Kitabı oku: «Dunkler Paladin», sayfa 6

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Einen Lidschlag lang blieb Talisa der Atem weg und ihre Knie wurden weich. Ihr Sichtfeld schrumpfte auf einen Tunnel zusammen.

»Verehrte Talisa, Ihr mögt bereits ahnen, dass wichtige Angelegenheiten nach meiner Person verlangen. So sehr ich es auch will, ich kann Euch keine Gesellschaft leisten. Es gibt Angelegenheiten, in die Ihr Euch lieber nicht einmischen solltet. Abgesehen davon weiß ich bereits, dass Ihr nicht über die Informationen verfügt, die ich benötige. Demnach seid Ihr wertlos für mich.«

Seine Worte drangen in ihre Ohren, dröhnten und verursachten einen stechenden Schmerz. Ein Teil von Talisas Verstand klammerte sich an den Rest rationalen Denkens. Es ist nur ein Trick, Beeinflussung, sonst nichts, dachte sie. Doch sie konnte die Furcht nicht abschütteln, die sie in die Verzweiflung hinabzog. Unfähig, den Blick von der Maske abzuwenden, versagten ihre Beine den Dienst und sie klappte zusammen.

Plötzlich erschien Gundurlak der Menschenhändler, sein schlaffes Glied baumelte wie Gedärm unter dem Wanst. Er ließ die Schultern durchhängen und schleifte Ketten hinter sich her. Ihr Klirren rang mit dem Schnaufen Gundurlaks, der sie mit seinen Schweinsäuglein fixierte. Sie waren Knöpfe in einem Gesicht, das seine Konturen eingebüßt hatte.

»Nein … bitte, ich kann nicht mehr«, flehte Talisa auf Knien.

Firuwahr zog sein Bastardschwert und warf es vor sich auf den Boden. »Ist mir ohnehin zu schwerfällig. Tötet sie, während sie gegen die Magie ihrer Erinnerungen ankämpft«, befahl er und ging über die Landebrücke an Bord.

Sogleich ließ der arkane Bann nach und Talisa erholte sich. Ihr Blick drehte sich noch, während sie sich auf die Beine kämpfte und ihren Körper zu beherrschen versuchte. Im Wirbel der Eindrücke zuckte eine Speerspitze auf sie zu.

Kämpfe, schrie ihr Verstand. Ich kann nicht, ihr Leib.

Unvermittelt brach der Speerschaft unter einem Keulenhieb. Ein zweiter schlug Helm und Kopf zu Brei.

Schmutzbart drehte sich aus dem Angriff des verbliebenen Kriegers heraus und schmetterte ihm die Keule gegen das reche Knie. Unter Schmerzensschreien ging der Mann zu Boden und wurde augenblicklich still, als Schmutzbart ihm mit der Kraft eines Mühlsteins die Brust zerschmetterte.

»Vater Klein sagt, du hättest warten sollen«, bemerkte Schmutzbart unter schweren Atemzügen. Er schaute zur Barke hoch, die an Höhe gewann.

»Sieh nicht hin!«, alarmierte ihn Talisa. Sie selbst richtete den Blick zu Boden, die Hände auf die Knie gestützt und zerrissen in ihrem Kampfesmut.

»Vater Klein mag diese Maske nicht. Er würde sie gern kaputt machen.« Die Erwiderung Schmutzbarts offenbarte nicht mehr Raffinesse als seine anderen Kommentare, mit denen er seine Umwelt verpestete.

»Vater Klein fragt sich, wieso du ihn laufen lässt?« Schmutzbart blickte auf sie herab und schien verwirrt. Auf seiner Robe klebte Blut.

Talisa schaute zu ihm hinauf und begriff nicht, wieso die Maske keine Wirkung auf ihn gehabt hatte. Möglich, dass ihn sein Wahnsinn vor psychischen Angriffen schützte.

Nur sehr zaghaft traute sie sich, den Blick auf die Barke zu richten. »Diese Maske, sie macht etwas mit mir, dass … « Es war das erste Mal, dass sie sich geschlagen fühlte.

Gib niemals auf, lass niemals jemanden über dich triumphieren.

Sie sah Schmutzbart an, der seinen Bart oder auch den Nager darin kraulte. Wahnsinn kann eine mächtige Waffe sein.

Talisa hob ihr Bastardschwert auf und atmete durch. Mit dem Griff um ihre Waffe fühlte sie sich wieder stärker. Und sie würde sich noch stärker fühlen, sobald sie ihre Männer aus der königlichen Inhaftierung in Tilayndor befreit hatte.


»Ihrer Gaben beraubt, darben Leviathane in der Dämmerung zwischen Wachen und Schlafen. Sie teilen ihr Schicksal mit anderen mächtigen Wesenheiten, die Opfer ihrer Gier wurden.«

– Auszug aus dem Dämmerepos von Eron dem Barden.

Kapitel Fünf
Dem Tod so nahe

Khalea schmeckte Sand. Sie rappelte sich hoch und blickte der Sonne entgegen, die sich ein Loch durch die Wolkendecke gestanzt hatte. Das Meer trug Welle um Welle an den Strand, schwemmte Holztrümmer und Kisten heran. Mit den Trümmern kam die Erinnerung.

Sie verkrampfte. Ein Höllenschwamm, ein Wesen aus Legenden, ein Unsterblicher. Tentakel der Angst krochen durch ihren Verstand und ließen ihren Körper erzittern. Der Wind hatte gedreht und kühlte sie unter der feuchten Kleidung aus.

Wie lang hatte sie am Strand gelegen? Vor ihr krabbelten zwei Krebse über eine leere Weinflasche mit einer Meeresschnecke darin. Sie bedrohten sich mit ihren Scheren und stritten um die Beute.

Khalea knüpfte sich den Mantel zu und taumelte los. Unter ihren Füßen konnte sie den Sand spüren, so dünn waren ihre Sohlen. Neue Schuhe wären gut, vielleicht auch ein Gürtel, der die Hanfschnur um ihre Taille ersetzen würde. Wie hatte das alles passieren können? Unsterbliche, Kampfpriester, Firuwahr … Alles überschlug sich und wollte nicht zum Stillstand kommen.

Keine Zeit zum Verschnaufen, keine Zeit zum Innehalten.

Das Meer hatte sie wieder an Land gespült – irgendwo, wo es keine Schiffe mehr gab. Links war eine Steilwand, rechts die See, die unablässig Trümmer an den Sandstrand trug.

Bis hierher hatte Khalea viele Opfer gebracht und es waren immer noch nicht genug. In zwanzig Schritten Entfernung erblickte sie einen Körper, gehüllt in einen Mantel aus Indigo. Ohne Regung lag er auf dem Bauch, die Gischt der Wellen zupfte an seinen Stiefeln.

In Khalea regte sich die Diebin. Bootsnieten stachen ihr in die Fußsohle, während sie sich dem Menschenbündel näherte. Sie fischte eine Latte aus dem Sand und hob den Umhang hoch. Mehrere Schnitte und Schürfwunden bedeckten Finns fahles Gesicht. Die Lippen waren bläulich, die Lider geschlossen. Eine Platzwunde prangte unter seinen kurzen silbrigen Haaren und Blut sickerte aus einer Schnittwunde in seiner Flanke. Was es auch war, das ihn dahingerafft hatte, sein Amulett mit dem Flammenschwert hatte ihn davor nicht bewahrt.

Sie hob sein rechtes Bein und wollte den Stiefel fleddern, da meinte sie ein Röcheln zu hören. Khalea setzte seinen Fuß ab und legte ihm zwei Finger an den Hals. Schwach. Sehr schwach. Aber es steckte noch Leben in dem Kampfpriester. Sie überlegte kurz, dann zog sie ihm die Schuhe aus und den Gürtel ab. Er war selbst schuld. Jeder wählte sein eigenes Schicksal. Sie überließ ihn den Krabben und fand eine abgewetzte Steintreppe, die durch die Steilwand nach oben führte. Seltsam, dass sie die Treppe bei ihrem ersten Besuch an der Trümmerküste übersehen hatte.

Über ihr lag die Antwort. Brombeerbüsche hatten ein Dach über dem Aufgang gebildet. Von oben konnte niemand die Passage zur Bucht erkennen. Auf den letzten Stufen kämpfte sie sich durch Zweige und Dornen, die ihre Arme, Kapuzenrobe und ihre Haut zerkratzten. Gefühlt dauerte es eine Stunde, bis sie sich nach oben freigekämpft hatte.

Sie stand im Wäldchen, wo sie Flöckchen zurückgelassen hatten. War das Biest hier? Würde es Jagd auf sie machen? Sollte es doch, mit ihrem kalten, klammen Körper würde es kein Festmahl werden. Aus dem Dickicht drang ein Rauschen an ihr Ohr. Ein Fluss? Sie stakste durch weitere Dornenbüsche und fand einen Bach. Khalea beugte sich hinunter und wusch sich den Sand aus dem Gesicht. Nach ein paar Schlucken verging das krustige Gefühl an ihrem Hals und sie glaubte, weiter unten am Wasser eine Kate zu erkennen.

Sie schlich an die geschlossenen Läden und blickte durch die Schlitze. Alles wirkte verlassen. Geräuschlos hebelte sie die Läden mit ihrem Messer auf und schlüpfte hinein. Eine Spinnenmetropole hatte sich über allem ausgebreitet, deren Netze sich vom schmalen Bett, über Tisch, Stühle und Truhe bis hinein in den kleinen Kamin spannten. Khalea nahm trockene Zweige vom Holzstapel daneben und wickelte die Spinnweben auf. Dann nahm sie ein Zunderholz vom Kaminsims und zündete die Zweige an. Überall flüchtete Krabbelgetier in Ecken und Nischen und versuchte dem Feuer zu entgehen.

Khalea legte die improvisierte Fackel unter einen Kessel mit trüber Flüssigkeit in den Kamin und blies, bis die Flammenzungen über die Zweige tanzten.

Das Feuer fraß sich durch das Holz und vertrieb nur müßig die Kälte in der Kate.

Khalea hielt ihre Hände über die Flammen und rieb sich Gefühl in die Finger. Mit der Rückkehr des Lebens in ihren Gliedern krochen ihre Gedanken zu Finn, dessen Lebensfunke an der Trümmerküste erlosch.

»Verflucht!«

Er ist ein Kampfpriester, ein Blender. Keiner braucht ihn.

»Verflucht!«

Die anderen sind mir egal. Das waren sie schon immer, Randfiguren in meinem Leben, nicht mehr als Schlaglichter am Wegesrand.

»Verflucht!«


Am Abend prasselte Feuer im Kamin und belebte die Kate, ließ Schatten in seinem Lebensrhythmus an den dunkel gebeizten Bretterwänden tanzen, während Wasser im Kupferkessel über der Feuerstelle dampfte.

Khalea hatte alle Decken und Kissen, die sie in einer Truhe hatte finden können, auf Finn gepackt und seine Wunden mit frischen Blättern und zerstoßenen Kräutern versorgt. Im Wald konnte man vieles finden, wenn man wusste, wonach man suchen musste. Heilerin war sie trotzdem nicht.

Sie inspizierte sein Gesicht. Trotz des Feuers und der Wärme fehlte ihm noch immer jegliche Farbe. Sie hatte schon Leute an weniger sterben sehen.

»Verdammt!«

Khalea löste den Knoten ihres Hanfseils, zog sich aus und schlüpfte nackt unter die Flachsdecken auf dem schmalen Bett. Sie hätte sich auch neben einen Eisklotz legen können, so kalt war er. Er zitterte am ganzen Leib. Und überall an ihm klebte Sand und Dreck. Sie schmiegte sich an seinen Körper und versuchte, ihm so viel Wärme wie möglich zu spenden.


Das erste, was Finn fühlte, war die Kälte, die ihm die Wärme seines Blutes entriss. Und weil sein gesamter Körper im Sterbebett zitterte, rollte er sich zu einer Kugel zusammen, zog die Flachsdecken an seinen Leib und versuchte, jedes Quäntchen Wärme aus ihnen herauszupressen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so sehr gefroren zu haben. Die Kälte nahm seine Gedanken ein, doch am Rande seines Bewusstseins nahm er wahr, dass er nicht allein war.

»Gratulation, du hast die Nacht überlebt«, sagte Khalea. Funken stoben hoch, als sie einen Holzscheit in die Glut bugsierte. »Das Schlimmste steht dir noch bevor. Ich hoffe, deine Götter haben Erbarmen und geben dir noch mehr Zeit im Diesseits.«

Finn hatte keine Kraft, sich auf dem Bett zu drehen, geschweige denn, seine Gliedmaßen zu kontrollieren. Er öffnete den Mund und wollte fragen, was sie damit meinte, doch seine Zähne klapperten so heftig aufeinander, dass nur ein Stöhnen seine bläulichen Lippen verließ.

»Die Wunde an deiner Seite sieht nicht gut aus. Ich habe sie gereinigt, aber es kann zu Wundbrand kommen. Du wirst wegdämmern, unter Hitze und Fieber leiden, dann wird dir das Frösteln fehlen.« Sie erklärte es ihm so trocken, als würde sie eine Materialliste durchgehen.

Finn versuchte, ihre Worte aus dem Geklapper seiner Zähne zu entwirren. Eine Wunde. Bin ich verletzt?, dachte er. Ihm fehlte das Gefühl für Schmerz. Sein Körper war taub, zu Eis gefroren. Bruchstücke des Geschehens schlugen in sein Bewusstsein. Ein Kampf auf dem Schiffsfriedhof … der Unsterbliche. Schmerzen breiteten sich in seinem Körper aus und krochen durch seine Adern in alle Glieder. Schiffswracks drehten sich um ihn herum, Tentakel zuckten und über allem schwebte das Geschnatter einer uralten Wesenheit, bis er am Scheitelpunkt des Schmerzes das Bewusstsein verlor.


Khalea goss den Sud aus dem Kessel in eine Schüssel und gab zerstoßene Wurzblüten dazu, die nicht nur Geschmack, sondern auch eine heilende Wirkung besaßen.

Sie trat ans Bett und wickelte Finns Kopf aus den Decken. Die Blässe war nicht gewichen und würde er nicht zittern, hätte sie ihn für tot erklärt. Beim Abnehmen des Verbands von der Wunde kam ihr ein süßlicher Geruch der Infektion entgegen, die sich bereits über die Ränder fraß. In ihrem Leben hatte sie schon einige Schnitte und Verletzungen gesehen, genug um zu wissen, dass diese hier auf dem besten Weg war, sich zu Wundbrand zu entwickeln. Sie säuberte die Verletzung mit einer auf dem Feuer erhitzten Messerspitze und feingehackten Wurzblüten, so wie es ihr Großvater ihr beigebracht hatte. Dann bastelte sie aus Stofffetzen einen improvisierten Verband, dennoch war sie sich nicht sicher, ob ihre Maßnahmen fruchten würden.

Was tue ich hier? Und für wen, fragte sie sich. Khalea atmete kurz durch und versuchte, den Verband mechanisch anzubringen, denn Grübeleien brachten niemanden weiter.

Nachdem sie ihn wieder in die Decken eingewickelt hatte, prüfte sie Finns Bekleidung, die zum Trocknen an einem Haken über dem Kamin hing. Der Umhang war schon trocken, die Baumwollunterbekleidung brauchte noch Zeit. So zerschlissen wie die Sachen aussahen, so fühlte sie sich innerlich. Khalea setzte sich gegenüber von Finn neben den Kamin hin, zog die Beine an die Brust und legte ihr Kinn auf die Knie. Für eine Weile lauschte sie dem hypnotischen Knistern des Feuers und war nicht fähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Sie war eine leere Hülle, eine Tonform von sich selbst, die sich langsam mit etwas füllte, das Khalea schwer ums Herz werden ließ. Während sie noch eine Weile mit stumpfem Verstand dem Flüstern des Feuers lauschte, kamen ihr die Tränen.


Finn wechselte zwischen Wach- und Dämmerzustand hin und her. Er glaubte sich erinnern zu können, dass er Schmerzen litt und es irgendwo ein Bett gab, vielleicht Decken und Kissen, Khalea, die wie ein Geist um ihn schwebte … und dann war da noch dieses Feuer. Es brannte … fraß sich durch seinen Körper. Mit jedem Herzschlag gab es eine Explosion flammender Schmerzen, die im Funkenregen aus Indigo zu einem Universum aus Sternen emporstiegen und ihn mit nach oben rissen. Am Scheitelpunkt seines umgekehrten Falls hatte er das Gefühl zu schweben, während Höhenluft sein Gesicht angenehm kühlte. Dann zog es ihn wieder mit unerbittlicher Gewalt nach unten. Er presste die Zähne zusammen und atmete stoßweise, zu mehr war er nicht fähig. Erinnerungsfetzen seines Lebens rauschten an ihm vorbei. Worte echoten so oft in seinen Ohren, bis sie jeglichen Sinn verloren und wieder in Vergessenheit gerieten. Er suchte in Gedanken nach etwas Festem, einem Fetzen, so klein er auch sein mochte – und fand ihn. Einen Funken aus Indigo.

Mit der Verzweiflung eines Ertrinkenden griff er nach ihm und stabilisierte seinen Fall. Erneut drangen Worte zu ihm durch, die er wiederholte, aber bevor er sie verstand, fegte eine Hitzewelle sie weg und erstickte alles Sein im Nichts.


Es schmeckte bitter und brannte in ihrer Kehle. Khalea hatte das Gefühl, die ganze Welt zu erbrechen. In Stößen pumpte ihr Magen den Fisch wieder hoch, den sie sich am Mittag aus dem Fluss geangelt hatte. Das erste, was sie je selbst gefischt hatte, lag nun teilverdaut auf dem Boden, während das letzte Strahlen der Sonne in dem Erbrochenen glänzte. Sie wischte sich mit dem Ärmel die Säure von den Lippen und ließ sich gegen die knirschende Bretterwand der Kate sacken.

Beim Betreten der Kate meinte sie, ihren Augen nicht trauen zu können.

Finn hatte sich aufgerichtet und rieb sich den Nacken. Er sah etwas zerknirscht aus, nichts, was man nicht mit Wasser und einer Rasur wieder hinkriegen konnte.

»Hast du noch immer keine Angst, dass ich dich ausliefern könnte?«, fragte er mit kratziger Stimme.

»Gestern hast du noch gezittert und heute machst du einen auf starken Krieger? Du hättest ruhig schon früher aufstehen können, das hätte mir viel Arbeit erspart!«, frotzelte Khalea. Sie wollte sich nicht die Blöße geben, ihm zu zeigen, dass sie sich freute, ihn am Leben zu sehen. Einsamkeit hatte ihr nie viel ausgemacht, aber sie musste sich eingestehen, dass sie schon zu lang auf sich allein gestellt war.

»Wie lange war ich weg?«

»Zwei Tage, zwei Nächte. Ich werde dir das in Rechnung stellen.«

»Viel zu lange! Was ist mit dem Höllenschwamm?«

»Der hat sich verkrochen, nachdem du ihn angekokelt hast.«

»Dann ist gut«, meinte Finn und verlor sich im Tausendmeilenblick. »Ich muss meine Aufgabe erledigen, der Großmeister verlässt sich auf mich.«

»Und jetzt?«

»Ich muss Wolfsblut Meena finden.«

Khalea nickte in Richtung seiner Wunde. Dann sah sie auf den Boden, wo der Verband lag. Eine eitergrüne Paste klebte an ihm. Sie trat an Finn heran und drückte ihm in die Seite.

»Au, verdammt, lass das!«, schrie Finn und zuckte von ihr weg.

»Hab dich nicht so.« Sie ließ sich nicht beirren und fingerte weiter herum. »Ich wusste nicht, dass ihr Kampfpriester solche Mädchen seid.«

Finn schob ihre Hand weg. Bevor er etwas sagen konnte, klatschten ihm bereits seine Klamotten ins Gesicht.

»Die dürften jetzt trocken sein. Den Plattenharnisch solltest du flicken lassen.«

»Kannst du dich umdrehen, damit ich mich anziehen kann?«

»Ich habe schon alles gesehen. Was glaubst du, wer dich gepflegt hat, die heilige Henne?«

Er schob die Decke beiseite und zog sich an, während er hin und wieder vor Schmerz das Gesicht verzog. »Was hat es mit diesem Turmalinsplitter auf sich?«

Khalea gab Farnkraut in den Kupferkessel und rührte ihn mit einem Stock in den Sud, damit entzog sie sich der Antwort, die ihr selbst Kopfzerbrechen bereitete. Ein Tee würde helfen, ihre Gedanken zu sortieren. »Der alte Leuchtturm«, wechselte sie das Thema.

»Welcher Leuchtturm?«

»Du hast mir bei meiner Suche geholfen und jetzt helfe ich dir bei deiner. Wolfsblut Meena oder Schwester Meena, wie du sie nennst, lebt im alten Leuchtturm an der Trümmerküste, eine halbe Tagesreise zu Fuß entfernt.«

Finn stand auf und griff nach der Lahras, die neben dem Kamin ruhte. »Gut. Ich suche Flöckchen und dann fliegen wir. So sparen wir Zeit.« Er warf einen Blick durch das Fenster. »Es dämmert. Ich will vor Einbruch der Nacht dort sein.«

»Ich habe geahnt, dass du das sagen würdest. Dieses Vieh wartet seit gestern hinter der Kate. Keine Ahnung, wie es dich gefunden hat, aber es scheint einen Narren an dir gefressen zu haben«, erwiderte Khalea. Sie mochte das Tier nicht. Es hatte Reißzähne und Eigenheiten, die einem die Nackenhaare zu Berge stehen ließen. Wenn es schlief, konnte man nicht daran vorbeigehen, ohne dass ein Augenlid hoch flatterte und die Nickhaut darunter sichtbar wurde. Es wirkte wach, obwohl es schlief.


Finn zog die Halskette nach rechts und ließ Flöckchen in einen Sinkflug um den Leuchtturm gleiten. Großlaibs Firmament mit seinem Heer aus Sternen glänzte, spiegelte sich auf dem Ozean, dessen Wellen an die schroffe Felsküste unter dem Leuchtturm brandeten. Finn wunderte sich nicht, dass oben in der Leuchtkammer kein Licht brannte, der Schiffsfriedhof hatte schon erahnen lassen, dass hier niemand mehr die Kapitäne vor der Gefahr warnte.

Finn landete mit Khalea am Waldsaum und ließ Flöckchen freien Lauf, damit sie sich zwischen den Bäumen ihr Nachtmahl jagen konnte.

Khalea grummelte etwas von Schuppen und Nickhäuten, während sie Flöckchen nachsah.

Sie standen nur einen Steinwurf vom Leuchtturm entfernt und nahmen das alte Gebäude in Augenschein.

»Sieht unbewohnt aus«, bemerkte Finn und kratzte sich die Oberlippe mit Daumen und Zeigefinger. »Sicher, dass sie hier leben soll?«

»Ich war gestern erst zum Kuchenessen bei ihr. Wir haben Tee getrunken und einen Plausch gehalten. Schon mal daran gedacht, dass Menschen mit dem Beinamen ›Wolfsblut‹ auch wölfisch leben?«

Finn prüfte den Sitz seiner Lahras, zog seinen Umhang glatt und straffte den Rücken, dann machte er sich auf den Weg. Er trat zwischen dem Kies auf die Grasbüschel, um möglichst wenig Geräusche zu verursachen. Über zwei Granitstufen gelangte er an die Tür, die aus ein paar stümperhaft zusammengezimmerten morschen Brettern bestand.

Er klopfte und lauschte, aber außer dem Meeresrauschen und dem Rascheln der Bäume hinten am Waldsaum hörte er nichts.

Niemand öffnete.

Finn fasste sich ein Herz und stieß die Tür auf.

Großlaibs Licht flutete durch Sichtschlitze ein gewendeltes Treppenhaus mit glatten Stufen, über die der Wind mit einem Pfeifen nach oben fuhr.

Er wartete, bis auch Khalea drinnen war, zog seine Lahras und ging nach oben. Obwohl das Gebäude verlassen wirkte, musste es nicht verlassen sein. Jeder Schritt brachte sie höher und spitzte seine Aufmerksamkeit zu.

Oben angelangt, war er enttäuscht. Ein Stapel Trockenholz ruhte an der Mauer eines kleinen Raums. Tisch, Stuhl und auch die Wände waren beladen mit brüchigen Landkarten, deren lose Enden in der Zugluft wogten. Sonst gab es nichts zu sehen.

Finn bestieg auf der anderen Seite eine Holztreppe und schlüpfte durch die Luke in die Leuchtkammer. Außer einer Feuerschale und milchig angelaufenen Bleiglasfenstern war sie leer. Also ging er ans Fenster und blickte auf das Meer hinaus, dem er seit der Begegnung mit dem unsterblichen Höllenschwamm nie wieder sorglos begegnen würde.

»Was ist das?«, flüsterte Khalea, die bereits hinter ihm stand.

Er drehte sich zu ihr und folgte ihrem Blick landeinwärts. Unten, am Waldsaum, bewegte sich etwas. Für einen Moment blitzten nachtaktive Augen auf.

»Riesenwölfe«, wisperte Khalea.

»Sicher?«

»Diese Tiere vergisst man nicht. Mein ehemaliger Meister, Firuwahr, hat sich eines seiner Geschäfte mit einem Riesenwolf bezahlen lassen. Das Tier lag Stunden ohne einen Mucks im Käfig, bis ein Diebeskollege auf die Idee kam, ihn zwischen den Gitterstäben hindurch streicheln zu wollen. Wahrscheinlich putzt er sich noch heute den Hintern mit einer Hakenhand ab.«

»Bei den Verfluchten Sieben«, raunte Finn. »Sonst trauen die sich nicht so nah an Menschen heran. Sie müssen ausgehungert sein.«

»Mach mir ruhig Mut. Kommen die hier hoch?«

»Nein, sie betreten keine Gebäude. So lange wir hier sind … Flöckchen!«

»Du wirst dir doch keine Gedanken um dieses Reptil machen? Kann es sein, dass du noch Fieber hast?«

»Bleib du hier in Sicherheit. Ich muss nach Flöckchen sehen, sonst dreht mir Bruder Malesen den Hals um.«

»Du willst da jetzt echt rausgehen?«

Finn wartete keine weitere Sekunde und eilte zum Treppenhaus. Schon nach zwanzig Stufen wehrte sich sein Gleichgewichtssinn gegen den Drehwurm, der ihn leicht schwindeln ließ.

Unten angelangt, riss er die Tür auf und spähte zum Waldsaum.

Vier Nachtaugen leuchteten ihn an, während sich eine dunkle Silhouette zwischen ihnen bewegte.

Finn ging in die Knie und sprach die Kraftbitte. »Dunkelheit naht o Herr, verleihe mir das Feuer, um gegen sie zu bestehen.«

Er erhob sich mit flammender Klinge und setzte darauf, dass die Macht des Indigos die Herzen schwacher Geister und vor allem die der Tiere in Angst versetzen würde.

Zu seiner Überraschung zeigten sich die Riesenwölfe weder beeindruckt noch sonst in irgendeiner Form überrascht. Stattdessen behaupteten die beiden Tiere ihre Stellung, während der Wind ihr Knurren an Finns Ohren herantrug. Das Schicksal machte sich über ihn lustig, indem es ihm Kräfte gegen Dämonen und Magie verlieh, ihn aber gegen einen Meeresschwamm, Riesenwölfe und Khalea, deren Sticheleien reine Folter darstellten, in Kämpfe schickte, in denen ihm seine Gebete wenig nützten.

Finn verbannte den Frust aus seinen Gedanken und wog seine Optionen ab. Wenn er sich in die Tür stellte, konnte er nur von vorn angegriffen werden, was die Chancen ausgleichen und ihm Deckung verleihen würde. Mit etwas Glück stieß Flöckchen zu ihm, wenn sie noch lebte, andererseits waren manche Wesen so hässlich, das nicht einmal der Tod sie holen wollte.

Eine Windbö rauschte an ihm vorbei und zerrte an seinem Umhang. Zwischen den Wölfen erstrahlte indigofarbenes Licht und schälte eine Frau aus der Dunkelheit, die einen flammenden Morgenstern in der rechten trug. Beide Riesenwölfe kauerten sich neben sie und verstummten.

Finn fühlte Erleichterung. Er hatte sie gefunden, Schwester Meena.


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