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Kapitel 5

Hauptquartier Luzerner Polizei, Kasimir-Pfyffer-Strasse, Luzern, Schweiz,

März 2019

Nachdem er sich mit Ingrid versöhnt hatte, schneite auch Bussmann ins Sitzungszimmer RIGI.

Als man die Räumlichkeiten an der Kasimir-Pfyffer-Strasse saniert hatte, war wohl einem Genie ein Licht aufgegangen: Es war auf die absolut einmalige Idee gekommen, die Sitzungs- und Besprechungszimmer nach Bergen der Umgebung zu benennen. Jetzt tagten sie je nach Lust und Laune – oder besser gesagt, Versammlungsgrösse – im Pilatus, in der Rigi, im Napf oder im Sonnenberg.

Es waren alle versammelt: Nebst Kripochefin Eichenberger und Korporal Sauter auch die treue Seele der Kriminalpolizei, Korporal Christian Welti, ihm zur Seite hatte sich Neuzugang Gefreiter Sabrina Schmidig niedergelassen, auf den ersten Blick zierlich, ist sie für manchen Betrachter überraschend durchsetzungsfähig. Ihrem Dickschädel machte so schnell niemand Konkurrenz. Genauso wie Sauter gehörte auch Schmidig zu der aufstrebenden jungen Garde der Luzerner Polizei, in die Bussmann grosse Hoffnungen hegte.

Sich ebenfalls eingefunden hatte sich Staatsanwältin Gisela Wyniger. Mit Bedauern musste Bussmann feststellen, dass sich auch sein Widersacher, Hauptmann Alois Burkhalter, offenbar für den Depot-Mordfall zuständig fühlte. Burkhalter war stellvertretender Leiter der Kriminalpolizei und hatte damals bei Bussmanns Wahl zum Leiter der Kriminalpolizei ebenfalls ein Auge auf diesen Posten geworfen und hatte es bis dato nicht verkraften können, dass er Bussmann bei der internen Ausmarchung unterlegen war.

Die beiden waren wie Tonya Harding und Nancy Kerrigan; wobei sich Burkhalter bislang noch keiner Eisenstange zu Nutzen machte, sondern eher anderen Intrigen.

Eine war, jeder Erläuterung Bussmanns seinen Senf beigeben zu müssen. Auf diese Eigenheit verzichtete er natürlich auch dieses Mal nicht, als Bussmann in knappen Sätzen die Sachlage erklärte.

„Ist sicher ein anderer Lokomotivführer!“, ätzte Burkhalter. „Das sind die grössten Neidhammel, die ich kenne. Zudem halten sie sich für die Besten, dabei tun die ja nichts anderes als ihre Hebel nach vorne und nach hinten legen!“

Wie er denn darauf käme, wollte Bussmann wissen, woraufhin Burkhalter zu einer langen Tirade loslegte. Die Gesichtsfarbe Burkhalters wurde immer röter, weswegen sich Bussmann trotz der gigantischen Antipathie gewisse Sorgen um Burkhalters Blutdruck machte.

„Die wollen nichts tun, nur faul rumsitzen und fett absahnen! Aber kaum geht es einem von ihnen besser als dem anderen, schrecken sie vor Mord nicht zurück! Ich würde mir diesen Kost vorknöpfen, das sag’ ich euch!“

„Zuerst bestimme ich, wer im Team ist!“, ging Kripochefin Eichenberger dazwischen. Bussmann schenkte ihr einen dankbaren Blick.

„Bussmann übernimmt die Leitung, Sauter, Welti und Schmidig stehen ihm zur Seite. Viel Glück bei der Arbeit!“ Eichenberger sortierte ihre Akte und Bussmann nahm belustigt war, wie ein erzürnter Alois Burkhalter das Sitzungszimmer verliess.

„Bussmann und Sauter, unser neustes Ermittlerteam. Könnte man gleich eine Fernsehserie draus machen!“, grinste Corinne Eichenberger, woraufhin Bussmann schnaubte.

„Stell mir doch lieber eine Frau zur Seite, wie beim Tatort!“

„Wir sind hier aber nicht beim Tatort, zudem bist du viel freundlicher als Reto Flückiger!“

Bussmann grinste. Danke für die Blumen!

„Und Liz Ritschart ist lesbisch!“, warf Sabrina Schmidig ein.

„Ist gut, ist gut!“ Bussmann hob abwehrend die Hände! „Pascal ist natürlich auch eine tolle Wahl!“

Noch röter als dieser durch dieses Kompliment wurde allerdings Sabrina, was Bussmann schmunzelnd zur Kenntnis nahm. Er verkniff sich einen Kommentar und nahm sich die Aufgabenverteilung vor.

Korporal Christian Welti nahm den Weg von der Kasimir-Pfyffer-Strasse zum Bahnhof per Schusters Rappen auf sich. Er hatte den Auftrag gefasst, Eiholzers Arbeitskollegen unter die Lupe zu nehmen.

In der Bahnhofshalle sprach er einen Mann in SBB-Uniform an, welcher sich bereit erklärte, nach Vorweisen von Weltis Dienstausweis, diesem den Weg zu den Personalräumlichkeiten zu erläutern.

Dort angekommen, empfing Welti eine düstere Stimmung. Es waren etliche Lokomotivführer anwesend, alle sassen stumm an einem grossen weissen Tisch, andere in Relax-Sesseln oder auf einem Sofa. Keiner sprach ein Wort.

Auf dem Tisch war ein Foto Thomas Eiholzers aufgestellt, mit schwarzem Trauerflor dekoriert.

Welti räusperte sich, einige blickten auf.

„Kein guter Zeitpunkt, hierhin zu kommen!“, brummte einer.

„Ich fürchte doch!“ Welti hob seinen Dienstausweis. „Welti, Kriminalpolizei Luzern. Ich hätte da...“

„Jetzt belästigen Sie uns schon wieder!“ Wie aus dem Nichts war wieder dieser Hauser aufgekreuzt, der auch Welti am Nachmittag am Depot ordentlich auf die Nerven gegangen war.

„Ich mache nur meine Arbeit!“, verteidigte sich Welti bestimmt, doch Hauser liess nicht locker.

„Die Menschen hier haben einen Arbeitskollegen verloren und...“

„Genau deswegen bin ich hier. Wenigstens eine gerechte Strafe für den Täter hätte der arme Herr Eiholzer verdient, finden Sie nicht? Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe, ansonsten sehe ich mich gezwungen, Sie wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festzunehmen!“

Das hatte gesessen, Hauser war wie ein geprügelter Hund davongerauscht.

Der Disput hatte längst die Aufmerksamkeit aller Anwesenden erregt.

„Zunächst möchte ich mein tiefstes Beileid zum Tode Eures Kollegen aussprechen!“, begann Welti. „Ich weiss, dass Ihr Bähnler genau wie wir Polizisten eine Familie seid, und solche Verluste tragisch sind.“

„Sind Sie jetzt gekommen, um auf Mitleid zu machen?“, polterte einer, der ganz am Fenster sass. Er hatte seine Haarpracht längst verloren und trug ein fies wirkendes Lächeln auf seinen Lippen.

„Nein!“ Welti betrat den Raum. „Ich will nur Antworten auf unsere offenen Fragen erhalten, Herr...“

„Buholzer. Max Buholzer. Ich bin der Elitelokführer hier in diesem Depot.“

„Schön!“ Welti schien dies zu beeindrucken wie ein verwelktes Gänseblümchen.

„Der Eiholzer war ein wilder Kerl!“, dozierte Buholzer nun. „Fragen Sie mal den Kost Paul, wo ist der überhaupt?“

„Warum denn? Waren die beiden Freunde?“ Welti liess sich nichts anmerken, dass er über die tiefe Freundschaft der beiden Männer beste Kenntnisse besass.

„Nein! Der Eiholzer hat Kosts Frau gevögelt!“

Offenbar waren Weltis Kenntnisse doch nicht so gut gewesen.

Als Bussmann am Abend das Polizeigebäude verliess, atmete er tief durch. Lange hatte er noch Akten gewälzt, selbst dann, als sonst alle gegangen waren. Doch er konnte sich keinen Reim auf das Geschehene machen. Bis Welti aufgeregt ins Büro stürmte und die Neuigkeiten überbrachte. Doch Bussmann verzichtete, Kost noch an diesem Abend zu vernehmen, er sollte sich in Sicherheit wiegen.

Als er in den Hirschengraben einbog, um zu seinem im Kesselturm geparkten Wagen zu gelangen, bemerkte er im Augenwinkel ein umschlungenes Pärchen, das sich im Kegel einer Strassenlaterne innig küsste.

Die haben sich wohl im Jodlerwirt zu tief in die Augen geschaut!, sagte er zu sich selbst und schenkte dem Pärchen zu Beginn kaum Beachtung.

Doch beim Nähertreten erkannte er, dass es sich um Sabrina Schmidig und Pascal Sauter handelte. Leise wollte er an ihnen vorbeischleichen, als sich just in diesem Moment Sabrina vom Kuss löste und ihre Augen geradewegs in diejenigen Bussmanns blickten.

„Ach du Scheisse!“, entfuhr es ihr, erschrocken stiess sie Sauter von sich weg.

„E-Es sieht nicht danach aus, wie es...“, stotterte dieser, woraufhin Bussmann laut loslachte.

„Schon klar, ihr habt eure Kaugummis ausgetauscht!“

Die beiden Jungpolizisten lieferten sich einen Wettkampf im Rotwerden. Manche Tomate im Gewächshaus wäre neidisch geworden. Auch wenn es ihn reizen würde, die beiden noch ein wenig mehr zu nerven, besann sich Bussmann eines Besseren.

„Hört zu, ich finde es toll, wenn sich zwei Menschen verlieben, ihr müsst euch nicht schämen.“

„Aber der Job...“

„Sabrina, das ist doch kein Problem. Solange die Arbeit nicht unter eurem Techtelmechtel leidet und ihr vielleicht nicht die Bürotische für irgendwelche Aktivitäten missbraucht, spielt doch das keine Rolle.“

Sauter wurde noch röter, was Bussmann nicht entging.

„Pascal...habt ihr die Tische etwa schon missbraucht?“

Langsam nahmen die Gesichtsfarben der beiden gesundheitsgefährdende Rottöne an. Bussmann lachte noch mehr.

Ach, er war ja auch mal jung gewesen.

Kapitel 6

Nahe Khalil-Gibran-Park, Beirut, Libanon

März 2019

Saïd Mahmoudi schulterte seinen olivgrünen Rucksack und schlüpfte in seine orangenen Sneakers. Nervös blickte er immer wieder auf seine Armbanduhr.

In den letzten Tagen war er aus Syrien in den Libanon geflüchtet, zuvor hatte er für den Islamischen Staat gegen die Kurden gekämpft. Eigentlich wollte er sein Leben für das Kalifat geben, doch offenbar hatte jemand andere Pläne für ihn. Man wollte ihn an einer anderen Stelle gebrauchen. Hatte sich etwa herumgesprochen, welche Glanztaten er in Aleppo oder an anderen Orten verbracht hatte?

Schnell konnte er im Flüchtlingsstrom über die Grenze zum Libanon untertauchen und wurde heute früh in eine Wohnung im Stadtzentrum Beiruts gebracht. Jemand hatte wohl seine Beziehungen spielen lassen. Nicht zu seinem Nachteil war es auch gewesen, dass der Libanon Hauptanlaufstelle der aus Syrien Flüchtigen war und als bevölkerungsmässig eher kleines Land mit der Menschenflut eher überfordert war.

Als Saïd die Menschen betrachtete, wurde ihm bewusst, dass diese wegen Typen wie ihm flohen. Kurz überkam ihn das schlechte Gewissen, doch er wusste dies zu beseitigen.

Er war ein Profi. Ein Profi mit einem Auftrag: Baschar al-Assad zu beseitigen, um dann seinen Artgenossen zur Macht in Damaskus zu verhelfen.

Die Wohnung war eher eine Kammer, durch ein kleines Fenster wurde diese mit Tageslicht versorgt. Das einzige, was er als Anweisung erhalten hatte, war sich zu rasieren. Die Haare seines Bartes verschwanden im Abfluss.

In seiner Kammer wartete er, bis gut zwei Stunden später ein Kurier mit einem braunen Briefumschlag auftauchte, nach Abgabe der Sendung aber wieder wortlos verschwand. In dem Umschlag hatte sich ein Flugticket der Aigle Azur nach Paris befunden, beigelegt ein Hinweis, dass um sieben Uhr abends ein schwarzer Audi vorbeigeschickt würde, um Saïd abzuholen.

Saïd war nervös, die verabredete Zeit war längst vorüber. Hatte er den Wagen verpasst?

Langsam bekam er es mit der Angst zu tun, hatte er versagt? Er kannte die Schergen des IS gut genug, um zu wissen, dass mit denen nicht zu spassen war. Enttäuschte er sie, musste er mit dem Leben bezahlen. Das war stets Ansporn genug gewesen, im Krieg gegen Assad und den Kurden alles zu geben.

Sein Puls schien zu explodieren, als es an der Türe klopfte.

Zaghaft öffnete er die Tür. Ihm gegenüber stand ein H zwei Meter gross und breit wie eine Telefonzelle.n Hlopfte.genug, um zu wissen, dass mit denen nicht zu spassen war. Enttäuschtüne, sicherlich zwei Meter gross und breit wie eine Kommode.

„Mitkommen!“, befahl dieser nur und hastete los. Saïd hatte Mühe, ihm zu folgen.

Der Fond des schwarzen Audis war geräumig, selten war Saïd in einem solch modernen Wagen gesessen. Damals beim IS wurden ihm alle Annehmlichkeiten versprochen, den klischeehaften Jungfrauen im Himmel inklusive. Er hoffte, eines Tages noch für seinen Einsatz belohnt zu werden.

Der Riese lenkte den Wagen geschickt durch die Strassen Beiruts in Richtung Süden. Saïd bemerkte das Nationalstadion des Libanon, welches sich zu seiner Linken erhob. Bald erkannte er auch die stetig zunehmende Anzahl Schilder, welche auf den nahen internationalen Flughafen der Stadt hinwiesen.

„Viel Glück!“, brummte der Riese nur, als er Saïd bei der Abflughalle aussteigen liess. Bevor dieser auch nur antworten konnte, war der Audi bereits wieder davongebraust.

„Also los!“, sprach sich Saïd Mut zu, als er sich bei der Check-in-Schlange der Aigle Azur einreihte.

Kapitel 7

Widenmatt, Malters, Schweiz,

März 2019

Paul Kost war nicht ganz erfreut, als er um fünf Uhr in der Früh durch ein Sondereinsatzkommando der Luzerner Polizei aus seinem wohlverdienten Schlaf gerissen wurde. In ausgeleierten Unterhosen und einem weissen Unterhemd bot er nicht gerade einen schönen Anblick.

„Was soll das?“, erboste er sich.

Bussmann, dessen Augenringe noch vom Schlafmangel der letzten Nacht gezeichnet, blieb cool.

„Sie wussten, dass Ihre Frau eine Affäre mit Eiholzer hatte?“

„Klar, darum ist sie auch ausgezogen.“

„Warum haben Sie uns denn das nicht gesagt?“

„Weil ich Ihnen sonst ein Tatmotiv gegeben hätte...“

„Tja“, Bussmann unterdrückte ein Grinsen. „Wir haben es selbst herausgefunden. Und ja, Sie haben Recht: Es ist ein Tatmotiv!“

„Ich bin aber unschuldig!“, protestierte Kost und wehrte sich mit Händen und Füssen gegen die Festnahme, doch die zwei jungen Beamten des SOK waren ihm kräftemässig weit überlegen.

„Also gut. Pfeifen Sie Ihre Gorillas zurück, ich komme freiwillig mit!“, gab er sich nach einer Weile geschlagen. „Aber ich möchte mir noch was anziehen!“

„Das wäre von Vorteil!“, kommentierte Bussmann.

Dass an einem frühen Morgen ein Grossaufgebot von Polizeikräften im beschaulichen Malters aufkreuzte, sorgte für ordentlich Gesprächsstoff im Dorf. Schnell machte die Runde, dass der Lokführer Kost mit auf den Posten genommen wurde; schlaue Köpfe spannten sogleich ein Netz von Zusammenhängen mit dem Mord in Luzern.

„Selbst wenn er unschuldig ist, vom Image wird er nie wieder loskommen!“, meinte ein Dorfbewohner zu einer Video-Journalistin eines lokalen Fernsehsenders, die sich noch am Morgen in Malters umgehört hatten.

Auch Kosts Noch-Ehefrau Marlies wurde aus ihrer neuen Wohnung am Haslirain in Perlen ins Luzerner Präsidium verfrachtet; wie es der Zufall wollte, begegneten sich die Eheleute Kost im Flur, die Begrüssung fiel entsprechend frostig aus. Doch die Atmosphäre erhitzte sich, Marlies sei Dank.

„Gib’s doch zu!“, keifte sie ihren Noch-Ehegatten an.

„Was?“

„Dass du Thomas die Rübe weggeknallt hast! Du konntest nicht verkraften, dass ich ihn mehr geliebt habe als dich!“

„Was unterstellst du mir?“

Bevor Marlies etwas erwidern konnte, wurden die beiden in getrennte Verhörräume gebracht. Sauter und Sabrina kümmerten sich um Marlies, während Welti sich gemeinsam mit Staatsanwältin Wyniger Kost vorknöpfte. Bussmann und Kripochefin Eichenberger verfolgten beide Vernehmungen aus einem Überwachungsraum, welcher mit einem einseitigen Spiegel hervorragende Ausblicke in die beiden Verhörräume bot. Je ein Mikrofon pro Raum übertrug das Gesprochene in den Observationsraum.

„Seit wann haben Sie eine Affäre mit Thomas Eiholzer?“, fragte Sabrina sachte. Marlies Kost schnäuzte sich die Nase.

„Seit gut einem halben Jahr. Wir haben uns bei einer Veranstaltung getroffen und es hat sofort gefunkt!“

„Seit wann wissen Sie von der Affäre Ihrer Frau?“ Gisela Wyniger fixierte Kost mit eisigem Blick.

„Seit zwei Wochen!“

„Wie haben Sie davon erfahren?“

„Ich habe es ihm gestanden, ich konnte mir dem schlechten Gewissen nicht mehr leben!“ Tränen rannen über Marlies' Wangen. tersetzteronnte mir dem schlechten Gewissen nicht mehr leben!"at sofort gefunkt!"ein kleiner, untersetzterüber Marlies' Wangen.

Kapitel 8

Aéroport Paris-Orly, Paray-Ville-Poste, Île-de-France, Frankreich

März 2019

Pünktlich um sieben Uhr in der Früh setzte der Airbus A320 der Aigle Azur auf der Landebahn des Flughafens Paris-Orly auf. Die knapp vier Stunden Schlaf, die Saïd während des Fluges hatte, liessen ihn gerädert aussehen.

Die nächste Sorge bereitete ihn die Einreisekontrolle im Terminal. Er hatte noch ein laufendes Schengen-Visum, doch war die Einreise aus dem Libanon nach Frankreich für einen algerischen Staatsbürger nicht gerade einfach.

Tatsächlich wurde er einer vertiefenden Kontrolle unterzogen.

„Grund Ihres Frankreichaufenthaltes?“

„Ich bin hier aufgewachsen und besuche meine Verwandten?“

„Wo denn?“

„In Saint-Denis!“

„Da wäre doch der Flughafen Charles-de-Gaulle näher gewesen?“ Was war denn das für eine Frage? Saïd runzelte kurz die Stirn.

„Ich habe den erstbesten Flug gebucht!“

Nachdem die Leibesvisitation erfolgreich verlaufen war, erhielt Saïd seinen Einreisestempel und einen Hinweis, dass sein Schengen-Visum bald zu erneuern wäre.

Da er kein Gepäck mit sich hatte, konnte er direkt in die Ankunftshalle durchgehen. Dort erwartete ihn ein kleiner, untersetzter Mann mit orientalischem Aussehen, der ein Schild mit Saïds Namen mit sich trug. Er stellte sich als Pierre vor.

„Gehen wir zu meinem Wagen!“ Saïd folgte Pierre.

In einem düsteren Parkhaus, dessen Sichtbeton längst mit einer hässlichen dunkelgrauen Farbe versehen war, wartete Pierres Wagen.

Saïd hatte mit allem gerechnet: Einem klapprigen Peugeot, einem Citroën D2 oder einem designmässig verunstalteten Renault, doch nicht erwartet hatte er, dass Pierre einen Tesla steuern würde.

„Ein Model S!“, erklärte Pierre mit ganzem Stolz. Offenbar hatte er Saïds verblüffenden Blick bemerkt.

Die Fahrt führte vom Flughafen Orly nach Norden. Der Selbstfahrmodus des Tesla funktionierte im stockenden Verkehr der südlichen Pariser Vororte vorzüglich, musste dann aber auch beim Stau beim Anschluss zum Boulevard Péripherique kapitulieren. Pierre fluchte und warf immer wieder nervöse Blicke auf seine Armbanduhr.

„Wohin fahren wir?“ Saïd hoffte auf Saint-Denis. Als er als Teenager Mitte der 2000er-Jahre aus dem Maghreb via die Schweiz nach Frankreich geflüchtet war, war Saint-Denis zu seiner ersten Heimat geworden. Im Schatten des gloriosen Stade de France war er aufgewachsen, in einer der für die Pariser Banlieue typische Plattenbausiedlung. Die einzige Freizeitbeschäftigung war Fussball gewesen, die Perspektiven für die Zukunft schlecht, zu gross waren die Klassenunterschiede zwischen ihnen und dem französischen Kleinbürgertum.

Die Tatsache, dass aus ihm und seinen Freunden kaum die nächste Generation neuer Zinedine Zidanes entstehen würde, war hart. Fussball wäre wohl der einzige Weg gewesen, dieser Gosse, die sich Banlieue schimpfte, zu entfliehen. Saïd nahm an den regelmässig stattfindenden Vorstadtunruhen teil, verbrachte etliche Nächte in Polizeigewahrsam und war empfänglich für die Botschaften des Islamischen Staates. Die Imame hatten ihm eine Zukunft versprochen.

Und so kam es, dass er im Jahre 2014 den Weg nach Syrien auf sich nahm, um gegen das Regime von Baschar Al-Assad zu kämpfen. Saïd war der heimliche Herrscher Aleppos – und jetzt, als das Kalifat des IS dem Ende entgegen zu gehen schien, wurde er für andere Aufgaben abkommandiert.

„Ich darf Ihnen den Zielort nicht verraten!“, entgegnete Pierre knapp und drückte auf die Hupe, als ein gestresster Renaultfahrer ihm im wieder anzurollenden Verkehr die Spur abschnitt.

Während der ganzen Fahrt, bei der die beiden das Pariser Stadtgebiet umrundeten, war Saïd gespannt wie eine Feder.

Des Rätsels Lösung folgte, als Pierre vor der Place Auguste Baron im 19. Arrondissement den Blinker setzte und den Boulevard Péripherique verliess.

Kurz darauf erreichten sie das Stadtgebiet von Aubervilliers. Die östliche Nachbarstadt von Saint-Denis war wie diese einer der hässlichen Vororte der französischen Hauptstadt und nicht viel mehr als eine Ansammlung hässlicher Plattenbauten.

Pierre bog in eine Zufahrtsstrasse zu einer Sozialwohnungssiedlung ab. Der Tesla wirkte nun hier mehr als fehl am Platze.

Ganz im Gegensatz zu Saïd; dieser wusste, weswegen er hier war.

Aubervilliers war eine Hochburg von Schläfern des Islamischen Staates.

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Serideki Birinci kitap "Vitus Bussmann"
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