Kitabı oku: «Internationales Franchise-Recht», sayfa 10
e) Zwingende oder dispositive Verpflichtung?
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Die Informations- und Aufklärungspflichten können im weitesten Sinne dem vorvertraglichen Pflichten- und Haftungssystem zugeordnet werden.56 Sie sind Ausdruck der besonderen Treuepflichten zwischen den Vertragsparteien, die auch beim Begründen von Franchiseverhältnissen charakteristisch sind.57 Die gesetzlichen Regelungen enthalten keine Ausnahmen, sodass festgehalten werden kann, dass die Informations- und Aufklärungspflichten – als Ausfluss der besonderen Treueverpflichtung – in der vorvertraglichen Phase zwingend zu beachten sind und das Nichterfüllen stets auch zu Haftungssituationen führt.
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Allerdings lässt sich der Haftungsumfang durch vertragliche Regelungen beeinflussen, indem z.B. die Haftung für unvollständige oder unrichtige Angaben im Rahmen der Franchisevereinbarung ausgeschlossen wird.58 Eine derartige Haftungsbeschränkung ist nach spanischem Recht aufgrund der Vertragsfreiheit grundsätzlich möglich, jedoch nur in begrenztem Maße – ein vollständiger Haftungsausschluss soll gerade nicht möglich sein.59 Als Grund wird Art. 1102 Real Decreto vom 24.7.1889 angeführt. Hiernach bleibt eine Haftung wegen eines bewussten, d.h. vorsätzlichen Fehlverhaltens (z.B. bewusst unrichtige Angaben seitens des Franchise-Gebers) trotz einer vertraglichen Ausschlussklausel auch weiterhin durchsetzbar.60 Da dem Franchise-Geber ein Wissensvorsprung hinsichtlich der gewährten Informationen unterstellt wird, soll Art. 1102 Real Decreto vom 24.7.1889 zumeist einschlägig sein.
f) Informations- und Aufklärungspflichten in verschiedenen Vertragsphasen?
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Mit Blick auf die gesetzlichen Regelungen zu den Informations- und Aufklärungspflichten in Art. 62 Abs. 3 Ley 7/1996 und Art. 3 Real Decreto 201/2010 ist festzustellen, dass sich die Regelungen ausschließlich auf vorvertragliche Informations- und Aufklärungspflichten beziehen und demnach bloß in der vorvertraglichen Phase einschlägig sind. Vorschriften, die eine Aktualisierung der Informationen nach Übergabe an den potenziellen Franchise-Nehmer fordern, bestehen nicht.
g) Rechtsfolgen bei Verletzung vorvertraglicher Informations- und Aufklärungspflichten
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Werden die vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten missachtet beziehungsweise verletzt, liefern die speziellen Regelungen zum spanischen Franchise-Recht keine Hinweise auf die Rechtsfolgen oder Handlungsmöglichkeiten für den (geschädigten) Franchise-Nehmer. Insofern ist auf die allgemeinen Vorschriften des Ley 7/1996 und des Real Decreto vom 24.7.1889 zurückzugreifen.
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Infolge eines Verstoßes gegen die vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten kann der Franchise-Nehmer ein Zivilgerichtsverfahren gegen den Franchise-Geber einleiten,61 mit dem Ziel, die Nichtigkeit des Franchisevertrags gemäß Art. 6 Abs. 3 Real Decreto vom 24.7.1889 i.V.m. Art. 62 Ley 7/1996 aufgrund eines Verstoßes gegen Gesetzesrecht herbeizuführen.62
Art. 6 Abs. 3 Real Decreto vom 24.7.1889
Handlungen, die gegen zwingendes (geschriebenes) Recht verstoßen und verboten sind, sind nichtig […].
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Des Weiteren ist die Aufhebung des Vertrages nach Art. 1265 ff. Real Decreto vom 24.7.1889 wegen wesentlicher Mängel – ebenfalls nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts – möglich.63 Dazu hat der Franchise-Nehmer neben der fehlenden Information/Aufklärung nachzuweisen, dass er den Franchisevertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn ihm die vollständigen und korrekten Angaben vorgelegen hätten.64
Art. 1266 Real Decreto vom 24.7.1889
Für die Ungültigkeit aufgrund fehlender Zustimmung muss der Kerngehalt des Vertrages betroffen sein oder die wesentlichen Bedingungen, aufgrund derer der Vertrag geschlossen wurde.
Der Fehler einer Person darf nur zur Ungültigkeit führen, wenn dies als Hauptursache gilt.
Der einfache Mangel führt nur zu seiner Korrektur.
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Sollte die Nichtigkeit des Franchisevertrags festgestellt werden, ist dieser rückwirkend, d.h. von Anfang an (ex tunc) unwirksam und muss rückabgewickelt werden. Sollte es zur Aufhebung des Franchisevertrags kommen, endet seine Wirksamkeit mit Abgabe oder Zugang der Aufhebungserklärung (ex nunc), d.h. in die Zukunft gerichtet.65 Für Schäden, die der Franchise-Nehmer aufgrund der Pflichtverletzung erlitten hat, besteht bei beiden Varianten die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche gegen den Franchise-Geber geltend zu machen.66
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Es ist darauf hinzuweisen, dass die Verletzung der vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten daneben zu administrativen Sanktionen (Ordnungsstrafen) führen kann. Dies ist Folge der Vermengung von öffentlich-rechtlichen (Art. 62 Abs. 2 – Registrierung des Franchise-Gebers) und privatrechtlichen (Art. 62 Abs. 3 – vorvertragliche Informations- und Aufklärungspflichten) Vorschriften in Art. 62 Ley 7/1996.67 Dadurch bekommt Art. 62 Ley 7/1996 auch einen öffentlich-rechtlichen Charakter, wodurch administrative Sanktionen möglich sind.68 Sowohl natürliche Personen wie auch das Ministerium für Industrie, Tourismus und Handel können ein Verfahren vor den spanischen Verwaltungsgerichten einleiten.69 Nach Art. 68 Abs. 3 Ley 7/1996 können leichte Verstöße gegen Art. 62 Abs. 2 zu einer Strafe in Höhe von 6.000 EUR, bei wiederholten Verstößen bis zu 30.000 EUR führen.70 Beträgt der Umsatz des Franchise-Gebers mehr als 600.000 EUR, dann ist bei der Missachtung des Art. 62 Abs. 3 eine Sanktionierung von bis zu 900.000 EUR möglich.71
h) Beteiligung von Dritten
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In Spanien sind spezielle Schiedsgerichte eingerichtet, die Streitigkeiten aus Franchiseverträgen behandeln.72 Hauptvorteile des Schiedsverfahrens sind, dass der Schiedsspruch zeitlich schnell (innerhalb von sechs Monaten nach Beginn des Verfahrens) gefällt wird und dass sich diese Schiedsgerichte ausschließlich mit Streitigkeiten aus Franchisevereinbarungen beschäftigen und daher über eine hohe Sachkompetenz verfügen.73 Das Schiedsverfahren kann in einem Auflösungsbeschluss als anerkannte Alternative zur Vertragsauflösung enden, sofern die Vertragsparteien dies zuvor vereinbart haben.74
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Die Problematik bei der Einbindung der Schiedsgerichtsbarkeit ist, insbesondere im Hinblick auf die nun folgende rechtswissenschaftliche Analyse, dass die Schiedssprüche regelmäßig der strengen (und sanktionierten) Geheimhaltung unterliegen, sodass deren Inhalte verborgen bleiben.
3. Rechtswissenschaftliche Analyse
a) Gesetzeszweck
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Zu Beginn der rechtswissenschaftlichen Analyse ist nochmals auf den Gesetzeszweck einzugehen. Der spanische Gesetzgeber hat mit der Normierung der vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten der Gefahr des Missbrauchs der Vertriebsform Franchise entgegen wirken wollen und deshalb Schutzvorschriften für den Franchise-Nehmer erlassen.75 Erklärtes Ziel war die Bereitstellung eines den Franchise-Nehmer schützenden Systems, in welchem die Informations-Asymmetrie ausgeglichen und der Franchise-Nehmer in die Lage versetzt werden sollte, eine freie und informierte Entscheidung treffen zu können.76 Selbst wenn eine vorvertragliche Auskunftspflicht in Spanien bereits vor Existenz der kodifizierten Regelungen anerkannt war und die Pflicht bestand, während der vorvertraglichen Phase eines Franchiseverhältnisses der anderen Partei die für sie relevanten Informationen mitzuteilen, sofern sie ihren Ursprung in der Natur eines Franchisevertrages hatten,77 sollte diese Verpflichtung mit dem Gesetz einen konkret definierten Maßstab erhalten.78 Dieses Ziel wurde allerdings mit den geschaffenen gesetzlichen Vorgaben nicht vollumfänglich erreicht, da die kodifizierten Regelungen neue Probleme und Unsicherheiten hervorbrachten.79 Wie im Folgenden noch zu sehen sein wird, legen die Regelungen eben nicht eindeutig fest, zu welchen Folgen ein Verstoß gegen die Informations- und Aufklärungspflichten führen kann,80 beziehungsweise welche Normen bei einer Missachtung der Pflichtenlage Anwendung finden. Dies wiederum ist der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit wenig zuträglich.
b) Rechtsprechungsanalyse
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Zur Beurteilung der spanischen Vorschriften zum Franchise-Recht kann eine detaillierte Analyse der hierzu ergangenen Rechtsprechung hilfreich sein.
aa) Analyse der Rechtsstreitigkeiten
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Die meisten Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Vertriebsform Franchise werden vor Landgerichten (Audiencia Provincial) – zumeist als Berufungsgerichte – entschieden.81 Die Verletzung der vorvertraglichen Informationspflichten durch den Franchise-Geber ist dabei ein durchaus gängiges Problem, mit welchem sich die Gerichte zu befassen haben.82 In Anbetracht fehlender Rechtsprechung des Obersten Spanischen Gerichtshofes findet man jedoch völlig unterschiedliche Entscheidungen der Landgerichte.83 Ein einheitliches Bild ergibt sich daher nicht, selbst ein Clustern der Gerichtsentscheidungen nach ihren Besonderheiten kann nur schwer vorgenommen werden. Im Folgenden soll daher anhand von Auffälligkeiten differenziert werden.
(1) Gerichtliche Argumentation ohne Bezugnahme auf die kodifizierten vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten
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Dass die gesetzlichen Regelungen den beabsichtigten Schutz des Franchise-Nehmers nicht vollumfänglich gewährleisten, kommt vor allem darin zum Ausdruck, dass die Gerichte bei ihrer Argumentation – selbst im Rahmen jüngerer Entscheidungen – zumeist nicht auf die kodifizierten Informations- und Aufklärungspflichten aus Art. 62 Abs. 3 Ley 7/1996 und Art. 3 Real Decreto 201/2010 eingehen, sondern vielmehr die allgemeinen Regeln zum Vertragsrecht heranziehen.84
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Selbst im Falle, dass sich die Franchise-Nehmer vor Gericht auf die Anwendung der kodifizierten vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten berufen, beruht die sich anschließende gerichtliche Entscheidung nicht auf den Sonderregelungen, sondern auf dem allgemeinen Vertragsrecht.85 Die Gerichte bestätigten daher weder, dass die normierten vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten für eine wissentliche und informierte Entscheidung ausreichend sind, noch inwiefern beziehungsweise inwieweit die in den Informationen enthaltenen Angaben wahrheitsgemäß sein müssen.86 Insofern werden immer wieder Prozesse mit denselben Inhalten angestrengt.
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Als Beispiel mögen die Entscheidungen des Landgerichts Valencia vom 17.1.2001,87 des Landgerichts Teruel vom 24.10.200188 und des Landgerichts Burgos vom 11.2.2002 dienen.89 Dabei handelt es sich insgesamt um Entscheidungen, die die gesetzlich normierte Pflichtenlage in ihren Begründungen außer Acht lassen, obschon hier eine in Bezugnahme möglich gewesen wäre. Daneben existieren aber auch Entscheidungen, in denen sich weder das Gericht noch die Franchiseparteien selbst auf die Anwendung der speziellen vorvertraglichen Pflichten berufen, so beispielsweise in der Entscheidung des Landgerichts Albacete vom 18.10.2013.90
(2) Gerichtliche Entscheidungen zu Umsatzprognosen
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In Spanien herrscht zum Teil Unsicherheit darüber, welche Angaben zu den Pflichtangaben der vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten zählen und welche nicht, beziehungsweise in welchem Umfang sie zu leisten sind. Insbesondere bei Angaben zum prognostizierten Umsatz fehlt eine klare Linie.
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Vor dem Landgericht Valencia klagte z.B. ein Franchise-Nehmer, da nach seiner Auffassung die vom Franchise-Geber erhaltenen Informationen zum prognostizierten Umsatz nicht mit den Vorgaben des Real Decreto 201/2010 übereinstimmten. Mit Urteil vom 17.1.200191 wies das Gericht die Klage ab, ohne allerdings auf die Vorschrift aus dem Real Decreto 201/2010 Bezug zu nehmen. Als Begründung führte es lediglich aus, dass die streitgegenständliche Umsatz-Prognose nicht auf „Studien oder Erfahrungen“ des Franchise-Gebers beruhe und daher das Risiko des Nichterreichens der nur „geschätzten“ Umsatzzahlen der Franchise-Nehmer zu tragen habe.92 Diese Entscheidung, die zwar strikt am Wortlaut des Gesetzes verhaftet bleibt („geschätzt“ ist dort nicht genannt, weshalb das Gesetz auch unberücksichtigt bleibt), aber dadurch dem Anliegen des Gesetzes diametral entgegen läuft, wird zu Recht kritisch gewürdigt.93
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In einem anderen Fall verneinte das Landgericht Burgos mit Urteil vom 11.2.200294, dass die Angaben eines Franchise-Gebers bezüglich des voraussichtlich zu erreichenden Umsatzes irreführend seien. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass sich die Umsatzangaben des Franchise-Gebers – hier das Erreichen einer bestimmten Umsatzgröße – auf ein „Erreichen können“ beziehen dürften.95 Dabei nahm das Landgericht Burgos ebenfalls keinen Bezug auf die Regelungen des Real Decreto 201/2010 im Sinne einer Erläuterung beziehungsweise Kommentierung der geschriebenen Regelung. Und es stellte weiter auch nicht fest, ob der Umstand, dass es sich bei der Angabe des Franchise-Gebers um einen „nur möglicherweise zu erreichenden Umsatz handelte“, als wesentliche Information dem Franchise-Nehmer gegenüber zwingend anzugeben gewesen wäre. Insofern bleiben mehr Fragen als Antworten – eine Konkretisierung der Regelung findet gerade nicht statt.
(3) Gerichtliche Entscheidungen zu (vollständig) unterlassener Information und Aufklärung
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Das Landgericht Teruel lehnte mit Urteil vom 24.10.200196 eine Klage auf Kündigung des Franchisevertrages aufgrund Nichterfüllens der vorvertraglichen Informationspflichten ab.97 Dabei fehlte jegliche Bezugnahme auf Ley 7/1996 oder auf das Real Decreto 201/2010 sowie eine Klärung, ob die beabsichtigte Vertragsbeendigung in diesem Fall eine geeignete Konsequenz sei.98 Begründet wurde damit, dass die Parteien vertraglich vereinbart hatten, dass alle notwendigen Informationen vorliegen.99 Insofern war aus Sicht des Gerichts das Überprüfen dieses Sachverhalts nicht mehr notwendig.
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Insgesamt ist unklar, ob die unvollständige oder gänzlich unterlassene Erfüllung der Informations- und Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers die Nichtigkeit oder die Aufhebung des Franchisevertrages zur Folge hat. Ebenso, auf welche Rechtsnorm sich der Franchise-Nehmer berufen kann, wenn der Franchise-Geber eine Pflichtverletzung begangen hat. Es existieren einige Fälle, in denen Gerichte die Nichtigkeit der Vereinbarung aufgrund des Nichterfüllens der vorvertraglichen Pflichten des Franchise-Gebers erklärt haben.100 Dagegen wurde von anderen Gerichten entschieden, dass die Nichteinhaltung der Pflichten bloß ein administrativ zu ahndender Mangel sei, der keine Unwirksamkeit nach sich zöge.101 Im Allgemeinen wird von den Gerichten die Nichtigkeit bei minder schweren Mängeln ohnehin nicht angenommen.102
(4) Gerichtliche Entscheidungen unter Einbezug des Verhaltens des Franchise-Nehmers
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Die spanischen Gerichte bevorzugen bei Nichterfüllen der vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten die Anwendung der Art. 1265 ff. Real Decreto vom 24.7.1889, d.h. die Aufhebung des Vertrages wegen wesentlicher Mängel, was zur Folge hat, dass die Beweislast die erzielbare Rechtsfolge mit beeinflusst.103 Denn die Aufhebung des Franchisevertrages aufgrund Art. 1265 ff. Real Decreto vom 24.7.1889 setzt voraus, dass der Franchise-Nehmer den Mangel – die fehlende Information/Aufklärung – nachweisen kann.104
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Sowohl das Landgericht Saragossa (Urteil vom 11.4.2006)105 als auch das Landgericht Madrid (Urteil vom 26.7.2006)106 haben die Aufhebung eines Franchisevertrages abgelehnt, da der Franchise-Nehmer keinen hinreichenden Beweis für die (arglistige) Täuschung seitens des Franchise-Gebers liefern konnte.107 Das Landgericht Saragossa hatte in diesem Fall unter anderem zu entscheiden, ob der Franchise-Geber der Pflicht zur Übertragung von Know-how zur Genüge nachgekommen war. Es sah die Übertragung von Know-how als Grundvoraussetzung eines Franchisevertrages an und führte dies im Sinne von Ley 7/1996 und Real Decreto 201/2010 weiter aus. Letztendlich kam es zu dem Schluss, dass das Know-how insgesamt in ausreichendem Maße übermittelt wurde, da der Franchise-Nehmer nicht in der Lage war, das Gegenteil zu beweisen. Im zweitgenannten Urteil des Landgerichts Madrid wurde die Aufhebung des Franchisevertrages aufgrund von Täuschung abgelehnt. Dabei ging es unter anderem um die Schätzung von Gewinnen und Investitionen durch den Franchise-Geber, welche jedoch zusätzlich von dem Franchise-Nehmer vor Vertragsunterzeichnung selbstständig zu bewerten waren. Das Gericht kam zu der Auffassung, dass der Franchise-Nehmer seine Prüfpflicht betreffend die Angaben verletzt habe und daher das Vorliegen eines Fehlers beweisen müsse. Auch wenn Ley 7/1996 und das Real Decreto 201/2010 dabei einbezogen wurden, so basieren beide Entscheidungen letztendlich ebenfalls nicht auf Grundlage der spezifischen Rechtsvorschriften.108 Vielmehr haben die Gerichte ihre Entscheidungen auf Grundlage der zivilprozessualen Beweislastverteilung getroffen.
(5) Gerichtliche Entscheidungen unter Einbezug der kodifizierten vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten
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Wie unter dem vorherigen Gliederungspunkt (4) angesprochen, existiert durchaus – wenngleich in geringer Zahl – Rechtsprechung, die sich mit den kodifizierten vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten zumindest auseinandersetzt – so auch die Urteile des Landgerichts Madrid (Urteil vom 16.1.2006)109 sowie des Landgerichts Alicante (Urteil vom 4.5.2006).110
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Im Sachverhalt vor dem Landgericht Madrid forderte ein Franchise-Nehmer die Beendigung des Vertrages sowie Schadensersatz für die dadurch entstandenen Verluste, weil eine Unterstützung seitens des Franchise-Gebers im Hinblick auf den ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb wegen unzureichender Beratung und lückenhafter Mitteilung von Know-how ausblieb. Das Gericht erachtete die Informationen des Franchise-Gebers mit Rücksicht auf die Vorschriften aus Ley 7/1996 und dem Real Decreto 201/2010 als ausreichend und wies die Klage ab.111
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Das Landgericht Alicante stellte in einem anderen Zusammenhang fest, dass das Real Decreto 201/2010 nicht die Pflicht für den Franchise-Geber begründe, sich realisierende Umsatzprognosen bereitzustellen.112 Das Gericht sah eine bloße Schätzung des zu erwartenden Umsatzes als ausreichend an; hierdurch sei die Pflicht aus dem Real Decreto 201/2010 hinreichend erfüllt. Ferner sei eine Schätzung grundsätzlich nicht irreführend und enthalte ebenso wenig eine Umsatzgarantie. Die Schätzung müsse allerdings durch eine korrekte Anwendung von Bilanzierungsmethoden und deren Analyse zustanden gekommen sein. Da diese vorvertraglichen Pflichten scheinbar erfüllt wurden und der Franchise-Nehmer genug Zeit zur Prüfung der erhaltenen Informationen hatte und zudem über ausreichende Erfahrungen verfügte, lehnte das Gericht zudem das Vorliegen eines Mangels nach Art. 1266 Real Decreto vom 24.7.1889 ab.
bb) Fortwährende Probleme auch nach Inkrafttreten der Sonderregeln
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Ein Problem, welches auch nach Inkrafttreten der Franchiseregeln fortbesteht, ist die Bereitstellung von unvollständigen oder irreführenden Informationen seitens des Franchise-Gebers. Nicht zuletzt, weil noch immer Unsicherheiten darüber bestehen, welche Angaben von den vorvertraglichen Informationspflichten überhaupt umfasst werden und welche nicht. Gerade in Bezug auf Umsatzprognosen bestand weder vor noch nach Einführung der vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten eine eindeutige Mitteilungsverpflichtung des Franchise-Gebers.113 Wie zuvor dargestellt, ist nämlich nicht eindeutig geklärt, auf welcher Grundlage eine Umsatzprognose zu erfolgen hat, ferner ob eine überprüfbare Prognose oder lediglich eine Schätzung verlangt wird und welche Ansprüche jeweils daran zu stellen sind. Das Real Decreto 201/2010 verlangt zwar Informationen über den Markt, wozu wohl auch eine Umsatzprognose gehören sollte, welche aber nach Ansicht der meisten spanischen Gerichte eher eine freiwillige – und eben keine verpflichtende – Angabe darstellt.114 Da die Probleme der unvollständigen oder irreführenden Informationen vor und nach der Kodifizierung der vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten bestanden beziehungsweise weiterhin bestehen, ist auch anzunehmen, dass die dahingehenden Rechtsstreitigkeiten nicht zurückgehen werden.