Kitabı oku: «Internationales Franchise-Recht», sayfa 14
bb) Art. 6 Nr. 1 und 2 Gesetz Nº129/2004
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Wendet man sich nunmehr und ergänzend Art. 6 Nr. 1 und 2 Gesetz Nº129/2004 zu, dann erfährt die vorvertragliche Informations- und Aufklärungspflicht des Franchise-Gebers aus Art. 4 Gesetz Nº129/2004 nochmals eine andere Dimension. Denn Art. 6 Nr. 1 Gesetz Nº129/2004 verlangt darüber hinausgehend, dass der Franchise-Geber während der vorvertraglichen Phase dem potenziellen Franchise-Nehmer alle – nicht ohnehin nach Art. 4 Nr. 1 Gesetz Nº129/2004 offenzulegenden81 – Informationen rechtzeitig zur Verfügung stellen soll, die dieser für notwendig oder nützlich erachtet, um die Zielstellungen des Franchisevertrages erfüllen zu können. Auch bezüglich dieser Informationen sind nur solche ausgenommen, die objektiv als vertraulich einzustufen sind beziehungsweise bei deren Offenlegung der Franchise-Geber andernfalls die Rechte eines Dritten verletzen könnte. Legt der Franchise-Geber entgegen dieser Bestimmung die vom Franchise-Nehmer angeforderten Informationen nicht offen, so hat er gemäß Art. 6 Nr. 2 Gesetz Nº129/2004 dies dem potenziellen Franchise-Nehmer gegenüber zu rechtfertigen.
cc) Art. 4 Nr. 2 S. 2 Gesetz Nº129/2004 und die Verordnung Nº204/2005
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Wie bereits zu Beginn der Betrachtungen hervorgehoben, führt Art. 4 Nr. 2 S. 2 Gesetz Nº129/2004 zu einer Sonderregelung für Franchiseunternehmen, die vor Abschluss des in Rede stehenden Franchisevertrages nur außerhalb von Italien agiert haben. Art. 4 Nr. 2 S. 2 Gesetz Nº129/2004 ist dabei zunächst nur die Ermächtigungsgrundlage für das italienische Ministerium für produzierendes Gewerbe, eine Verordnung zu erlassen, die die zu liefernden Informationen bezüglich der in Art. 4 Nr. 1 lit. d), e) und f) Gesetz Nº129/2004 bezeichneten Anhänge für ausländische Franchiseunternehmer näher spezifiziert. Art. 4 Nr. 2 S. 3 Gesetz Nº129/2004 sieht für den Erlass der Verordnung eine 90-Tagesfrist ab Inkrafttreten des Gesetzes Nº129/2004 vor.
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Erlassen wurde in diesem Zusammenhang die Verordnung Nº204/2005 vom 2.9.2005, welche am 19.10.2005 in Kraft getreten ist. Auch wenn die 90-Tagesfrist aus Art. 4 Nr. 2 S. 3 Gesetz Nº129/2004 aufgrund einer großzügigen Gesetzesauslegung contra legem durch das Ministerium nicht eingehalten werden musste und dieses erst 18 Monate später tätig wurde. Das Ministerium war nämlich der Ansicht, dass derartige gesetzliche Fristen für den Erlass von Verordnungen für die öffentliche Verwaltung gerade nicht bindend seien, sondern nur einen Orientierungswert darstellen.82 Auf den eingeschränkten Anwendungsbereich der Verordnung Nº204/2005 im Vergleich zum Gesetz Nº129/2004 ist bereits an obiger Stelle hingewiesen worden.83
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Art. 2 Nr. 1 Verordnung Nº204/2005 stellt zunächst klar, dass die Verpflichtungen aus Art. 4 Nr. 1 lit. a), b) und c) Gesetz Nº129/2004 auch für ausländische Franchiseunternehmen Anwendung finden und hat demzufolge einen rein deklaratorischen Charakter. Dies leuchtet ein, da die Ermächtigung aus Art. 4 Nr. 2 S. 2 Gesetz Nº129/2004 gerade diesen Teilbereich von Art. 4 Gesetz Nº129/2004 nicht erfasst und damit verordnungsgegebene Abweichungen unzulässig wären. Darüber hinausgehend muss ein Franchise-Geber im Sinne des Art. 1 Nr. 1 Verordnung Nº204/2005 dem potenziellen Franchise-Nehmer 30 Tage vor Vertragsunterzeichnung eine vollständige Kopie des zu signierenden Vertrages sowie die in Art. 2 Nr. 2, 3, 5 und 6 der Verordnung Nº204/2005 aufgezeigten Anhänge aushändigen.
Art. 2 Nr. 1 Verordnung 204/2005
Ohne Einfluss auf die Verpflichtungen aus lit. a), b) und c) des Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes Nr. 129 vom 6.5.2004, muss der in Art. 1 [dieser Verordnung] bezeichnete Franchise-Geber dem zukünftigen Franchise-Nehmer spätestens 30 Tage vor Unterzeichnung des gewerblichen Franchisevertrages eine vollständige Kopie des zu signierenden Vertrages aushändigen. Beizufügen sind ferner die in den Nrn. 2, 3, 5 und 6 des Art. 2 [dieser Verordnung] aufgezeigten Anhänge.
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Art. 2 Nr. 2 der Verordnung Nº204/2005 bestimmt des Weiteren – ebenso wie Art. 4 Nr. 1 lit. d) Gesetz Nº129/2004 –, dass der Franchise-Geber verpflichtet ist, dem Franchise-Nehmer eine zahlenmäßige Auflistung der aktuell agierenden Franchise-Nehmer und der direkt von ihm selbst geführten Verkaufsstellen zur Verfügung zu stellen. Parallel zu der Bestimmung in Art. 4 Nr. 1 lit. e) Gesetz Nº129/2004 verlangt Art. 2 Nr. 5 Verordnung Nº204/2005 im Übrigen von dem bisher ausländischen Franchise-Geber die Zusammen- und Zurverfügungstellung einer Aufschlüsselung über die jährlichen Veränderungen der Franchise-Nehmeranzahl innerhalb der letzten drei Kalenderjahre, inklusive deren Standorte, wobei auch die dahingehenden Daten seit Tätigkeitsbeginn genügen, wenn die Unternehmung noch keine drei Jahre Bestand hat. Im Unterschied zu den Anforderungen des Gesetzes Nº129/2004 ist jedoch nach Art. 2 Nr. 2 und Nr. 5 Verordnung Nº204/2005 eine Einteilung hinsichtlich der einzelnen Staaten vorzunehmen, in denen die jeweilige Unternehmung betrieben wird. Auf Nachfrage des potenziellen Franchise-Nehmers hat der Franchise-Geber zudem die Liste gemäß Art. 2 Nr. 3 Verordnung Nº204/2005 sogar weitergehend zu konkretisieren, indem er dazu verpflichtet ist, Daten betreffend die Standorte und Verfügbarkeiten von zumindest 20 aktuellen Franchise-Nehmern zu liefern. Operieren weniger als 20 Franchise-Nehmer im System des Franchise-Gebers, hat er die Daten aller aktuellen Franchise-Nehmer zu liefern. Erleichterung kommt dem Franchise-Geber nur dadurch zu, dass die Bereitstellung der (qualifizierten) Liste auch elektronisch oder auf der Website des Franchise-Gebers erfolgen kann, Art. 2 Nr. 4 Verordnung Nº204/2005.
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Daneben ist gemäß Art. 2 Nr. 6 Verordnung Nº204/2005 dem Franchise-Nehmer durch den Franchise-Geber eine Zusammenfassung über alle Gerichts- sowie Schiedsgerichtsverfahren zu liefern. Zu berücksichtigen sind jedoch nur solche Gerichtsverfahren, welche in den letzten drei Jahren vor der 30-Tagesfrist aus Art. 2 Nr. 1 Verordnung Nº204/2005 stattgefunden und mit einem rechtskräftigen Gerichtsurteil abgeschlossen haben. Das Gleiche gilt für Schiedsgerichtsverfahren, die in der gleichen Zeitspanne zu einem abschließenden Schiedsgerichtsurteil geführt haben müssen. Letztendlich konkretisiert Art. 2 Nr. 7 Verordnung Nº204/2005 noch einmal diese Verpflichtung, indem mindestens die beteiligten Parteien, das zuständige Gericht, der Klagegegenstand und das letztliche Urteil anzugeben sind.
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Dem bisher ausländischen Franchise-Geber wird darüber hinausgehend die Verpflichtung aufgegeben, die zu liefernden Informationen in Bezug auf den abzuschließenden Franchisevertrag sowie die darauf bezogenen Anhänge auf seine Kosten in italienischer Sprache zu liefern, sofern dies der Franchise-Nehmer fordert (Art. 3 Nr. 1 Verordnung Nº204/2005).84 Umstritten ist allerdings, ob dies auch die gegebenenfalls erforderliche Übersetzung des gesamten Vertrages erfasst, was die herrschende Literatur wohl ablehnt.85 In allen anderen Fällen ist keine besondere Sprache für den Franchisevertrag oder die Offenlegungsdokumente vorgeschrieben, zumindest solange alle Vertragsparteien die gewählte Sprache vollständig verstehen.86
e) Informations- und Aufklärungspflichten des Franchise-Nehmers im Einzelnen
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Um die Vollständigkeit der Darstellung zu wahren, ist zudem kurz auf Art. 6 Nr. 3 Gesetz Nº129/2004 abzustellen, der die vorvertraglichen Pflichten des Franchise-Nehmers regelt. Dadurch wird auch dieser verpflichtet, dem Franchise-Geber rechtzeitig und vollständig alle Informationen der Wahrheit entsprechend zu liefern, die nützlich und angemessen sind, um die Zwecke des Franchisevertrages zu erreichen. Dies gilt – im Unterschied zu dem Pflichtenkatalog des Franchise-Gebers aus Art. 6 Nr. 1 und Nr. 2 Gesetz Nº129/2004 – auch dann, wenn der Franchise-Geber die Offenlegung dieser Informationen nicht ausdrücklich verlangt hat. Hintergrund dieser Verpflichtung des Franchise-Nehmers ist das Ziel des Gesetzgebers, die Informationsasymmetrie zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer zu vermindern.87
f) Zwingende oder dispositive Verpflichtung?
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Wirft man im Anschluss die Frage auf, ob die vorangestellten vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten zwingendes oder dispositives Recht darstellen, so bestimmt Art. 9 Nr. 1 Gesetz Nº129/2004 zunächst, dass das Gesetz auf alle Franchiseverträge Anwendung findet, die ab dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes in Italien abgeschlossen worden sind. Da das Gesetz Nº129/2004 gemäß Art. 9 Nr. 3 Gesetz Nº129/2004 einen Tag nach dessen Veröffentlichung im Italienischen Gesetzblatt in Kraft tritt, ist der 25.5.2004 der maßgebliche Stichtag.88 Für Altverträge gilt ab diesem Zeitpunkt eine einjährige Frist, die Verträge in Übereinstimmung mit den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen und, sofern nicht ohnehin schon geschehen, gemäß Art. 3 Nr. 1 Gesetz Nº129/2004 schriftlich zu fixieren, Art. 9 Nr. 2 Gesetz Nº129/2004.
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Zumindest nach der einjährigen Übergangsfrist findet damit das Gesetz Nº129/2004 für alle Franchiseverträge im Sinne des Art. 1 Nr. 1 Gesetz Nº129/2004 zwingende Anwendung. Vertragliche Abweichungen durch Parteivereinbarung oder Ausnahme-/Befreiungsbestimmungen sind dagegen im Gesetz Nº129/2004 nicht vorgesehen.89 Lediglich in der rechtswissenschaftlichen Literatur werden zwei Ausnahmefälle diskutiert, die bis dato aber noch keine Bestätigung durch die italienische Rechtsprechung erfahren haben. So wird insbesondere für Franchise-Nehmer, die bereits im Franchisenetzwerk tätig sind und lediglich einen neuen Standort erschließen wollen und für solche Franchise-Nehmer, die früher als Arbeitnehmer des Franchise-Gebers für das Franchiseunternehmen zuständig waren, eine Ausnahmeregelung ins Auge gefasst.90 Des Weiteren bestimmt neben dem Gesetz Nº129/2004 aber auch die Verordnung Nº204/2005 am Ende, dass die darin enthaltenen Bestimmungen für jedermann verpflichtend sind, sodass auch insoweit von zwingendem Recht zu sprechen ist. Dies gilt für die Verordnung Nº204/2005 ab dem Tag ihres Inkrafttretens und damit ab dem 19.10.2005. Wollte man daher dem zugrunde liegenden Gesetz Nº129/2004 eine lediglich dispositive Wirkung zuerkennen, so würde dies darüber hinausgehend auch der Systematik im Hinblick auf die Verordnung Nº204/2005 mit ihren zwingenden Bestimmungen widersprechen.
Verordnung Nº204/2005 am Ende
[…] Es ist für jedermann verpflichtend, diese Verordnung zu erfüllen und entsprechend durchzusetzen.
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Repetierend muss an dieser Stelle aber nochmals Art. 3 Nr. 4 Gesetz Nº129/2004 angeführt werden. Wie oben bereits dargelegt, untergliedert sich der im Franchisevertrag zu bezeichnende Mindestvertragsinhalt in einen zwingenden Teil und in einen fakultativen Teil. Sofern daher der in Art. 3 Nr. 4 Gesetz Nº129/2004 angesprochene fakultative Teil in Rede steht, hängt es von der Entscheidung der Vertragsparteien ab, ob dahingehende Vereinbarungen getroffen werden und erst nachgeordnet greift die Verpflichtung aus Art. 3 Nr. 4 Gesetz Nº129/2004, die Vereinbarungen in den schriftlichen Vertrag zu überführen.91 Vorausschauend auf die Rechtsanwendungspraxis soll zudem bereits darauf hingewiesen werden, dass im Hinblick auf die italienische Franchiseregelung inzwischen die Möglichkeit der Umgehung zwingender Rechtsvorschriften durch eine entsprechende Rechtswahl Diskussionsraum bekommen hat. Die Problematik soll hingegen später an zentraler Stelle erörtert werden.92
g) Informations- und Aufklärungspflichten in verschiedenen Vertragsphasen?
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Versucht man die Informations- und Aufklärungspflichten im italienischen Franchise-Recht den einzelnen Vertragsphasen zuzuordnen, so ist zunächst hervorzuheben, dass Art. 6 Gesetz Nº129/2004 bereits ausweislich seiner Überschrift („Vorvertragliche Verhaltenspflichten“) nur im vorvertraglichen Bereich Anwendung finden soll.93 Für Art. 4 Gesetz Nº129/2004 kann dagegen auch kein anderer Schluss gezogen werden. Zwar prangt über dessen Regelungsinhalt die Überschrift „Pflichten des Franchise-Gebers“. Sofern Art. 4 Nr. 1 Gesetz Nº129/2004 aber betreffend die Informations- und Aufklärungspflicht auf den Zeitpunkt 30 Tage vor Invollzugsetzung des Franchisevertrages abstellt, kann bereits nach der Natur der Sache keine Anwendung auf die Vertragsdurchführung stattfinden. Dies muss auch für Art. 4 Nr. 2 Gesetz Nº129/204 und die daraufhin erlassene Verordnung Nº204/2005 gelten, da insoweit auch nur auf Art. 4 Nr. 1 Gesetz Nº129/2004 verwiesen wird. Welche Probleme sich mit dem eingeschränkten Anwendungsbereich auf die vorvertragliche Phase bei der Durchführung des Franchisevertrages im Hinblick auf die Aktualisierung von vorliegenden Informationen ergeben, muss bei der Bewertung des Gesetzes im Anschluss erörtert werden.94
h) Rechtsfolgen bei Verletzung vorvertraglicher Informations- und Aufklärungspflichten
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Wurde durch die vorangehenden Ausführungen der Blick auf die vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers geschärft, so sollen die nachfolgenden Ausführungen dieses Bild dahingehend vervollständigen, dass nunmehr die Rechtsfolgen bei Verletzung derartiger Pflichten aufgezeigt werden.
aa) Sanktionierung durch Art. 8 Gesetz Nº129/2004
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Art. 8 des Gesetzes Nº129/2004 sanktioniert die Verletzung vorvertraglicher Informations- und Aufklärungspflichten durch den Franchise-Geber oder den Franchise-Nehmer. Hiernach führt die falsche Informationsübermittlung zur Möglichkeit, den Vertrag für nichtig zu erklären (Nichtigerklärung) sowie zum Schadensersatzanspruch des Geschädigten. Ungeachtet dessen ist dem Schadensersatzverlangen aber nur nachzukommen, wenn die zusätzlich erforderlichen Beweise und die Schadensquantifizierung nach allgemeinem italienischem Recht erbracht werden können.95 Der beispielsweise geschädigte Franchise-Nehmer muss daher vor allem einen adäquat kausalen Schaden nachweisen, was insbesondere bei einer langjährigen Vertragsbeziehung schwierig sein dürfte, zumal wenn hinzukommt, dass der Franchise-Nehmer seine Investitionen bereits durch das Franchisesystem amortisieren konnte.96 Betreffend die mögliche Nichtigerklärung wird dagegen in Art. 8 Gesetz Nº129/2004 auf Art. 1439 des Italienischen Zivilgesetzbuches verwiesen. Unter Beachtung des Telos von Art. 8 Gesetz Nº129/200497 ist dabei davon auszugehen, dass es sich bei dem Verweis in Art. 8 Gesetz Nº129/2004 um eine Rechtsgrundverweisung handelt, sodass bei der Prüfung der Nichtigkeitserklärung eines Franchisevertrages die Voraussetzungen des Art. 1439 Italienisches Zivilgesetzbuch ebenfalls zu berücksichtigen sind.98
Art. 8 Gesetz Nº129/2004 – Nichtigkeitserklärung des Vertrages
Hat eine Vertragspartei falsche Informationen übermittelt, so kann die andere Vertragspartei die Nichtigerklärung des Vertrages gemäß des Art. 1439 Italienisches Zivilgesetzbuch verlangen sowie auf Schadensersatz klagen, sofern dieser einschlägig ist.
Art. 1439 Italienisches Zivilgesetzbuch – Arglist
Eine Nichtigerklärung des Vertrages kann erfolgen, wenn eine Vertragspartei die andere Vertragspartei derart getäuscht hat, dass ohne diese Täuschung die andere Vertragspartei den Vertrag nicht abgeschlossen hätte.
Wurde die Täuschung durch einen Dritten begangen, ist der Vertrag nur dann für nichtig zu erklären, wenn sie der Vertragspartei, die von der Täuschung profitiert, bekannt gewesen war.
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Voraussetzung für die Nichtigerklärung des Vertrages ist demnach die vorsätzliche und kausale Täuschung des anderen Vertragspartners durch die falsche Informationsübermittlung. Entscheidend ist dabei, dass die Verletzung der vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflicht kausal zum Vertragsabschluss geführt haben muss, das heißt, dass ohne die vorsätzliche Pflichtverletzung ein Vertragsabschluss nicht zustande gekommen wäre.99 Die falsch zur Verfügung gestellten Informationen müssen daher wesentlich die Entscheidungsfindung des Franchise-Nehmers hin zum Eintritt in das Vertragsverhältnis beeinflusst haben.100 Dies wird auch im Vergleich mit Art. 1892 Abs. 1 Italienisches Zivilgesetzbuch deutlich.
Art. 1892 Abs. 1 Italienisches Zivilgesetzbuch – Unrichtige Erklärungen und Verschweigung von Tatsachen aus Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit 101
Unrichtige Erklärungen und die Verschweigung von Tatsachen durch den Versicherungsnehmer sind, wenn sie Umstände betreffen, hinsichtlich welcher der Versicherer bei Kenntnis des wahren Sachverhalts in den Vertrag überhaupt nicht oder nicht zu denselben Bedingungen eingewilligt hätte, ein Grund für die Nichtigerklärung des Vertrages, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat.
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Art. 1892 Abs. 1 Italienisches Zivilgesetzbuch sieht nämlich für einen Versicherungsvertrag die Anfechtung mit entsprechender Nichtigkeitsfolge vor, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer Umstände vorsätzlich oder grob fahrlässig verschwiegen hat, bei deren Kenntnis der Versicherer den Vertrag aller Wahrscheinlichkeit nach nicht oder nicht zu den vereinbarten Bedingungen abgeschlossen hätte. Zusammenfassend kann dabei im Hinblick auf Art. 8 Gesetz Nº129/2004 in Verbindung mit Art. 1439 Italienisches Zivilgesetzbuch festgehalten werden, dass damit lediglich die vorsätzliche und kausale Täuschung der anderen Vertragspartei eine Sanktionierung erfahren hat. Eine bloß fahrlässige Verletzung der vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflicht beispielsweise des Franchise-Gebers unterliegt folglich fortwährend der vorvertraglichen Haftung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben.
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Grundsätzlich ist für die Nichtigerklärung nach Art. 8 Gesetz Nº129/2004 eine Entscheidung durch ein Gericht beziehungsweise Schiedsgericht erforderlich.102 Zuständig für die Ansprüche aus der Verletzung vorvertraglicher Informations- und Aufklärungspflichten – beispielsweise für die Nichtigerklärung oder für Schadensersatzansprüche – ist die italienische Zivilgerichtsbarkeit.103 Es steht im Ermessen des entscheidenden Gerichtes, den Vertrag zurückabzuwickeln oder für nichtig zu erklären.104 Damit bleibt es letztlich aber auch der verletzten Vertragspartei vorbehalten an, dem Franchisevertrag weiter festzuhalten und die Nichtigkeit gerade nicht gerichtlich geltend zu machen. Entscheidet sich jedoch beispielsweise der Franchise-Nehmer zur klageweisen Geltendmachung der Vertragsnichtigkeit beziehungsweise des Schadensersatzverlangens nach Art. 8 Gesetz Nº129/2004 aufgrund einer vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichtverletzung des Franchise-Gebers, so trägt der Franchise-Nehmer die Beweislast für die vorsätzliche Nichtoffenlegung und die fehlerhafte Zustimmung zum Vertragsschluss.105 Ebenso hat er den erlittenen Schaden sowie die genaue Schadenshöhe zu beweisen, wobei es dem entscheidenden Gericht obliegt, Letztere aufgrund einer Schätzung oder nach Recht und Billigkeit zu bestimmen.106
bb) Rechtsfolgen in MasterFranchiseverträgen
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Im Falle eines MasterFranchisevertrages haftet der MasterFranchise-Geber selbstredend zunächst nach Art. 8 Gesetz Nº129/2004 dem MasterFranchise-Nehmer gegenüber, wenn er seine vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten ihm gegenüber verletzt hat. Darüber hinausgehend wird jedoch weiter vertreten, dass der MasterFranchise-Geber auch dem (Sub-)Franchise-Nehmer gegenüber hafte, wenn die vorvertragliche Informations- und Aufklärungspflichtverletzung des MasterFranchise-Nehmers gegenüber dem (Sub-)Franchise-Nehmer auf die falsche oder unzureichende Information des MasterFranchise-Gebers gegenüber dem MasterFranchise-Nehmer zurückzuführen ist. Eine selbstständige Haftung des MasterFranchise-Nehmers gegenüber dem (Sub-)Franchise-Nehmer komme dagegen nur dann in Betracht, wenn originär eine Verletzung einer vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflicht durch den MasterFranchise-Nehmer gegenüber dem (Sub-)Franchise-Nehmer vorliege.107 Davon zu trennen ist jedenfalls die Frage, ob der MasterFranchise-Geber selbst zur vorvertraglichen Information und Aufklärung gegenüber den einzelnen (Sub-)Franchise-Nehmern verpflichtet ist, was man wohl nur dann bejahen kann, wenn sich der MasterFranchise-Geber das Recht vorbehalten hat, selbstständig Franchiseverträge im Einzugsgebiet des MasterFranchise-Nehmers abzuschließen.108
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Sollten die falschen Informationen die Schwelle eines strafbaren Betrugs erreichen, ist zudem Art. 515 Italienisches Strafgesetzbuch einschlägig, der eine Geldstrafe bis zu 2.065,00 EUR oder eine 2-jährige Gefängnisstrafe vorsieht.109 So hatte beispielsweise die zweite Strafkammer des höchsten italienischen Gerichts, der Kassationsgerichtshof „Corte Suprema Di Cassazione“,110 im Jahr 2009 einen Franchise-Geber wegen Betruges schuldig gesprochen, da dieser dem Franchise-Nehmer gegenüber irreführend geworben und garantiert hatte, dass in hoch frequentierten Filialen Verkaufsautomaten zum Einsatz kommen, diese aber tatsächlich nur vorübergehend in kleineren Verkaufsstellen zum Einsatz gekommen sind.111 Neben einer Haftung aus unerlaubter Handlung sind strafrechtliche Haftungstatbestände im Prinzip die einzigen Tatbestände, die zu einer persönlichen Haftung der natürlichen Personen führen können, wenn der Franchise-Geber eine juristische Person ist. Der Handelnde muss allerdings die strafbare Handlung selbst verwirklicht haben. Eine nur einfache Verletzung von vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten hat dagegen keine strafrechtlichen oder behördlichen Konsequenzen.112 Soweit damit allerdings ein Fall einer unlauteren Geschäftspraktik im Sinne des Wettbewerbsrechtes verbunden ist, kann die italienische Wettbewerbsbehörde (ICA)113 Geldstrafen von 5.000 bis 5 Mio. EUR verhängen.114