Kitabı oku: «Elfenzeit 7: Sinenomen», sayfa 8

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»Artair!«, schrie eine Stimme plötzlich. »Da ist er! Tötet ihn!«

Ein Flammenritter, der einige Meter entfernt auf einem Cosgrach saß, zeigte mit einer Hand auf den Statthalter und zog mit der anderen seine Armbrust hervor. Ein Pfeil traf ihn in den Hals. Seine Rufe brachen ab. Langsam rutschte er von dem Cosgrach in den Sand. Doch andere hatten ihn gehört, auch Artairs eigene Ritter. Innerhalb von Sekunden umringten ihn die ersten. Diejenigen, die keine Schilde hatten, schützten den Statthalter mit ihrer Rüstung. Robert kamen sie vor wie ein Schildkrötenpanzer.

Er zog den halb benommenen Artair hoch. Aus dem Augenwinkel sah er Brigdhe. Die Elfe stand im Inneren des Panzers und schoss zwischen den Schilden hindurch mit Pfeilen auf ihre Feinde. Robert sah sich erneut nach Nadja und Anne um. Er hoffte, dass es ihnen gelungen war, dem Chaos zu entfliehen.

»Vorsicht!«, schrie Brigdhe plötzlich. Ein Schatten glitt über Robert hinweg. Er hörte lautes Kreischen. Erschrocken sah er auf und duckte sich im letzten Moment unter einer ledrigen Schwinge. Ein aufgerissenes Maul schoss Artair entgegen. Robert stieß ihn zur Seite. Klauen schlugen sich in seine Schultern, drangen durch die Lederjacke bis ins Fleisch. Er schrie auf, als er den Kontakt zum Boden verlor, dann wurde er emporgerissen, über die Köpfe der Krieger hinweg. Sein Fuß schlug gegen einen Helm, ein Speer stach nach ihm. Der Grawnya kreischte und knurrte. Sein langer Hals drehte sich, sein Maul schnappte nach der Beute in seinen Klauen.

Robert schlug den Kopf zur Seite und umklammerte den Hals. Die Haut war trocken und heiß. Aus dem Kreischen wurde ein Krächzen. Der Grawnya begann nach Luft zu schnappen. Robert biss die Zähne zusammen, als er hin und her geschüttelt wurde. Krallen rissen seine Lederjacke auf. Der Grawnya versuchte, ihn an die Dornen zu drücken, die seinen Körper bedeckten. Robert musste den Hals loslassen und stemmte sich verzweifelt gegen dessen Brust.

Triumphierendes Kreischen antwortete ihm. Der Grawnya öffnete sein riesiges Maul. Robert sah den Sand auf seiner Zunge, würgte, als ein Gestank nach Fäulnis ihm entgegenschlug.

Im nächsten Moment war sein Gesicht voller Blut. Es brannte in seinen Augen, drang in Mund und Nase ein. Er hustete und spuckte, riss trotz des Brennens die Augen auf. Ein Pfeil steckte im Rachen des Grawnya. Blut sprudelte aus seiner Kehle. Das Wesen begann zu röcheln. Sein Flügelschlag erlahmte.

»Oh nein«, flüsterte Robert, als er nach unten sah. Der Grawnya stürzte trudelnd ab. Seine Schwingen flatterten haltlos im Wind. Robert sah den Boden auf sich zukommen, schnell, viel zu schnell.

Er schlug auf.

Dunkelheit.

9.
He toa taumata rau

Maata Waka Nene fasste nicht, was die unbekannte junge Frau mit blumigen Worten erzählte. Konnte es wahr sein, sollte wirklich eine Bande randalierender Jugendlicher durch die Gegend streifen? Officer Nuhaka Spencer würde sich bedanken, wenn ihr Neffe Tearoa Rangi Tuku morgen wie jeden Montag nach Waitara in sein Versicherungsbüro fuhr und einen der beiden jungen Leute in der kleinen Police-Station ablud.

Unvorstellbar war das Ganze, weil es darauf hindeutete, dass sie und Whetu ihre Arbeit nicht richtig gemacht hatten. Sie wechselte einen Blick mit ihrer Schwägerin, die von der Südinsel stammte und selbst eine anerkannte Schamanin war.

Der Ngati-Mutunga-Stamm, dem sie im Gegensatz zu ihrem Gatten Tamati angehörte, hatte ebenfalls schon immer in dieser Gegend gelebt und in Maatas Verwandtschaft und in ihrer Ahnenreihe fanden sich eine Menge hochgestellter Maori-Adliger oder ariki, so auch der Politiker Te Rangi Hiroa und auch tohungas oder Schamanen. Die Gegend hier um das Grab Te Rangi Hiroas in Urenui war eine besondere Gegend und es oblag Maata und Whetu, die in die Geheimnisse und Mythen eingeweiht waren, sie vor allem Bösen zu schützen, damit Dinge wie ein solcher Überfall nicht passieren konnten. Umso verwunderlicher war die Geschichte dieser beiden – eine Brutalität ohnegleichen, die Whetus Zauber und Maatas Bannzeichen eigentlich hätten abhalten müssen.

Sie war hin- und hergerissen – Tamati schien es wichtig, jede Einzelheit von den beiden fremdartig wirkenden Leuten zu erfahren. Maata betrachtete die junge Frau. Ein Haarschnitt, wie er hier in Neuseeland bestenfalls in Auckland zu bekommen war. Sehr modisch, sehr extravagant, wenn sie den Zeitschriften vertraute, die Mahine, ihre Enkelin und Jimmy Raungas ältere Schwester, manchmal aus Inglewood mitbrachte. Darin waren junge Damen abgebildet, die eine ähnliche Haartracht aufwiesen.

Maata war dankbar, dass Mahine so etwas für dumm und überflüssig zu halten schien. Es schauderte sie, wenn sie sich überlegte, die Enkelin wäre eines Tages mit blondierten und kurzgeschnittenen Haaren erschienen, die in alle Richtungen wiesen – auch wenn es der zierlichen, ja geradezu ätherischen Frau sehr gut stand.

Der junge Mann war offenbar der stillere von beiden. Es schien Maata seltsam, dass er einerseits nicht derjenige war, der das Wort ergriffen hatte, sondern wie selbstverständlich Rian den Vortritt ließ. Außerdem sah er trotz der etwas anderen Haartracht – seine Haare waren nicht so platinblond, sondern eher goldblond – der jungen Frau äußerst ähnlich. Sie waren eindeutig Geschwister, kein Liebespaar, wie Rian zuerst angedeutet hatte, vielleicht sogar Zwillinge, denn eine innige Verbundenheit zwischen ihnen war zu spüren. Vielleicht waren es die Haare, welche die Augen der beiden jungen Leute so unglaublich violett leuchten ließen, oder sie trugen diese neumodischen, farbigen Kontaktlinsen. Dem jungen Mann – David hieß er, erinnerte sie sich – fielen die offenbar schon seit langem nicht mehr geordneten Haare derart wirr auf seine knochigen Schultern, dass Maata ihm am liebsten einen Kamm besorgt hätte.

Vom Aussehen her erinnerte er Maata an einen mittlerweile verstorbenen Rockstar, der einst im Zimmer ihres gleichfalls verstorbenen Sohnes gehangen hatte, der zwei verschiedene Augen gehabt und wie nicht ganz von dieser Welt gewirkt hatte. Ja, es schien durchaus wahrscheinlich, dass die Besucher aus Europa kamen, da waren solche Moden sicher nichts Besonderes.

Aber hier waren sie nun einmal in Pukearuhe.

Es fehlte noch, dass Jimmy Raunga sich daran ein Beispiel nahm. Bürsten und Kämme waren auch für ihren Enkel aus Prinzip ein Gräuel, aber wenn diese ausländischen jungen Leute hier so komische Moden einführten, dann waren wohl in den nächsten Wochen von Raunga noch mehr Widerworte als sonst zu erwarten. Wie er jetzt schon die junge Frau ansah – er schwärmte sie geradezu an!

Maata seufzte innerlich. Es hatte dem Jungen nicht gutgetan, die Eltern so früh bei diesem Flugzeugunglück zu verlieren. Sie und Tamati waren einfach zu alt gewesen, um noch Kinder zu erziehen. Besonders einen Jungen in den Flegeljahren.

Doch sie kam nicht mehr dazu, ihren Gedanken weiter nachzuhängen, denn Rian Bonet hatte ihre Geschichte beendet.

Tamati nickte gemessen, doch er dankte ihr nur für die Geschichte. »Ich hoffe, ihr nehmt unsere Gastfreundschaft an«, sagte er, während er sich würdevoll erhob. »Zum Abendessen werden wir uns wiedersehen. Meine Enkelin Mahine wird euch unser Gästezimmer zeigen und sich um eure Verletzungen kümmern, sie ist Krankenschwester. Morgen könnt ihr dann mit meinem Neffen Tearoa zur Polizeistation nach Waitara fahren. Er wird euch zu Officer Spencer bringen. Der kann alles weitere veranlassen. Doch bitte seid heute unsere Gäste. E iti noa ana, na te aroha – auch wenn unser Geschenk klein ist, es ist mit dem Herzen gegeben.«

Rian und David waren offenbar zu verwirrt und zu müde, um das Angebot abzulehnen oder eine Alternative vorzuschlagen. Sie stützten einander, als Mahine sie nach oben führte, wo die Schlafzimmer lagen.

Die Gemeinde zerstreute sich nun auf ein Nicken und ein Klatschen von Tamati.

Nur Maata, Whetu und Teramati blieben noch. Jetzt setzte sich auch Maata mit an den Tisch. Die vier Dorfältesten sahen sich an.

Eine Weile sagte keiner ein Wort.

»Was sagst du, Teramati? Haben wir Glück?«, wollte Tamati Waka Nene schließlich wissen. Er sprach Maori. Zur Sicherheit. Jeder von ihnen hatte zwar Wert darauf gelegt, dass auch die jüngeren Generationen die Sprache übten – Jimmy Raunga lernte sie sogar in der Schule –, aber die beiden Fremden mussten nun wirklich nicht alles verstehen, was hier an diesem Küchentisch gesagt wurde.

Der ariki von Pukearuhe sah gedankenverloren aus dem Fenster hinter der Küchenzeile und antwortete nicht sofort.

»Bist du sicher, dass es die beiden sind, von denen die Sage spricht?«, fragte er und sah seinem jüngeren Bruder direkt ins Gesicht. Tamati Waka Nene runzelte die Stirn.

Kein gutes Zeichen, dachte Maata und versuchte, die Wogen schnell zu glätten. »Ich bin jedenfalls der Ansicht, dass Whetu und ich unseren heiligen Aufgaben gerecht geworden sind. Die Schutzzauber und Bannsprüche sind noch wirksam, das spüre ich!«

Whetu nickte bestätigend.

Tamati sah von Teramati zu seiner Frau. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich sofort und wurde weicher. »Ich würde nie annehmen, dass du deine Pflichten vernachlässigen könntest, Maata. Du und Whetu, ihr versteht eure Sache viel zu gut, meine Liebe.« Er wandte sich wieder seinem Bruder zu. »Du bist der ariki. Du solltest dich in den Zeichen der Götter mindestens so gut auskennen wie ich. Du stammst genauso vom Waka Nene wie ich auch. Diese beiden jungen Leute sind göttlicher Abstammung.«

»Göttlich? Mit ihrem Aussehen?« Whetu verzog das Gesicht. »Ich kenne mich auch ein wenig mit dem Andersweltlichen aus, Schwager, aber die beiden sind nicht göttlich. Ihr Aussehen hat mit Ranginui und Papatuanuku, von denen wir alle abstammen, nichts zu tun.«

»He toa taumata rau – Mut findet man an vielen Stellen«, sagte Tamati ungerührt. »Ich rede nicht von ihrer Haar- oder Hautfarbe. Seid ihr drei blind? Die besondere Aura, die sie beide umgibt, zeichnet sie als Angehörige der Anderswelt aus. Sie konnten nur durch einen Zugang hierher gelangen, denn weit und breit gab es in letzter Zeit keine Touristen, und diese Schwindelgeschichte, die sie uns da aufgetischt haben, haben sie sich doch selbst nicht abgenommen, das war deutlich zu merken. Die beiden sind urplötzlich erschienen, also kann es nur so sein, sie sind von dort. Und eines steht fest: Keiner von uns hat diesen Zugang.«

Maata sah ihren Gatten verblüfft an. Er klang so sicher. Sie dachte an das Gespräch und daran, was die junge Frau erzählt hatte. Vielleicht hatte sie ja etwas überhört, weil sie sich zu viele Gedanken über die Frisur der jungen Leute gemacht hatte? Und sich gefragt hatte, ob die Schutzzauber noch wirksam waren? Aber dennoch, Tamati hatte Recht, dieses Abenteuergarn nahm sie Rian Bonet nach einigem Nachdenken nicht ab. Und dann diese Blicke, die sie mit ihrem vorgeblichen Freund, in Wirklichkeit aber Bruder, getauscht hatte … Sie hatten improvisiert, mehr nicht.

»Was Tamati sagt, stimmt«, äußerte sie. »Wir sollten davon ausgehen, dass die beiden aus einer anderen Welt stammen als der, die durch die Trennung von Ranginui und Papatuanuku durch ihre Kinder entstand.«

Whetu schien immer noch nicht überzeugt, doch je länger Maata darüber nachdachte, desto mehr stimmte sie ihrem Mann zu. Es wäre das erste Mal gewesen, dass er sich in diesen Dingen irrte. Die beiden Fremden verbargen etwas.

»Tamati, angenommen, du hast Recht«, sagte Teramati. »Können wir den beiden wirklich unsere heikle Angelegenheit anvertrauen? Sie scheinen so jung zu sein und keiner von unseren Ahnen hat das je geschafft, egal, wie sehr sie es versucht haben.«

Auf Tamatis Gesicht breitete sich ein wissendes Lächeln aus. »Ich bin ganz sicher, Bruder, dass es diese beiden sind, von denen die Prophezeiung sprach. Und den Grund wird Whetu dir sagen, denn es ist der Grund, der sie daran zweifeln lässt.«

Seine Schwägerin funkelte ihn zornig an. »Teramati, du weißt, ich zweifle in der Regel nicht an irgendetwas, was dein Bruder sehen kann, er ist darin einer der begabtesten Schamanen, die ich je kennengelernt habe! Aber diese beiden Fremden haben eine seltsame Aura. Es ist keine menschliche Aura. Und sie wird dazu noch schwächer. Falls es wirklich so ist, wie Tamati sagt, und eigentlich zweifle ich auch nicht daran, dass es sich so verhält, ist ihre Aura leider nichts wert.«

Tamati lachte mit einem Mal dröhnend. »Die schwache Aura ist genau das, was uns nützen wird. Denn diese Wesen waren einst unsterblich, seht ihr das nicht? Das sind sie nicht mehr, da hat Whetu absolut Recht. Und das ist genau der Köder, den wir zu unserem Zweck verwenden werden. Sie sind durch das hierher geraten, was die pakeha Zufall nennen. Aber ich wette mit euch, es ist etwas Magisches gewesen, das sie hergebracht hat, etwas, das der anderen Welt angehört. Puauta! Nur diese beiden können es betreten. Und nur diese beiden haben die Kraft, Hine-nui-te po zu besiegen!«

10.
Der Panther

Catan lief durch die Nacht. Er war schnell, schneller als die, die ihn zu jagen versuchten. Die Würmer, die aus dem Feuer kamen, die Schlangen, die unter dem Sand warteten, die Grawnyas in der Luft und die Herden wilder Cosgrachs – sie alle konnten ihm nichts anhaben. Er war der Panther. Niemand war schneller als er.

Das Kind schlief in seinen Armen. Seine Schreie hatten ihn anfangs begleitet, so regelmäßig und unablässig wie sein eigener Atem, doch irgendwann hatte es aufgehört. Vielleicht hing das damit zusammen, dass Catan begonnen hatte, mit ihm zu reden. Es waren nur Kleinigkeiten, mal ein Wort, mal eine kurze Erklärung. Der Junge war viel zu klein, um ihn zu verstehen, das wusste Catan, aber er hatte den Eindruck, dass es ihm trotzdem guttat.

Im Morgengrauen fand er neben einem Bach einen Baum mit breiter Krone. Er fütterte den Jungen mit dem frischen Wasser, dann kletterte er den Stamm hinauf und hockte sich in eine Astgabel. Unter ihm erwachte die Wüste langsam zum Leben.

»Wir nannten sie früher die Wüste der Eitelkeit«, sagte Catan. Der Junge gähnte. »Der Sand war verglast. Künstler kamen hierher und schnitten wunderbare Kunstgebilde zurecht. Der König gab mir eines als Geschenk für meine zukünftige Braut.«

Er schüttelte den Kopf. »Es liegt immer noch verpackt unter meinem Bett. Ich weiß noch nicht einmal, wie es aussieht.«

Eine Weile gab er sich den Gedanken an die Braut, die er nie gehabt hatte, hin, dann gähnte auch er.

»Aber das ist vorbei«, sagte er, während er sich mit dem Rücken gegen den Stamm lehnte. Der Junge lag in seinen Armen und betrachtete ihn aufmerksam, so als warte er auf eine Fortsetzung der Geschichte. Die Aura, die ihn stets umgab, leuchtete leicht. Er war etwas Besonderes, das spürte Catan jedes Mal, wenn er ihn ansah.

»Die Zeit hat uns eingeholt, alles hat sich geändert.« Er wandte sich von der Wüste ab, von dem schwarz verfärbten, gesplitterten Glas und den kopfgroßen Spinnen, die sich nach der kalten Nacht darauf wärmten.

»Früher war es nie kalt. Man konnte draußen schlafen ohne eine Decke. Und man wusste, wann Tag und Nacht kamen und wann es regnen würde.«

Auch das änderte sich, je näher er seinem Ziel kam. Tag und Nacht schienen sich willkürlich abzuwechseln, der Regen kam und ging. Und es regnete nicht immer Wasser. Am ersten Abend war es noch so gewesen, am zweiten war Asche aus dem Himmel gefallen, in der Nacht Blut.

»Alles ist anders«, sagte Catan leise. Er schloss die Augen. Es war der erste Schlaf, den er sich seit dem Sprung durch das Portal gönnte. Die Wüste war zu heiß, um sie bei Tag zu durchqueren. Er hätte sie umgehen können, doch das war schon vor dem, was die Gläubigen Vertreibung nannten, nicht ungefährlich gewesen.

Auch die Toten brauchen einen Ort für sich, dachte er.

»So viel Zeit ist vergangen, Junge.« Er erinnerte sich an den Tag, an dem er an die Quelle getreten war und nur ein schlammiges Loch vorgefunden hatte. Wie lange sie gebraucht hatten, um zu erkennen, dass sie zu Verlorenen geworden waren, hilflos einer tickenden, nicht aufzuhaltenden Uhr ausgesetzt. Die Gläubigen beteten um Vergebung, und als das nicht half, begannen sie einander umzubringen. Nicht so, wie Elfen es schon immer getan hatten, aus Freude am Ruhm und mit einer gewissen Lässigkeit, sondern wütend, verbissen und mit regelrecht unvorstellbarer Grausamkeit. Aus irgendeinem Grund, den er nicht verstand, schien das Wissen um die eigene Sterblichkeit den Wunsch zu erzeugen, anderen das Leben zu nehmen.

Catan war den Kämpfen aus dem Weg gegangen. Seine Schwester, die damals noch fast ein Kind gewesen war, hatte ihm ins Gesicht gespuckt, als er ihr sagte, er würde das Reich verlassen. Mittlerweile musste Brigdhe längst erwachsen sein. Catan nahm an, dass sie sich entweder dem Orden des Hammers oder den Flammenrittern angeschlossen hatte. Er wusste nicht, inwiefern sich die beiden Sekten unterschieden, und es interessierte ihn auch nicht.

»So viel Zeit.« Und wie er sie verschwendet hatte. Sein Herr hatte ihm eine Weisung erteilt, hatte ihn ausgesandt, nach der Ursache der Vertreibung zu suchen. Catan hatte seinem Befehl gehorcht, zumindest am Anfang. Durch das Reich war er gezogen, dann durch die Welt der Menschen. Unzähligen Spuren war er gefolgt, doch jede hatte zuletzt im Nichts geendet.

»Wenn du wüsstest, was ich alles gesehen habe, Junge«, sagte er. Die Blätter raschelten über ihm, als ein warmer Wind aufkam. Sie waren das einzig Grüne in der Einöde. »Ich zog über Kontinente und Ozeane. Ich kletterte auf Berge und durchquerte Wüsten, heißer als diese. Ich sprach mit Weisen und mit Narren, und am Ende fand ich einen Platz unter der Erde.«

Er war müde gewesen, so unendlich müde, als er die Ausgestoßenen fand. Sie machten ihn zu ihrem Herrscher, gaben seinem Leben einen Sinn, seinem Handeln einen Zweck. Er belohnte sie dafür, indem er sie belog und ihnen sagte, das Schicksal habe ihn zu ihnen geführt. Sie glaubten ihm und eine Weile glaubte er es sogar selbst. Catan schämte sich, wenn er daran dachte, wie sehr er seinen Herrn enttäuscht haben musste.

»Aber dann kamst du zu mir«, sagte er. »Du wirst mir meine Ehre zurückgeben, Junge.«

Junge. Kind. So nannte er Talamh. Er versuchte, nicht an seinen Namen zu denken, nicht an die Mutter, deren verzweifelte Schreie ihm durch das Portal gefolgt waren. Es erleichterte ihm den Weg und den Gedanken an das, was an seinem Ziel geschehen würde.

»Hab keine Angst«, flüsterte Catan. »Es wird schnell gehen.«

11.
Auferstehung

Unerträgliche Hitze riss Robert zurück ins Bewusstsein. Flammen tanzten vor seinen Augen. Er hing in der Luft, glaubte einen Moment, noch immer zu fallen. Erst dann bemerkte er, dass Hände ihn an Armen und Beinen festhielten. Ohne nachzudenken, trat er zu.

Jemand schrie, er wurde losgelassen und fiel in den Sand.

»Er lebt!«

»Beim Hammer des Schmieds, er lebt!« Das war Artairs Stimme.

Robert setzte sich auf. Hämmernde Kopfschmerzen ließen seine Umgebung verschwimmen. Als sich sein Blick wieder klärte, hockte der Statthalter vor ihm. Er lächelte.

»Willst du immer noch behaupten, der Schmied habe dich mir nicht geschickt?«, fragte er.

»Ich …«, begann Robert, aber Artair stand bereits auf. Hinter ihm prasselte ein Feuer. Leichen lagen darin, wurden rasch davon verzehrt. Robert schluckte, als ihm klar wurde, wie knapp er dem Tod entgangen war. Feuer bekam auch Vampiren nicht gut … glaubte er zumindest.

»Kommt alle her!«, rief Artair. Wie ein Jäger, der eine Trophäe erbeutet hatte, ging er um Robert herum. »Kommt und seht das Wunder.«

Von überall kamen Elfen gelaufen. Sie befanden sich auf der Ebene. Leichen bedeckten sie, an manchen Stellen hatte Blut den Sand rot gefärbt. Die Angreifer waren verschwunden, nur die Toten, einige brennende Katapulte und die Trümmer des Rammbocks erinnerten noch an sie.

Die Elfen bildeten einen Kreis um Robert. Die meisten schoben Schubkarren mit blutigen Waffen und Rüstungsteilen vor sich her. Dubhagan stand zwischen ihnen, die Arme vor der Brust verschränkt. Die anderen Elfen hielten Abstand von ihm. Robert sah noch einige weitere Priester, die ebenso verdreckt und hager wirkten wie er. Brigdhe hockte vor den Elfen und stützte sich auf ihren Bogen. Ihr Katzengesicht war ausdruckslos.

Artair stieß eine Schubkarre mit dem Fuß um und sprang hinauf. Er hob die Arme und das Murmeln der Menge verstummte.

»Seht ihr diesen Mann?«, rief Artair. »Seht ihr ihn?«

Einige Elfen nickten. Robert widerstand der Versuchung zu winken und blieb im Sand sitzen, die Arme auf die Knie gestützt.

Artair zeigte auf Dubhagan, befahl ihm mit einer Geste, in den Kreis zu treten. Zögernd kam der Priester der Aufforderung nach.

»Dubhagan, habt Ihr nicht selbst das Herz dieses Mannes abgehört?«

»Das habe ich, Statthalter.«

»Schlug es?« Artair war sichtlich aufgeregt. Es war der Moment, auf den er gewartet und vor dem Robert sich gefürchtet hatte.

»Nein«, sagte Dubhagan. Seine Augen zuckten. Er war dabei eine Schlacht zu verlieren und wusste es.

»Dann war der Mann also tot?«

»So schien es.« Der Priester presste die Worte heraus.

»So schien es?« Artair breitete die Arme aus. »Ist es bei den Priestern üblich, jemanden ins Feuer zu werfen, der tot sein könnte?«

Einige lachten.

»Ich kenne Euch, Priester. Ihr seid ein gewissenhafter Mann. Wenn Ihr einen Mann für tot erklärt, dann ist er es auch. Normalerweise.«

Artair machte eine Pause, dann zeigte er auf Robert. »Dieser Mann war tot und doch sitzt er hier, lebendig, auferstanden vor unseren eigenen Augen.«

Die Menge starrte Robert an. In ihren Blicken wechselten sich Neugier und Misstrauen ab. Artair hatte ihnen noch nicht gesagt, was sie von ihm zu halten hatten, also waren sie vorsichtig.

»Wie würdet Ihr das nennen, Priester?« Die Stimme des Statthalters hallte über die Ebene. Er hatte sich umgezogen. Sein Waffenrock leuchtete weiß, der helle Umhang wehte im Wind.

Dubhagan trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich weiß es nicht«, sagte er leise.

Artair legte eine Hand an sein Ohr. Er genoss die Situation sichtlich. »Ich habe Euch nicht ganz verstanden. Sicher kennt ein weiser Mann wie Ihr, der sein Leben dem Schmied gewidmet hat, die Antwort auf meine Frage.«

Der Priester schwieg. Seine Lippen waren zusammengepresst, verschwanden fast hinter seinem Bart.

Artair lächelte. »Er ist zu ergriffen, um es auszusprechen, aber ich werde es euch sagen. Man nennt es ein Wunder!«

Das letzte Wort schrie er so laut, dass einige Pferde erschrocken wieherten. »Ein Wunder!«, wiederholte er. »Der Schmied hat uns diesen Mann geschickt, damit wir mit seiner Hilfe den Feind zerschmettern!«

Elfen begannen zu klatschen. Einige berührten mit dem Daumen ihre Stirn oder knieten nieder. Brigdhe gehörte zu den Wenigen, die eher verwirrt als begeistert wirkten.

»Kommt zum Palast!«, rief Artair. »Dort werde ich euch alles offenbaren, und dann werden wir feiern. Meine Weinkeller sind die euren!«

Nun jubelten alle Elfen, sogar einige Priester. Nur Dubhagan stand reglos in der Mitte des Kreises. Artair sprang von der Schubkarre. »Du wirst das Wunder anerkennen«, sagte er so leise zu dem Priester, dass Robert ihn kaum verstehen konnte. »Und du wirst allem zustimmen, was ich offenbare. Wenn nicht, wird der Schmied einen anderen Hohepriester für diese Stadt bestimmen.«

Dubhagan schwieg, aber sein Blick flackerte hell wie das Feuer. Artair ließ ihn stehen und streckte Robert seine Hand entgegen. Der ergriff sie und ließ sich auf die Beine ziehen.

»Es wäre leichter gewesen, wenn du etwas gesagt hättest«, flüsterte Artair.

Robert hob die Schultern. »Du hast nur für ein Wunder bezahlt. Sprechende Wunder kosten extra.«

»Was?« Der Statthalter runzelte die Stirn.

»Nichts. Vergiss es.«

Die Menge ließ sie nicht aus ihrer Mitte, umgab sie wie ein Kokon, als sie sich mit langsamen Schritten dem Tor näherten. Einige Elfen versuchten Roberts Hand zu schütteln, aber er tat so, als bemerke er sie nicht.

»Wir haben also gewonnen?«, fragte er.

Artair neigte den Kopf. Seine Euphorie verschwand. »Gewonnen? Das würde bedeuten, dass wir jetzt mehr haben als vorher, aber wir haben weniger. Es sind Gebäude zerstört und Soldaten getötet worden. So ist es jedes Mal. Wir halten die Stadt, aber Stück für Stück verlieren wir sie.«

Sie gingen durch den Gang hinter dem Tor in die Stadt hinein. Soldaten liefen voraus und verbreiteten die Nachricht des Wunders. Elfen strömten in den Gassen zusammen. Eine Frau hielt ein Kleinkind hoch, damit es Robert sehen konnte.

Er verzog das Gesicht. »Und du denkst, dass ich das ändern kann?«

»Ja.« Mehr sagte Artair dazu nicht.

Als sie den Marktplatz erreichten, holten Priester gerade die Leichen von den Galgen und aus den Käfigen. Die Frau, die im Pranger gestanden hatte, war bereits verschwunden. Robert nahm an, dass man den Feiernden den Anblick ersparen wollte. Auf der Treppe zum Palast blieb er kurz stehen und drehte sich um. Ein Teil von ihm hoffte, ein Teil fürchtete, Anne und Nadja zwischen den Elfen zu sehen, aber sie schienen nicht dort zu sein. Vielleicht war ihnen tatsächlich die Flucht gelungen.

»Was ist mit deinen Begleiterinnen?«, fragte Artair. Diener zogen die Eingangstüren vor ihm auf. »Sind sie wenigstens meinem Befehl gefolgt und haben sich in Sicherheit gebracht?«

»Ich denke schon. Wir wurden getrennt, als ein Felsbrocken einschlug.«

»Dann hoffe ich, dass es ihnen gutgeht.« Die Diener schlossen die Tür hinter ihnen. Artair begleitete Robert zu seinem Zimmer und blieb davor stehen. »Frische Kleidung liegt auf dem Bett. Komm zum Eingang, wenn du fertig bist. Die Stadt möchte erfahren, was das Wunder zu bedeuten hat.«

Er drehte sich um. Robert legte die Hand auf den Türgriff, zögerte dann aber. Eine Frage ließ ihn nicht los.

»Artair«, sagte er.

Der Statthalter sah zurück.

»Glaubst du wirklich, dass ich ein Wunder bin?«

Artair schwieg. Robert dachte, er würde nicht mehr antworten und öffnete bereits die Tür, als er es doch noch tat.

»Ich glaube«, sagte er, »dass es ein Wunder ist, dass ich euch dreien zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort begegnet bin. Ob du ein Wunder bist, kann ich nicht sagen, und um ehrlich zu sein, ist es mir egal.«

Er wandte sich ab.

Robert sah ihm nach, dann betrat er das Zimmer und schloss die Tür. Er glaubte, einen Stich im Magen zu spüren, als er den Geruch nach Sandelholz wahrnahm, der immer noch in der Luft hing. Annes Jacke hing über einem Stuhl, das Schwert, das Artair ihr gegeben hatte, lehnte an einer Wand.

Ich bin allein, dachte Robert. Mühsam schlug er die Sorgen und Ängste zurück, die seinen Geist plötzlich überfielen. Er wusste nicht, was geschehen war und wo sich Anne und Nadja aufhielten. So lange sich das nicht änderte, musste er an sich selbst denken. Alles andere war Zeitverschwendung.

Ich denke schon wie ein Elf. Robert schüttelte den Kopf und ging zu dem breiten Bett. Diener hatten die Spuren der Nacht beseitigt. Die Kissen, die er und Anne zerfetzt hatten, waren ausgetauscht worden, die zerwühlten Decken hatte man geglättet. Er lächelte beim Gedanken an das, was dazu geführt hatte.

Ein helles Leinenhemd lag auf dem Bett, eine dunkle Lederhose und ein Umhang, der so glatt war, dass er zwischen Roberts Fingern durch rutschte. Stiefel standen davor auf dem Teppich. Er zog die zerrissene, blutige Jacke aus und betrachtete die Wunden, die von den Klauen gerissen worden waren, im Spiegel. Sie schlossen sich bereits und juckten nur noch ein wenig. Die Kopfschmerzen ließen ebenfalls nach.

Ist schon geil, ein Vampir zu sein, dachte er und schwor sich im nächsten Moment, diesen Satz niemals gegenüber Nadja zu erwähnen.

Er zog Hemd und Hose an, ignorierte aber den Umhang. Zu viel Freddie Mercury, entschied er. Die Stiefel waren nicht groß genug, also ließ er sie ebenfalls stehen. Dann verließ er das Zimmer. Der Geruch nach Sandelholz folgte ihm bis in den Flur.

Artair wartete bereits in der Eingangshalle auf ihn. »Wirst du zu ihnen sprechen?«, fragte er.

»Kommt darauf an.«

Der Statthalter atmete tief durch. »Auf was kommt es an?«

»Ob du mir einen Gefallen erweist, wenn ich das tu, Artair.« Robert sah durch die breiten Türen nach draußen. Der Platz war voller Elfen. »Versprich mir, dass ich danach die Stadt verlassen darf.«

»Ich soll mein Wunder aufgeben?«

»Sag ihnen, ich sei zurück in den Himmel gefahren, oder was weiß ich.«

Artair zögerte einen Moment, doch dann streckte er die Hand aus. »Also gut, du hast mein Wort.«

Robert ergriff sie. Vergeblich suchte er nach der Lüge in den Augen des Statthalters.

Er meint es tatsächlich ernst, dachte er.

Artair nickte und die beiden Diener, die draußen standen und auf sein Kommando warteten, zogen die Türen auf. Elfen begannen zu jubeln und mit Schwertern auf ihre Schilde zu schlagen. Die Neuigkeiten schienen sich herumgesprochen zu haben.

Neben Artair trat er auf die oberste Stufe der Treppe. Diener entrollten Banner von langen Fahnenstangen und richteten sie auf. Sie flatterten hoch über ihren Köpfen im Wind. Ein stilisierter Hammer inmitten eines schwarzweißen Musters war darauf zu sehen.

Artair zog sein Schwert und streckte es in die Luft. »Für den Schmied!«, brüllte er.

Der Jubel nahm zu. Elfen schrien ihm ihre Antwort entgegen, bis er das Schwert einsteckte und die Arme vor der Brust verschränkte. Die Rufe ließen nach. Es wurde ruhig auf dem Platz.

»Euer Sieg erfüllt mich mit Stolz«, begann Artair. Robert blendete seine Worte aus. Er fühlte sich unwohl im Angesicht der Menge. Die Elfen sahen ihn voller Hoffnung und Aufregung an. Der Applaus, mit dem sie auf jeden Satz von Artair reagierten, wirkte ungeduldig, sie warteten auf die große Enthüllung.

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