „Robert“. Heute kann man nur mutmaßen, was „Korsičan“ bewogen hat, zum Doppelagenten zu werden. Sicherlich dürften finanzielle Überlegungen eine Rolle gespielt haben. Zudem kann man annehmen, dass Recchia wie zuvor schon Uffreduzzi auch Morandell vor die Wahl gestellt hat: entweder wegen Spionage angeklagt zu werden oder für den SIFAR zu arbeiten.

Agent „Robert“ berichtet ab 1951 dem SIFAR-Büro Verona periodisch über alle Vorgänge rund um sein StB-Netz. Dabei wissen weder „Robert“ noch „Stelio“, dass gleichzeitig auch Massimo Uffreduzzi für den SIFAR arbeitet. So listet Hans Morandell dem SIFAR nicht nur detailliert alles auf, was „Hrabec“ nach Brünn liefert, sondern er übergibt dem SIFAR-Büro Verona auch über jedes Treffen mit Uffreduzzi einen genauen Bericht. Das ist dann auch der eigentliche Grund, warum Eugenio Piccardo in Rom schnell merkt, dass Uffreduzzi dem SIFAR gegenüber mit falschen Karten spielt. Als der SIFAR im Jänner 1953 Uffreduzzi in die Zange nimmt, hat man Angst, dass dadurch auch Hans Morandells Rolle als Doppelagent auffliegen und die gesamte Operation „Stelio“ ein abruptes Ende nehmen könnte. Doch als Eugenio Piccardo Ende Jänner Uffreduzzi einem strengen Verhör unterzieht, kann er Entwarnung geben. „Im Laufe des Verhörs gab es keinen Hinweis, dass die Doppelgleisigkeit Sosteros aufgeflogen ist, deshalb kann die Aktion ruhig weiterlaufen“, schreibt der Leiter der römischen SIFAR-Zentrale.88 Eineinhalb Monate später wird Eugenio Piccardo in einem 25 Seiten langen Dienstbericht mit dem bezeichnenden Titel „Massimo Uffreduzzis Gang nach Canossa“ noch deutlicher:

Massimo ignoriert völlig, dass Robert ein Doppelagent sein könnte. Unsere Aktion, die ihn gezwungen hat, sein heimliches Handeln für den tschechoslowakischen Geheimdienst zuzugeben, hat in ihm nicht den leisesten Verdacht erweckt, woher wir unser Wissen haben könnten. […] Die Sachverhaltsdarstellung von Massimo […] liefert uns zudem den klaren Beweis der ehrlichen und lauteren Zusammenarbeit, mit der Robert alle Verpflichtungen eingehalten hat, die er mit unserem Dienst eingegangen ist.89

Grafische Darstellung des Netzwerks im Berger-Akt: StB-Sachbearbeiter schreibt Klarnamen mit Bleistift dazu.

Dass dem italienischen Nachrichtendienst die Operation „Stelio“ wichtig ist, liegt auch daran, dass noch weitere Doppelagenten darin verwickelt sind. Nicht nur Massimo Uffreduzzi, Cesare Premi und Hans Morandell arbeiten sowohl für den SIFAR als auch für den StB, das SIFAR-Büro Verona und die Außenstelle in Bozen haben noch mindestens drei weitere Südtiroler StB-Agenten angeworben: Hermann Larcher, Alfredo Macchia und vor allem Heinrich Berger (Deckname „Biro“) stehen ebenfalls im Soldbuch des SIFAR. Alle drei liefern Anfang der 1950er-Jahre Informationen über ihre Zusammenarbeit mit dem StB.90 Doch weitere Nachrichtendienste schöpfen die Informationen der Bozner StB-Zuträger ab. So ist Alfredo Macchia in Kontakt mit dem amerikanischen Militärgeheimdienst CIC, der – wie wir noch sehen werden – in den 1950er-Jahren in Bozen besonders aktiv ist. Außerdem dürfte Friedrich Stefaner bereits zu diesem Zeitpunkt nebenbei auch für die deutsche „Organisation Gehlen“ (Org.) den Vorgänger des „Bundesnachrichtendienstes“ (BND) gearbeitet haben.

Man kann der Einschätzung des Nachfolgers von Tullio Filippo Recchia in der Leitung des SIFAR-Büros Verona, Carabinieri-Hauptmann Luigi Margiotta, nur zustimmen, wenn er von einem „covo di vipere“ spricht: In einem internen Bericht von 1953 schreibt er wörtlich „Giftschlangennest, das aus jenen Elementen der Stelio besteht, die in Bozen wohnen“91. Besser kann man das Konglomerat von Spitzeln wohl kaum beschreiben.

Abrechnung in Brünn

Zur selben Zeit, als der SIFAR in Rom Massimo Uffreduzzi in die Zange nimmt, merkt man allerdings auch in Prag und Brünn, dass mit Agent „Hrabec“ und dem gelieferten Entschlüsselungshandbuch einiges nicht stimmt. Man wendet sich umgehend an jenen Mann in Wien, der den römischen Journalisten zum StB gebracht hat: Hans Morandell. „Korsičan“ weiß, dass nicht nur seine gesamte Arbeit für den StB, die er seit vier Jahren geleistet hat, auf dem Spiel steht, sondern auch seine Zusammenarbeit mit dem SIFAR auffliegen könnte. Am 20. Jänner 1953 fahren „Korsičan“ und Edgar Meininger („Pedel“) nach Rom, um Massimo Uffreduzzi zur Rede zu stellen. Kaum meldet sich Morandell bei Uffreduzzi, haut dieser aus Rom ab, versteckt sich und berichtet voller Schrecken seinem SIFAR-Führungsoffizier Eugenio Piccardo, dass er von Sostero und Meininger bedroht werde. „Korsičan“ schreibt am 23. Jänner 1953 aus Rom an seinen StB-Führungsoffizier:

Nun bin ich bereits zwei Tage hier in Rom und werde wahrscheinlich unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren müssen. Wenn ich gewusst hätte, dass dieser Primo [Primo ist der Deckname, den Uffreduzzi sich gegeben hat – Anm. d. Autors] so ein Lump ist, hätte ich mir die Zeit und das Geld für diese weite Reise ersparen können. […] Ich habe den deutlichen Eindruck, dass dieser Primo ein schlechtes Gewissen hat und deshalb um jeden Preis eine Zusammenkunft vermeiden will, um nicht über seine Schwindeleien Rechenschaft abgeben zu müssen. Denn ich bezweifle keinen Augenblick, dass von allen den Waren, die er zu besitzen behauptete, keine einzige existiert, sondern dass alles nur ein Bluff ist. Und jetzt hat er Angst, seinen Bluff eingestehen zu müssen. Aber dieses Schwein wird mir schon noch mal unter die Hände komme, damit ich mit ihm abrechne!92

Der Zorn von Hans Morandell verraucht jedoch bald. Das liegt vor allem daran, dass Massimo Uffreduzzi sich absolut reumütig gegenüber seinen Mistreitern verhält. Der SIFAR will die Operation „Stelio“ unbedingt weiterführen, deshalb weist man Uffreduzzi auch an, den Riss mit Morandell wieder zu kitten. Dieselben Vorgaben dürfte der italienische Nachrichtendienst auch seinem Informanten „Robert“, sprich Hans Morandell, gegeben haben. Zur gleichen Zeit übt der StB nun aber Druck aus, dass Morandell und Edgar Meininger zu einem weiteren Treffen in die ČSR kommen. Zwischen Jänner und März 1953 schreibt der StB-Führungsoffizier „Jaroslaw“ mehrere Briefe an „Korsičan“ und „Pedel“. Der Auftrag: Sie sollen Agent „Hrabec“, also Massimo Uffreduzzi, zu einer klärenden Aussprache mitbringen. Doch alle drei Termine verstreichen. Morandell, Meininger und Uffreduzzi kommen nicht.

Im Frühjahr 1953 sprechen sich die drei StB-Agenten untereinander aus. „Korsičan“ überredet „Hrabec“, das Geld, das er vom StB für den gefälschten Entschlüsselungskodex erhalten hat, wieder zurückzugeben. „Hrabec“ hatte von den 2,8 Millionen Lire, die er dafür von der tschechoslowakischen Staatssicherheit erhalten hat, nur 800.000 Lire genommen. Den Rest hatte er im September 1952 in einem Schließfach in Wien deponiert. Dort holt Hans Morandell das Geld jetzt ab und retourniert es – als Zeichen des guten Willens – an den StB. Und so kommt es im Mai 1953 doch noch zu einem Treffen von Hans Morandell und Massimo Uffreduzzi mit ihren Führungsoffizieren in der ČSR. Uffreduzzi kommt am 6. Mai 1953 in Wien an und noch am selben Abend bringt Edgar Meininger ihn und Morandell im Auto an die Grenze bei Laa an der Thaya. „Korsičan“ und „Hrabec“ überschreiten auf einem Pfad die grüne Grenze, wo sie von einem Auto des StB erwartet werden, das die beiden in ein Jagdhaus nach Pohořelice bringt. Dort werden sie von ihren beiden Führungsoffizieren „Frantiček Sabotka“ und „Jaroslaw Hrazky“ erwartet.

Es kommt endlich zur lang erwarteten Aussprache. Die beiden StB-Offiziere halten „Hrabec“ vor, dass ein Teil des Materials, das er übergeben habe, gefälscht war. Man lässt die gesamte Arbeit der letzten zwei Jahre noch einmal Revue passieren. Das Gesprächsklima ist angespannt, aber nicht feindlich. Hans Morandell und Massimo Uffreduzzi planen eigentlich, am Abend des 8. Mai wieder zurück nach Österreich zu gehen. Edgar Meininger wartet an diesem Tag um 22 Uhr mit dem Auto in Laa an der Thaya aber vergeblich, denn am Abend jenes 8. Mai wird klar, dass der StB „Korsičan“ und „Hrabec“ nicht einfach so gehen lässt. Die beiden Agenten werden vom StB festgehalten und bewacht. Der Grund: Es soll ein hoher Funktionär der tschechoslowakischen Staatssicherheit kommen, um mit Uffreduzzi zu reden. Was beide nicht wissen: Aus den zwei geplanten Tagen in der ČSR wird am Ende ein Aufenthalt werden, der mehr als zwei Wochen dauert.

Am 9. Mai wird in der ČSR der Tag der Befreiung gefeiert, deshalb passiert an diesem Tag kaum etwas. Am 10. Mai erscheint dann der angekündigte hohe Prager StB-Offizier. „Korsičan“ und „Hrabec“ werden umgehend getrennt. Während Hans Morandell im Jagdhaus in Pohořelice bleibt, bringt man Uffreduzzi in ein „geschütztes Haus“ – so wird eine Immobilie genannt, die einem Nachrichtendienst für geheime und sensible Aufgaben zur Verfügung steht – bei Mikulov, wenige Kilometer sowohl von Pohořelice als auch von der österreichischen Grenze entfernt. Massimo Uffreduzzi erinnert sich später gegenüber dem SIFAR:

Der große Capo hat überraschend gut Italienisch gesprochen. Deshalb war ich sofort besonders auf der Hut. Sein Ton war von einer überwältigenden Freundlichkeit, fast schon verhöhnend. Nach jeder meiner Erklärungen, auch wenn sie noch so blöd war, meinte er: „Nur noch eine kleine Frage“. Antwortete ich dann, sagte er jedes Mal „Tausend Dank“.93

Uffreduzzi wird tagelang verhört. Der Prager StB-Mann legt ihm alle Berichte vor, die „Hrabec“ in den Jahren zuvor geliefert hat. Der Agent muss genau schriftlich angeben, woher und vom wem er die jeweilige Information bekommen hat. Uffreduzzi gibt dabei einige Fälschungen zu. Er erklärt, dass nicht die Nachrichten an sich falsch seien, er aber das Ganze etwas „aufgepeppt“ habe, etwa indem er den Stempel „segreto“ (geheim) auf verschiedene Dokumente kopiert habe. Außer der Offenlegung seiner Quellen muss „Hrabec“ mehrere schriftliche Berichte verfassen. So muss er Lebensläufe aller seiner Informanten, Zuträger und Bekannten verfassen. Am Ende sind es über 40 Personen, deren Leben er vor dem StB ausbreitet. Dazu kommen Berichte über staatliche Institutionen, Militäreinheiten sowie gesellschaftliche und politische Entwicklungen in Italien. Alle Berichte zusammen füllen über 100 Seiten im StB-Akt des Agenten „Hrabec“, der heute im Prager Archiv liegt. Besonderes Interesse bei der Befragung Uffreduzzis zeigt der StB dabei an Karl Hass – ehemaliger Mitarbeiter des Nazi-Geheimdienstes „Sicherheitsdienst des Reichsführers SS“ und als solcher in den Jahren 1944/45 Vorgesetzter von Uffreduzzi. Dieser hatte den deutschen SD-Mann Anfang der 1950er-Jahre mehrmals in Rom getroffen. Für die tschechoslowakische Staatssicherheit muss er jetzt einen detaillierten Bericht über Hass, den SD und dessen Rolle im Nachkriegsitalien verfassen.

Der StB-Verhörbeamte verdächtigt „Hrabec“, offen für den amerikanischen Militärnachrichtendienst CIC zu arbeiten, weshalb es Uffreduzzi nicht schwerfällt, diesen Verdacht glaubwürdig zu zerstreuen. Eine mögliche Arbeit für den SIFAR wird nicht angesprochen. Eine halbe Autostunde von Mikulov nimmt man im bereits erwähnten Jagdhaus zur selben Zeit Hans Morandell in die Mangel. Auch „Korsičan“ wird tagelang befragt. Am Ende nötigt man beide, eine handschriftliche Erklärung zu unterzeichnen. Die Erklärungen, versehen mit jeweils einem Foto, enthalten neben der Unterschrift auch die Fingerabdrücke des Agenten. So erklärt Massimo Uffreduzzi am 21. Mai 1953:

Ich, der Unterfertigte Massimo Uffreduzzi, wohnhaft in der Via San Martino della Battaglia 31, wünsche immer besser für den Nachrichtendienst der Tschechoslowakei zu arbeiten, indem ich verspreche, in Zukunft nur noch Informationen und Dokumente zu liefern, die echt sind, ohne jeden Schwindel. Ich ersuche auch, dass ein Teil des Gewinns, der mir aus diesen guten und immer besser werdenden Arbeiten entsteht, dafür hergenommen wird, um die Schulden zu begleichen, die ich beim tschechoslowakischen Nachrichtendienst habe.94

Am Tag darauf, den 22. Mai, erhält Massimo Uffreduzzi bereits einen neuen Auftrag. Es ist ein weiterer hoher StB-Offizier, der ihm erklärt, dass er für den StB weiterarbeiten müsse. In ein paar Wochen würde er nämlich in Rom Besuch von einem StB-Mann bekommen. Als Erkennungszeichen reißt der Offizier eine Zehn-Schilling-Note in der Mitte auseinander und übergibt „Hrabec“ eine Hälfte. Bei dieser Aktion solle sich Uffreduzzi aber unbedingt von Erich Bertol und Heinrich Berger fernhalten und nicht mehr nach Bozen kommen. Mit Hans Morandell hingegen soll er weiterhin eng zusammenarbeiten. Wenig später kommen Uffreduzzi und Morandell endlich wieder zusammen. Man bringt sie an die Grenze, wo sie noch in der Nacht nach Österreich gehen und mit dem Zug nach Wien fahren.

In den Wochen danach liefern sowohl Uffreduzzi als auch Morandell dem SIFAR einen detaillierten schriftlichen Bericht über die Ereignisse während ihres unfreiwilligen Aufenthaltes in der ČSR ab. In den Akten der „Azione Stelio“ ist eine Analyse enthalten, in der die Widersprüche der beiden Darstellungen herausgearbeitet werden. Außerdem findet sich in den Akten auch eine Kopie eines zerrissenen Zehn-Schilling-Scheins. Es ist das Erkennungszeichen, das der StB seinem Agenten „Hrabec“ in Mikulov übergeben hat.95 Der angebliche StB-Emissär taucht letztlich in Rom nie auf.

Die Abschaltung

Der ursprüngliche Plan, dass man nach der Klärung in der ČSR so weiterarbeitet, als wäre nichts passiert, geht am Ende nicht auf. Für Hans Morandell sind die zwei Wochen Zwangsaufenthalt in Böhmen und die Behandlung ein schwerer Schock. Am 25. Juni 1953 schreibt „Korsičan“ seinem StB-Führungsoffizier „Jaroslaw Hrazky“ einen langen verbitterten Brief. Darin heißt es:

Ich bin sehr erbittert und enttäuscht von Ihnen: Ich habe immer bei großem Risiko Ihre Aufträge erfüllt: Jetzt sehe ich, dass sie kein Vertrauen mehr in mir haben und ich keines zu ihnen mehr haben kann. Scheinbar will Primo [Das ist der Deckname, den Uffreduzzi sich gegeben hat – Anm. d. Autors] trotz der Behandlung, die sie ihm gaben, noch für sie arbeiten: Das kann er tun, aber ich will nicht mehr sein Kurier sein. […] Ich will Primo nicht gleich sagen, dass ich nichts mehr tue, weil ich trotz allem die Arbeit nicht schädigen will: Ich werde ihm sagen, dass mich eventuell mein Vetter vertreten kann: mein bratraneo [slowakisch für „Cousin“, Morandell meint damit Edgar Meininger – Anm. d. Autors] ist nicht so schlecht behandelt worden wie ich und würde vielleicht weitermachen. Deshalb werde ich ihm schreiben und dies in die Wege leiten – falls wir das ausständige Geld bekommen.

Das ist das Letzte, was ich für Sie tun werde. Wahrscheinlich bekomme ich bald eine Arbeit in Schweden für den Sommer.

Indem ich mich von Ihnen verabschiede, kann ich mich wirklich nicht bedanken für diese verlorenen 4 Jahre und für die vielen nicht eingehaltenen Versprechungen. Ich verachte Leute, die ihr Wort nicht halten!96

Damit endet die StB-Karriere des StB-Agenten „Korsičan“. In seinem Personalakt findet sich noch eine Anmerkung:

Die Zusammenarbeit mit der Vertrauensperson wurde unterbrochen und er wurde am 19. Oktober 1953 aus dem Register der bezahlten Agenten gestrichen.97

Auch Massimo Uffreduzzi kehrt nicht mehr in die ČSR zurück. In seinem Akt findet sich noch ein Brief vom 4. September 1953, danach wird auch „Hrabec“ vom StB abgeschaltet. Edgar Meininger alias „Pedel“ versucht eine Weile den Kontakt aufrechtzuerhalten. Er schreibt mehrere Briefe an seinen StB-Führungsoffizier, die aber allesamt unbeantwortet bleiben. Anfang 1954 endet auch seine Zusammenarbeit mit der tschechoslowakischen Staatssicherheit.

Aber auch für alle anderen Südtiroler Agenten des Netzwerks ändert sich im späten Frühjahr 1953 die Zusammenarbeit mit dem StB grundlegend. Zur selben Zeit, als man in Pohořelice „Korsičan“ und in Mikulov „Hrabec“ in die Mangel nimmt, wird Erich Bertol vom StB in Znojmo verhört. Auch Agent „Sizunk“ schreibt und unterzeichnet in ungelenkem Deutsch am 21. Mai 1953 eine handschriftliche Erklärung.

Ich Unterfertigter Erich Bertol erkläre hiermit, dass ich in der weiteren Mitarbeit mit dem tschechoslowakischen Nachrichtendienst nur ehrlich weiterarbeiten werde und nie Betrügereien auszuführen versuchen werde. Ich bin bewusst darüber welche Folgen ich haben werde im Falle, dass ich Betrügereien aufführen werde.

In der weiteren Zusammenarbeit werde ich mich nach den Instruktionen richten, die ich von meinen Vorgesetzten erhalten werde. Ich weiß welche Gefahren mir drohen würden von Seiten der Westmächte im Falle, dass ich von dieser Arbeit mit jemand sprechen würde und deshalb werde ich vermeiden meine alten Kameraden und Mitarbeiter aufzusuchen und über die Arbeit sich zu interessieren.

Mit der Belohnung, die ich von dieser Arbeit bekomme, werde ich vorsichtig wirtschaften damit keine Verdachte auf mich fallen werden.98

Friedrich Stefaner korrespondiert 1953/54 noch unter seinem Aliasnamen „Franz Trenker“ mit dem StB über die Deckadresse „Martha Sottolar, Tabor 30, Brno, ČSR.“ Er liefert dabei immer wieder auch Berichte. Aber auch ihm misstraut der StB längst. Im Sommer 1954 kündigt der Agent seine Reise nach Brünn für den 14. September 1954 an und bereits am nächsten Tag unterschreibt auch Friedrich Stefaner eine Erklärung, mit der er die Zusammenarbeit mit dem StB unfreiwillig beenden muss:

Ich Stefaner Fritz erkläre, dass ich nicht mehr in die C. S. R. kommen darf. Ich bin mir bewusst, dass, falls ich ohne Einladung komme, [ich] nach dem Gesetz bestraft werden kann.99

Ein besonderes Auge wirft der StB auf Heinrich Berger. Es gibt deutliche Hinweise, dass Agent „Tryska“ nicht mit offenen Karten spielt. Bereits im Sommer 1952 schreibt Hans Morandell in einem Brief an seinen StB-Führungsoffizier, dass „Berger ein Doppelspiel betreibe“ und seine beiden Mitstreiter Alfredo Macchia und Hermann Larcher „für die italienische Polizei“ arbeiten.100 Im Februar 1953 kommt Heinrich Berger zu seinem letzten Treffen mit dem StB nach Brünn. Weil er zu weiteren Treffen nicht mehr erscheint, bricht der Nachrichtendienst die Zusammenarbeit auch mit ihm ab. Im Oktober 1953 schlägt der Führungsoffizier die Streichung „Tryskas“ aus dem Informantenregister und seine Abschaltung vor. Doch Anfang 1954 meldet sich Heinrich Berger plötzlich wieder beim StB – mit einer besonderen Überraschung. Das Schreiben Bergers an seine Verbindungsadresse „Anton Zigmund, Krenova 42, Brno“, das er mit seinem Decknamen „Günther Dalmonte“ unterzeichnet, ist auf dem offiziellen Briefpapier der italienischen Botschaft in Wien verfasst. „Ambasciata d’Italia in Austria, Wien, III, Rennweg 27“ steht auf dem Kuvert. Am 11. Februar 1954 kündigt „Tryska“ dann per Telegramm an, dass er nach Brünn kommt. Der Text: „Dalmonte Günthers – Ankunft bestimmt am 19. Feber 1954 – Dringend.“101 In einer handschriftlichen Notiz, die sich in seinem Akt findet, warnt der StB vor einer „Provokation“ des italienischen Nachrichtendienstes. Deshalb ist man diesmal besonders vorsichtig. Als Heinrich Berger in der Nacht des 19. Februar bei Šatov illegal die grüne Grenze überquert, wird er nicht von seinem StB-Führungsoffizier erwartet, sondern von den tschechoslowakischen Grenzbeamten verhaftet und in das Bezirksgefängnis nach Znojmo gebracht. Die gesamte Aktion ist bewusst inszeniert, um „Tryska“ zu verunsichern. Erst nach einem Tag im Gefängnis wird er vom StB abgeholt und in eine sichere Wohnung nach Klentnice gebracht. Im Verhör mit seinem StB-Führungsoffizier erklärt Heinrich Berger, dass er 1953 keine Gelegenheit mehr gehabt hätte, Dokumente und Informationen zu besorgen und er sich deshalb nicht mehr gemeldet hätte. Im Protokoll heißt es weiter:

Hans Morandell alias „Korsičan“: Handschriftliche Erklärung mit Fingerabdruck und Foto.

Der Vertraute erklärte dann, dass seine Frau krank sei und dass sie sich in großer finanzieller Not befinden. Er beschloss deshalb in die Tschechoslowakei zu gehen, wo er vermutet, dass er für seine vergangene gute Arbeit Hilfe bekommen wird.102

Dann tischt „Tryska“ eine sensationelle Geschichte auf. Heinrich Berger erklärt, dass er am 12. Januar 1954 seinen Dienst als Angestellter der italienischen Botschaft in Wien aufgenommen habe. Sein Arbeitsplatz sei am Empfang, wo er den Telefondienst mache und Besuche ankündige. Sein monatliches Gehalt betrage 1.200 Schilling sowie Essen und Wohnung. Er lebe und wohne im Gebäude der italienischen Botschaft am Rennweg. Daher biete er dem StB seine Dienste an. Seinem Führungsoffizier erklärt Berger, dass vor allem am Sonntag die Botschaft sehr oft unbeaufsichtigt bleibe und es für ihn nicht sehr schwierig sein würde, einen Schlüssel für den Tresor zu beschaffen. Er würde dann Fotos von Dokumenten liefern können. Zudem würde er Mitte März eine Dienstreise in die Türkei mitmachen. Auch dabei wolle er für den tschechoslowakischen Nachrichtendienst tätig werden. Doch der StB ist längst vorgewarnt. Hans Morandell hatte mehrmals darauf hingewiesenen, dass „Tryska“ ein Doppelspiel treibt.

Man fragt Berger über die Vorgänge in der Botschaft und die Namen des Personals aus, und als er nicht einmal den Namen des Botschafters nennen kann, ist für die Nachrichtendienstler klar, dass es sich hier um eine Aktion des italienischen Nachrichtendienstes handelt. Berger dürfte über seine Kontakte zum SIFAR Kontakte zum Briefpapier der Botschaft gekommen sein. Ob es die zeitweilige Anstellung in Wien wirklich gab, konnte der Autor nicht nachprüfen. „Der Fall scheint eine Provokation zu sein“, schreibt der StB-Führungsoffizier in seinem Dienstbericht. Und weiter: „Ich reagierte passiv auf seine Angebote und erklärte ihm, dass wir uns melden werden, falls wir interessiert sind.“ Man überlegt ernsthaft, Heinrich Berger in der ČSR zu verhaften, doch weil man kaum Beweise in der Hand hat, bringt man Agent „Tryska“ am Abend des 21. September an die Grenze, wo er zurück nach Österreich geht.103 Zwei Monate später wird der Akt „Tryska“ geschlossen. In einem „Endbericht zum Fall Heinz Berger“ kommt die StB-Zentrale in Prag dabei zu einem vernichtenden Resümee:

Berger ist der Fall eines nicht ordnungsgemäß verwalteten Agenten. In dem Bestreben, sein Netzwerk zu erweitern, erlaubte die Führung die Bildung eines SubNetzwerks. Der Informant wurde nicht konsequent und systematisch überprüft, man unternahm keine Schritte, um gewisse Zweifel vollständig zu klären und die Zusammenarbeit rechtzeitig auszusetzen, um ernsthafte Bedrohungen des gesamten italienischen Netzes zu verhindern.

Dieser Fall zeigt, dass die sogenannten Hauptagenten des italienischen Netzes höchstwahrscheinlich von feindlichen Geheimdiensten kontrolliert werden. Weniger wahrscheinlich ist es, dass es sich nur um Geheimdienstbetrüger handelt, die überwacht werden, um sie dann nach Abklärung ihrer Kontakte zu verhaften.104

Der Bericht bringt ein interessantes Detail am Rande ans Licht: Geheimdiensten ist voll bewusst, dass sich ihnen auch Betrüger andienen, die kaum verwertbare oder falsche Informationen liefern. Doch lässt man diese gewähren und überwacht sie, um ihre Kontaktpersonen zu erfahren. Zu einer Verhaftung kommt es erst dann, wenn sie diesen Zweck erfüllt haben und für den Dienst nutzlos werden.

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