Kitabı oku: «Eine Geschichte des Krieges», sayfa 11

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Bestrafung von Angriffen zwischen Staaten

Die Konflikte von beispielloser Gewalt, die sich über einen Zeitraum von dreißig Jahren, von 1914 bis 1945, erstreckten, hätten selbst das bescheidene Ziel der Zivilisierung des Krieges zwecklos erscheinen lassen können. Kein Staat, welche Verpflichtung er auch unterschrieben hatte, war bereit, auf seine militärischen Vorrechte zu verzichten, und angesichts der nur schwach ausgeprägten nationalen Systeme zur Verhinderung von Kriegsverbrechen warf die Fackel der Humanität in dieser Kriegsapokalypse nur ein jämmerliches Licht. Wie gezeigt werden konnte, respektierte die britische Regierung mehr als andere die von ihr offiziell ratifizierten Abkommen. Liegt der Grund darin, dass Großbritannien ein moralisch überlegener Staat war? Oder geht seine Achtung der Verträge nicht eher darauf zurück, dass es eine globale Hegemonie in der Epoche ausübte, als sich die Etablierung des Kriegsrechts abzeichnete? Manche Deutsche – deren Regierung sich über diese Verträge ganz ungeniert hinwegsetzte – merkten skeptisch an, dass die mächtigen Staaten nur Gesetze schufen, denen sie auch nachkommen konnten. So war es während der Blockade der Alliierten möglich, dass 600 000 deutsche Zivilist*innen verhungerten, ohne dass damit eine Verletzung des geltenden Völkerrechts vorlag, während die deutschen Operationen, die deutlich weniger Menschenleben kosteten, Vertragsverletzungen waren.

Am Ende des Ersten Weltkrieges wünschte sich die Öffentlichkeit juristische Mittel zur Beendigung statt zur Zivilisierung des Krieges. Aufseiten der Alliierten verurteilte der britische Premierminister David Lloyd George die von Kaiser Wilhelm II. begangenen »Verbrechen gegen die Menschheit«, nicht unter Verweis auf die Gräueltaten gegen Zivilist*innen (wie es spätere Generationen taten), sondern unter Verweis darauf, dass er aus Leichtsinn den fürchterlichen Konflikt ausgelöst habe. Es wurden Pläne entworfen, ihn dafür sowie für die Verletzung anderer Verträge zu verurteilen, beispielsweise die Neutralitätsgarantie Belgiens (die von seinen Generälen ignoriert worden war, als sie die Feindseligkeiten eröffneten). Doch die Pläne wurden nicht zu Ende geführt; stattdessen fand der frühere Souverän Zuflucht in den Niederlanden.

Da eine rückwirkende Bestrafung nicht erreicht wurde, forderte die Öffentlichkeit für die Zukunft eine Reglementierung des Einsatzes von Gewalt. Der pazifistische Geist, von dem die Völkerrechtsarbeit bis dahin kaum inspiriert gewesen war, lebte neu auf und fand Eingang in den Mitte der 1920er Jahre etablierten Rechtsrahmen. Eine Zeitlang glich die Öffentlichkeit auf beiden Seiten des Atlantiks einem »Teufel ganz krank von Sünde«9 (um die Worte des englischen Dichters Wilfred Owen aufzugreifen). Die Staatsmänner sahen sich gezwungen, darauf mit einer großen Gesetzesinitiative zu reagieren.

Die Jahre 1924–1928 waren in dieser Hinsicht entscheidend. Völkerrechtsexperten versuchten, zwischenstaatliche »Aggression« zu definieren, die als schlimmste Geißel der Menschheit wahrgenommen wurde, während sich die Staaten gleichzeitig selbstverständlich das Recht vorbehielten, Verteidigungskriege zu führen, und sich bei der Definition derselben reichlich Spielraum gönnten. Zunächst ging es darum, Bedeutung und Umfang des Begriffs der Aggression zu bestimmen. Ein Protokoll zur friedlichen Beilegung internationaler Differenzen (1924) schlug vor, zwischenstaatliche Aggression unter Strafe zu stellen und die Entscheidungsbefugnis einem internationalen Tribunal zu übertragen. Dieses Protokoll war Bestandteil einer französisch-britischen Initiative, um das Verbot von Kriegen in den Völkerbundvertrag aufzunehmen. Doch trotz beispielloser Anstrengungen von Diplomaten und Juristen scheiterten beide Projekte. Der Zwist entzündete sich an der Frage einer allgemeinen Definition der Aggression, auch wenn die verschiedenen Vorschläge anerkannten, dass alles von der Glaubwürdigkeit der je spezifisch anwendbaren Prozeduren abhing. Diese Diskussionen fanden am Rande jener Verhandlungen um ein dauerhaftes multilaterales, sich über den Völkerbund hinaus erstreckendes Friedensabkommen statt, die schließlich in den Vertrag von Locarno (1925) und den allgemeinen Pakt zur Ächtung des Krieges mündeten, welcher besser als Briand-Kellogg-Pakt (1928) bekannt ist.

Die Jahre der Zwischenkriegszeit erwiesen sich letztlich nicht als günstig für die Institutionalisierung eines Verbots – und weniger noch eines strafrechtlichen Verbots – der zwischenstaatlichen Aggression. Die Bewegung wurde durch den Börsenkrach von 1929 und die folgenden Ereignisse ausgebremst. Die Völkerrechtsspezialisten setzten dennoch ihre Bemühungen um eine juristische Kodifizierung fort. So enttäuschend die Ergebnisse auch waren, darf man die Arbeit der Juristen, das Engagement der Staaten und ihre Resonanz nicht unterschätzen. Nachdem das ius ad bellum im Fokus gestanden hatte, rückte das Interesse für das ius in bello in den Vordergrund. Die Genfer Konventionen wurden 1929 erneut revidiert, um den Schutz der Soldat*innen weiter auszubauen; die Vorschläge zu einem offiziellen Schutz von Zivilist*innen wurden hingegen abgelehnt. Hinsichtlich der Reglementierung des Kampfes selbst waren sich die Großmächte im Allgemeinen darüber einig, nur diejenigen Waffen zu verbieten, für die sie keinen Nutzen mehr zu haben meinten, sodass sich das Projekt der Zivilisierung des Krieges schnell dem Vorwurf ausgesetzt sah, dass es immer nur um die Reglementierung des jeweils letzten Konflikts ginge. Dumdumgeschosse waren im Rahmen der ersten Haager Friedenskonferenz verboten worden, trotz ihres verbreiteten Einsatzes bei den kolonialen Eroberungs- und Befriedungskriegen; lediglich sehr lockere Normen wurden zur Einschränkung der Städte- und Luftbombardements vorgeschlagen, die nach dem italienischen Giftgasbombardement Libyens 1911 einen Boom erlebten. Die Brutalität der Kolonialkonflikte nahm in der Zwischenkriegszeit nur noch zu. Das schließt die offiziell unter dem Protektorat des Völkerbundes befindlichen Territorien ein, so etwa Syrien, wo die Revolten 1925–1927 von Frankreich brutal niedergeschlagen wurden.

Das Kriegsrecht versagte gänzlich dabei, die Grausamkeit des Zweiten Weltkrieges einzuhegen (ob diese Gewalt nun von den kolonialistischen Vergehen herrührte oder von einer innereuropäischen Dynamik). Wie schon im Ersten Weltkrieg wurde das Recht mehr an der Westfront geachtet, wo die Kriegsgefangenen von einem Schutz profitierten, der der Idee der Verträge nahekam. Außerdem stand das Rote Kreuz weiterhin in hohem Ansehen (es erhielt 1917 und 1944 den Friedensnobelpreis), insbesondere wegen seiner Anstrengungen, den Kontakt zwischen den Kriegsgefangenen und ihren Familien aufrechtzuerhalten. Die Realität hinter den Kulissen sah weniger glorreich aus: Jacob Burckhardt, der Schweizer Leiter der Organisation, fürchtete die kommunistische Bedrohung so sehr, dass er Sympathien für die Achsenmächte hegte. Seiner offiziellen Neutralität zum Trotz und ungeachtet der ihm vorliegenden Informationen überging das Rote Kreuz stillschweigend den Völkermord an den europäischen Juden.

Der Nürnberger Prozess von 1945–1946 vor dem Internationalen Militärgerichtshof wird häufig als ein Völkermordprozess betrachtet. In Wahrheit stand er in Kontinuität mit den Debatten der Zwischenkriegszeit, da er die Fragen zwischenstaatlicher »Aggression« und unerlaubter Gewaltanwendung in den Vordergrund stellte. Dasselbe war ein Jahr später in Tokio der Fall, wo der Internationale Militärgerichtshof für den Fernen Osten Japan in erster Linie für Verstöße gegen das Kriegsrecht verurteilte. Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher führte Neuerungen im Bereich individueller Verantwortung ein, indem er die Bereitschaft zeigte, mehr als die Kriegsverbrechen den Krieg selbst zu verurteilen. In dieser Frage bestand Konsens zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, was starken Einfluss auf den Prozessverlauf hatte. In seiner einleitenden Erklärung gab der amerikanische Hauptanklagevertreter und Richter des Obersten Gerichtshofs Robert Jackson klar den Ton vor: »Mit dieser gerichtlichen Untersuchung wollen […] vier der mächtigen Nationen, unterstützt von weiteren siebzehn Nationen, praktisch das Völkerrecht nutzbar machen, der größten Drohung unserer Zeit entgegenzutreten: dem Angriffskrieg.«10

Der Prozess stellte auch einen Ort für Kriegsverbrechen – Verletzungen der Regeln des ius in bello – und für einen jüngeren Hauptanklagepunkt dar: die »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«11. Die Seerechtsabkommen der Zwischenkriegszeit hatten versucht, Angriffe von U-Booten auf neutrale Schiffe, wie es sie im Ersten Weltkrieg vielfach von deutscher Seite gegeben hatte, zu verbieten. Alle Großmächte gaben sich im Zweiten Weltkrieg dieser Praxis hin, aber nur der deutsche Großadmiral Karl Dönitz (kurzzeitiger Nachfolger Adolf Hitlers vor der Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands) wurde in Nürnberg schuldig gesprochen, sie in Verletzung des Völkerrechts angewandt zu haben. Er wurde damit auch der erste Staatschef, der für einen internationalen Verstoß gegen das Kriegsrecht verurteilt wurde.

Da die Nürnberger Prozesse und die Prozesse in den alliierten Besatzungszonen dem Kriegsrecht eine große Öffentlichkeit verschafft hatten, erreichte das Rote Kreuz eine Revision der Genfer Konventionen. Dadurch erhielten Zivilist*innen endlich einen klar definierten Schutz in Form einer einheitlichen internationalen Instanz. Doch es war der Kalte Krieg, der mehr als jeder andere Konflikt zuvor das Kriegsrecht sowohl aus militärischer Sicht als auch in den Augen der Öffentlichkeit transformierte. Und das in einer Zeit, in der sich bereits der Niedergang der europäischen Reiche mit ihrem Anteil entsetzlicher Gewalt abzeichnete.

Die Bürgerkriege im Visier

Bei der Neufassung der Genfer Konventionen 1949 war es nicht so sehr das Gespenst des Kalten Krieges als das der drohenden antikolonialen Kämpfe, das den Diskussionen seinen Stempel aufdrückte. Wie im Zweiten Weltkrieg hatte das Kriegsrecht wenig Einfluss auf diese Konflikte: Die Dekolonisationskriege begannen häufig als Bürgerkriege, die traditionell weniger reglementiert waren; dazu kommt, dass Gegenseitigkeit und Beschränkung für die Europäer*innen und Amerikaner*innen nie Thema war, wenn sie gegen nichtwestliche Gegner kämpften. Trotz der im Zweiten Weltkrieg erlebten Schrecken der Luftbombardements in Europa führte der noch grauenhaftere Horror, den der Abwurf der Brand- und Atombomben auf die japanischen Städte 1944 und 1945 verursachte, nicht zur Bestrafung dieser Praktiken als solcher. Die Nationale Befreiungsfront in Algerien prangerte vergeblich die Folter und andere Verstöße der französischen Armee an. Das ganze Ausmaß der Gewalt der Aufstandsbekämpfung, das das Ende des Kolonialreichs in Algerien wie in Malaysia, auf den Philippinen und in zahlreichen afrikanischen Ländern kennzeichnet, die Schauplätze wahrer Blutbäder wurden (wie der Massenmord an den Mau-Mau in Kenia oder in den portugiesischen Kolonien Angola und Mosambik) ist erst in jüngerer Vergangenheit ans Licht gekommen.

Dennoch wurden die Regeln, die den direkten Angriff auf Zivilist*innen untersagten, gestärkt; kollaterale Verwundungen und Tötungen wurden einzig in dem Maße als zulässig erklärt, als sie nicht in einer »unverhältnismäßigen« Beziehung zu einem als notwendig beurteilten militärischen Ziel standen. Die Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen (1977) gaben diesen Regeln einen viel klareren Ausdruck, insbesondere aufgrund des Beitrags neuer postkolonialer Staaten, die die bis zu diesem Zeitpunkt auf den Nordatlantikbereich beschränkten Regeln des Krieges an die Situation der Länder des Südens anpassten. Der Sieg ehemals als »terroristisch« beschriebener aufständischer Kräfte erleichterte so die Ausweitung verpflichtender Regeln auf die asymmetrischen und irregulären Kriege.

Während das Ziel einer rechtlichen Reglementierung der Gewaltanwendung zum Ende des Zweiten Weltkrieges noch populär gewesen war, sank in der Folge die Zustimmung in der öffentlichen Meinung und unter den Juristen. Diese Entwicklung bestätigte sich während des »zweiten« Vietnamkrieges nach dem Rückzug der Franzosen aus Indochina (1954). Im Gegensatz zu den Aufstandsbekämpfungsoperationen der britischen, niederländischen, französischen oder portugiesischen Kolonialmacht lässt sich die amerikanische Gewalteskalation in Südostasien Mitte der 1960er Jahre genau als »Aggression« in dem juristischen Sinne beschreiben, wie ihn die Vereinigten Staaten zwanzig Jahre zuvor selbst definiert hatten. Dennoch wurde dieser Vorwurf schnell mit dem Linksaktivismus assoziiert, der sich während dieser Jahre offen gegen den Krieg stellte (während der Pazifismus zuvor ein breiter geteiltes Anliegen gewesen war). Nach den Enthüllungen zum Massaker von My Lai schien es eher opportun, sich an die Verurteilung der zahlreichen Kriegsverbrechen zu halten, die von den amerikanischen Streitkräften und ihren Alliierten in Südvietnam und anderen Ländern vor Ort begangen wurden. Allgemeiner betrachtet bewirkten die während des Kalten Krieges vorgebrachten Anschuldigungen, Angriffskriege zu führen, eine Schwächung der Idee, dass über den Rahmen der Charta der Vereinten Nationen (1945) hinaus das Recht eines Tages die zwischenstaatlichen Kriege regulieren könnte, indem es die Bedingungen für den Gewalteinsatz selbst kontrollierte.

Zum Ende der Dekolonisation und des Vietnamkrieges entwickelte sich eine Menschenrechtsbewegung neuen Typs, die die gegen Zivilist*innen verübten Gräuel anprangerte. In dem Maße, wie die Sorge um Gewährleistung individueller Menschenrechte von der Bewegung auf die professionelle Interessenvertretung überging, spielte das Kriegsrecht eine immer zentralere Rolle in ihrer Definition. Noch wichtiger war vielleicht, dass die Armeen, die nun keine schmutzigen Kriege mehr zu führen hatten, die nationalen und völkerrechtlichen Regeln zum Verhalten bei Kampfhandlungen in einer Weise ernst zu nehmen begannen, wie es bei der Aufstandsbekämpfung der jüngsten Vergangenheit noch unvorstellbar gewesen wäre. Mit Niedergang der zwischenstaatlichen Kriege richtete sich der Blick der Kriegsrechts- und Menschenrechtsverteidiger*innen hauptsächlich auf die Bürgerkriege, die nun, insbesondere auf der Südhalbkugel, Schauplatz der schlimmsten Verbrechen wurden. Das Genfer Abkommen von 1949 hatte im berühmten Artikel 3 den erforderlichen Minimalschutz »im Fall eines bewaffneten Konflikts, der keinen internationalen Charakter aufweist«12, (auch Bürgerkrieg genannt) festgesetzt. Die Revision von 1977 fügte eine Reihe detaillierterer Regeln hinzu: einen Verweis auf die »Menschenrechte«, der im Abkommen von 1949 nicht enthalten war; und ein zweites zusätzliches Protokoll, das sich ausschließlich den nicht internationalen bewaffneten Konflikten widmete, auch wenn der Text im Weiteren Anlass für Kontroversen gab.

Während der Völkermord an den Jüdinnen und Juden in den Nürnberger Prozessen noch eine sekundäre Rolle gespielt hatte, änderten sich mit dem erneuten Aufkommen von Erlebnisberichten in den 1960er und 1970er Jahren, nun mit der Brille der postkolonialen Konflikte, die Prioritäten sehr grundlegend. Vor einem neuen zwischenstaatlichen Krieg geschützt, waren die Europäer*innen und Nordamerikaner*innen nun Beobachter*innen von Konflikten im Süden, in die ihre eigenen Armeen nicht notwendig involviert waren, die sie aber zu stoppen versuchen konnten. Diese neue Bewusstwerdung über den Völkermord an den Jüdinnen und Juden brachte einige dazu, eine neue Ära der humanitären Interventionen und der Einführung eines Interventionsrechts vorauszusehen, das Kriege, die andere als »Angriffskriege« abgelehnt hatten, als »gerechte Kriege« neu bestimmen würde.

Der große Traum von der Zivilisierung des Krieges

Das Ende des Kalten Krieges und besonders die Anschläge vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten markierten den Anfang einer neuen Welle von Interventionen der Großmächte auf der Welt. Der Krieg im Irak hat gezeigt, in welchem Maße die Frage nach der »Aggression« aktuell geblieben ist; doch es lässt sich auch nicht leugnen, dass die Aufmerksamkeit vor allem der Folterfrage, dem Internierungslager Guantánamo und dem Einsatz von Drohnen galt (im Allgemeinen wegen der dadurch verursachten Schädigung von Zivilist*innen): Der Übergang vom ius ad bellum zum ius in bello ist tatsächlich vollzogen. Aufgrund seiner Unterscheidung zwischen den Bürgerkriegen und den zwischenstaatlichen Kriegen fehlten dem ius in bello die Mittel zur Reglementierung von Konflikten zwischen Großmächten und nichtstaatlichen Akteuren, was seine Verfechter*innen entsprechend vor tiefgreifende Dilemmata stellte. Diesem Umstand sowie offenkundigen Verstößen zum Trotz haben sich die Bemühungen um einen juristischen Rahmen für Aufstandsbekämpfungsoperationen als erstaunlich effizient erwiesen, insofern die Armeen infolge der Dekolonisation und des Vietnamkrieges gelernt haben, die Verpflichtungen ihrer Regierungen ernst zu nehmen. Niemand kann bezweifeln, dass die Kriege nach dem 11. September zumindest im Vergleich zu früheren Konflikten stärker reguliert waren.

Doch dieser Sieg ist, soweit es das Kriegsrecht betrifft, kein ungetrübter. Die Träume vom dauerhaften Frieden und von der Reglementierung der Gewaltanwendung scheinen unerreichbarer denn je. Dem internationalen Strafrecht im Bereich der Kriegsverbrechen wurde fraglos neues Leben eingehaucht, es legt seinen Fokus aber auf Gräueltaten, insbesondere genozidale Gewalt, und auf sexualisierte Gewalt, die vom Kriegsrecht zuvor ignoriert worden waren. Indem es den Angriffskrieg und das ius ad bellum vernachlässigt, wendet sich das neue internationale Strafrecht vom Erbe der Nürnberger Prozesse ab. Der Begriff »Aggression« hat bei Bürgerkriegen wie dem in Bosnien oder dem in Ruanda nicht dieselbe Bedeutung: Zudem wurde er in das Römische Statut, mit dem der Internationale Strafgerichtshof geschaffen wurde, nicht aufgenommen, auch wenn er in der Folge regelmäßig wieder auf die Tagesordnung gesetzt wurde. In den 1960er Jahren wurde das Feld des ius in bello in »humanitäres Völkerrecht« umbenannt; der Traum Dunants, den Krieg zu »zivilisieren«, war seiner Realisierung nie näher.

Verbunden mit dem Fortschritt und der zunehmenden Akzeptanz der Verhaltensregeln für Kampfhandlungen haben der Rückgang der Anschuldigung von Verletzungen der territorialen Integrität der Staaten und ihrer politischen Unabhängigkeit sowie die ernsthaften Argumente zugunsten humanitärer Interventionen zu einem Resultat geführt, das Tolstoi hätte vorhersagen können.

Samuel Moyn ist Professor an der Yale Law School und am historischen Institut der Yale University. Er forscht zur europäischen Geistesgeschichte und zu Menschenrechten und ist Autor des Klassikers The Last Utopia. Human Rights in History (Cambridge 2010) sowie von Not Enough. Human Rights in an Unequal World (Cambridge 2018).

Literaturhinweise

Den besten Überblick zur Geschichte des Kriegsrechts bietet, obwohl schon vierzig Jahre alt, das klassische Werk von Geoffrey Best, Humanity in Warfare. A Modern History of the International Law of Armed Conflicts (London 1980). Für eine nützliche und in ihrem Anwendungsbereich umfangreichere Studie siehe Michael Howard, George Andreopoulos und Mark Shulman (Hg.), The Laws of War. Constraints on Warfare in the Western World (New Haven 1994).

Zur Zunahme des Tacitismus siehe das exzellente Werk Richard Tucks, The Rights of War and Peace. Political Thought and the International Order from Grotius to Kant (Oxford 1999). Eine brillante Studie und einzigartig in ihrem Feld des Kriegsrechts im 18. Jahrhundert vor Aufkommen des Humanitarismus ist The Verdict of Battle. The Law of Victory and the Making of Modern War (Cambridge, MA 2012) von James Whitman.

Zu Francis Liver und dem amerikanischen Schauplatz siehe die mittlerweile klassische Arbeit von John Witt, Lincoln’s Code. The Laws of War in American History (New York 2012). Über Henry Dunant und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz sind zahlreiche Untersuchungen erschienen, von Caroline Moorehead, Dunant’s Dream. War, Switzerland and the History of the Red Cross (London 1998), bis zu Gerald Steinacher, Humanitarians at War. The Red Cross in the Shadow of the Holocaust (Oxford 2017). Die Dokumente zum Kriegsrecht in verschiedenen Konflikten, darunter die beiden Weltkriege, finden sich über verschiedene Bücher verstreut. Die in dieser Hinsicht wichtigste Studie zum Ersten Weltkrieg ist Isabel Hull, A Scrap of Paper. Breaking and Making International Law during the Great War (Ithaca 2014); erwähnt werden sollte auch das zweite Kapitel von Annette Becker und Stéphane Audoin-Rouzeau, 14–18. Retrouver la guerre (Paris 2000; englisch: 14–18. Understanding the Great War, New York 2002). Außerdem gibt es ein historisches Subgenre, das sich spezifisch für das Luftbombardement interessiert, insbesondere Sven Lindqvist, A History of Bombing (New York 2001), und Yuki Tanaka und Marilyn Young (Hg.), Bombing Civilians. A Twentieth-Century History (New York 2009).

Unter der umfangreichen Literatur über das Kriegsrecht im Rahmen des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher sticht zu der Frage der dort thematisierten und der im Dunkeln gelassenen Punkte die kluge Arbeit von Donald Bloxham, Genocide on Trial. War Crime Trials and the Formation of Holocaust History and Memory (Oxford 2001), heraus. Was die Revision der Genfer Konvention von 1949 betrifft, bleibt die erschöpfendste Arbeit Geoffrey Best, War and Law since 1945 (Oxford 1994), siehe aber auch Pieter Lagrou, »1945–1955. The Age of Total War«, in: Frank Biess und Robert Moeller (Hg.), Histories of the Aftermath. The Legacies of the Second World War in Europe (New York u. a. 2010). Zum jahrtausendealten Problem des Bürgerkrieges siehe David Armitage, Bürgerkrieg. Vom Wesen innerstaatlicher Konflikte (Stuttgart 2018). Die Literatur zum Kriegsrecht in der Epoche der Dekolonisation und des Vietnamkrieges ist deutlich weniger umfangreich, beginnt sich aber zu entwickeln. Siehe zum Beispiel Fabian Klose, Menschenrechte im Schatten kolonialer Gewalt. Die Dekolonisierungskriege in Kenia und Algerien (1945–1962) (München 2009). Einen Vergleich zwischen dem Kriegsrecht zur Zeit des Vietnamkrieges und dem zur Zeit des Krieges gegen den Terrorismus findet sich in meinem Aufsatz »From Antiwar Politics to Antitorture Politics«, in: Austin Sarat, Lawrence Douglas und Martha Umphrey (Hg.), Law and War (Redwood City 2014).

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